Vernehmungen - Heiko Artkämper - E-Book

Vernehmungen E-Book

Heiko Artkämper

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Beschreibung

In der Praxis der Strafverfolgung führen Polizeibeamte regelmäßig eigenverantwortlich Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten im Ermittlungsverfahren durch. Die Vernehmung selbst ist ein höchst vielschichtiger Vorgang, der beim Vernehmenden psychologische, kriminalistische und juristische Fachkenntnisse erfordert. Wie man polizeiliche Vernehmungen professionell und erfolgreich meistert, zeigt dieses Buch in verständlicher Weise auf. Jedes Kapitel ist in sich eigenständig gehalten und informiert umfassend zum jeweiligen Themenkomplex. Angereichert mit zahlreichen Praxistipps und Grafiken bietet dieses Handbuch Polizeibeamten Handlungssicherheit in den vielfältigsten Vernehmungssituationen. Die vorliegende Neuauflage wurde umfassend überarbeitet und ergänzt. So wurden u.a. Kapitel zur Anhörung von Kindern und zu unternehmensinternen Befragungen und Vernehmungen neu aufgenommen. Ferner wurden Gesetzesänderungen sowie die aktuelle Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt.

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Vernehmungen

TaktikPsychologieRecht

6. Auflage

von

Dr. Heiko ArtkämperStaatsanwalt (GL)

Thorsten FlorenLehrbeauftragter an der HSPV NRW

Karsten SchillingKriminalhauptkommissar a.D.

Mit Beiträgen von

Christoph KellerPolizeidirektor

Dr. Philipp MetzgerRegierungsdirektor

Dr. Lennart MayDiplom-Psychologe

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

E-Book

6. Auflage 2021

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb; Hilden/Rhld., 2021

ISBN 978-3-8011-0902-8 (EPUB)

Titel Nr. 102099

Buch (Print)

6. Auflage 2021

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb; Hilden/Rhld., 2021

Druck und Bindung: Mediaprint, Paderborn

ISBN 978-3-8011-0879-3

eISBN 978-3-8011-0902-8

Alle Rechte vorbehalten

Unbefugte Nutzungen, wie Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden. Satz und E-Book: VDP GMBH Buchvertrieb, Hilden

www.vdpolizei.de

E-Mail: [email protected]

Vorwort zur sechsten Auflage

Wer fragt, bekommt Antworten – wer richtig fragt, bekommt die richtigen Antworten. Informationsakquise ist für sämtliche Berufe mit Vernehmungs- und Befragungspraxis von täglicher und essenzieller Bedeutung.

Der Spagat zwischen praktischer Anwendung einerseits und gesetzlich-theoretischem Hintergrundwissen andererseits ist ungeschriebene Geschäftsgrundlage einer jeden Vernehmung. Die Tatsache, dass eine autoritär veranlasste Zwangskommunikation zur Aufklärung einer Straftat beitragen kann, soll und muss, erschwert die Kommunikation, macht sie aber nicht unmöglich. Es wurde in den Vorauflagen darauf hingewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit, bereits bei der erstmaligen Begehung einer Straftat aufzufallen, gering ist. Beschuldigte, die in flagranti gestellt werden, sind in aller Regel keine Erst- oder Einmaltäter. Will man im Sinne einer Qualitätsoffensive der Kriminalität konsequent und erfolgreich begegnen, ist die Vernehmung wichtiger denn je: Auch dies ist das Ziel einer gelungenen Vernehmung, die – entgegen der Wissenschaftshörigkeit mancher – weiterhin einen Kernbereich der Tätigkeit im Rahmen der Strafverfolgung darstellt.

Anregungen und Wünsche der Leser, die an uns herangetragen wurden, fanden – soweit möglich – erneut Berücksichtigung.

Die Pensionierung von Karsten Schilling hat die Autoren dazu bewegt, „frisches Blut“ zur Aktualisierung hinzuzuziehen: Thorsten Floren tritt seit dieser Auflage sukzessive die Nachfolge an und verstärkt so den Praxisbezug. Sämtliche Änderungen wurden berücksichtigt, sodass die Veröffentlichung sich auf aktuellem Stand befindet.

Dortmund/Steinheim/Unna, im Januar 2021

Heiko Artkämper

Thorsten Floren

Karsten Schilling

Aus dem Vorwort zur fünften Auflage (2018)

Anregungen und Wünsche der Leser, die an die Autoren herangetragen wurden, fanden – soweit möglich – erneut Berücksichtigung, ohne dass dadurch die Struktur gegenüber den Vorauflagen geändert werden musste.

Aus dem Vorwort zur vierten Auflage (2017)

Die Notwendigkeit einer Neuauflage der vergriffenen Veröffentlichung fällt in eine Zeit, in der Gesetzesänderungen zu erwarten stehen. Unter anderem der seit dem Jahr 2016 diskutierte Rohentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens – könnte im Falle seiner Umsetzung zu gravierenden Änderungen betreffend die Dokumentation von Vernehmungen führen. Diese wurden – soweit möglich – in die Ausführungen integriert und werden im Zusammenhang im Kapitel 18.7 dargestellt.

Aus dem Vorwort zur dritten Auflage (2014)

Erörterungen zu den Grundzügen der Wahrnehmung, der Kommunikation und der Vernehmungstechnik wurden ergänzt und erweitert.

Soweit die im Jahre 2013 in Kraft getretenen Änderungen der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes teilweise eigenständige Belehrungspflichten eingeführt haben, die durch ihre Aufnahme als Querverweise wenig benutzerfreundlich sind, wurden allerdings auch strukturelle Änderungen vorgenommen, die der besseren Verständlichkeit dienen sollen.

Völlig neu eingeführt wurde das Kapitel zu Vernehmungen in besonderen Verfahrensarten (insbesondere Disziplinarverfahren). Hier ist es gelungen, für diese Spezialmaterien zwei kompetente und renommierte Gastautoren (POR Christoph Keller und ORR Philipp Metzger) zu gewinnen.

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage (2010)

In der Praxis der Strafverfolgung werden Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten im Ermittlungsverfahren regelmäßig eigenverantwortlich von Polizeibeamten durchgeführt.

Hierbei entstehen Kommunikationsprozesse, die von psychologischen und sozialen Faktoren abhängig und neben der sozialen Kompetenz des Vernehmenden an die Kenntnis kriminalistisch-methodischer und juristischer Vorgaben geknüpft sind.

Diese polizeilichen Vernehmungen sind in weitaus größerem Maße für den Ausgang eines Strafverfahrens relevant, als es Polizeibeamten oftmals bekannt ist. Das Feedback durch die Justiz lässt häufig zu wünschen übrig. In vielen Fällen hängen Freispruch und/oder Verurteilung allein von der Qualität und der Verwertbarkeit einer solchen Vernehmung ab. Die polizeiliche Vernehmung rückt daher häufig in den Mittelpunkt einer strafrechtlichen Hauptverhandlung.

Polizeiliche Vernehmungen mögen „aus Erfahrung gut“ sein; was aber passiert, wenn genau diese Erfahrung fehlt? „Ohne Erfahrung gut“ ist eine Fiktion und eine unerreichbare Leistungsvorgabe; sie kann nicht erwartet werden. Erfolgreiche Vernehmungen bedürfen eines Grundstockes an sozialwissenschaftlichen, kriminologischen, kriminalistischen und juristischen Kenntnissen sowie einer gewissen Lebenserfahrung. Alle vorgenannten Aspekte können aber keinesfalls eine erforderliche Vernehmungserfahrung und -praxis auch nur ansatzweise ersetzen.

