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Dieses Buch befasst sich mit der Fragestellung, welche Rechtsvorschriften der öffentliche Dienst bei der Besetzung freier Stellen zu beachten hat, um eine Diskriminierung von (schwer)behinderten Bewerbern zu vermeiden. Im Einzelnen wird dargestellt: Die aktuell bestehenden Schutzvorschriften (inklusive kritischer Analyse). Die Rechte der (schwer)behinderten Bewerber im Falle einer unzulässigen Diskriminierung. Die Rolle der Vertretungsorgane Personalrat, Schwerbehindertenvertretung und Beauftragter des Arbeitgebers bei der Stellenbesetzung und Bewerberauswahl. Ein Handlungsleitfaden für die Praxis in der Personalarbeit. Dieses Buch richtet sich sowohl an schwerbehinderte Menschen, als auch an Arbeitgeber und Personalvertretungsorgane. Da es in der Rechtsdarstellung differenziert zwischen den Vorschriften, die alle Arbeitgeber zu beachten haben und denen, die nur für den öffentlichen Dienst relevant sind, kann es auch von privaten Arbeitgebern mit Gewinn gelesen werden.
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Seitenzahl: 102
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Erstmals kam ich mit der Thematik dieser Arbeit im August 2015 in Berührung. Zu dieser Zeit absolvierte ich im Rahmen meines Bachelorstudiums mit vertiefter Praxis eine Arbeitsphase im Personalbüro des Landratsamtes Aschaffenburg.
Während meines dortigen Einsatzes wurde ich darum gebeten, rechtlich zu bewerten, was unsere Dienststelle bei der Stellenbesetzung alles beachten muss und kann, um sich gegenüber AGG-Hoppern unangreifbar zu machen. Ein besonderes Augenmerk sollte ich hierbei auf schwerbehinderte Bewerber legen.
Da sich dieses Thema für mich als sehr interessant und darüber hinaus auch als inhaltlich sehr ergiebig darstellte, beschloss ich nach eigenständigen weiterführenden Recherchearbeiten zu dieser Thematik meine Bachelorarbeit mit dem Thema
„Vermeidung einer Diskriminierung behinderter Arbeitnehmer insbesondere im Rahmen des Einstellungsverfahrens des öffentlichen Dienstes – Eine Darstellung der Rechtslage und kritische Analyse“
zu verfassen.
Für die wohlwollende Annahme dieses Themas für meine Abschlussarbeit bedanke ich mich bei Dr. Ralph Hirdina, welcher mich in der Bearbeitung dieses Themas bestärkte und mich bei der Erstellung der Arbeit methodisch und inhaltlich anleitete.
Matthias Beck danke ich für den ersten Impuls, den er mir zur Findung des Themas gab und für die fachlichen Diskussionen zum diskriminierungsfreien Einstellungsverfahren in der behördlichen Praxis.
Weiterer Dank gebührt meinen Korrekturlesern Birgit Ort und Maximilian Andres.
Abschließend möchte ich auch Dr. Ulrich Reuter dafür danken, dass ich durch ihn die Chance auf ein Studium mit vertiefter Praxis im Landratsamt Aschaffenburg erhielt.
