Verkehr, Kirche, Schulwesen - Heinrich Frauendorfer - E-Book

Verkehr, Kirche, Schulwesen E-Book

Heinrich Frauendorfer

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Beschreibung

Die 1914 im Original veröffentliche Reihe "Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. " gehört zu den umfangreichsten historischen Abhandlungen über die Entwicklung und den Aufbau des Kaiserreiches. Hier in einer Wiederauflage von insgesamt acht Bänden vorliegend, umfasst das Werk auf fast 2000 Gesamtseiten Beiträge der wichtigsten Koryphäen ihrer Zeit zu relevanten Themen. Dies ist Band 4, der unter anderem das Verkehrswesen zu Lande, zu Wasser und in der Luft, den Staat und die evangelische sowie katholische Kirche sowie das Schulwesen behandelt.

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Verkehr, Kirche, Schulwesen

 

Deutschland unter Kaiser Wilhelm II.

 

Band 5

 

 

 

 

 

 

Deutschland unter Kaiser Wilhelm II., Band 5

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849663186

 

Quelle: https://de.wikisource.org/wiki/Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II. Der Text folgt dem 1913/1914 erschienen Werk und wurde in der damaligen Rechtschreibung belassen.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. 1

Der Weltverkehr.1

Die Eisenbahnen.3

Der Straßenverkehr.31

Der Luftverkehr.35

Post- und Telegraphenverkehr.38

Wasserstraßen und Binnenschiffahrt60

I. Allgemeines.60

II. Strom-, Kanal- und Hafenbauten.65

III. Betriebsorganisation.83

IV. Verkehrsentwickelung.87

V. Finanzierung.94

Die Seeschiffahrt100

Staat und Kirche. 115

Die evangelische Kirche und Theologie. 121

I. Die Krisis der evangelischen Landeskirchen.121

II. Die theologische Lage der Gegenwart.141

III. Wendung und Weiterbildung.155

Die katholische Kirche. 178

Die Universitäten. 212

Die technischen Hochschulen. 226

Das höhere Schulwesen. 236

Volksschulen. 257

Die Fach- und Fortbildungsschulen. 291

Die Fortbildungsschulen.295

Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph

Von Staatsminister a. D. von Frauendorfer, München, u. Ministerialrat v. Völcker, München

Der Weltverkehr.

In den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts hat sich, nicht gekennzeichnet durch bestimmte geschichtliche Ereignisse, aber in ihren Wirkungen deutlich wahrnehmbar, eine wichtige Wandlung in der wirtschaftlichen Verkettung der Völker durch den Weltverkehr vollzogen.

Wohl gab es einen Weltverkehr, seitdem die neue Welt entdeckt war. Aber der Weltverkehr hat die Rohstoffe und Lebensmittel des Massenbedarfs fast drei Jahrhunderte lang überhaupt nicht erfaßt und sie selbst noch während des größten Teils des neunzehnten Jahrhunderts nur zwischen den Küsten der Weltmeere vermittelt. Das Innere der Kontinente ist dem Weltverkehr in den Massenhandelsgütern fast vier Jahrhunderte hindurch so gut wie verschlossen geblieben.

Den Eisenbahnen war es vorbehalten, dem Verkehr die Welt im vollendeten Sinne des Wortes zu öffnen.

Aber auch sie bedurften hierzu der Entwicklung eines halben Jahrhunderts. Ihre Frachten waren anfangs für den Massenverkehr zu teuer, auch die Technik der Seeschiffahrt war zunächst einem solchen Massenverkehr nicht gewachsen und die Weltwirtschaft war für den regelmäßigen Austausch von Massengütern noch nicht organisiert. Diese Organisation mußten die Eisenbahnen erst vorbereiten. Sie ermöglichten zunächst den Austausch der Menschen in großem Stile. Eine Völkerwanderung bewegte sich seit den 1830er Jahren in ununterbrochenem Strom über den Atlantischen Ozean und wurde drüben wiederum durch die Eisenbahnen, die in mächtigen Strängen den amerikanischen Kontinent von der atlantischen bis zur pazifischen Küste durchqueren, verteilt. Der Personenverkehr wurde zum Pionier des Güterverkehrs. Die Besiedelung der neuen Welt mit einer tatkräftigen Bevölkerung europäischer Kultur führte zur Umwandlung weiter bisher unausgenützter Steppen und Prärien in fruchtbares Ackerland. Allerorten wurden die Bodenschätze gehoben. In den westeuropäischen Kulturländern entwickelten sich mächtige Industrien: ihre wachsende Bevölkerung kann nunmehr von der eignen Landwirtschaft nicht mehr ernährt, auch die Rohstoffe müssen zu einem großen Teil von außen bezogen werden. Es entsteht ein intensiver Austausch von Industrieerzeugnissen gegen Lebensmittel und Rohstoffe zwischen den Industriestaaten einerseits und den Agrarexportländern anderseits, eine internationale Arbeitsteilung und eine vielgestaltige wirtschaftliche Verkettung der Länder der ganzen Erde.

 Noch stehen wir mitten in dieser gewaltigen Umwälzung, aber man kann vielleicht den Zeitpunkt, da Wilhelm II. Deutscher Kaiser wurde, auch als den Zeitpunkt bezeichnen, zu dem die neue Zeit des Weltverkehrs anbricht.

Freilich ernste Sorgen sollte die neue Entwicklung dem jungen Kaiser schon in den ersten Jahren seiner Regierung bereiten. Die vaterländische Landwirtschaft, bisher das Fundament unseres Volkslebens, wurde in ihren Grundfesten erschüttert. Das unaufhaltsame Eindringen fremden Getreides auf den heimischen Markt bewirkte einen Preissturz dieses wichtigsten Bedarfsgegenstandes, wie ihn die Geschichte der Kulturländer seit sechs Jahrtausenden nicht zu verzeichnen hat. Der Weizen, der in den Jahren 1871 bis 1876 in Deutschland durchschnittlich 235 Mark die Tonne gekostet hatte, war 25 Jahre später auf 161 Mark gesunken.

Aber wie Kronos seine eigenen Kinder verschlingt, so sollte der Weltverkehr selbst bei der Beseitigung der Schäden, die er angerichtet hatte, mitwirken.

Kaiser Wilhelm II. hat mit klarem Blick die Bedeutung des Weltverkehrs in unserem heutigen Wirtschaftsleben erkannt. Sein geflügeltes Wort von der Welt, die unter dem Zeichen des Verkehrs steht, legt ebenso wie die ganze Richtung seiner Politik Zeugnis hiervon ab. In einer über 40 Jahre dauernden Friedensperiode konnten sich unter dem segensreichen Einfluß des Verkehrs, der Deutschland immer enger mit der ganzen Erde verknüpfte, die in unserem Vaterlande schlummernden wirtschaftlichen Kräfte mächtig entfalten und eine Zeit beispiellosen Aufschwunges von Handel und Industrie heraufführen. Und diese Entwicklung ermöglichte es, der notleidenden Landwirtschaft mit einem wirksamen Zollschutz zu Hilfe zu kommen. Die reich gewordene Industrie konnte die höheren Lebensmittelpreise bezahlen, die Landwirtschaft aufs neue erstarken. Und sie vergalt der Industrie in reichem Maße, was diese ihr gegeben hatte. Sie wurde ihr wichtigster Abnehmer. Und so sehen wir heute am Ende einer 25 jährigen Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. eine blühende Landwirtschaft neben einem kräftig entwickelten Handels- und Gewerbestand. Unser Vaterland erfreut sich jenes glücklichen Wirtschaftszustandes, in welchem die günstige Entwicklung jedes einzelnen Erwerbszweiges die Entwicklung des anderen mächtig fördert.

Und so kräftig war der Aufschwung, daß heute die deutsche Nation sich für ihren Geburtenüberschuß den nötigen Ellbogenraum im eigenen Lande geschaffen hat, daß die deutsche Auswanderung, die dem Vaterlande bis gegen das Ende der 1880er Jahre alljährlich Hunderttausende seiner besten Söhne entführt hatte, nahezu zum Stillstand gekommen ist.–

Die Eisenbahnen.

I. Die Eisenbahnpolitik.

Die Verstaatlichungspolitik.

Die großen Verstaatlichungsaktionen in den deutschen Ländern, vornehmlich in Preußen, waren schon vor 1888 im wesentlichen abgeschlossen. Es gab in Deutschland sieben größere in sich geschlossene und selbständig nebeneinander bestehende Staatsbahnsysteme: die Reichseisenbahnen, die preußische, bayerische, sächsische, württembergische, badische und oldenburgische Staatsbahnverwaltung.

In Preußen wurden in der Folge noch etwa 2400 km Privatbahnen verstaatlicht. Auch in Mecklenburg wurde der größte Teil der Privatbahnen des Landes in das Eigentum und den Betrieb des Staates genommen, Bayern erwarb 1909 die pfälzischen Eisenbahnen.

Der hessische Staat löste 1897 den in seinem Gebiet liegenden Anteil der hessischen Ludwigsbahn ein, nahm sie aber nicht in eigenen Betrieb, sondern übergab sie dem preußischen Staat zur gemeinsamen Mitverwaltung (siehe folgende Seite).

So stand am Ende des Rechnungsjahres 1911[1] in Deutschland einem Staatsbahnnetze von 57 541 km ein Privatbahnnetz von nur 4731 km und ein Kleinbahnnetz von 10 131 km gegenüber.

Die Lokal- und Kleinbahnpolitik.

Gegen das Ende der 1860er Jahre war das deutsche Hauptbahnnetz in seinen wesentlichsten Bestandteilen vollendet. Schon damals begann man für den Bau von Eisenbahnen, die weniger dem allgemeinen Verkehr als der örtlichen Erschließung der durchzogenen Gebietsteile dienen sollten, Erleichterungen wirtschaftlicher und technischer Art zuzugestehen.

Die Zeiten, da die Leute die Eisenbahnen noch bekämpften, waren längst vorüber. Überall in Stadt und Land war man sich der großen wirtschaftlichen Vorteile des Eisenbahnverkehrs klar bewußt geworden.

Um so mehr drängten nun auch die abseits von den großen Hauptlinien gelegenen Gebiete darnach, der Schienenverbindung teilhaftig zu werden, zumal sie durch die Ablenkung des Verkehrs von der Straße auf die Eisenbahn und durch den Wettbewerb der an der Bahn gelegenen Wirtschaftsgebiete zum Teil schwer gelitten hatten.

Bei der Lösung des Lokalbahnproblems schlug die Eisenbahnpolitik der deutschen Bundesstaaten nicht die gleichen Wege ein.

Ein stattliches Netz staatlich betriebener, vorwiegend schmalspuriger Lokalbahnen ist in Sachsen aus staatlichen Mitteln ohne Heranziehung der Interessenten erbaut worden. Auch in Bayern ist ein engmaschiges Netz staatlicher Lokalbahnen entstanden, bei dessen Herstellung aber die Interessenten die Grunderwerbungskosten aufbringen mußten. Württemberg verfolgte in seiner Lokalbahnpolitik ein gemischtes System, indem es teils staatliche Lokalbahnen unter Heranziehung der Interessenten zu den Grunderwerbungskosten baute, teils private Lokalbahnen genehmigte, deren Bau es vielfach durch einmalige feste Staatszuschüsse förderte. Die Badische Eisenbahnpolitik bevorzugte den privaten Lokalbahnbau, wobei die Unternehmungen gleichfalls zum Teil durch Zuschüsse à fonds perdu unterstützt wurden.