Das „Bauchgefühl“ eines vernehmenden Polizeibeamten entwickelt sich; damit er dabei auf gewisse Grundlagen zurückgreifen kann, will diese Veröffentlichung Handlungssicherheit in Vernehmungssituationen vermitteln. Es versteht sich, dass es dabei ausschließlich um die theoretische Vernehmungskompetenz und nicht die Sozialkompetenz geht.

Vernehmungen müssen von einer professionellen – aber neutralen – Neugier geprägt sein, die sach- und personenbezogen ist und von einem kriminalistischen Denken dominiert wird. Die Fragen, die der Vernehmende stellt, steuern die Qualität der Antworten; Fragen und Antworten bilden eine Symbiose.

Dieses Buch soll dem Leser den Einstieg in eine schwierige Materie erleichtern, aber zugleich auch als späterer Wegbegleiter in besonderen Situationen eine Hilfe sein. Bei der Umsetzung dieser Konzeption wurde versucht, die einzelnen Kapitel „autark“ zu gestalten, sodass der Leser allein durch die Lektüre eines Themenabschnittes umfassend informiert wird. Die damit verbundenen Wiederholungen bei einer Gesamtlektüre des Werkes haben die Verfasser bewusst in Kauf genommen.

Das perfekte, universell anwendbare Vernehmungskonzept für jede Vernehmungssituation und für jeden Vernehmenden gibt es nicht; ein solches kann und soll daher auch hier nicht präsentiert werden.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur sechsten Auflage

Aus dem Vorwort zur fünften Auflage (2018)

Aus dem Vorwort zur vierten Auflage (2017)

Aus dem Vorwort zur dritten Auflage (2014)

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage (2010)

Übersichten/Schaubilder

1Vernehmungen im Kontext von menschlicher Erinnerung, Irrtum und Lüge

1.1Menschliches Erinnern: Grundzüge von Wahrnehmung, Codierung, Speicherung und Wiedergabe

1.1.1Fehlerquellen bei der Wahrnehmung

1.1.2Fehlerquellen bei der Codierung

1.1.3Fehlerquellen bei der Speicherung

1.1.4Fehlerquellen bei der Wiedergabe

1.2Personenbezogene Faktoren

1.2.1Weitere subjektive Determinanten

1.2.2Wahrnehmungsverzerrungen

1.2.3Alters- und Größenschätzungen

1.3Sachbezogene Faktoren

1.4Lüge und Irrtum

1.5Unglaubhaftigkeits- bzw. Nullhypothese, Realkennzeichen und Warnhinweise

1.5.1Nullhypothese

1.5.2Realkennzeichen und Warnsignale

1.6Analyse einer Aussage

1.6.1Detailreichtum

1.6.2Individuelle – ausgefallene – Besonderheiten

1.6.3Raum-zeitliche Verknüpfung mit objektivierbaren Faktoren

1.6.4Konstanz in wesentlichen Teilen

1.6.5Homogenität

1.6.6Ungeordnete – aber psychologisch erklärbare – Beschreibungen

1.6.7Spontane Erweiterungen

1.6.8Objektivität durch Beschreibung be- und entlastender Umstände

1.6.9Resümee

1.7Lügensignale

1.7.1Recht zur Lüge?!

1.7.1.1Zeugen

1.7.1.2Beschuldigte

1.7.1.3Selbstbelastungsfreiheit versus Auskunftspflichten

1.7.1.3.1Insolvenzordnung

1.7.1.3.2Asylgesetz

1.7.1.3.3Disziplinarverfahren im Strafvollzug

1.7.1.4Falschangaben bei Verkehrsdelikten

1.7.2Guter oder schlechter Leumund

1.7.3Fehlen von Realitätskriterien

1.7.4Weitere Warn- und Lügensignale

1.8Zuverlässig funktionierende Lügenerkennungsmethoden?

1.9Kurze tatsächliche Bestandsaufnahme

1.9.1Der Fall Jakob von Metzler

1.9.2Falsche Geständnisse und der Bauer Rudi Rupp

1.9.3Das Holzklotzverfahren

1.9.4Die Vermisstenanzeige

1.9.5Der wenig kooperative Beschuldigte

1.9.6Der nicht auffindbare Beschuldigte

1.9.7Ein Gegenbeispiel: Tod nach Luftembolie bei einverständlichem Geschlechtsverkehr

1.9.8Erhebungen von Habschick

1.9.9Appell an die Vernehmenden

1.10Historische Reminiszenz

1.10.1Vernehmungen

1.10.2Geständnisse beschuldigter Personen

1.11Vernehmungen im EU-Kontext

2Vernehmungen und andere Arten der Informationsgewinnung

2.1Begriff der Vernehmung

2.2„Gespräche“ zur Gefahrenabwehr

2.2.1Kommunikativer Einsatz

2.2.2Gespräch auf der Straße

2.3Gefährderansprachen oder besser: Gefährdergespräche

2.3.1„Versuch“ einer Definition aus Bayern

2.3.2Psychologisch und taktisch sinnvolle Handlungsempfehlung

2.3.3Das Interventionskonzept

2.4Handlungsempfehlungen, Opferfürsorge und Anhörungen

2.5Informatorische Befragungen

2.6Sondierungsfragen

2.7(Zufälliges) Mithören von Äußerungen

2.8Spontanäußerungen

2.8.1Spontanäußerungen von Beschuldigten

2.8.2Selbstgespräche von Beschuldigten

2.8.3Spontanäußerungen von Zeugen

2.9Vorgespräche

2.10Anzeigeerstattungen

2.10.1Rechtsnatur der Anzeigeaufnahme

2.10.2Spielregeln für den Anzeigeaufnehmenden

2.10.3Anzeigeerstatter bei Privatklagedelikten

2.10.4Anzeigeerstatter oder Beschuldigter?

2.10.5Strafanzeigen gegen Kinder

2.11Einsatz verdeckter Ermittler

2.12Heimliches Aufzeichnen von Gesprächen mit Besuchern während der Untersuchungshaft

2.13Hörfallen

2.14Schriftliche „Vernehmungen“, besser: Äußerungen

2.14.1Beschuldigte

2.14.2Zeugen

2.14.3Standardisierte Anhörungsbögen

2.14.4Detaillierte Fragenkataloge (mit Platz für Antworten)

2.14.5Konservierung von Zeugenwahrnehmungen durch vorgelagerte Anhörungsbögen – „EVA“

2.15Polizeiliche und staatsanwaltliche Vernehmungen

3Ziele und Aufgaben einer Vernehmung

3.1Ziele einer Vernehmung

3.2Strukturen

3.2.1Objektiver und subjektiver Befund

3.2.2Personen

3.3Wahrheitsfindung

3.4Inhalte

3.5Wahrgenommenes, Information und Schlussfolgerung(en)

3.5.1Analyse der Aussage

3.5.2Abfrage von Vergleichswerten

3.6Soziale Wahrnehmung und ihre Realisation durch den Vernehmenden

3.7Bestätigende Informationsverarbeitung und Ankereffekt im Strafverfahren

3.7.1Die „richtige“ Entscheidung

3.7.2Phänomene der Entscheidungsfindung

3.7.2.1Schulterschlusseffekt

3.7.2.2Prinzip der bestätigenden Informationsverarbeitung

3.7.2.2.1Verarbeitung konsistenter Informationen

3.7.2.2.2Verarbeitung inkonsistenter Informationen

3.7.3Inertia-/Perseveranzeffekt

3.7.4Primacyeffekt

3.7.5Ankereffekt

3.7.6Auswirkungen auf das Strafverfahren

3.7.6.1Bestätigung kriminalistischer Arbeitshypothesen

3.7.6.2Antragsgemäße Beschlüsse im Ermittlungs- und Zwischenverfahren

3.7.6.3Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung

3.7.6.4Plädoyers, Beratung und Urteil

3.8Zusammenfassung

4Transfer von Vernehmungen in die Hauptverhandlung

4.1Personal- und Sachbeweis

4.2Erscheinungsformen von Angaben im Ermittlungsverfahren

4.3Transfer des Personalbeweises in die Hauptverhandlung

4.3.1Beschuldigtenangaben

4.3.2Zeugenangaben

4.3.2.1Normalzeugen

4.3.2.2Zeugen mit Auskunftsverweigerungsrecht

4.3.2.3Zeugen mit Zeugnisverweigerungsrecht

4.3.2.4Zeugen, die einer Aussagegenehmigung bedürfen

4.3.2.5Berufsgeheimnisträger und deren Gehilfen als Zeugen

4.3.2.6Verlesung von Zeugenaussagen bei Geständnissen

4.4Resümee

4.5Anhang: Polizeibeamte als Zeugen vor Gericht

4.5.1Neue Tendenzen

4.5.2Professionalität

4.5.3Notwendige Verteidigung bei Polizeizeugen?