Aschaffenburg, den 11.08.2016
Markus Ort
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
HAUPTTEIL
ERSTES KAPITEL
1. Definitionen notwendiger Begrifflichkeiten
1.1. Arbeitgeber
1.2. Öffentlicher Dienst
1.3. Öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber bzw. Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes
1.4. Behinderter Mensch
1.5. Schwerbehinderter Mensch
1.6. Gleichgestellter behinderter Mensch
1.7. Bewerber
1.8. Behinderter Bewerber
1.9. Schwerbehinderter Bewerber
1.10. Gleichgestellter behinderter Bewerber
ZWEITES KAPITEL
2. Allgemeines zur Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst
2.1. Allgemeiner Auswahlgrundsatz: Bestenauslese
2.1.1. Stellen des öffentlichen Dienstes müssen grds. für Beamte und Angestellte geeignet sein
2.1.2. Beamten vorbehalten: Stellen des Funktionsvorbehaltes
2.1.3. Das Leistungsprinzip und seine Kriterien
2.1.4. Pflicht zur Stellenausschreibung für den öffentlichen Dienst
2.2. Zusätzlicher Behindertenschutz aus Art. 3 III 2 GG als unmittelbar geltendem Recht
DRITTES KAPITEL
3. Das AGG und das Verbot der Behindertendiskriminierung
3.1. Ziel des AGG
3.1.1. Verbot der unmittelbaren Benachteiligung
3.1.2. Verbot der mittelbaren Benachteiligung
3.2. Anwendbarkeit des AGG
3.2.1. Persönlicher Anwendungsbereich
3.2.2. Sachlicher Anwendungsbereich
3.2.2.1. Neutrale Stellenausschreibung
3.2.2.2. Vermeidung der Frage nach einer (Schwer-) Behinderung im Vorstellungsgespräch
3.2.2.3. Diskriminierungsfreie Entscheidung und Absage
VIERTES KAPITEL
4. Das SGB IX und die speziellen Vorgaben zur Vermeidung einer Diskriminierung aufgrund von Schwerbehinderung
4.1. Allgemein für alle Arbeitgeber geltende Normen
4.1.1. Pflicht zur Beschäftigung von Schwerbehinderten
4.1.2. Vorschriften für das Stellenbesetzungs- und Kandidatenauswahlverfahren
4.1.2.1. Prüfung der Stelle auf Eignung zur Besetzung mit Schwerbehinderten
4.1.2.2. Frühzeitige Meldung des Freiwerdens einer Stelle an die Bundesagentur für Arbeit, um Vermittlungsvorschläge geeigneter schwerbehinderter Kandidaten zu erhalten
4.1.2.3. In Kenntnis setzen der Schwerbehindertenvertretung nach Bewerbungseingang und Gewährung des Rechts auf Einsicht in die Bewerbungsunterlagen
4.1.2.4. Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung am Vorstellungsgespräch
4.1.2.5. Erörterung der Entscheidung mit Personalvertretung und Schwerbehindertenvertretung unter Anhörung des Betroffenen im Falle der Nichterfüllung der Quote aus § 71 SGB IX und Mitteilung der Entscheidung an die vorstehend Genannten
4.2. Für den öffentlichen Dienst zusätzlich geltende Vorschriften
4.2.1. Frühzeitige Meldung der zu besetzenden Stellen
4.2.2. Ladungspflicht des Schwerbehinderten zum Vorstellungsgespräch
4.3. Nicht erzwingbar: Integrationsvereinbarung
FÜNFTES KAPITEL
5. Folgen der Verstöße gegen die Pflichten aus dem AGG und dem SGB IX
5.1. Indizwirkung einer Diskriminierung aufgrund von (Schwer-)Behinderung – Verlagerung der Beweislast nach § 22 AGG auf den Beklagten
5.1.1. Widerlegung einer vermuteten Benachteiligung durch den Beklagten
5.1.2. Nachweis des Vorliegens eines gesetzlichen Rechtfertigungsgrundes für die Benachteiligung durch den Beklagten
5.2. Möglichkeiten des bestgeeigneten (schwer-) behinderten Bewerbers
5.2.1. Konkurrentenklage um Einstellung bzw. Wiederholung des Auswahlvorgangs
5.2.2. Schadensersatzklage wegen Diskriminierung in unbegrenzter Höhe
5.3. Schadensersatzklage wegen Diskriminierung aufgrund Behinderung für alle anderen Bewerber
5.4. Recht auf Zustimmungsverweigerung zur Besetzung der Stelle durch den Personalrat
SECHSTES KAPITEL
6. Rolle der Vertretungsorgane bei der Stellenbesetzung
6.1. Die Schwerbehindertenvertretung
6.2. Das Personalvertretungsorgan
6.3. Der Beauftragte des Arbeitgebers
SIEBTES KAPITEL