Grundsätzlich verschieden war die Richtung der preußischen Kleinbahnpolitik. Sie schuf neben dem Haupt- und Nebenbahnnetz ein drittes Netz von Bahnen, das unter der Bezeichnung Kleinbahnen die Bahnen niederster Ordnung umfaßt. Das Kleinbahngesetz vom 28. Juli 1892 versteht unter Kleinbahnen Eisenbahnen, die vornehmlich den örtlichen Verkehr innerhalb eines Gemeindebezirkes oder benachbarter Gemeindebezirke vermitteln. Die beiden wichtigsten Gattungen der Kleinbahnen sind die städtischen Schnell- und Straßenbahnen und die sogenannten nebenbahnähnlichen Kleinbahnen. Die städtischen Verkehrsmittel sollen in einem besonderen Abschnitt betrachtet werden. Die nebenbahnähnlichen Kleinbahnen verbinden die abgelegenen Gebietsteile mit dem nächsten Absatzmarkt und mit den Haupt- und Nebenbahnen des Landes. Sie werden bei Erfüllung der im Gesetze vorgeschriebenen Bedingungen zur Ausführung im Wege des Privatunternehmens genehmigt und gegebenenfalls durch staatliche Beihilfen aus besonderen Fonds unterstützt. Voraussetzung für die staatliche Beihilfe ist eine angemessene Beteiligung der höheren Kommunalverbände und der Interessenten. Die staatliche Beihilfe wird meist in gleicher Höhe wie die Beteiligung der Provinz bemessen und erfolgt in der Regel durch Eintritt des Staates in die Gesellschaft.

Das preußische Kleinbahngesetz ist für die Regelung des Kleinbahnwesens in anderen deutschen Bundesstaaten (insbesondere Baden, Mecklenburg, Oldenburg, Hamburg) und auch in außerdeutschen Ländern vorbildlich geworden.

Unter der Herrschaft des Gesetzes hat sich das Kleinbahnwesen in Preußen rasch entwickelt. Der preußische Staat hat bis zum 1. April 1912 insgesamt 109 Millionen Mark an staatlichen Beihilfen für Kleinbahnen aufgewendet. Im ganzen gab es zu diesem Zeitpunkt in Deutschland rund 10 000 km nebenbahnähnliche Kleinbahnen mit einem Anlagekapital von über 700 Millionen Mark.

Das gesamte deutsche Neben- und Kleinbahnnetz hat sich von 1888–1911 von 9900 auf 35 600 km vermehrt und damit an Länge das Hauptbahnnetz mit 34 500 km bereits überholt.

Es ist in den Entwicklungsgesetzen des modernen Verkehrs begründet, daß sich die Eisenbahnen durch eine stets fortschreitende Differenzierung immer enger den vielgestaltigen Verhältnissen und Bedürfnissen unseres Wirtschaftslebens anpassen, und es ist ein unbestreitbares Verdienst der preußischen Verkehrspolitik, daß sie diese Tendenz fortschreitender Arbeitsteilung in unserer Volkswirtschaft richtig erkannt hat und ihr bei der Organisation des Eisenbahnwesens praktisch entgegengekommen ist.

Reichen Segen haben die in immer engeren Maschen das Land überziehenden Neben- und Kleinbahnen allerorten verbreitet. Die Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft konnten zu günstigeren Preisen abgesetzt, die unausgenutzten Schätze des Bodens gehoben werden. Neue Industrien entstanden, die der Bevölkerung lohnende Beschäftigung brachten. Zahlreiche unrentierliche Postverbindungen konnten aufgelassen, die Kosten der Straßenunterhaltung gemindert werden, den großen Hauptbahnlinien wurden neue Transportmengen zugeführt.

Der Einheitsgedanke in der deutschen Eisenbahnpolitik.

Die Erkenntnis der überlegenen Macht der größeren Wirtschaftseinheit führte im Jahre 1896 Hessen dazu, für seine Staatseisenbahnen eine unkündbare Betriebs- und Finanzgemeinschaft mit Preußen abzuschließen, innerhalb deren die Bahnen beider Staaten als einheitliches Netz verwaltet und die Reinüberschüsse aus dem Betrieb nach einem ein für allemale vereinbarten Schlüssel verteilt werden. Auf ähnlicher Grundlage beruht auch ein zwischen Preußen, Baden und Hessen im Jahre 1901 für den Betrieb der Main-Neckarbahn abgeschlossener Staatsvertrag. In beiden Fällen war die Gemeinschaft für die beteiligten Staaten von günstigen Wirkungen begleitet.

Auch die deutschen Mittelstaaten haben zu Beginn der 1900er Jahre mit Preußen über die Frage eines engeren Anschlusses ihrer Eisenbahnunternehmungen an den preußischen Großbetrieb verhandelt. Für sie konnte jedoch nur ein Gemeinschaftsverhältnis in Fragen kommen, bei dem der selbständige Fortbestand ihrer Eisenbahnen gewahrt blieb. Die Verhandlungen führten zunächst zum Plane einer Betriebsmittelgemeinschaft. Dieser Gedanke kam indessen nicht zur Verwirklichung, da über die beiden wichtigsten Grundfragen, die Organisation und den Teilungsschlüssel keine Einigung erzielt werden konnte. Man suchte daher eine minder weitgehende Vereinheitlichung zu erreichen und faßte den Abschluß einer Güterwagengemeinschaft ins Auge. Und diese gelang. Am 1. April 1909 trat ein Übereinkommen aller deutscher Staatsregierungen mit Eisenbahnbesitz über die Bildung eines deutschen Staatsbahnwagenverbandes ins Leben.

Deutscher Staatswagenverband.

Nach diesem Übereinkommen wird der gesamte Güterwagenpark der deutschen Staatseisenbahnen der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt. Jede Verbandsbahn benutzt die Güterwagen jeder anderen Verbandsbahn wie ihre eigenen zur beliebigen Beladung nach dem In- oder Auslande, es gibt keine Aufschreibungen und keine Übergabe oder Untersuchung der Wagen an den Grenzen und keine Rückleitung der Wagen an die Heimatbahn nach der Benutzung. Die Verbandsbahnen zahlen an den Verband eine Vergütung nach der Zahl der auf ihren Strecken geleisteten Achskilometer und der Gesamtbetrag, den sie einzahlen, wird unter sie wieder verteilt nach der Zahl der von ihnen vorgehaltenen Wagenachsen.

Die Wirkung war ausgezeichnet. Die Leerläufe der Güterwagen in Deutschland gingen zurück, der Wagenpark konnte besser ausgenutzt, der Ausgleich zwischen Wagenbestand und Wagenbedarf einheitlich geregelt, dem Wagenmangel konnte erfolgreicher entgegengewirkt werden. Die Verwaltungen sparten Leerführungs- und Rangierkosten, Abrechnungspersonal in den Wagenbureaus und Übergabspersonal an den Grenzen.

Weitergehende Bestrebungen.

Aber die öffentliche Meinung gab sich mit dem Erreichten nicht allenthalben zufrieden. In Presse und Parlament forderte man eine weitgehende Vereinheitlichung der deutschen Eisenbahnen, allerdings nicht ohne Widerspruch. Die Meinungen blieben geteilt. Im Mittelpunkt der Erörterungen steht dermalen das Problem der sog. „föderativen Eisenbahngemeinschaft“. Die deutschen Eisenbahnen sollen eine volle Betriebs- und Finanzgemeinschaft schließen, deren Organ ein unter preußischer Spitze stehendes, im übrigen aber mit Vertretern aller deutschen Eisenbahnen besetztes Gemeinschaftsamt und ein aus Delegierten der Einzellandtage bestehendes Eisenbahnparlament sein soll.

Die Gemeinschaftsidee wurde von einem Teil der deutschen, insbesondere der süddeutschen Handelskammern lebhaft unterstützt. Der deutsche Handelstag setzte sogar eine Kommission nieder, die über die Frage der Vereinheitlichung der deutschen Eisenbahnen auf Grund eines zu sammelnden umfassenden Unterlagenmaterials eine Denkschrift ausarbeiten soll.

Niemand wird bestreiten, daß ein Zug fortschreitender Betriebskonzentration durch unser Wirtschaftsleben geht. Aber gleichwohl wird man die föderative Eisenbahngemeinschaft nicht als das Ziel empfehlen können, auf welches die Steuerlinie der deutschen Eisenbahnpolitik eingestellt werden sollte. Die Schwierigkeiten der Organisation und des Teilungsschlüssels würden bei der föderativen Gemeinschaft noch schwerer zu überwinden sein als bei der Betriebsmittelgemeinschaft. Und würden sie überwunden, so bestünde die Gefahr, daß bei einem derartigen Gebilde der Zwiespalt zwischen den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Teilnehmer und die große Summe der hieraus entspringenden Reibungen und Konflikte schließlich die ersprießliche Weiterentwicklung des deutschen Eisenbahnwesens in Frage stellen würden.

Vereinheitlichungsbestrebungen treten nicht bloß im deutschen Eisenbahnwesen, sondern überall hervor, mag das Staats- oder das Privatbahnsystem herrschen. Während aber die Gemeinschaftsbildung in Deutschland von weiten Kreisen befürwortet und von den Staatsregierungen selbst gefördert wird, wird sie in den Ländern des folgerichtigsten Privatbahnsystems, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und in England, als dem Gesetz des freien Wettbewerbs zuwiderlaufend, von der öffentlichen Meinung bekämpft und durch staatliche „Antitrustgesetze“ zu verhindern oder doch zu erschweren gesucht. In England klagt man darüber, daß infolge der fortschreitenden Betriebsvereinigung unter den Eisenbahnen „der Wettbewerb tot sei,“ wie Acworth sich ausdrückt, und in Deutschland führt man bittere Beschwerde darüber, daß die einzelnen deutschen Eisenbahnverwaltungen überhaupt noch den Wettbewerb gegeneinander aufnehmen.

Vielleicht liegt auch in diesem Kampfe der wirtschaftspolitischen Prinzipien die Wahrheit in der Mitte.

Verbände zur Vereinheitlichung.

Die deutschen Eisenbahnen sind heute schon durch Verbände der mannigfachsten Art miteinander verknüpft. In den letzten 25 Jahren ist eine ganze Reihe weiterer Vereinheitlichungen neu hinzugekommen: Es wurden gemeinsame Signal- und Fahrdienstvorschriften, einheitliche Abfertigungs-, Beförderungs- und Ladevorschriften eingeführt, die Konkurrenz unter den deutschen Eisenbahnverwaltungen ist durch die Vereinbarungen über die Umleitungen im Güterverkehr eingeschränkt worden, im Jahre 1909 haben die deutschen Staatseisenbahnen eine Gütertarifgemeinschaft gegenüber dem Auslande abgeschlossen, und 1907 trat ein einheitlicher deutscher Personentarif ins Leben, nachdem für den Güterverkehr einheitliche Tarifvorschriften und eine gemeinsame Güterklassifikation schon 1877 geschaffen worden waren.

Daneben bestehen wichtige Eisenbahnverbände, deren Wirkungsbereich über die deutschen Grenzen hinaus sich erstreckt. In ganz Zentraleuropa verkehren durchgehende Personen- und Gepäckwagen ohne Rücksicht auf die Landesgrenzen. 1893 trat das Berner Internationale Übereinkommen über den Frachtverkehr in Kraft, vermöge dessen die Bahnen des ganzen europäischen Kontinents eine internationale Transportgemeinschaft bilden, ein internationales Übereinkommen über den Personenverkehr ist unter den europäischen Staaten gleichfalls schon vereinbart und bedarf nur noch der Ratifikation durch die Regierungen.

Durch diese Vorgänge scheint die künftige Entwicklung vorgezeichnet zu sein. Sie wird sich wohl nicht nach der Richtung bewegen können, daß die deutschen Eisenbahnen zu einer einzigen großen Gemeinschaft zusammengeschlossen werden, sondern nur dahin, daß schrittweise weitere Einzelvereinbarungen da abgeschlossen werden, wo damit Verbesserungen in der Verkehrsbedienung und Wirtschaftsführung erreicht werden können.