4.5.4Strategien und Strukturen aggressiver Verteidigung gegenüber Polizeibeamten

4.5.4.1Verteidigungsstrategien

4.5.4.2Strukturelle Aspekte aggressiver Verteidigung im Rahmen der Befragung und Reaktionsmöglichkeiten von Polizeibeamten

4.5.4.2.1Unterbrechungen, Vernehmungsversuche und Vorwürfe

4.5.4.2.2Erforschung der Persönlichkeit und des Privatlebens

4.5.4.2.3Rollenfremde Fragen

4.5.4.2.4Nach den §§ 240, 241 StPO unzulässige Fragen

4.5.4.2.5Protokollierungsanträge und Suggestivbemerkungen

4.5.4.2.6Häufung von Fragen. Unverständliche, geschlossene und Fangfragen

4.5.5Checkliste und Leitfaden zur Vorbereitung und Durchführung der Zeugenaussage

4.5.5.1Vorbereitung

4.5.5.2Verhalten im Gerichtsgebäude

4.5.5.3Vernehmung

4.5.5.4Nachbereitung

4.6Der Polizeibeamte als Sachverständiger

4.7Abgrenzung zum Zeugen

5Vernehmungsmodelle

5.1Modelle Zeugenvernehmung

5.1.1Kognitives Interview

5.1.1.1Zurückversetzen in den Wahrnehmungskontext

5.1.1.2Alle Einfälle berichten lassen

5.1.1.3Abfrage der Erinnerung aus unterschiedlichen Richtungen

5.1.1.4Perspektivenwechsel

5.2Modelle Zeugen und Beschuldigtenvernehmung

5.2.1Rapport-Modell (oder: erweitertes kognitives Interview)

5.2.1.1Zeugenvernehmung

5.2.1.2Beschuldigtenvernehmung

5.2.2PEACE-Modell

5.2.3FIVE-TIERS-Modell

5.2.4Strukturierte Vernehmungen

5.2.4.1Strukturierte Zeugenvernehmung

5.2.4.2Strukturierte Beschuldigtenvernehmung

5.3Modelle Beschuldigtenvernehmung

5.3.1Reid-Modell

5.3.1.1Intention

5.3.1.2Propagierte Vorgehensweise

5.3.1.3Kritik

5.3.2RPM-Technik

5.4Struktur, „Checkliste“ oder „Korsett“?

5.4.1Notwendigkeit einer Vergleichsgröße

5.4.2Bildkartenmethode-Vernehmungskarten als Strukturelement

6Kommunikationsprozess und Fragetechniken

6.1Menschliche Kommunikation und Gesprächsführung im Kontext von Vernehmungen; Vernehmungscoaching

6.1.1Nichtkommunikation

6.1.2Sender und Empfänger

6.1.3Kommunikationsdiagnosemodelle

6.1.3.1TALK-Modell

6.1.3.2Transaktionsanalyse

6.1.4Kommunikationsstile

6.1.5Kommunikationsprobleme

6.1.5.1Allgemeine Probleme

6.1.5.2Explizite Metakommunikation

6.1.6Fazit: Grundregeln kompetenter Kommunikation

6.2Beteiligte am Kommunikationsprozess

6.3Allgemeine Überlegungen

6.3.1Vorentscheidung

6.3.2Kriminalistisch-taktische Weichenstellung

6.4Zulässige (und unzulässige) Fragen

6.5Zugang

6.5.1Bekanntschaft besteht

6.5.2Bekanntschaft herstellen

6.5.3Ermittler als Kommunikationspartner

6.5.4Besonderheiten bei Mehrfachtätern

6.6Vernehmungsarbeit als Beziehungsarbeit

6.6.1Serienmörder

6.6.1.1Prozessgeschichte

6.6.1.2Bedeutung der Belehrung

6.6.2Wirtschaftskrimineller

6.6.3Drogenkonsument und Bewährungsversager

6.6.4Marihuanakäufer

6.6.5OFA-Einbeziehung

6.6.6„Als ob“-Beziehung

6.6.7Beziehungsarbeit als „Kunst, Mördern ein Geständnis abzunehmen“

6.7Polizeiliches „Schwarzweißdenken“

6.8Offene (und geschlossene) Fragen

6.8.1Offene Fragen

6.8.2Geschlossene Fragen

6.8.3Gefahren geschlossener Fragen

6.8.4Trichterbefragung

6.9Neutrale (und suggestive) Fragen

6.10Ausreden lassen

6.11Aktives (und passives) Zuhören

6.11.1Passives Zuhören

6.11.2Aufmerksamkeitsreaktionen

6.11.3Aktives Zuhören

6.11.4Kommunikationssperren

6.12Ich-Botschaften

6.13Psychischer Druck

6.13.1Furchterregende Appelle

6.13.2Kontrollverlust

6.13.3Vernehmungsstrategien

6.13.3.1Magic Words

6.13.3.2Kreuzverhör

6.13.3.3Zick-Zack-Methode

6.14Körpersprache

6.15Im Vorgriff: Vorbereitung der Vernehmung

6.16Sprachniveau

6.16.1Killerphrasen und Floskeln

6.16.2Fremd- und Schlagworte

6.16.3Rechtsbegriffe

6.16.4Fach- und Milieubegriffe

6.17Anhang: Kontakt mit Suizidenten

6.17.1Kontrolle

6.17.2Gespräche mit suizidentschlossenen Personen

6.17.3Herankommen

6.17.4Aktives Zuhören

7Erscheinenspflichten und Anwesenheitsrechte

7.1Anwesenheitspflichten

7.2Überblick über die gesetzlichen Regelungen der Anwesenheitsrechte

7.3Erklärungs- und Fragerecht des Verteidigers bei Vernehmungen

7.4Exkurs: Teilnahmerecht bei Einnahme richterlichen Augenscheins

7.5Anwesenheitsrecht und Anwesenheitsmöglichkeit

7.6Umfang des Anwesenheitsrechts

7.7Anwesenheitsrecht der Erziehungsberechtigten und Betreuer pp.