7. Probleme aufgrund des Diskriminierungsschutzes (wegen Behinderung) in der Praxis
7.1. Hohe Gefahr des ungewollten Verstoßes gegen eine Vorschrift
7.2. Befürchtung hoher Klagezahlen wegen Diskriminierung und Angst vor wirtschaftlichen Schäden
7.3. Gefahr des „AGG-Hopping“
ACHTES KAPITEL
8. Darstellung und kritische Würdigung der aktuellen Rechtslage
8.1. Nicht-Erreichung des Ziels „Förderung der Teilhabe behinderter Menschen“ durch strenge und umfassende Vorgaben
8.1.1. Arbeitslosenquote der Schwerbehinderten
8.1.2. Vermeidung der Einstellung von Schwerbehinderten durch Arbeitgeber aufgrund zu zahlreicher Schutzvorschriften
8.2. Hohe Komplexität der Verfahrensvorschriften
8.2.1. Fehlender Überblick der Arbeitgeber über den Paragraphendschungel
8.2.2. Bearbeitung der Bewerbungen von Schwerbehinderten mit dem Ziel der Wahrung des Scheins der rechtmäßigen Auswahldurchführung und Stellenbesetzung
NEUNTES KAPITEL
9. Handlungsleitfaden für die praktische Arbeit
SCHLUSS
LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS
Abb. 1: Beschäftigte schwerbehinderte Menschen nach Wirtschaftszweigen Jahresdurchschnitt 2014 (Seite →)
Abb. 2: Prozentuale Verteilung der arbeitslosen Schwerbehinderten nach Qualifikationen (Seite →)
Abb. 3: Prozentuale Verteilung der arbeitslosen Nicht-Schwerbehinderten nach Qualifikation (Seite →)
In Deutschland leben derzeit ca. 7,5 Millionen Schwerbehinderte.1 Diesen soll eine bestmögliche Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht werden.2 Dies umfasst auch den Zugang zu Arbeit und zum Erwerbsleben.3 Um den Zugang der Behinderten zum Arbeitsleben zu erleichtern, werden grundlose Benachteiligungen im Bewerbungsverfahren durch das AGG seit zehn Jahren verboten.4 Für Schwerbehinderte werden zusätzliche Schutz- und Fördervorschriften normiert.5 Da einige davon nur für den öffentlichen Dienst gelten,6 in welchem immerhin 215.000 Schwerbehinderte arbeiten,7 sollen in dieser Arbeit die relevanten Rechtsnormen vorgestellt und reflektiert werden, die sich bei der Stellenbesetzung und Bewerberauswahl – speziell im öffentlichen Dienst – hinsichtlich der (schwer)behinderten Bewerber ergeben.
Die Relevanz des Themas ergibt sich bereits aus der insgesamt weit verbreiteten Diskriminierung die Behinderte erfahren.
So wurden knapp 25 % der Behinderten in den letzten zwei Jahren behinderungsbedingt benachteiligt. Besonders weit verbreitet sind diese Benachteiligungen im Arbeitsleben.8
Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass im öffentlichen Sektor in Deutschland rund 4,65 Millionen Menschen beschäftigt sind.9
Die nachfolgende Arbeit ist so aufgebaut, dass im
Ersten Kapitel allgemeine Begriffsdefinitionen vorgenommen werden, die für diese Arbeit relevant sind,
Zweiten Kapitel die allgemeinen Auswahlgrundsätze vorgestellt werden, die der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber bei der Stellenbesetzung zu beachten hat,
Dritten Kapitel die hinsichtlich des Merkmals der Behinderung relevanten Vorschriften des AGG für den Bewerbungsprozess besprochen werden,
Vierten Kapitel die Vorgaben zum Schutz der Schwerbehinderten aus dem SGB IX erläutert werden, soweit sie für das Auswahlverfahren (des öffentlichen Dienstes) relevant sind,
Fünften Kapitel die möglichen Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Vorgaben des AGG und des SGB IX erläutert werden,
Sechsten Kapitel die Rollen von Personalvertretung, Schwerbehindertenvertretung und Beauftragten des Arbeitgebers im Auswahlprozess beleuchtet werden,
Siebten Kapitel die Probleme besprochen werden, die sich aus dem derzeitigen Diskriminierungsschutz in der Praxis ergeben,
Achten Kapitel eine kritische Würdigung der derzeitigen Rechtslage mit Verbesserungsvorschlägen aufgenommen werden,
Neunten Kapitel ein Handlungsleitfaden für die Arbeit in der Praxis gereicht wird.