Der so eingeschlagene Weg entspricht der geschichtlichen Entwicklung Deutschlands, die nie zur Zentralisierung geneigt hat. Auch er verbürgt eine zweckmäßige Bedienung des allgemeinen Verkehrs und zwar unter Wahrung der individuellen Interessen der einzelnen Landesteile.

II. Bau und Betrieb.

Das Eisenbahnnetz.

Das Eisenbahnnetz Deutschlands hatte 1911 an voll- und schmalspurigen Bahnen einschließlich der nebenbahnähnlichen Kleinbahnen eine Gesamtlänge von 72 400 km, fast doppelt soviel als 25 Jahre vorher.

An Engmaschigkeit seines Eisenbahnnetzes wird Deutschland mit 134 km Bahnen auf 1000 qkm nur von Belgien (288 km auf 1000 qkm), sonst von keinem anderen Lande der Erde übertroffen.

Die baulichen Anlagen.

Aber in dem Zuwachs an Bahnlänge liegt nicht der Schwerpunkt der Entwicklung. Das abgelaufene Vierteljahrhundert war vor allem eine Zeit großartigen inneren Ausbaus der bestehenden Bahnen. Es galt in erster Linie den drängenden Anforderungen des mächtig wachsenden Verkehrs gerecht zu werden, hierfür die Anlagen zu erweitern und zu vervollkommnen, den Fahrpark zu verstärken und seine Ausnutzung zu verbessern.

Und doch hat die Verkehrsnot des Jahres 1912 im rheinisch-westfälischen Industriegebiet gezeigt, daß bei dem Zusammentreffen ungünstiger Verhältnisse in Zeiten hochgespannter Wirtschaftslage selbst Zurüstungen von so gewaltiger Bedeutung, wie sie das preußische Staatsbahnunternehmen auszeichnen, versagen und daß bedenkliche Störungen in der Verkehrsabwicklung eintreten können. Die Verwaltung hat nicht gezögert, mit umfassenden betrieblichen und organisatorischen Maßnahmen einzutreten, um der Wiederkehr ähnlicher Verkehrsschwierigkeiten vorzubeugen. Ein umfassendes Bauprogramm befindet sich in Ausarbeitung, um auf Bahnhöfen und Strecken für die Aufnahme und den geregelten Abfluß plötzlich andrängender Verkehrsfluten Raum zu schaffen.

Das Anlagekapital der deutschen Eisenbahnen (einschließlich der Schmalspurbahnen und nebenbahnähnlichen Kleinbahnen) stieg in 25 Jahren bis 1911 von 9,8 auf 18,5 Milliarden Mark.

Große Aufwendungen wurden gemacht, für den Bau zweiter, dritter und vierter Gleise, für die Trennung des Personen- und Güterverkehrs, für die Beseitigung schienengleicher Wegübergänge, für die Verbesserung der Linienführung der Bahnen, für die Verstärkung des Oberbaues.

Die Zahl der Stationen (ohne Kleinbahnstationen) ist in 25 Jahren von 6400 auf 13 300 (1911) gestiegen.

Riesensummen wurden für die Neuanlage und den Umbau von Personen-, Güter- und Rangierbahnhöfen aufgewendet. Aus der Zahl der neuerrichteten Mittel- und Großstadtbahnhöfe seien nur jene in Aachen, Bremen, Chemnitz, Köln, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Eisenach, Erfurt, Essen, Hamburg, Mainz, Metz, Nürnberg und Wiesbaden erwähnt. Von dem neuen Hauptbahnhof in Leipzig ist zunächst nur die preußische Hälfte vollendet. Aber schon läßt die wuchtige Hauptfront, eine mächtige Schalterhalle, die hochgewölbte Betondecke über dem Stirnbahnsteig den Beschauer einen überwältigenden Eindruck von diesem modernsten Wahrzeichen deutscher Bahnhofbaukunst gewinnen. Grohe Bahnhofneubauten stehen in Karlsruhe vor der Eröffnung, in Stuttgart in der Ausführung.

Der Betrieb.

Den steigenden Anforderungen des Verkehrs hinsichtlich der Geschwindigkeit der Züge und der Größe der Zugseinheiten wurde durch immer größere Abmessungen der Lokomotiven Rechnung getragen. Die wirtschaftliche Ausnutzung des Brennmaterials wurde durch die Anwendung des Verbundsystems und des Heißdampfes erhöht.

Im Schnellzugsdienst trat der vierachsige Wagen an die Stelle des zwei- und dreiachsigen. In den D-Zügen verkehren Speisewagen, deren Benutzung auch den Reisenden der III. Klasse freigegeben wurde. Zahlreiche Kurswagen ersparen dem Reisenden das Umsteigen an Knotenpunktstationen. Die Wagen sind mit Abort und Wascheinrichtung versehen, in den D-Zügen auch mit Seife und Handtüchern ausgerüstet.

Die Beleuchtung der Züge hat mannigfache Wandlungen durchgemacht. Das jetzt fast allgemein verwendete hängende Gasglühlicht dürfte allen Anforderungen an eine gute Zugbeleuchtung entsprechen.

Am 1. Mai 1892 wurden in Preußen die ersten D-Züge, Schnellzüge mit Durchgangswagen und Faltenbalgverbindung, eingerichtet. Sie ermöglichen den Reisenden die freie Bewegung innerhalb des ganzen Zuges. Die Einrichtung des deutschen D-Zuges ist von den meisten europäischen Eisenbahnen übernommen worden.

 1894 wurden die ersten Expreßzüge der Internationalen Schlafwagengesellschaft über deutsche Linien geführt. Der Orientexpreßzug Paris–Wien–Konstantinopel machte den Anfang, ihm ist eine ganze Reihe von anderen Luxuszügen gefolgt, die als Nord-, Nord-Süd-, Ägypten-, Riviera-, Neapel-, Lloyd-Expreßzüge usw. Deutschland nach allen Richtungen durcheilen.

Im Schnellzugsverkehr der deutschen Bahnen werden Grundgeschwindigkeiten von 90 und 100 km, bei einzelnen Zügen auch noch mehr, angewendet. Die Reisegeschwindigkeit der Schnellzüge suchte man vor allem durch Vergrößerung der aufenthaltslos durchfahrenen Strecken zu erhöhen. Im Sommer 1911 wurde eine beträchtliche Zahl neuer, nur an den großen Verkehrspunkten anhaltender Schnellzüge eingeführt, nicht weniger als 23 Strecken von mehr als 150 km Länge werden seitdem von den Schnellzügen ohne Aufenthalt durchfahren. Obenan unter diesen Zügen stehen die im Sommer 1912 eingeführten D-Züge 79/80, die auf der 677 km langen Strecke Berlin–München nur in Halle und Nürnberg anhalten.

Auch der Nahverkehr wurde erheblich verbessert. Hier galt es vor allem den Zugverkehr zu verdichten, wofür die billige kleine Zugseinheit vielfach die wirtschaftliche Voraussetzung ist. Die Lösung dieses wichtigen Problems ist in der allerneuesten Zeit mit großen Mitteln in Angriff genommen worden. Auf den preußischen Staatsbahnen sind zahlreiche elektrische und benzol-elektrische Triebwagen, in Württemberg zum Teil auch Wagen mit Explosionsmotoren in Gebrauch, in Bayern suchte man die kleine Betriebseinheit durch die Einführung des leichten Zuges zu gewinnen.

Aber neben der Verbesserung der Verkehrseinrichtungen war stets die Erhöhung der Sicherheit des Betriebes die vornehmste Sorge der deutschen Staatsbahnverwaltungen.

In den Stationen mit größerem Personenverkehr wurden schienenfreie Zugänge zu den Bahnsteigen hergestellt. Das Signalwesen wurde vervollkommnet, die Bahnhöfe erhielten gesonderte Ein- und Ausfahrsignale, die Stellung derselben wird durch Vorsignale angekündigt. Das weiße Licht, das leicht mit fremden Lichtern verwechselt werden kann, wird als Fahrsignal bei allen deutschen Bahnen beseitigt.

Die in den letzten 25 Jahren auf allen Bahnhöfen durchgeführte Weichen- und Signalzentralisierung sichert mechanisch die richtige Stellung der Weichen, wenn die Signale auf Fahrt gestellt sind.

Auf den deutschen Bahnen fahren die Züge in Raumabstand. Kein Zug darf von einer Station abgelassen werden, wenn nicht vorher festgestellt ist, daß der vorausgegangene Zug auf der nächsten Station eingetroffen ist. Zur mechanischen Sicherung der Zugfolge wurde die elektrische Streckenblockung eingeführt. Die überwiegende Mehrzahl der deutschen Schnellzuglinien ist heute schon mit dieser wichtigen Sicherungseinrichtung versehen.

Damit sich die Stationen leicht untereinander und mit dem Streckenpersonal verständigen und rasch benachrichtigt werden können, wenn ein Zug auf freier Strecke liegen bleibt oder von einem Unfall betroffen wird, sind die Hauptbahnstrecken und zahlreiche Nebenbahnen mit Streckentelephonen ausgerüstet worden.

 Die bedeutenderen Bahnhöfe wie auch zahlreiche kleinere Stationen erhielten die elektrische Beleuchtung.

Alle diese Maßnahmen, zusammen mit der Verbesserung der Bahnhof- und Streckenverhältnisse, haben ein fortschreitendes Sinken der Unfallziffer zur Folge gehabt. Deutschland wird an Sicherheit des Dienstes auf seinen Eisenbahnen von keinem anderen Lande der Erde übertroffen.

Der elektrische Bahnbetrieb.

Schon von Anfang an war die Elektrizität eines der unentbehrlichsten Hilfsmittel im Eisenbahnbetrieb. Immer weitere Anwendungsgebiete hat sie sich erobert. Dem letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts war es vorbehalten, sie dem Eisenbahnverkehr auch als Mittel zur Fortbewegung der Züge dienstbar zu machen.

Seit Anfang der 1890er Jahre werden in Deutschland Straßenbahnen elektrisch betrieben. Die günstigen Erfolge ermutigten dazu, die Einführung des elektrischen Betriebes auch für die Haupt- und Nebenbahnen ins Auge zu fassen. Zunächst blieben die Versuche, abgesehen von einigen Nebenbahnen, beschränkt auf großstädtische Schnell- und Vorortbahnen. Größere Schwierigkeiten zeigten sich, als man der Verwirklichung des Gedankens näher trat, den elektrischen Betrieb auf die großen Fernbahnen zu übertragen. Diese Schwierigkeiten zu überwinden, sind Wissenschaft und Technik des In- und Auslandes auf dem Wege. Auch die deutschen Eisenbahnverwaltungen sind hierbei nicht untätig geblieben.

Die preußische Staatsbahnverwaltung trat an die Elektrisierung der mit Schnell-, Personen- und Güterzügen befahrenen Hauptbahnlinien Magdeburg–Bitterfeld–Leipzig–Halle und der schlesischen Gebirgsbahn Lauban–Königszelt heran und hat den elektrischen Probebetrieb auf der Teilstrecke Dessau–Bitterfeld nunmehr schon über ein Jahr lang durchgeführt.

Die Bayerische Regierung hat in den Jahren 1907 und 1908 ihrem Landtage Denkschriften über den Ausbau der Wasserkräfte des Landes und über die Einrichtung des elektrischen Bahnbetriebes vorgelegt und Mittel für die Herstellung von Wasser-Kraftwerken und für die Elektrisierung verschiedener im Alpengebiet und Alpenvorland gelegenen Bahnlinien angefordert.

Baden hat die Wiesenthalbahn für den elektrischen Betrieb ausgerüstet und bereits mit den elektrischen Fahrten begonnen.

Auch Sachsen und Württemberg sind in die Prüfung des Problems der elektrischen Zugbeförderung eingetreten.