7.8Anwesenheitsrecht des Verteidigers

7.8.1Vernehmung des Beschuldigten

7.8.2Vernehmung von Mitbeschuldigten

7.9Zeugenbeistände und Nebenklageberechtigte

7.9.1Vernehmungsbeistände

7.9.2Verletztenbeistände

7.9.3Anwälte von nebenklageberechtigten Verletzten

7.9.4Psychosoziale Prozessbetreuung

7.9.5Übersichten

7.9.5.1Teilnahmerecht an Vernehmungen des Mandanten

7.9.5.2Teilnahmerecht an anderen Vernehmungen

7.10Belehrung über die Möglichkeit anwaltlichen Beistandes

7.11Anspruch auf Dolmetscher bei sprachunkundigen Nebenklageberechtigten

7.12Anhang: Mitteilungspflichten zugunsten des Verletzten

8Vorbereitung der Vernehmung

8.1Allgemeine Vorbereitung

8.1.1Äußere Umstände

8.1.2Umfassende Aktenkenntnis

8.1.2.1Vorbereitung in sachlicher Hinsicht

8.1.2.2Vorbereitung in rechtlicher Hinsicht

8.1.2.3Vorbereitung in personeller Hinsicht

8.1.2.4Technische Vorbereitung

8.1.3Rück- und Absprachen mit der Staatsanwaltschaft

8.1.3.1Klärung des Status des zu Vernehmenden

8.1.3.2Umfang der Vernehmung bei Mehrfachstraftätern

8.1.3.3Weitere Entscheidungsmöglichkeiten nach dem Opportunitätsprinzip

8.2Öffentlichkeitsarbeit

8.2.1Auslobungen und Belohnungen

8.2.2Gefahren einer offensiven Presseöffentlichkeit

8.3Vorangegangene Maßnahmen

8.3.1Notrufe

8.3.2Zugriff durch Dritte

8.3.3Einschaltung von Sachverständigen

8.4Schnelle sofortige oder geplante vorbereitete Vernehmung

8.4.1Vorteile eines schnellen sofortigen Ansatzes einer Vernehmung

8.4.2Vorteile, „in Ruhe ermittelt zu haben“

8.5Äußere Begleitumstände

8.6Psychologisches/psychiatrisches Einzelvernehmungstraining zur Vorbereitung einer Vernehmung

8.7Einschaltung der OFA

8.8Vernehmungsbegleitendes Coaching

8.8.1Remote-Unterstützung

8.8.2Grenze rechtsstaatlichen Vorgehens

8.9Eigensicherungsmaßnahmen

8.10Aktenaufbau und Aktenführung

8.10.1Aktenwahrheit, -klarheit und -vollständigkeit

8.10.2Aktenführung und Daten-/Opferschutz

8.10.3Aktenführende Stelle

9Vernehmungsfähigkeit und Vernehmungen von Personen, die der (hoch-)deutschen Sprache nicht – hinreichend – mächtig sind

9.1Keine starren Altersgrenzen

9.2Alkohol

9.3Medikamenten- und Drogenabhängige

9.4Methoden zur angenehmen Vernehmungsgestaltung und/oder Erinnerungsunterstützung

9.4.1Verabreichen von Mitteln bei selbst verursachter zentraler Beeinflussung

9.4.2Zeugen

9.4.3Beschuldigte

9.5(Opfer-)Zeugen nach durchgeführten (Not-)Operationen

9.6Vernehmungen von Personen, die der (hoch-)deutschen Sprache nicht (hinreichend) mächtig sind

9.6.1Mundarten und Dialekte der deutschen Sprache

9.6.2Stärkung der Verfahrensrechte des Nebenklägers 2013

9.6.3Überprüfung der Sprachkenntnisse

9.6.4Sprachkundige Vernehmungsbeamte

9.6.5Übersetzungen durch Vertrauens-/Begleitpersonen des zu Vernehmenden

9.6.6Einsatz und Selbstverständnis von Dolmetschern

9.6.7Fehlerquellen beim Einsatz von Dolmetschern

9.6.7.1Aufgabe, Funktion und Hintergrundwissen des Dolmetschers

9.6.7.2Keine Interaktionen zulassen

9.6.7.3Sprachungenauigkeiten und Übersetzungsfehler berücksichtigen

9.6.7.4Optimaler Dolmetschereinsatz

9.6.7.5Ausnahmefall: Beziehungsaufbau mit und durch den Dolmetscher?!

9.6.8Dokumentation übersetzter Vernehmungen

9.6.9Exkurs: Dolmetscher- und Sachverständigenstatus

9.6.10Vernehmung von Fremdsprachigen und Glaubhaftigkeitsbeurteilung

9.7Hör- und sprachbehinderte Personen

9.8Gehörlose, Stumme und taubstumme Analphabeten

10Verbotene und erlaubte Vernehmungsmethoden

10.1Polygraph

10.1.1Polygraphie bei Zeugen

10.1.2Polygraphie bei Beschuldigten

10.1.3Eine mutige Entscheidung: Polygraphie bei Beschuldigten und Zeugen

10.2Mikroexpressionen der Furcht

10.3Neurowissenschaft und Gehirnaktivitäten

10.4Hypnose

10.4.1Versuch einer Definition

10.4.2Behandlung der Hypnose durch Juristen

10.4.3Kritik und Lösungsvorschlag zur Hypnose bei Zeugen

10.4.4Juristisch-dogmatisches Lösungsangebot

10.4.5Beweiswert erzielter Ergebnisse

10.4.6Hypnose bei Beschuldigten

10.4.7Resümee

10.5Face-Truth-Model

10.6Regelungen der §§ 69 Abs. 3, 136a StPO

10.6.1Normadressaten

10.6.2Vernehmungsbegriff

10.6.3Misshandlung

10.6.4Ermüdung

10.6.5Verabreichen von Mitteln

10.6.6Quälerei

10.6.7Täuschung

10.6.8Hypnose

10.6.9Zwang

10.6.10Drohung mit unzulässigen Maßnahmen

10.6.11Versprechen von gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteilen

10.6.12Erinnerungsvermögen und Einsichtsfähigkeit

10.6.13Personeller Adressatenkreis verbotener Vernehmungsmethoden

10.6.14(Keine) Fernwirkung

10.7Kriminalistische List und Täuschung

10.7.1Grenzbereiche in der alltäglichen Vernehmungspraxis

10.7.2Legitimation der Differenzierung

10.7.3Resümee

10.8Exkurs: Mögliche Strafbarkeiten des Vernehmenden (insbesondere bei der Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden)

11Auswirkungen verbotener Vernehmungsmethoden, fehlender und falscher Belehrungen

11.1Absolute Verwertungsverbote

11.2Fruit of the poisonous tree doctrine

11.3Hypothesenlehre

11.4Abwägungslehre

11.5Beweiswürdigungslösung

11.6Strafvollstreckungslösung

11.7Widerspruchslösung

11.8Notwendigkeit einer qualifizierten Belehrung

12Zeugenvernehmungen allgemein

12.1Die gesetzlichen Regelungen

12.1.1Überblick über die seit dem 1.10.2009 geltenden Regelungen

12.1.2Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) vom 26.6.2013

12.2Ladung

12.3Zeugenbeistände

12.4Recht des Zeugen auf Anwesenheit eines Rechtsanwaltes

12.5Opferzeugen (und Opferanwälte)