Die Arbeit muss nicht zwingend von Anfang bis Ende gelesen werden. Sie kann vielmehr auch als Nachschlagwerk genutzt werden, da die einzelnen Kapitel soweit in sich geschlossen sind und ggfs. Verweise in andere Kapitel aufweisen.
Wie sich aus der Themenstellung bereits ergibt, geht es in dieser Arbeit um Arbeitnehmer. Entsprechend werden Vorschriften nicht besprochen, die sich allein auf Beamte beziehen.
Um einen besseren Lesefluss zu ermöglichen, werden in dieser Arbeit ausschließlich maskuline Formulierungen genutzt. Selbstredend beziehen sich diese daneben auch auf Frauen.
1 vgl. Bundesagentur für Arbeit, Die Arbeitsmarktsituation von schwerbehinderten Menschen, Seite 5
2 vgl. § 1 SGB IX
3 vgl. Mrozynski/Jabben, SGB IX Teil 1, § 1 Rn. 18
4 vgl. §§ 7, 1, 3, 6 I AGG
5 vgl. 2. Teil des SGB IX
6 vgl. § 82 SGB IX
7 vgl. Bundesagentur für Arbeit, Die Arbeitsmarktsituation von schwerbehinderten Menschen, Seite 7
8 vgl. Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Bentele, Fast jeder Dritte in Deutschland hat bereits Diskriminierung erlebt
9 vgl. Statistisches Bundesamt, Personal im öffentlichen Dienst 2015 rückläufig – Zuwachs bei Kitas
Da diese Arbeit sich über den diskriminierungsfreien Umgang der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit schwerbehinderten Bewerbern erstreckt, sollen nachfolgend die relevantesten Begrifflichkeiten für diese Arbeit definiert werden.
Als Arbeitgeber wird die Person bezeichnet, der gegenüber der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt. Er ist derjenige, mit dem der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag abschließt.10 Abzugrenzen hiervon ist der Dienstherr, welchem Beamte aus einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis heraus Dienst und Treue schulden.11 Um die Dienstherren und Beamten wird es nachfolgend nicht mehr gehen, da sie nicht Gegenstand dieser Arbeit sind.
Als öffentlicher Dienst werden diejenigen bezeichnet, die als Beamte oder als Arbeitnehmer/Arbeiter aufgrund eines Arbeitsvertrags für eine juristische Person des öffentlichen Rechts arbeiten.12
Als Arbeitgeber im öffentlichen Dienst kommen nur juristische Personen in Betracht. Dies sind im Einzelnen Gebietskörperschaften (wie Bund, Länder, Kommunen)13 und sonstige öffentlich-rechtliche juristische Personen, wie Nicht-Gebietskörperschaften (bspw. Sparkassen, IHK, Ärztekammer), Stiftungen und auch Anstalten.14
Bei einer Tätigkeit, die ggü. einer privatrechtlichen juristischen Person erbracht wird, kann es sich in keinem Fall um ein Arbeitsverhältnis des öffentlichen Dienstes handeln.15
Das Diskriminierungsmerkmal der Behinderung wurde in das AGG aus dem BGG übernommen. Dort wurde sie in § 3 so definiert wie dies auch im § 2 I 1 SGB IX der Fall ist.16
„Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt.“17
Die Behinderung (i. S. d. SGB IX) wird auf Antrag durch das Versorgungsamt festgestellt.18 Das Ergebnis der auf den Antrag folgenden Untersuchung wird in einem GdB (in Zehnerschritten – beginnend bei 20 endend bei 100) festgehalten.19
Die Zuerkennung eines solchen GdB ist nicht erforderlich, damit eine Benachteiligung aufgrund Behinderung i. S. d. AGG und damit i. R. d. Einstellungsverfahrens vorliegen kann.20 Dies liegt daran, dass die obige Definiti