Die preußische Staatsregierung hat aber noch einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Wege der Ersetzung des Dampfbetriebes durch den elektrischen Betrieb getan, indem sie ihrem Landtage im Jahre 1912 eine Vorlage über die Einrichtung elektrischer Zugförderung auf den Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen unterbreitete. Es sollen 557 elektrische Lokomotiven beschafft und insgesamt 123 Millionen Mark aufgewendet werden. Die Verhandlungen im Parlament standen unter dem Zeichen des Prinzipienkampfes zwischen Dampf und Elektrizität. Hier wie auch bei anderen Gelegenheiten zeigte sich, daß dem ursprünglichen Enthusiasmus, mit dem die Öffentlichkeit die Elektrisierungsfrage aufgenommen hatte, an vielen Stellen ein gewisser Skeptizismus gefolgt ist, der allerdings weniger durch praktische Mißerfolge als dadurch veranlaßt war, daß die Hoffnungen, die man auf einen raschen Siegeslauf der elektrischen Vollbahnlokomotive gesetzt hatte, sich doch langsamer zu erfüllen scheinen, als man erwartet hatte.

Die Wissenschaft verspricht sich von dem elektrischen Bahnbetrieb große wirtschaftliche Erfolge. Die zentralisierte Erzeugung elektrischer Energie in einer ortsfesten Maschinenanlage ist, auch wo keine Wasserkräfte zur Verfügung stehen, der Dampferzeugung im Lokomotivkessel wirtschaftlich überlegen. Die elektrische Lokomotive braucht keinen Kessel, kein Brennmaterial und Speisewasser mitzuführen, sie ist jeden Augenblick betriebsbereit. Ihre Bedienung und Unterhaltung ist einfacher, die Bedienung mehrerer elektrischer Lokomotiven im gleichen Zug kann von einem Punkt aus geschehen, die Rauchplage des Dampfbetriebes entfällt.

Aber bei der Überführung des Problems der elektrischen Zugsbewegung in die Wirklichkeit haben sich, wie bereits angedeutet wurde, technische und wirtschaftliche Schwierigkeiten ergeben, die zurzeit noch nicht voll überwunden sind. Die Dampflokomotive blickt auf eine 100jährige Entwicklung zurück, die elektrische Lokomotive für einphasigen Wechselstrom, der die für den Fernbahnbetrieb geeignetste Form der Energieübertragung zuläßt, ist noch nicht 10 Jahre alt. Wenn man jedoch die überwältigende Entwicklung betrachtet, die die moderne Technik in allen ihren Zweigen genommen hat, wird man zuversichtlich erwarten dürfen, daß es in nicht ferner Zeit gelingen wird, die elektrische Lokomotive als ebenbürtige Zugkraft in den Vollbahnbetrieb einzuführen.

Heute schon hat die elektrische Zugkraft die Dampfkraft verdrängt, wo es sich um reine Tunnel- und Untergrundbahnbetriebe handelt, vor allem aber im großstädtischen Schnellbahnbetrieb, bei dem eine große Zahl von Zügen in dichtester Folge zu befördern und wegen der zahlreichen Haltstationen Anfahrbeschleunigungen notwendig sind, wie sie die Dampflokomotive auch bei außergewöhnlich starken Abmessungen nicht zu bieten vermag. Auch da, wo billige Wasserkräfte zur Verfügung stehen, hohe Kohlenpreise zu bezahlen und ungünstige Steigungsverhältnisse zu überwinden sind, wird wohl heute schon der elektrische Betrieb dem Dampfbetrieb wirtschaftlich überlegen sein. Immer aber setzt er wegen der hohen festen Kosten, die er erfordert, einen bestimmten Grad von Betriebsintensität voraus. Der elektrische Betrieb ist seinem Wesen nach die wirtschaftlich und technisch geeignetste Betriebsform für die höheren Intensitätsstufen des Eisenbahnverkehrs. Für Bahnen mit wenig dichtem und wenig gleichmäßig verteiltem Verkehr wird er mit gleichem Erfolge nicht verwendet werden können. Ob endlich die militärischen Bedenken gegen die ausschließliche Anwendung des elektrischen Betriebes auf den großen Fernbahnen sich völlig werden beseitigen lassen, mag hier dahingestellt bleiben.

Voraussichtlich wird der Ausgang des Kampfes zwischen den beiden Energiearten um die Herrschaft im Eisenbahnbetrieb nicht der sein, daß die alte Technik von der neuen völlig verdrängt wird. Es wird vielmehr auch hier wie so häufig in unserem vielgestaltigen Wirtschaftsleben eine Arbeitsteilung eintreten, bei der für jede der beiden Betriebsformen ein Anwendungsgebiet bleibt, das ihr von der anderen nicht mehr streitig gemacht werden kann.

Die Schnellbahnfrage.

Es ist vorgeschlagen worden, die elektrische Triebkraft zur Lösung der sogenannten Schnellbahnfrage heranzuziehen. Dieses Problem hat die Geister im letzten Jahrzehnt des abgelaufenen Jahrhunderts stark beschäftigt. Man schlug vor, die wichtigsten Verkehrszentren mit einem Netz besonderer, nur dem Personenverkehr dienender Bahnen zu verbinden, die mit außergewöhnlichen Geschwindigkeiten – 150–200 km in der Stunde – betrieben werden sollten. In Berlin wurde eine Studiengesellschaft für elektrische Schnellbahnen gegründet, die mit großen Mitteln an die praktische Untersuchung der Frage herantrat. Ein Schnellbahnwagen dieser Gesellschaft hat am 28. Oktober 1903 die größte je auf der Schiene zurückgelegte Geschwindigkeit von 210 km in der Stunde erreicht. Der Sturmwind legt 75, der Adler 100, der heftigste Orkan, wie er in unseren Breiten überhaupt nicht vorkommt, 150–190 km in der Stunde zurück.

Aber die weitere Entwicklung der Schnellbahnfrage entsprach nicht den glänzenden Hoffnungen, zu denen die Erfolge dieser Versuchsfahrten zu berechtigen schienen. Die Fahrten wurden bald darauf eingestellt. Sie hatten eben die Möglichkeit, im regelmäßigen Betrieb Geschwindigkeiten bis zu 200 km zurückzulegen, noch nicht erwiesen. Und schwerer noch als die technischen Schwierigkeiten wären die wirtschaftlichen Bedenken zu überwinden, die sich der Erbauung besonderer Schnellbahnen für den reinen Personenverkehr entgegenstellten.

III. Verkehr.

Der Personenverkehr. 1. Einzelne Fahrpreisermäßigungen.

In den 1880er Jahren ging eine kräftige Bewegung durch Europa, die nach einer Ermäßigung der Personentarife verlangte. Ein Erfolg dieser Bewegung war die Einführung des Baroßschen Zonentarifs in Ungarn im Jahre 1889. Andere Länder sind dem ungarischen Beispiel gefolgt. Auch die deutschen Regierungen haben in den Jahren 1889 bis 1891 über die Einführung einer gemeinsamen deutschen Personentarifreform, allerdings nicht auf der Grundlage eines Zonen-, sondern eines reinen Entfernungstarifs, verhandelt. Die Verhandlungen sind ohne Ergebnis geblieben.

Mannigfache Einzelermäßigungen wurden seitdem eingeführt, so ein ermäßigter Arbeiterkartentarif und ein ermäßigter Militärtarif, beide auf der Grundlage des Einpfennigsatzes für das km, der ermäßigte Vororttarif für Berlin 1891, ein Zonensystem, bei welchem die Fahrpreise bis auf 1⅓ Pfennig für das km herabgehen. Mit der Einführung dieses Vororttarifs setzte das gewaltige Wachstum von Großberlin in seinen Vororten ein. Auch in Bayern und Baden wurden Vorortverkehre zu ermäßigten Sätzen (2 Pf. für das km) eingerichtet.

Für den allgemeinen Reiseverkehr wurde im Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen das zusammenstellbare Fahrscheinheft geschaffen, eine Einrichtung, an der sich nach und nach der größte Teil der europäischen Eisenbahnverwaltungen und eine größere Zahl der Schiffahrtsgesellschaften beteiligt haben. Noch eine Reihe von besonderen Ermäßigungen wurde in den einzelnen Bundesstaaten eingeführt, der wichtigste Schritt war jedoch die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Rückfahrkarten, zunächst in Süddeutschland auf 10 Tage, dann 1901 auf den preußischen und bald darauf bei allen deutschen Staatsbahnen auf 45 Tage. So kam es, daß in Deutschland nur mehr der vierte Teil des gesamten Reiseverkehrs sich nach dem ordentlichen Tarif abwickelte.

2. Reform 1907.

Dieser Umstand und die bunte Musterkarte von Tarifsätzen und Fahrpreisermäßigungen, die in den deutschen Landen nunmehr Geltung besaßen, führte gegen Ende 1904 zur Wiederaufnahme gemeinsamer Verhandlungen unter den deutschen Regierungen über die Reform der Personentarife. Das Ergebnis dieser Verhandlungen war die Einführung eines neuen einheitlichen Personen- und Gepäcktarifs auf allen deutschen Staatseisenbahnen am 1. Mai 1907.

Die Rückfahrkarten wurden beseitigt, die Wohltat des 2 Pfennig-Satzes, der in Norddeutschland für die IV. Klasse seit vielen Jahren bestand, wurde auch dem deutschen Süden zuteil. Freilich das Vierklassensystem wurde von Bayern und Baden nicht übernommen. Dagegen wurde in diesen Ländern der 2 Pfennig-Satz allgemein für die III. Klasse Personenzug (sogenannte IIIb Klasse) gewährt. Ein einheitliches Tarifschema für alle Klassen (7–4,5–3–2 Pfennig für das km) wurde eingeführt. Die kilometrischen Schnellzugszuschläge, die bisher von den einzelnen Verwaltungen in verschiedener Höhe erhoben wurden und in einzelnen Fällen bis zu 41% des eigentlichen Fahrpreises betrugen, wurden gleichfalls beseitigt und durch einen nach Zonen abgestuften Schnellzugszuschlag im Höchstbetrag von 2 Mark für die I. und II. und 1 Mark für III. Klasse ersetzt. Auf den norddeutschen Bahnen war bisher Freigepäck im Gewichte von 25 kg gewährt; auch dieses wurde aufgehoben und dafür ein stark ermäßigter, nach Zonen und größeren Gewichtseinheiten abgestufter Gepäcktarif eingeführt, der zum Teil sogar die Eilgutsätze unterbietet.

Auf zusammenstellbare Fahrscheinhefte wird eine Ermäßigung nicht mehr gewährt.

Neben dem ordentlichen Tarif wurden nur noch wenige bestimmte Fahrpreisermäßigungen beibehalten.

Als die Verhandlungen unter den Bundesregierungen über die Reform bereits in allen wesentlichen Teilen abgeschlossen waren, wurde durch das Reichsgesetz vom 3. Juni 1906 die Fahrkartensteuer eingeführt, die noch vor der Tarifreform ins Leben trat. Sie läßt die 2 Pfennig-Klasse frei und belastet die III., II. und I. Klasse in Sätzen, die im Verhältnis von 1:2:4 abgestuft sind. Die Fahrkartensteuer nahm dem Reformtarif seine Einfachheit. Die ungleichmäßigen Steuerzuschläge und die starke Mehrbelastung der höheren Wagenklassen bewirkten eine beträchtliche Verschiebung der Wirkungen der Tarifreform, eine erhebliche Abwanderung aus den höheren Klassen in die unteren.

Die öffentliche Meinung nahm die Reform wenig günstig auf. Man sah nur ihre Schattenseiten und doch brachte sie einen großen Fortschritt für den Reiseverkehr, insbesondere in Süddeutschland durch die starke Verbilligung der Fahrpreise für die minderbemittelten Klassen.

 Heute wird Deutschland an Billigkeit seines Tarifes für die unterste Klasse des Personenzugs von keinem Lande Europas übertroffen.