12.6Aufklärungspflichten

12.7Belehrungspflichten

12.8Ablauf der Zeugenvernehmung

12.9Dokumentation der Zeugenvernehmung

12.10Statuswechsel: Vom Zeugen zum Beschuldigten

12.11Zeuge und Beschuldigter bei mehreren prozessualen Taten

12.12Übersicht Zeugenbelehrungen

13Vernehmung „besonderer“ Zeugen

13.1Traumatisierte Zeugen

13.1.1Stresssituationen als Ausgangslage

13.1.2Begriff des Traumas

13.1.3Besondere Phänomene bei der Wahrnehmung und Speicherung

13.2Kindliche Zeugen

13.3Jugendliche Zeugen

13.3.1Jugendsachbearbeiter

13.3.2Beziehungsarbeit

13.3.3Vernehmung jugendlicher Zeugen

13.3.3.1Zeugenbelehrung

13.3.3.2Vernehmungsintention

13.3.3.3Exkurs: Gefährdergespräche

13.3.3.4Anwesenheitsrechte Erziehungsberechtigter

13.3.3.5Vernehmungsinhalte

13.3.3.6Dokumentation der Vernehmung

13.4Sehr alte Menschen als Zeugen

13.4.1Gedächtnisleistung

13.4.2„SÄMÜT“

13.5Opferzeugen Menschenhandel

13.5.1Kurze historische Reminiszenz

13.5.2EU-Erweiterung

13.5.3Opfer

13.5.4Vernehmung

13.5.4.1Selbstverständnis

13.5.4.2Kriminalistische Betrachtung

13.5.5Videovernehmungen

13.6Zeugen mit Migrationshintergrund

13.7Zeugen mit erhöhter Gewaltbereitschaft und Hang zur Selbstjustiz

13.8Zeugen mit extrem archaischem Ehrgefühl

13.8.1Wahrheit und Ehre

13.8.2Aussageverweigerungen

13.8.3Anhänger des Guanchi-Prinzips

13.9Zeugen vom Hörensagen

13.9.1Anonyme Zeugen

13.9.2Zusicherung der Vertraulichkeit

13.9.3Quellenvernehmung

13.9.4Möglichkeiten der „Vertraulichkeit“

13.10Zeugen mit ärztlicher Schweigepflicht

13.10.1Vitaler Persönlichkeitsschutz

13.10.2Postmortaler Persönlichkeitsschutz

14Anhörung von Kindern

14.1Kindliche Wahrnehmung

14.1.1Sprachentwicklung

14.1.2Entwicklung des Gedächtnisses

14.1.3Entwicklung des Denkvermögens

14.1.4Fähigkeit zu lügen

14.2Zeitpunkt der Anhörung

14.3Anzahl der Anhörungen

14.4Struktur einer Anhörung von Kindern

14.4.1Ziel der Anhörung

14.4.2Ladung

14.4.3Vorbereitung

14.4.4Anwesenheitsrechte

14.4.5Beziehungsarbeit bei der Anhörung

14.4.6Kindzentrierung

14.4.7Vorgespräch/Kontaktphase

14.4.8Belehrung eines tatverdächtigen Kindes

14.4.9Belehrung eines kindlichen Zeugen

14.4.10Ergänzungspflegschaft

14.4.11Hilfsorganisationen

14.4.12Anhörung zur Sache

14.4.12.1Freier Bericht

14.4.12.2Trichterförmige Befragung

14.4.13Transparenz

14.4.14Suggestionsfreiheit

14.4.15Nonverbale Vernehmungstechniken

14.4.15.1Reale Gegenstände und Spielzeuge?

14.4.15.2Bildkärtchenmethode

14.4.16Dokumentation

14.4.17Praktische Erfahrungen mit der Dokumentation/Videovernehmung

14.4.18Eindrucksvermerke

14.4.19Vernehmungskarten als Leitfaden

15Beschuldigtenvernehmung allgemein

15.1Vorgespräche

15.2Beschuldigtenbegriff

15.3Zeitpunkt der Belehrung

15.4Art und Umfang der Belehrung

15.4.1Gesetzliche Vorgaben (Übersicht)

15.4.2Belehrung des Beschuldigten über die ihm zur Last gelegte Tat

15.4.2.1Tatbegriff

15.4.2.2Tateröffnung, Beurteilungsspielraum und kriminalistische List

15.4.2.3Gefahren bei mehreren (strafprozessualen) Taten innerhalb der aktuellen Vernehmung

15.4.2.4Gefahren bei weiteren in anderen Staatsanwaltschaften und/oder Polizeibehörden anhängigen Taten

15.4.2.5Gefahren bei unterschiedlichen Prozessgegenständen und -rollen der Auskunftsperson

15.4.3Einlassungsverweigerungsrecht

15.4.4Recht des Beschuldigten zur Verteidigerkonsultation

15.4.4.1Bisherige Kasuistik

15.4.4.2Die Hilfestellungen nach neuem Recht: Anwaltskonsultation und Kostentragung

15.4.4.3Fälle der notwendigen Verteidigung

15.4.4.4Vernehmung ohne Verteidiger auch bei gravierenden Verbrechensvorwürfen?

15.4.5Beweisanregungsrecht

15.4.6Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs

15.4.7Auskunfts-/Akteneinsichtsrechte (bei Festnahmen)

15.4.7.1Rechte des Beschuldigten

15.4.7.2Rechte des Verteidigers

15.4.8Besonderheiten bei der Belehrung des Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren

15.5Umsetzung der Belehrung

15.5.1Notwendigkeit einer verständlichen Belehrung

15.5.2Aufgaben des Belehrenden

15.5.2.1Wissensvermittlung

15.5.2.2Verständniskontrolle

15.5.2.3Unbedingte Respektierung des Willens des Beschuldigten

15.5.2.4Dokumentation der Belehrung

15.5.2.5Streng- und Freibeweis

15.6Folgen fehlender/mangelhafter Belehrungen: Widerspruchslösung des BGH

15.7Belehrung von Personen, die ihre Rechte kennen

15.8Weiterer Ablauf der Beschuldigtenvernehmung

15.9Exkurs: Gemeinsamkeiten der Beschuldigtenvernehmung mit der Mediation?!

15.10Statuswechsel: Vom Beschuldigten zum Zeugen?

16Vernehmung „besonderer“ Beschuldigter

16.1Verfahrensrechte von sprachunkundigen Beschuldigten

16.2Beschuldigtenbelehrung bei Notwendigkeit einer Pflichtverteidigerbestellung

16.2.1Das „Ob“ der Pflichtverteidigerbestellung

16.2.2Das „Wie“ der Pflichtverteidigerbestellung

16.2.3Die Kosten der Pflichtverteidigung

16.3Qualifizierte Belehrung

16.3.1Gedanklicher Ansatz

16.3.2Beweisverwertungsverbot bei Verstößen gegen Belehrungspflichten in vorgelagerten anderen Verfahren

16.3.3Verhängnisvolle Ermittlungsketten

16.3.4Beteiligung von Beamten der Spezialeinheiten

16.3.5Keine qualifizierte Belehrung auf Verdacht

16.3.6Rechtsfolgen einer fehlenden qualifizierten Belehrung

16.3.6.1Kein grundsätzliches Verwertungsverbot bezüglich des nicht belehrten Beschuldigten

16.3.6.2Verwertungsverbot zugunsten Mitbeschuldigter?

16.3.7„Erschlichene“ qualifizierte Belehrung

16.4Vernehmungen von Beschuldigten, bei denen die Stellung eines Antrags auf Erlass eines Haftbefehls angeregt werden soll

16.5Formalisierte Belehrungen bei Ingewahrsamnahmen und Identitätsfeststellungen

16.5.1Schriftliche Belehrung bei Verhaftungen

16.5.2Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte

16.5.2.1Beschuldigter

16.5.2.2Verteidiger

16.5.3Schriftliche Belehrung bei vorläufiger Festnahme

16.5.4Schriftliche Belehrung bei Feststellung der Identität

16.6Vernehmungen von ausländischen Beschuldigten

16.6.1Bestehen einer Belehrungspflicht

16.6.2Exkurs: Zwingende oder fakultative Benachrichtigung des Konsulats?

16.6.3Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht

16.7Belehrung bei Festnahme aufgrund eines EU-Haftbefehls

16.8„Vernehmungen“ von Kindern

16.8.1Relevanter Zeitpunkt

16.8.2Anhörung und/oder Zeugenvernehmung

16.9Vernehmungen von Jugendlichen

16.9.1Anwesenheitsrechte der Erziehungsberechtigten

16.9.2Mögliche Sanktionen eines Verstoßes

16.9.3Haftvermeidung

16.9.4Besondere Umstände bei der Vernehmung

16.9.5Vernehmung und Belehrung jugendlicher Beschuldigter

16.9.6Anwalt „der ersten Stunde“

16.9.7Neuregelung des § 67a JGG

16.10Beschuldigte mit Migrationshintergrund

16.11Vernehmung speziell geschützter Personen, die Immunität oder Indemnität genießen oder dem NATO-Truppenstatut unterfallen

16.12Vernehmungen bei Ermächtigungsdelikten

16.13Vernehmung psychisch kranker Beschuldigter

16.13.1Die Rolle im Verfahren

16.13.2Zeitpunkt

16.13.3Diagnostik

16.13.4Begutachtung bei Sofortsachverhalten

16.13.5Weiteres Verfahren

16.13.6Vernehmungscoaching

16.13.7Die Neuregelung ab dem 1.1.2020

16.14Vernehmungen ausgelieferter Beschuldigter

16.15Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung

16.16Beschuldigtenvernehmungen bei präventiver Gewinnabschöpfung

16.16.1Einschlägige Sachverhaltskonstellationen

16.16.2Die strafrechtliche Lösung

16.16.3Das Polizei- und Ordnungsrecht

16.16.4Zusammenarbeit mit der Justiz

16.16.5Möglichkeiten und Grenzen

16.17Vernehmungen von Beamten

17Vernehmungen bei besonderen Verfahrensgegenständen

17.1Spezielle Fragenkataloge?

17.2Ausgesuchte Deliktsbereiche

17.2.1Amokläufe

17.2.2Bagatellstraftaten

17.2.2.1Anzeigeerstattungen bei Bagatell- und Privatklagedelikten

17.2.2.2Beschuldigtenvernehmungen in Bagatellsachen

17.2.3Betäubungsmittelstraftaten

17.2.4Betrugsstraftaten

17.2.5Brandserien

17.2.6Ehrenmorde

17.2.6.1Vernehmung der Zeugen

17.2.6.2Ermittlungen im Heimatland

17.2.6.3Besondere Probleme der Belehrung und Vernehmung der Beschuldigten

17.2.6.4(Erhöhte) Gefahr falscher geständnisgleicher Einlassungen

17.2.7Kindesmisshandlungen

17.2.8Massenschlägereien

17.2.9Menschenhandel und Zuhälterei

17.2.9.1Besonderheiten von Ermittlungen und Vernehmungen

17.2.9.2Dilemma der Zeuginnen und Angebote für die Opfer

17.2.10Mordserien

17.2.11Neonatizid

17.2.12Pädokriminalität und Kinderpornographie

17.2.13Serienstraftaten (allgemein)

17.2.14Sexualdelikte

17.2.15Stalking

17.2.16Todesermittlungsverfahren

17.2.17Vermisstenfälle

17.2.18Wirtschaftsstraftaten

18Lichtbildvorlagen und Identifizierungsmaßnahmen

18.1Antizipierte Beweisaufnahme

18.2Rechtsgrundlagen

18.3Duldungspflichten

18.4Anwesenheitsrechte

18.4.1Anwesenheitsrecht des Verteidigers

18.4.2Anwesenheitsrecht eines Rechtsanwalts bei Identifizierungsmaßnahmen mit Zeugen

18.5Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme

18.6Auswahlmöglichkeiten schaffen

18.7Datenschutz

18.8Dokumentation

18.9Erschreckende Fehlerquoten

18.10Einzelidentifizierungen

18.11Frontalidentifizierung

18.12Sequentielle Identifizierung

18.13Sequentielle Videoidentifizierung

18.14Wiederholtes Wiedererkennen

18.14.1Lichtbildvorlage vor Wahlgegenüberstellung

18.14.2Der „Verbal-Overshadowing“-Effekt

18.14.3Fazit

18.15(Keine) Besonderheiten bei der Stimmenidentifizierung

18.16Kombination von akustischem und optischem Wiedererkennen

18.17Situative Identifizierungsmaßnahmen

18.18Rekonstruktion in der Hauptverhandlung

19Dokumentation der Vernehmung

19.1Kurze rechtliche und tatsächliche Bestandsaufnahme

19.2Idealtypische Dokumentationen

19.2.1Dokumentation der Belehrung

19.2.2Dokumentation der Entscheidung des Beschuldigten betreffend das Recht zur Verteidigerkonsultation

19.2.3Dokumentation des Inhalts der Vernehmung

19.2.4Eindrucksvermerke

19.2.5(Innovative) Dokumentationstechniken

19.2.6Resümee

19.3Versuch einer alltagstauglichen Symbiose von Idealtypus und Realität der Dokumentation von Vernehmungen

19.3.1Schriftlich fixierte Vernehmungen

19.3.2Vernehmungen auf Bild-/Tonträger

19.4Aushändigung von Ausdrucken/Kopien einer Vernehmung

19.4.1Zeugenvernehmungen

19.4.2Beschuldigtenvernehmungen

19.5Exkurs: Zurückbehaltung einer Kopie der Vernehmung durch den Vernehmungsbeamten

19.6Dokumentation der Begleitumstände einer Vernehmung

20Audiovisuelle Vernehmungen

20.1Audiovisuelle Vernehmung von Zeugen

20.2Audiovisuelle Vernehmung von Beschuldigten

20.2.1Falsche Geständnisse und deren Enttarnung

20.2.2Einschränkungen/Problemstellungen des § 136 Abs. 4 StPO

20.2.2.1§ 136 Abs. 4 Nr. 1 StPO

20.2.2.2§ 136 Abs. 4 Nr. 2 StPO

20.3Vorbereitung der Videovernehmung

20.4Technische Ausführung

20.5Verschriftlichung der Videovernehmung

20.6Eindrucksvermerke

20.7Taktische Problemlagen und Lösungsansätze

20.8Videovernehmung (besser: -anhörung) von Kindern

21Vernehmungen in besonderen Verfahrensarten

21.1Beamtenrechtliches Disziplinarverfahren (von Christoph Keller)

21.1.1Anlässe und Verfahrensablauf

21.1.2Verwaltungsermittlungen

21.1.2.1Wahrheitspflicht

21.1.2.2Aussageverweigerungsrecht

21.1.2.3Fürsorgepflicht

21.1.3Das behördliche Disziplinarverfahren

21.1.3.1Einleitung des Disziplinarverfahrens: Legalitätsprinzip

21.1.3.2Einleitungshindernisse

21.1.3.3Pflicht zur Durchführung der Ermittlungen, Ausnahmen

21.1.4Verhältnis zum Strafverfahren oder anderen Verfahren

21.1.4.1Aussetzung des Disziplinarverfahrens

21.1.4.2Bindungswirkung

21.1.5Beteiligung des Beamten

21.1.5.1Unterrichtung, Belehrung und Anhörung

21.1.5.2Schweigerecht

21.1.5.3Wahrheitspflicht

21.1.5.4Abschließende Anhörung

21.1.5.5Rechtliche Vertretung: Bevollmächtigte/Beistände

21.1.6Beweiserhebung im behördlichen Disziplinarverfahren

21.1.6.1Schriftliche dienstliche Auskünfte

21.1.6.2Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen

21.1.6.3Beiziehen von Urkunden und Akten

21.1.6.4Inaugenscheinnahme

21.1.6.5Verwertung von Niederschriften

21.1.6.6Beweisanträge

21.1.6.7Anwesenheits-/Fragerechte des Beamten

21.1.6.8Protokoll

21.1.6.9Herausgabe von Unterlagen

21.1.6.10Innerdienstliche Informationen

21.1.7Akteneinsicht

21.1.8Das gerichtliche Disziplinarverfahren

21.1.9Sanktionenkatalog/Disziplinarmaßnahmen (Überblick)

21.1.9.1Disziplinarmaßnahmen

21.1.9.2Missbilligende Äußerung

21.1.9.3Ermessensausübung

21.2Wehrdisziplinarverfahren (von Dr. Philipp-S. Metzger)