Was die Tarifreform des Jahres 1877 auf dem Gebiete des Güterverkehrs war, das war die Reform von 1907 für den Personenverkehr. Sie hat die deutsche Zersplitterung auf diesem Gebiete im wesentlichen beseitigt. Sie hat den Reiseverkehr von einer lästigen Fessel befreit, indem sie die veraltete Prämie für die Rückkehr nach dem Ausgangspunkte der Fahrt beseitigte.

Freilich die Einfachheit des neuen Tarifs ist durch den Hinzutritt der Fahrkartensteuer stark beeinträchtigt worden. Man denke nur an die Zuschlagsberechnung beim Übergang in eine höhere Wagenklasse. Die Tarifreform hat es unterlassen, mit einem kühnen Schritt zum Dreiklassensystem zurückzukehren, wie es 1891 der Maybachsche Entwurf beabsichtigt hatte. Sie hat darum dem deutschen Volke die volle Einheit im Personenverkehr nicht gebracht. Sie war ein Kompromiß und bei allen ihren Vorzügen keine bahnbrechende Neuerung im Eisenbahnverkehr. Eine vierte Klasse kennt heute außer Deutschland kein anderes Land der Erde. In England führen die meisten Bahnen nur zwei Klassen, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika nur eine einzige, wenn man von dem Zuschlag für die Benutzung der Pullmanwagen absieht. Das Dreiklassensystem hätte eine große Vereinfachung des Tarifbildes und eine beträchtliche Kostenminderung der Personenbeförderung ermöglicht. Die Abschaffung der vierten Klasse würde einen Beitrag zum Ausgleich der sozialen Gegensätze geliefert haben, auf deren Verschärfung in unserer Zeit hoch aufstrebender industrieller Entwicklung so viele Umstände einwirken, trotz der groß angelegten Sozialpolitik des deutschen Reiches und trotz der sichtlich fortschreitenden Besserung in der Lebenshaltung der unteren Schichten unseres Volkes.

3. Entwicklung des Personenverkehrs.

Die Entwicklung des Personenverkehrs in Deutschland während der letzten 25 Jahre war glänzend. Die Durchschnittseinnahme aller deutschen Bahnen (ausschließlich der Kleinbahnen) für das Personenkilometer ist von 3,29 Pfennig auf 2,35 Pfennig, also um mehr als ⅓ gesunken, die Einnahmen aus dem Personenverkehr sind um mehr als das Dreifache gestiegen. Der Deutsche gibt heute auf den Kopf der Bevölkerung 2½-mal soviel an Fahrgeld aus als vor 25 Jahren und legt durchschnittlich jährlich über 600 km auf den Eisenbahnen zurück. Sein Jahresbudget an Eisenbahnfahrgeldern erreicht dabei freilich noch nicht dasjenige eines Einwohners Großbritanniens, der Vereinigten Staaten und Belgiens, übertrifft aber jenes aller übrigen Länder der Erde.

Der Güterverkehr 1. Tarifermäßigungen.

Die bei der Gütertarifreform des Jahres 1877 eingesetzte ständige Tarifkommission und der ihr beigegebene, aus Vertretern der Landwirtschaft, des Handels und des Gewerbestandes gebildete Ausschuß der Verkehrsinteressenten, dann die Eisenbahnbeiräte der deutschen Bahnen, bieten die Gewähr, daß die Entwicklung des deutschen Tarifwesens sich den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens anpaßt. Wie im Personenverkehr so haben sich auch im Güterverkehr die Tarife fortgesetzt ermäßigt. Eine stattliche Zahl von Güterarten ist in den letzten 25 Jahren aus höheren Tarifklassen in niedere eingereiht, zahlreiche billige Ausnahmetarife sind neu geschaffen worden.

Die deutsche Tarifpolitik suchte der Industrie den Bezug der notwendigen Rohstoffe und Brennmaterialien zu erleichtern, die Ausfuhr ihrer Fabrikate zu fördern und hierbei auch den Wettbewerb der deutschen Schiffahrt zu stärken, der Landwirtschaft Düngemittel und Saatgut unter günstigen Bedingungen zuzuführen, den Lebensmittelverkehr zu verbilligen. Durch niedrige Frachten erlangte das geringwertige Massengut in immer weiterem Umfange die Transportfähigkeit. Ein erst im vorigen Jahre eingeführter preußischer Ausnahmetarif für Erze vom Siegerland nach den oberschlesischen Hochofenstationen übertrifft mit einem Satz von 0,9 Pfennig für das Tonnen-km, wobei eine Abfertigungsgebühr überhaupt nicht zur Erhebung gelangt, alle bisher auf deutschen Eisenbahnen gewährten Ermäßigungen und geht sogar unter die Schiffsfrachten auf leistungsfähigen künstlichen Wasserstraßen herab. Um die großen Entfernungen minder schwer ins Gewicht fallen zu lassen, wurde mehrfach, so bei dem neuen Stückgut- und bei dem Rohstofftarif, von dem System der Staffelung Gebrauch gemacht.

2. Ladefähigkeit der Güterwagen.

Durch die Vergrößerung der Ladefähigkeit der Güterwagen wurde die Wirtschaftlichkeit der Güterbeförderung erhöht. Der 5 t-Wagen der ersten Eisenbahnen ist in Deutschland, zum Unterschied von dem Vorgang der englischen Bahnen, schon sehr bald durch den 10 t-Wagen ersetzt worden. Heute besitzt der deutsche Normalgüterwagen eine Ladefähigkeit von 15 t, und bereits ist mit der Beschaffung von 20 t-Wagen in erheblichem Umfange begonnen worden.

Für den Verkehr ergeben sich aus der allmählichen Abnahme des Bestandes an 10 t-Wagen mancherlei Unbequemlichkeiten. Trotzdem haben die deutschen Landeseisenbahnräte das Vorgehen der Eisenbahnverwaltungen verständnisvoll gebilligt. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika besitzt der Normalwagen eine Ladefähigkeit von 30–40 t, und hierin liegt einer der Gründe dafür, daß der Durchschnittspreis der amerikanischen Frachten fast um die Hälfte niedriger ist als in Europa. Je größer das Ladegewicht, desto geringer ist das tote Gewicht, das im Durchschnitt mit der gleichen Menge Gut befördert werden muß. Auf der Steigerung der einheitlichen Massenleistung beruht im Eisenbahngroßbetrieb eine der wichtigsten Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Fortschritt. Die deutschen Verwaltungen haben wiederholt für die volle Ausnützung großer Wagen tarifarische Vorteile gewährt. Der Weg, den die deutsche Tarifpolitik damit eingeschlagen hat, kann im Zusammenhang mit der fortschreitenden Vergrößerung der Wagengefäße für die weitere Entwicklung der Wirtschaftlichkeit des Gütertransports von großer Bedeutung werden.

3. Sonstige Verbesserungen.

Mannigfache Verbesserungen sind auch auf dem Gebiete des Güterbeförderungs-, Abfertigungs- und Abrechnungsdienstes erzielt worden. In den Jahren 1904/5 wurde ein vereinfachtesAbfertigungsverfahren eingeführt, durch das im inneren und Wechselverkehr aller deutschen Eisenbahnen das Schreibwerk vermindert und eine jährliche Ersparnis von über 2 Millionen Mark erzielt worden ist.

Am 1. April 1913 ist eine neue Eisenbahnzollordnung in Kraft getreten, die die bisherige Überwachung der Eisenbahnorgane durch das Zollpersonal wesentlich einschränkt und das Eisenbahnpersonal selbst zur Durchführung der Zollkontrolle mit heranzieht. Viel Doppelarbeit und manche Verzögerungsursache im Gütertransport wird dadurch beseitigt werden.

Auf dem Gebiete des Transportrechts ist neben dem schon erwähnten Berner Internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom Jahre 1890 vor allem die Einführung des dritten Buchs des Deutschen Handelsgesetzbuchs vom 10. Mai 1897 von einschneidender Bedeutung gewesen. Seit seinem Inkrafttreten ist die deutsche Eisenbahnverkehrsordnung nicht mehr wie früher bloße Verwaltungsvorschrift, deren Bestimmungen erst durch den Abschluß des Frachtvertrags zum Vertragsrecht werden, sondern Rechtsverordnung, die unmittelbar verbindliche Normen schafft. Daraus ergeben sich wichtige Rechtsfolgen. Auch abgesehen hiervon wurde das Frachtrecht durch das neue Handelsgesetzbuch in wichtigen Punkten umgestaltet.

4. Frachturkundenstempel.

Die Reichsfinanzreform des Jahres 1906 hat auch den Güterverkehr besteuert. Es wurde ein Frachturkundenstempel eingeführt, der sich indessen für den Güterverkehr weit weniger unangenehm fühlbar gemacht hat, als die Fahrkartensteuer im Personenverkehr.

5. Entwicklung des Güterverkehrs.

Das Durchschnittserträgnis der deutschen Eisenbahnen aus dem Güterverkehr ist in den letzten 25 Jahren von 4,08 auf 3,62 Pfennig für das Tonnen-km oder um rund 10% gesunken. Dermalen ist der Durchschnittspreis der Güterbeförderung in Deutschland teils nicht, teils nicht wesentlich niedriger als in der Mehrzahl unserer Nachbarländer. Aber die günstige Entwicklung des deutschen Verkehrs spricht dafür, daß die Tarife den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens wohl angepaßt sind.

Die Güterbewegung auf den deutschen Eisenbahnen hat sich in den letzten 25 Jahren um mehr als das Dreieinhalbfache und die Güterverkehrseinnahme um das Dreifache vermehrt. Im Jahre 1911 wurden 57 Milliarden Tonnen-Kilometer auf den deutschen Bahnen geleistet und daraus über 2 Milliarden Mark vereinnahmt. Auf den Kopf der Bevölkerung trifft in Deutschland eine Ausgabe an Güterfrachten von 33 Mark. Der Frachtenaufwand des deutschen Volkes wird selbst von Großbritannien nicht erreicht.

IV. Verwaltung und Finanzen.

Verwaltungsordnung.

Die Verwaltungsorganisation der preußischen Staatseisenbahnen vom 1. April 1880 war in der Zeit der großen Verstaatlichungen von Maybach geschaffen worden. Sie hatte vor allem die Überführung der großen Privatbahnunternehmungen in den Staatsbetrieb zu erleichtern. Den Direktionen wurden zur besseren Beherrschung der örtlichen Verhältnisse besondere Behörden, die Eisenbahnbetriebsämter, untergeordnet. Damit war ein Verwaltungsapparat von drei für den ganzen Dienst ausgebildeten Instanzen – Ministerium, Direktionen und Betriebsämter – gegeben, der ein umfängliches Schreibwerk veranlaßte und die Erledigung der Geschäfte verteuerte und verzögerte. Als im Jahre 1890 Minister von Thielen die Leitung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten übernommen hatte, setzte er eine Kommission sachverständiger Männer ein, die mit der Aufgabe betraut wurde, die vorbereitenden Arbeiten für eine Neuordnung der Verwaltung durchzuführen.

Die Neuordnung trat mit dem 1. April 1895 ins Leben. Die Betriebsämter wurden beseitigt, die Zahl der Direktionen wurde von 11 auf 20 erhöht, den Direktionen wurden als Organe für die örtliche Dienstaufsicht Inspektionen unterstellt, von denen jede nur einen bestimmten Dienstzweig (Betrieb, Verkehr, Maschinen- und Werkstättewesen) zu verwalten hat. Die Organisation wurde im Jahre 1907 durch die Schaffung eines den Eisenbahndirektionen gleichgeordneten Eisenbahnzentralamts ergänzt.