21.2.1Anlässe und Verfahrensablauf

21.2.2Rechtliche Rahmenbedingungen

21.2.3Sanktionenkatalog

21.2.4Beteiligung des Soldaten

21.2.4.1Anhörung

21.2.4.2Schweigerecht

21.2.4.3Wahrheitspflicht

21.2.4.4Rechtliche Vertretung/Verteidigung

21.2.4.5Beweismittel

21.2.5Verwertbarkeitsprobleme

21.2.5.1Informationstransfer vom Strafverfahren ins Wehrdisziplinarverfahren

21.2.5.2Informationstransfer vom Wehrdisziplinarverfahren ins Strafverfahren

21.2.6Qualifizierte Belehrung

21.2.6.1Einfaches Disziplinarverfahren

21.2.6.2Gerichtliches Disziplinarverfahren

22Das Risiko unzuverlässiger Informationen in unternehmensinternen Befragungen und Vernehmungen: eine psychologische Perspektive (von Dr. Lennart May)

22.1Befragungen mit Verdächtigen in unternehmensinternen Ermittlungen

22.2Kognitive Prozesse von Verdächtigen in internen Befragungen

22.2.1Befragungsziele

22.2.2Aussagestrategien

22.2.3Aussageverhalten

22.2.4Einschätzung der Sachkenntnisse des Ermittlers von Verdächtigen

22.2.5Gesprächsatmosphäre

22.3Falsche Geständnisse

22.4Ziele von Ermittlern in Befragungen

22.5Schuldannehmende Denkweise von Ermittlern

22.6Methoden zur Erlangung unzuverlässiger Informationen

22.6.1Erkennen von Täuschungen

22.6.2Suggestive Einflussnahmen

22.6.3Riskante Befragungstaktiken und -techniken

22.6.4Protokollierung

22.7Strategische falsche Geständnisse

22.8Schlussfolgerung

23Anhang: Vernehmungstraining

23.1Vernehmungen ohne Vernehmungstraining

23.2Vernehmungen nach Durchführung eines Vernehmungstrainings

Literaturverzeichnis

Zu den Autoren

Übersichten/Schaubilder

Abhängigkeit von Wahrnehmung und Erinnerung von sachbezogenen Faktoren

Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen

Bewertung von Aussagen

Warnsignale bei Vernehmungen

Ziele einer Vernehmung

Personeller Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts

Grundzüge der Kommunikation

TALK-Modell

Kommunikationsstufen und -probleme

Grundregeln kompetenter Kommunikation

Erscheinenspflichten von Zeugen und Beschuldigten

Anwesenheitsrechte bei Vernehmungen

Teilnahmerecht eines Rechtsanwalts an Vernehmungen des Mandanten

Teilnahmerecht eines Rechtsanwalts an Vernehmungen Dritter

Fragenkreise zum Kennenlernen des zu Vernehmenden

Qualitätsstandards für optimale Übersetzungen

Zulässigkeitsvoraussetzungen der Hypnose bei Zeugen

Zulässigkeit der Hypnose beim Beschuldigten

Ablauf einer Zeugenvernehmung

Zeugenbelehrungen

Sprachentwicklung

Entwicklung des Gedächtnisses

Entwicklung des Denkvermögens

Entwicklung der Fähigkeit zu lügen

Zusammenfassung der Belehrungsinhalte

Tateröffnung

Einlassungsverweigerungsrecht

Recht zur Verteidigerkonsultation

Beweisanregungsrecht

Täter-Opfer-Ausgleich

Aufgaben des Belehrenden

Ablauf einer Beschuldigtenvernehmung

Sprachunkundige Beschuldigte

Verteidigungspflichtige Beschuldigte

Ablauf eines einfach gelagerten Ermittlungsverfahrens

Ablauf eines Ermittlungsverfahrens unter Beteiligung von SE-Kräften

(Vorläufig) Festgenommene Beschuldigte

Ausländische Beschuldigte

Beispiel eines Anhörungsbogens

Jugendliche Beschuldigte

Besonderheiten bei der Vernehmung jugendlicher Beschuldigter

Grenzen präventiver Gewinnabschöpfung

Geeignetes Identifizierungsmaterial

Ordnungsgemäße Dokumentation von Vernehmungen

Schwere des Dienstvergehens und Folgen

Rechtliche Bewertungen im Militäralltag

Kognitive Prozesse und Aussageverhalten von Verdächtigen in der Befragungsinteraktion

Erweiterte Darstellung der kognitiven und verbalen Prozesse von Verdächtigen in der Befragungsinteraktion

1Vernehmungen im Kontext von menschlicher Erinnerung, Irrtum und Lüge

1Vernehmungen sind Kommunikationsprozesse, deren Ziel es ist, möglichst umfassende Informationen über einen Sachverhalt zu gewinnen. Selbst bei optimaler Professionalität des Vernehmenden sind ihnen gewichtige Unsicherheitsfaktoren immanent: Die bewussten oder unbewussten Fehlleistungen des Faktors „Mensch“ und seiner Erinnerung.1

 

Praxistipp:

2

Die nachfolgenden Ausführungen zeigen weniger juristische Probleme auf, sondern beschäftigen sich mit naturwissenschaftlichen Fragestellungen.

3Das menschliche Gehirn speichert Informationen nicht gebündelt und unveränderbar gesichert wie ein Computer ab; die Signalverwertung ist einerseits bedeutend komplexer, andererseits aber anfälliger gegen Umgestaltungen, Änderungen, Auffüllungen, Blockaden bis hin zu Löschungen. Informationen, also Reizungen der Sinnesorgane, gelangen in das sog. limbische System und werden von dort an unterschiedlichen Stellen kurz- oder langfristig gespeichert.

4Wissen und Wahrgenommenes sind keine Computerdateien; es werden keine historischen Vorgänge und Wahrheiten gespeichert. Vielmehr bleiben Informationen nur für kurze Zeit – maximal zwei Minuten – in einer Art „Arbeitsspeicher“ und werden dann in einem „Zwischenspeicher“ – dem Hippocampus – abgelegt. Die hier angehäuften Tagesreste werden in der Nacht während des Schlafes weiter verarbeitet, indem das Gehirn diese neuen (Er-)Kenntnisse mit bereits vorhandenen Informationen assoziiert, also clustert.

Beispiel:

5Wer einen Vortrag hört, speichert die Veranstaltung nicht als Datei „Vortrag vom …“. Vielmehr werden interessante Informationen an unterschiedlichen Stellen gespeichert. Das Gesamtbild „Vortrag vom …“ kann nur durch Assoziationsketten – eine Auslösung durch sog. Trigger-Reize – hervorgerufen werden.

6Diese Assoziationsketten sind von Person zu Person unterschiedlich und von einer persönlichen (emotionalen) Betroffenheit und gewissen Einmaligkeiten des Wahrgenommenen abhängig; sie funktionieren beispielsweise bei traumatisierten Zeugen nicht oder nicht vollständig.2

7Zur Beurteilung der Qualität und Aussagekraft einer Äußerung bzw. Vernehmung ist es erforderlich, die Grundzüge der Informationsaufnahme, -speicherung und -wiedergabe zu kennen.3 Das ernüchternde Ergebnis sei vorangestellt: Etwa zwei Drittel der vorhandenen und wahrnehmbaren Informationen werden auch tatsächlich wahrgenommen und nur ein Drittel kann später noch reproduziert werden.

 

Praxistipp:

8

(Zeugen-)Aussagen sind zwar das häufigste, aber zugleich auch das unzuverlässigste Beweismittel im Strafverfahren; ihr Zustandekommen und ihre Leistungsgrenzen muss der Vernehmende kennen und sich stets vor Augen halten. Dieser Unsicherheit muss daher – soweit wie möglich – mit einer ständigen Objektivierung der Aussage begegnet werden.4

1.1Menschliches Erinnern: Grundzüge von Wahrnehmung, Codierung, Speicherung und Wiedergabe

9Anders als bei einer Filmdokumentation, die authentisch den wahrnehmbaren, wirklichen Sachverhalt aufnimmt, abspeichert und später reproduziert, vollzieht sich menschliches Erinnern subtiler: Informationen müssen

–wahrgenommen,

–codiert,

–gespeichert und sodann

–wiedergeben werden.