Der Erfolg der Neuordnung des Jahres 1895 war glänzend. Das im Verwaltungsdienst beschäftigte Beamtenheer konnte sofort um über 3000 Arbeitskräfte vermindert werden. Der Verwaltungsreform folgte eine Zeit unvergleichlicher Entwicklung der Staatseisenbahnen, ein Aufschwung, wie ihn kaum je ein Eisenbahnunternehmen erlebt hat.

Die preußische Neuordnung ist in vieler Beziehung für die sächsische Neuordnung vom Jahre 1899 und insbesondere für die Neuordnung der bayerischen Staatseisenbahnen vom Jahre 1907 vorbildlich geworden.

In Bayern wurde die Generaldirektion der Staatseisenbahnen durch fünf Eisenbahndirektionen und eine Anzahl zentraler Ämter ersetzt. Den Eisenbahndirektionen wurden gleichfalls Inspektionen für die Hauptzweige des örtlichen Dienstes untergeordnet. Infolge der Neuordnung konnten 1100 Arbeitskräfte aus dem Verwaltungsdienst gezogen werden. Auch sonst hat die bayerische Verwaltungsreform die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt.

Personalverwaltung und Wohlfahrtspflege.

Über 700 000 Beamte und Arbeiter sind im Dienste der deutschen Eisenbahnen beschäftigt. Von der Tüchtigkeit und Dienstfreudigkeit dieses Angestelltenheeres hängt die geordnete Abwicklung des Eisenbahnverkehrs ab, der heute die Grundlage eines geregelten Verlaufes unseres ganzen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens bildet.

Die Eisenbahnpolitik ist vor die Entscheidung der Frage gestellt: Soll das Verhältnis zwischen Verwaltung und Personal durch privatrechtlichen, jederzeit frei lösbaren Dienstvertrag geregelt oder soll es durch das festere Band der dauernden Amtsübertragung geknüpft und da, wo der Staat Eisenbahnunternehmer ist, mit allen Garantien des öffentlichen Beamtenrechtes umgeben werden?

Bei den meisten außerdeutschen Ländern ist das Dienstverhältnis zwischen der Eisenbahnverwaltung und der großen Masse ihrer Angestellten beiderseits frei kündbar. Bei den deutschen Staatseisenbahnen stehen alle diejenigen Angestellten, die in ihrem Dienste unter eigener Verantwortung handeln, im etatsmäßigen Beamtenverhältnis. Die Zahl der etatsmäßigen Beamten hat, obwohl im modernen Großbetrieb mit der Vervollkommnung der technischen und administrativen Einrichtungen die disponierende Tätigkeit hinter der rein mechanischen Dienstleistung mehr und mehr in den Hintergrund tritt, doch erheblich stärker zugenommen als die Zahl des Arbeiterpersonals. Die Zahl der etatsmäßigen Beamten beträgt zurzeit 37% des Gesamtpersonals der deutschen Eisenbahnen.

Die Lebenshaltung des Personals ist kaum je so durchgreifend verbessert worden als in den letzten 25 Jahren. Der Durchschnittsbezug auf den Kopf des Gesamtpersonals der deutschen Staats- und Privatbahnen ist von 1100 Mark im Jahre 1888 auf 1650 Mark im Jahre 1911 gestiegen.

Der Eisenbahndienst stellt an die körperliche Leistungsfähigkeit und geistige Spannkraft des Personals große Anforderungen. Um den Gefahren vorzubeugen, die aus einer Übermüdung des Personals entstehen können, hat man seit Ende der 1880er Jahre begonnen, die Dienstzeit durch strenge Vorschriften zu umgrenzen. Die Zeitdauer der durchschnittlichen täglichen Arbeitsleistung ist seitdem fortwährend verkürzt worden.

Die Fürsorge für die Wohlfahrt des Personals hat sich in den letzten 25 Jahren zu einem neuen wichtigen Zweig der Verwaltungstätigkeit der Staatseisenbahnen entwickelt.

Beamte und Arbeiter erhalten Urlaub, bei Erkrankung freie ärztliche Behandlung und bei Dienstunfähigkeit Pensionen. Auch für die Hinterbliebenen wird gesorgt. Die Leistungen der besonderen Kasseneinrichtungen der Eisenbahnverwaltungen auf dem Gebiete der Kranken-, Invaliden- und Altersversicherung gehen über die reichsgesetzlichen Mindestleistungen weit hinaus. Für die Gewährung von Unterstützungen an das Personal in Fällen augenblicklicher Notlage stellen die Verwaltungen überdies reichliche Mittel zur Verfügung.

Dem Personal werden während der Dienstleistung bequeme und reinliche Unterkunfts- und Übernachtungslokale, Wasch- und Badegelegenheit, Schutzkleider, Kocheinrichtungen zum Wärmen der Speisen zur Verfügung gestellt, billige Speisen und alkoholfreie Getränke verabreicht; es werden Dienst- und Mietwohnungen mit Gärten, für unverheiratetes Personal Ledigenheime erbaut. An Baugenossenschaften und auch zum Eigenhausbau werden nieder verzinsliche Darlehen von den Eisenbahnverwaltungen hingegeben. An 100 000 Wohnungen für das Personal bestehen zurzeit im Bereiche der deutschen Staatseisenbahnverwaltungen.

Die Arbeiter wirken an der Regelung ihrer Verhältnisse in den Arbeiterausschüssen mit.

Die Eisenbahnen der außerdeutschen Staaten sind in den letzten Jahrzehnten vielfach von Arbeitseinstellungen mehr oder minder ernster Art heimgesucht worden. In manchen Ländern sind strafgesetzliche Bestimmungen gegen den Streik der Eisenbahner erlassen worden. Dem deutschen Wirtschaftsleben sind bisher, obwohl strafgesetzliche Bestimmungen nicht bestehen, die schweren Schädigungen eines Eisenbahnstreiks erspart geblieben.

Die Eisenbahnfinanzen.

Die Eisenbahnen (ausnahmlich der Kleinbahnen) haben in Deutschland im Jahre 1911 eine Gesamteinnahme von fast 3⅓ Milliarden Mark erzielt, mehr als in irgend einem anderen Lande Europas, England nicht ausgenommen, obwohl das Anlagekapital der englischen Eisenbahnen um mehr als die Hälfte höher ist als das der deutschen.

Die Einnahmen der deutschen Bahnen haben sich in den letzten 25 Jahren verdreifacht. Ihre Entwicklung war allerdings keine gleichmäßig aufsteigende, vielmehr spiegeln sich in ihr getreu die Wellen der Bewegung unseres allgemeinen Wirtschaftslebens wieder. Die wirtschaftlichen Krisen der Jahre 1890/91, 1901 und 1908 kommen in Einsenkungen der Entwicklungslinie der Eisenbahneinnahmen zum Ausdruck. Die Regelmäßigkeit ihrer Wiederkehr und ihre kurze Dauer legt aber Zeugnis ab von dem gesunden Zustande unseres Wirtschaftslebens.

Die gesamten Betriebsausgaben der deutschen Eisenbahnen haben 1911 über 2 Milliarden Mark betragen. Während die Einnahmen in den letzten 25 Jahren sich verdreifachten, haben sich die Ausgaben fast vervierfacht, die Selbstkosten des Eisenbahnbetriebs haben also stärker zugenommen als die Einnahmen. Weitaus den größten Ausgabenposten der Eisenbahnverwaltungen bildet der Aufwand für das Personal. Er ist verhältnismäßig am stärksten gestiegen. Denn zugleich mit den Bezügen des Personals ist seine Zahl stark erhöht worden.

Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Eisenbahnunternehmens gibt die sogenannte Betriebszahl (Betriebskoeffizient) einen Anhaltspunkt. Sie drückt die Betriebsausgaben in Hundertteilen der Betriebseinnahmen aus.

Die Betriebszahl der deutschen Bahnen ist in den letzten 25 Jahren von 55 auf 65 gestiegen und hat in einzelnen Rechnungsjahren auch die letztere Ziffer noch erheblich überschritten.

Trotzdem hat der Betriebsüberschuß ausgereicht, um im Jahre 1911 das Anlagekapital der deutschen Bahnen mit 6½% zu verzinsen. Die Betriebsrente ist in Deutschland höher als in den anderen europäischen Ländern, obwohl die deutschen Tarife zum Teil niederer sind. In den außerdeutschen Ländern erfordern die Eisenbahnen vielfach Zuschüsse aus allgemeinen Staatsmitteln zur Deckung ihrer Schuldenlast, in Deutschland bringen sie größtenteils dem Staate Überschüsse ein.

Die Verzinsung des Anlagekapitals der deutschen Eisenbahnen hat sich seit 25 Jahren beträchtlich gehoben.[2] Die Bahnrente hat sich also verbessert in einer Zeit, in der die Betriebskosten gestiegen und die Tarife gesunken sind. Diese Erscheinung ist, abgesehen von den Fortschritten der Technik und der Vereinfachung der Verwaltung, vor allem eine Folge des Gesetzes der Massennutzung, das den modernen Verkehr beherrscht. Mit der Zunahme der Transportmengen werden die Anlagen besser ausgenützt, der Umsatz wächst, die Preise sinken, der Ertrag steigt.

 Der Überschuß des Eisenbahnbetriebs hat in erster Linie für die Deckung der Zinslast zu dienen. Bei keiner der deutschen Staatsbahnverwaltungen erreicht die Schuld die volle Höhe des Anlagekapitals. Bei allen ist teils infolge von Schuldentilgung, teils infolge der aus laufenden Mitteln erfolgten Vermehrung des Anlagekapitals die Schuld langsamer gewachsen als das Anlagekapital.

Die Anschauungen darüber, ob Staatsschulden für werbende Anlagen überhaupt getilgt werden müssen, sind geteilt. Sicher ist aber, daß die Lage eines wirtschaftlichen Unternehmens, mag es Staats- oder Privatunternehmen sein, um so günstiger ist, je mehr es abgeschrieben hat. Darum haben alle deutschen Verwaltungen eine planmäßige Schuldentilgung eingeführt. Die Tilgungssätze bewegen sich zwischen 0,6 und 2,3% der Schuld.

Wenn infolge von Wellenbewegungen in der allgemeinen Wirtschaftslage die Einnahmen eines Eisenbahnunternehmens zurückgehen, können in der Regel die Ausgaben nicht sofort dementsprechend ermäßigt werden, sie steigen vielmehr noch eine Zeitlang weiter. Die Folge ist, daß in solchen Jahren der Überschuß stark zurückgeht und nach Umständen auch für die Verzinsung der Schuld nicht mehr ausreicht. Solche Schwankungen in den Ergebnissen des Eisenbahnbetriebs üben äußerst ungünstige Rückwirkungen auf den Gesamtstaatshaushalt aus. Die meisten deutschen Staatseisenbahnen sind daher in den letzten Jahren zur Bildung von Ausgleichsfonds übergegangen, die aus den Überschüssen guter Jahre gespeist werden. Es ist damit eine wichtige Sicherung des Eisenbahn- und allgemeinen Staatshaushalts der Bundesstaaten geschaffen worden.

Die Staatseisenbahnen haben ihre Betriebsüberschüsse, soweit diese nicht für die Verzinsung und Tilgung der Eisenbahnschuld notwendig sind, an den allgemeinen Staatshaushalt abzuliefern, ebenso wie umgekehrt der Staatshaushalt etwaige Fehlbeträge im Eisenbahnbetrieb zu decken hat. In den meisten Bundesstaaten ist in den letzten Jahren das Verhältnis zwischen Eisenbahnbetrieb und allgemeinem Staatshaushalt und die gegenseitige Zuschußleistung geregelt worden. In Preußen haben die Ablieferungen für allgemeine Staatszwecke im letzten Jahrzehnt jährlich zwischen 99 und 220 Millionen Mark betragen.

In mehreren außerdeutschen Ländern haben sich die Eisenbahnen in den letzten Jahren genötigt gesehen, zur Deckung des steigenden Betriebsaufwandes Erhöhungen ihrer Tarife durchzuführen oder doch ins Auge zu fassen. Die deutsche Volkswirtschaft ist vor dieser Gefahr bisher bewahrt geblieben. Bei den deutschen Staatseisenbahnverwaltungen haben sich im Gegenteil, wie im Vorstehenden gezeigt wurde, ungeachtet großer Mehrleistungen für den Verkehr und für die Wohlfahrt des Personals, in den letzten Jahrzehnten wichtige Wandlungen zur inneren finanziellen Kräftigung der Unternehmungen vollzogen. Auf eine geradezu glänzende finanzielle Entwicklung blickt das preußische Staatseisenbahnunternehmen zurück. Es dürfte wie an Größe so auch an sicherer Gründung seiner wirtschaftlichen Lage von keinem anderen Eisenbahnunternehmen der Welt übertroffen werden.

V. Die städtische Verkehrspolitik.

Die Straßenbahnen.

Städte können, sobald sie 50 000 Einwohner erreicht haben, in der Regel die Straßenbahn nicht mehr entbehren. Bei dem starken Anwachsen der städtischen Bevölkerung im deutschen Reiche sind immer neue Straßenbahnnetze in den Mittelstädten entstanden. Die bereits bestehenden sind mächtig erweitert worden. In den 1890er Jahren begann die Elektrisierung der Straßenbahnen und damit eine Epoche glänzenden Aufschwungs und immer größerer Verbreitung dieses Verkehrsmittels.

Am 1. April 1912 gab es in Deutschland etwa 4600 km Straßenbahnen, die Gleislänge der deutschen Straßenbahnen hat sich in 25 Jahren versechsfacht.

Die Gemeinden waren in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr bestrebt, den Privatbetrieb durch den gemeindlichen Betrieb zu ersetzen. Freilich die Gefahren, denen der staatliche Betrieb wirtschaftlicher Unternehmungen ausgesetzt ist, drohen dem gemeindlichen Betrieb in verstärktem Maße, und so macht sich neuerdings eine gewisse Strömung gegen die weitgehende Kommunalisierung technischer Betriebe, insbesondere gegen gemeindliche Betriebe der Straßenbahnen geltend.

Die Stadt Berlin hat bei ihren im Jahre 1911 zum Abschluß gelangten Verhandlungen mit der großen Berliner Straßenbahn den Weg des Kommunalbetriebs nicht beschritten. Sie hat vielmehr der genannten Gesellschaft den Straßenbahnbetrieb im Weichbild Berlins in einem bis zum Jahre 1950 laufenden Vertrag wiederum übertragen, sich dabei jedoch einen maßgebenden Einfluß auf die Verwaltung des Unternehmens und das Recht, die Bahnen unter bestimmten Bedingungen einzulösen, gesichert.

Die Stadtschnellbahnen.

Stadtschnellbahnen, d. s. auf eigenem Bahnkörper geführte Eisenbahnen, die lediglich dem inneren städtischen Schnellpersonenverkehr dienen, sind in der Regel nur in Weltstädten Bedürfnis.

Gleichwohl haben die Industriestädte Barmen, Elberfeld und Vohwinkel, die zusammen noch keineswegs die Einwohnerzahl einer Weltstadt erreichen, zur Vermittlung ihres überaus lebhaften gegenseitigen Personenverkehrs ein ganz neues eigenartiges Stadtbahnunternehmen ins Leben gerufen. Sie erbauten als Stadtschnellbahn eine Schwebebahn nach dem System Langen. Die Wagen hängen an Drehgestellen, die auf einer einzigen Schiene laufen. Die Bahn ist hoch über dem Gelände auf mächtigen Stützen meist über der Wupper geführt. Sie besitzt eine Länge von 13,3 km und hat kaum 1½ Millionen Mark für das Kilometer gekostet, während sonst eine Stadtbahn, wenn sie als Hochbahn ausgeführt wird, nicht unter 3 Millionen Mark und als Untergrundbahn nicht unter 5–10 Millionen Mark für das Kilometer herzustellen ist. Dabei steht die Schwebebahn der Stadtbahn an Schnelligkeit und Leistungsfähigkeit nicht nach. Trotzdem hat das interessante Unternehmen der drei Städte bisher keine Nachahmung gefunden.

Wenn man in Übereinstimmung mit der statistischen Begriffsbestimmung Stadtgebilde von mehr als 1 Million Einwohner als Weltstädte bezeichnet, so ist im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts Groß-Hamburg (mit Altona) in die Reihe der Weltstädte eingetreten. Es hat in dieser Zeit zwei selbständige Stadtschnellbahnen erhalten, die 27 km lange elektrische Schnellbahn Ohlsdorf–Hamburg–Altona–Blankenese, die zum größten Teil vom preußischen Staat hergestellt ist und von ihm betrieben wird, und die 28 km lange elektrische Hoch- und Untergrundbahn, die für Rechnung des Hamburgischen Staates von den Firmen Siemens & Halske und der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft erbaut und nunmehr von diesen beiden Gesellschaften auch in Pacht genommen wurde. Wichtige Anschlußlinien zur Aufschließung des umliegenden Geländes für die großstädtische Besiedelung sollen künftig das Hamburger Stadtbahnnetz ergänzen.

In der Reichshauptstadt Berlin ist die schon im Jahre 1882 eröffnete Stadt- und Ringbahn nunmehr an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Sie wird noch als Dampfbahn betrieben und soll, wie schon oben erwähnt wurde, für den elektrischen Betrieb eingerichtet und damit in den Stand gesetzt werden, einen doppelt so großen Verkehr zu bewältigen.

Eine neue wichtige Schnellbahn, die elektrische Hoch- und Untergrundbahn, ist im Jahre 1902 zunächst mit der Strecke Warschauer Brücke–Zoologischer Garten mit Abzweigung zum Potsdamer Platz eröffnet und seitdem mehrfach erweitert worden. Mit den zurzeit in Ausführung begriffenen und voraussichtlich noch in diesem Jahre zur Eröffnung gelangenden Neubaustrecken wird das Netz der Groß-Berliner Hoch- und Untergrundbahnen eine Gesamtlänge von etwa 60 km erreichen.

Die sonst so mächtig emporstrebende Reichshauptstadt ist in den letzten Jahrzehnten in der Entwicklung ihres Schnellbahnwesens hinter anderen Weltstädten zurückgeblieben. Die Teilung Groß-Berlins in eine Reihe von Einzelgemeinden, deren jede ihre eigene Verkehrspolitik verfolgte, ließ einen einheitlichen Plan für die Ausgestaltung des Schnellbahnnetzes nicht zustande kommen.

Zwecksverbandsgesetz für Groß-Berlin.

Um ein Organ zu schaffen, das die einander widerstrebenden Sonderinteressen vereinigt, hat der preußische Staat einen Verkehrs- und gemeindepolitisch gleich interessanten gesetzgeberischen Schritt getan, indem er durch das im vorigen Jahre in Kraft getretene Zweckverbandsgesetz für Groß-Berlin die 9 Gemeinden des großstädtischen Verkehrsgebietes zwangsweise zu einem Zweckverband zusammenschloß. Der Zweckverband soll der gemeinsame Träger einer einheitlichen Bahn-Baulinien- und Freiflächenpolitik sein. Das groß gedachte Gesetz, in welchem die preußische Regierung mit kraftvoller Initiative dem schädlichen Einfluß der kommunalen Zersplitterung im Verkehrswesen Groß-Berlins entgegenzuwirken sucht, wird zweifellos dazu beitragen, der deutschen Reichshauptstadt auch auf diesem Gebiete den ihr gebührenden Platz unter den Weltstädten wiederum zu verschaffen.

Das Gesetz hat die Tätigkeit des Zweckverbandes nicht auf die Verkehrspolitik beschränkt. Nach der bisherigen Entwicklung ist leider nicht anzunehmen, daß das großstädtische Wohnungsproblem durch die Verkehrspolitik allein wird gelöst werden können.

Tausende von Kilometern neuer Straßen-, Vorort- und Stadtschnellbahnen sind in den letzten Jahrzehnten in den deutschen Großstädten erbaut worden, aber die Wohnungen sind nicht billiger geworden. Wo der Verkehr mit ländlichem Grund und Boden in Berührung trat, sind hohe Grundpreise entstanden, die Mietkaserne ist immer weiter in die Außenbezirke und selbst in die Vororte vorgedrungen, den minderbemittelten Klassen ist es nicht beschieden worden, auf eigener Scholle zu wohnen.

Mancherlei Mittel zur Abhilfe sind vorgeschlagen, sogar einer grundsätzlichen Änderung unseres Eigentumrechts am Grund und Boden wird das Wort geredet. Das Zweckverbandsgesetz hat in glücklicher Weise in den Wirkungskreis der neugeschaffenen Organisation neben der Verkehrspolitik auch die Baulinien- und Freiflächenpolitik gelegt. Gerade die Verbindung von Verkehrs- und Wohnungspolitik erscheint bedeutungsvoll: Die Vorstreckung erstklassiger, den Bedürfnissen des Wohnverkehrs besonders angepaßter Schnellbahnen in Gebiete ländlichen Charakters, die Sicherstellung großer billiger Geländeflächen für den Wohnungsbau vor der Herstellung der Bahnen, sowie die zielbewußte Schaffung von Erleichterungen für die Ansiedelung der minderbemittelten Klassen, womit die Befriedigung der Wohnungsbedürfnisse der Wohlhabenden und die Deckung des Geländebedarfs der Industrie Hand in Hand zu gehen hätte, dürften in der Tat vielleicht die alleinigen Mittel sein, die geeignet sind, die erstrebenswerte Ausbreitung der Bevölkerung unserer Millionenstädte über weite Flächen blühenden Gartenlandes anzubahnen.

VI. Deutsche Eisenbahnpolitik in den Schutzgebieten.

Im Jahre 1894, also zehn Jahre nachdem Deutschland in die Reihe der Kolonialmächte eingetreten ist, wurde mit der ersten 14 km langen Teilstrecke der Usambara-Bahn in Deutsch-Ostafrika die erste Eisenbahn in unseren Schutzgebieten eröffnet. Bereits 1906 gab es in den deutschen Kolonien 1000 km Bahnen.

Von nun an setzte eine überaus rasche Entwicklung ein. Es ist das Verdienst Dernburgs, daß er die große Bedeutung der Eisenbahnen für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Schutzgebiete erkannt und einen groß angelegten Plan für den Ausbau des Kolonialbahnnetzes ausgearbeitet hat. 1908 und 1910 brachte er zwei große Kolonialvorlagen ein, und schon 1910 war das zweite Tausend Kilometer Bahnen überschritten. Nach Vollendung der jetzt im Bau begriffenen Linien, etwa Ende 1913, wird Deutschland in seinen Schutzgebieten rund 4500 km Bahnen besitzen, unsere Kolonialbahnen werden damit an Länge bereits dem Eisenbahnnetz der Schweiz gleichkommen.

In Deutsch-Ostafrika ist außer der Usambara-Bahn, die bis Moschi, 352 km von der Küste in das Innere vorgestreckt ist, nunmehr auch die Mittellandbahn auf eine Länge von 867 km bis nach Tabora, der wichtigsten Stadt des Schutzgebietes mit 40 000 Einwohnern, fertiggestellt. Sie wird in westlicher Richtung bis zum Ostufer des Tanganjika-Sees fortgesetzt und vermittelst eines auf diesem See einzurichtenden Dampfschiffbetriebs Anschluß an das Kongobahnnetz erhalten, das einen Ausläufer bis zum Westufer dieses Sees entsenden wird. Man hofft den See von beiden Seiten bis Ende des Jahres 1913 erreichen und damit die erste großen, teils aus Eisenbahnlinien, teils aus Schiffahrtsstrecken bestehende Verkehrsstraße quer durch Afrika vom indischen bis zum atlantischen Ozean eröffnen zu können.

Ein ganzes Netz von Bahnen ist in Deutsch-Südwestafrika entstanden, wo von den Küstenplätzen Swakopmund und Lüderitzbucht aus Stichbahnen bis tief in das Innere hergestellt und durch eine mächtige Nord-Südlinie Karibib–Windhuk–Keetmanshoop miteinander verbunden wurden. Das Eisenbahnnetz in Deutsch-Südwestafrika ist mit fast 2000 km das größte in den deutschen Schutzgebieten.

Kleinere, aber wirtschaftlich nicht unbedeutende Aufschließungslinien sind in Togo und Kamerun teils ausgeführt, teils im Bau begriffen.

Die deutschen Kolonialbahnen sind fast durchwegs Staatsbahnen im Besitze der Schutzgebiete selbst. Einige wichtige Linien sind erst neuerdings in das Eigentum des Reichs übergegangen. Den Betrieb führen jedoch Privatgesellschaften gegen Entrichtung eines Bahnpachtzinses.

Die Bahnen sind teils in Meterspur, teils in Kapspur (1,067 m) ausgeführt. Die Kapspur ist die Spurweite der englischen Bahnen in Südafrika und der Kap-Kairo-Bahn, die nach Cecil Rhodes kühnem Plan den afrikanischen Kontinent von Süden nach Norden in einer Länge von 9500 km (mit Einschluß der Dampfschiffstrecken) durchziehen soll, allerdings jetzt noch eine Lücke von 3500 km aufweist. Wo bei unseren deutschen Kolonialbahnen ein Anschluß an die englischen Bahnen in Südafrika oder an die Kap-Kairo-Bahn künftig in Frage kommen kann, wurde die Kapspur gewählt.

Das Anlagekapital der Bahnen in den deutschen Schutzgebieten wird Ende 1913 auf etwa 378 Millionen Mark angewachsen sein. Es beträgt ungefähr 84 000 Mark für das Kilometer, nicht ganz ein Drittel des Anlagekapitals der deutschen Bahnen im Mutterland. Im Jahre 1911 haben die deutschen Kolonialbahnen eine Verzinsung des Anlagekapitals von 2,2% aufgebracht, ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis, wenn man berücksichtigt, daß sie Erschließungsbahnen sind, die in allererster Linie der wirtschaftlichen Hebung der Schutzgebiete dienen sollen.

Wie die kürzlich erschienene Denkschrift des Reichskolonialamts feststellt, haben die neu in Betrieb gesetzten Bahnen vielfach einen geradezu erstaunlichen Einfluß auf die Kolonialwirtschaft ausgeübt, weshalb bei der Beurteilung ihrer Wirtschaftlichkeit vor allem die indirekte Rentabilität berücksichtigt werden muß. Die Bahnen in den Schutzgebieten mehren die Einnahmen an Zöllen und Steuern, mindern die Ausgaben für die Verwaltung und militärische Sicherung der Schutzgebiete und decken auf diese Weise wenigstens mittelbar die Verzinsung ihres Anlagekapitals.

In Deutsch-Ostafrika mußte, solange es keine Bahnen gab, ausschließlich der Mensch die Lasten tragen. Aber der Trägerverkehr ist langsam und teuer. Mehr als 25–35 kg nimmt ein Träger nicht. Er muß daneben noch seine Lebensmittel und die Utensilien für die tägliche Rast tragen. Je nach den Verhältnissen müssen für die Beförderung der Lasten Preise von 0,60–2,30 Mark für das Tonnenkilometer bezahlt werden. Auch bei der in Togo üblichen Lastenbeförderung in Karren, die von Menschen gezogen werden, und bei dem in Südafrika vorherrschenden Transport im Ochsenwagen betragen die durchschnittlichen Frachtenpreise 0,60–1,70 Mark für das Tonnenkilometer. Die Tarife der Eisenbahnen in den deutschen Schutzgebieten bewegen sich zwischen 20 und 25 Pfennig für das Tonnenkilometer. Der gewaltige wirtschaftliche Einfluß dieser Transportverbilligung im Zusammenhang mit der Schnelligkeit, Regelmäßigkeit und Sicherheit des Eisenbahnverkehrs ist ohne weiteres verständlich.

Dazu kommt, daß der Bahnbau der eingeborenen Bevölkerung lohnenden Gewinn bringt und damit ihre Bedürfnisse steigert. Andererseits werden durch die Bahn die zahlreichen Arbeitskräfte, die früher durch die Trägerkarawanen in Anspruch genommen wurden, für den Anbau des Landes frei. Es ist von anderer Seite zutreffend darauf hingewiesen worden, daß ein Eisenbahnzug in Afrika, wenn er nur 50 t Nutzlast 200 km weit an einem Tage befördert, soviel leistet, wie eine Karawane von 13 000 Trägern. Auch für den Europäer wird durch die Eisenbahnen die Ansiedelung erleichtert und eine Verbesserung der Lebensbedingungen geschaffen. So treten die segensreichen Wirkungen des Eisenbahnbaus in unseren deutschen Schutzgebieten augenfällig zutage. Die deutsche Verkehrspolitik unter Kaiser Wilhelm II. ist somit auch hier ihrer großen wirtschaftlichen Aufgabe gerecht geworden.

Rückblick über das Eisenbahnwesen.

Nach mannigfachen Wandelungen in den eisenbahnpolitischen Anschauungen ist Deutschland ein halbes Jahrhundert nach der Erbauung der ersten Bahnen grundsätzlich zum Staatsbahnsystem übergegangen. Es hat die Staatsbahnpolitik auch in seinen jungen Kolonialbesitz übertragen.

Das Staatsbahnsystem hat in den letzten 25 Jahren die Probe des Erfolges in Deutschland glänzend bestanden. Die Klippen, die sonst die wirtschaftlichen Unternehmungen des Staates bedrohen, sind dem deutschen Staatsbahnwesen nicht gefährlich geworden, die bitteren Enttäuschungen, die man teilweise anderwärts mit Eisenbahnverstaatlichungen erlebt hat, sind Deutschland erspart geblieben. Der staatliche Eisenbahnbetrieb hat die in ihn gesetzten Hoffnungen in reichem Maße erfüllt. Die Eisenbahnen sind von den deutschen Regierungen wahrhaft gemeinwirtschaftlich verwaltet worden und haben zu der glänzenden Entfaltung des deutschen Wirtschaftslebens das Ihrige beigetragen. Dabei haben sie sehr befriedigende Erträgnisse geliefert. Und diese erfreuliche Entwicklung des deutschen Eisenbahnwesens hat sich im wesentlichen während der Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. vollzogen.

Niemand wird für Deutschland den Vorrang vor den anderen Ländern der Erde für den ganzen Bereich des weitverzweigten Getriebes der Eisenbahnen in Anspruch nehmen. Bei der Vielgestaltigkeit der wirtschaftlichen und technischen Bedingungen des Eisenbahnwesens in den verschiedenen Ländern wird die Führung auf den einzelnen Gebieten bald von dem einen, bald von dem andern Lande übernommen.

Deutschland hat bis jetzt England nicht erreicht in der glänzenden Ausbildung seines hochentwickelten Personenverkehrs und in der unvergleichlichen Schnelligkeit seiner Güterbeförderung, die deutschen Bahnen werden von den amerikanischen, französischen und englischen übertroffen in einzelnen Rekordleistungen der Fahrgeschwindigkeit, in der Billigkeit der Frachten stehen sie hinter den amerikanischen Bahnen und in der Kühnheit der Ingenieurbauten hinter den schweizerischen und hinter österreichischen Bahnen zurück.

Aber was Behaglichkeit des Reisens bei raschen und reichlichen Verbindungen auf Haupt- und Nebenlinien, Billigkeit des Personenverkehrs, namentlich für die minder leistungsfähigen Schichten der Bevölkerung und für die arbeitenden Klassen, was sorgfältige Anpassung der Gütertarife an die Bedürfnisse des Wirtschaftslebens anlangt, was großräumige und vornehme Ausgestaltung der Bahnhofanlagen und würdige Ausführung aller Bahnbauten, was Ordnung, Sicherheit und Pünktlichkeit des Betriebes, wohl durchdachten Ausbau der Verwaltungseinrichtungen, Gediegenheit der Wirtschaftsführung, wohlwollende Fürsorge für das Personal und unbedingte Verlässigkeit des Beamtentums betrifft, dürfte Deutschland wohl von keinem anderen Lande der Erde übertroffen werden.

Der Straßenverkehr.

Auf der Straße, dem ältesten Gebiet menschlicher Verkehrstätigkeit, haben sich im letzten Vierteljahrhundert Umwälzungen von revolutionärer Bedeutung vollzogen. Fahrrad und Kraftfahrzeug sind in die Reihe der Hilfsmittel des modernen Verkehrs eingetreten.

Das Fahrrad.

Das Fahrrad ist zwar in seinen wesentlichen Bestandteilen eine deutsche Erfindung, aber erst die französische und englische Industrie hat es zum praktisch brauchbaren Verkehrsmittel ausgebildet. Nachdem die englische Industrie gegen das Ende der 1880er Jahre an die Stelle des Hochrades das Niederrad gesetzt und der englische Tierarzt Dunlop die pneumatische Bereifung erfunden hatten, konnte sich das Fahrrad die Welt erobern.

England konnte seine Alleinherrschaft in der Fahrradindustrie nicht behaupten. Heute erzeugt Deutschland nicht nur seinen Bedarf an Fahrrädern im wesentlichen selbst, sondern es führt auch Fahrräder im Werte von 6½ Millionen Mark im Jahre aus.

Anfangs fast nur zu Sport- und Vergnügungszwecken benutzt, ist das Fahrrad längst zu einem unentbehrlichen Verkehrswerkzeug für die breitesten Schichten des Volkes geworden. Es dient dem Arbeiter und Angestellten im Verkehr zwischen Wohn- und Arbeitsstätte, Handwerksleute, Ärzte, Polizei und Feuerwehr bedienen sich seiner, auch im kleinen Warenverkehr hat es sich einen Platz gesichert, die Postverwaltung macht in der Telegrammzustellung, Briefkastenleerung und sonst vom Fahrrad Gebrauch.

Die staatliche Aufsichtstätigkeit konnte an dem neuen Verkehrsmittel nicht vorübergehen. In der ersten Zeit nahmen die einzelnen Bundesstaaten je für sich die polizeiliche Regelung des Fahrradverkehrs vor. Aus der Ungleichheit ihrer Vorschriften ergaben sich indessen Unzuträglichkeiten, die 1907 zur Feststellung einheitlicher Grundsätze, betreffend den Radfahrverkehr, durch den Bundesrat führten.

Das Fahrrad wurde anfangs vielfach besteuert. Seitdem es zum allgemeinen Verkehrsmittel des Volkes wurde, ist die Steuer in den meisten Bundesstaaten beseitigt worden.

Das Kraftfahrzeug.

Die ersten Straßen-Dampfwagen sind mit den ersten Lokomotiven entstanden. Aber erst die Verwendung des schnellaufenden, leichten und bequem zu bedienenden Verbrennungsmotors hat dem Kraftfahrzeug seine heutige Stellung unter den Verkehrsmitteln gesichert.

Wie das Fahrrad, so verdankt auch der Kraftwagen mit Verbrennungsmotor deutschem Erfindungsgeist seine Entstehung. Aber auch hier war es nicht die deutsche Industrie, die die Erfindung ins praktische übersetzt hat. Frankreich gebührt der Ruhm, die Standardtype des modernen Automobils ausgebildet und dasselbe in den Verkehr eingeführt zu haben. Das Jahr 1895 mit dem berühmten Automobilrennen Paris–Bordeaux wird gemeinhin als das Geburtsjahr des modernen Kraftwagens bezeichnet. Von diesem Jahre an beginnt sein Siegeslauf durch die Welt.