10Jede dieser vier Phasen ist – wenn auch in unterschiedlichem Maße – fehleranfällig. Neben diese Fehlerquellen tritt das Phänomen der Lüge, einer bewusst falschen Wiedergabe vorhandener Informationen.

Begrifflich ist zwischen der Glaubwürdigkeit einer Person und der Glaubhaftigkeit einer Aussage zu differenzieren.5

 

Praxistipp:

11

Der Vernehmende muss sich stets vor Augen halten, dass Fehler im Sinne von Irrtümern

–bei der Wahrnehmung,

–bei der Codierung,

–bei der Speicherung,

–bei der Wiedergabe

auftreten können.

Er muss zudem die Möglichkeit einer Lüge einkalkulieren.

1.1.1Fehlerquellen bei der Wahrnehmung

12Bei der Wahrnehmung bedarf es zunächst eines Auslöseanreizes, der überhaupt dazu führt, dass (irgend-)etwas wahrgenommen wird. Hier sind zunächst insbesondere die biologischen Möglichkeiten unserer Sinnesorgane zu berücksichtigen, die einer Wahrnehmungsmöglichkeit natürliche Grenzen setzen. Hierzu zählen neben sensorischen, physikalischen und sozialen Wahrnehmungsbedingungen insbesondere die Wahrnehmungsdauer, die vorhandene Aufmerksamkeit und der Wahrnehmungskontext.6

Beispiel:

13Wird ein Zeuge mit einer Waffe bedroht oder gar angegriffen, fokussiert sich seine Wahrnehmung auf die (Mündung der) Waffe. Er wird selten in der Lage sein, eine brauchbare Personenbeschreibung abzugeben oder ein vernünftiges Phantombild erstellen zu lassen.

Aber selbst eine taugliche Beschreibung der Waffe (Pistole/Revolver/Farbe/Lauflänge) wird häufig nicht möglich sein, da sich die Wahrnehmung auf das abstrakte Bedrohungspotenzial verengt hat.

14Darüber hinaus ist die Wahrnehmung bzw. sind die etwa 60 %, die wir von einem tatsächlichen Geschehen aufnehmen, höchst individuell und selektiv.7 Auch wenn es schwerfällt, muss man sich vor Augen führen, dass niemand etwas wahrgenommen haben muss.

Beispiel:

15Ein Polizeibeamter, der zu einem Verstorbenen kommt, achtet auf völlig andere Dinge – Hinweise auf ein Fremdverschulden/Tatgeschehen/Opfer/Tatwerkzeug/Täter – als etwa die trauernden Hinterbliebenen oder der später eintreffende Bestatter.

16Bereits bei der Wahrnehmung wird die Information selektiert, interpretiert und nach gewissen Schemata aufgenommen. Der Leser sollte versuchen, sich auf den nachfolgenden Text einzulassen und ihn zu lesen:

Beispiel:

17Kroretke Rehctshreibnug ist üerbflsüsig. Uensr Gihren tcikt adnres; Wesinsachsltefr heban fstegllestet, wroan das liget. Ncah irehr Stidue ist es eagl, in wlehcer Reiehnfogle Bchusteban in Woeretrn vomrokomen. Es ist nur withcig, dsas der ertse und lettze Bchusatbe an der ricthgien Stlele snid. Der Rset knan tatol falcsh sein und knan onhe Porbelme gleesen wreden.

18Entscheidend für die flüssige Aufnahme der Information ist nur, dass sämtliche Buchstaben eines Wortes vorhanden sind und der erste und der letzte Buchstabe „stimmen“; den Rest macht das Gehirn selbst. Bei einer Einteilung beispielsweise in Buchstabengruppen funktioniert dies selbst dann kaum, wenn „an sich“ eine korrekte Rechtschreibung verwendet wird:

Beispiel:

19Korre kteRe chtsc hreib ungistüb erflü ssig. Un serGe hirnt ickta nders. Wisse nscha ftler haben festge stell t, wora ndasl iegt.N achih rerStu dieis teseg al, inw elche rReih enfolg eBuch stabe ninWo erter nvork ommen. Esist nurw ichti g, wasd erers teund letzt eBuch stabe ander richti genSt elles ind.D erRest kannt otalf alsch seinu ndkan nohne Probl emeg elese nwerd en.

20Die Information wird aufgenommen, sofern die Buchstaben eines Wortes vollständig vorhanden und zutreffend gruppiert sind und der erste und der letzte Buchstabe an der richtigen Stelle stehen; den Rest (er)schafft unser Gehirn. Die Interpretation, die hier deutlich wird, ist eine Leistung des Gehirns und nicht steuerbar. Informationsaufnahme und Interpretation gehen daher unbewusst Hand in Hand.

1.1.2Fehlerquellen bei der Codierung

21Eine weitere Fehlerquelle kann in einer nicht stattfindenden Codierung liegen: Gemeint sind damit Sachverhalte, in denen ein bestimmtes Geschehen zwar wahrgenommen, dann aber nicht im Gehirn codiert wurde, also keine entsprechende Repräsentation dort erhält;8 völlig emotionslose (subjektiv belanglose) Wahrnehmungen werden zwar gemacht, dann aber schlagartig verdrängt, bevor sie überhaupt dem Gedächtnis zugänglich werden.

22Ähnliche Phänomene wie bei der Wahrnehmung spielen sich im Rahmen der Speicherung wahrgenommener Informationen ab, was bekannt sein muss, um anscheinend zu erwartendes Wissen – und dessen Nichtvorhandensein – würdigen zu können.

Beispiele:

23Die Frage, ob vor der Urlaubsreise die Kaffeemaschine abgestellt, die Haustür verschlossen oder eine Kerze ausgeblasen worden ist, führt regelmäßig zu Irritationen – und in manchen Fällen zu einer Rückkehr nach Hause, um dann festzustellen, dass alles in Ordnung ist.

Gleiches gilt für die Vielzahl roter Ampeln, an denen man auf dem Weg zur Arbeit anhalten musste und auch angehalten hat: Die Lichtzeichenanlagen wurden wahrgenommen und ihre Verbote beachtet, ohne dass diese Wahrnehmungen dann eine Speicherung erfahren haben.

Alltägliche Vorgänge und Routineangelegenheiten werden zwar wahrgenommen, aber gar nicht erst gespeichert.

1.1.3Fehlerquellen bei der Speicherung

24Hat eine Wahrnehmung ihre Repräsentation im Gedächtnis erhalten, muss diese codierte Information in das System des Gedächtnisses integriert, also gespeichert, werden. Auch hier kann es vorkommen, dass gar keine oder eine unzutreffende Speicherung erfolgt.

25Zudem sind insbesondere die unterschiedlichen Speicherungszeiten zu berücksichtigen: Informationen im Kurzzeitgedächtnis sind zwar vorhanden, werden dann aber kurze Zeit später wieder gelöscht. Erfolgte allerdings eine Ablage im bzw. Überführung in das Langzeitgedächtnis, besteht die Möglichkeit einer Reproduktion noch nach Jahr(zehnt)en.

26Auch bei einer zunächst stattfindenden Speicherung kann es während der Speicherungsphase zu ungewollten Umgestaltungen, Änderungen und Auffüllungen kommen. Nachträgliche Informationen, die vor der Vernehmung an die Person herangetragen werden, können hier ihre Einflüsse ausüben.

Beispiel:

27Warten mehrere Zeugen eines Bankraubes nicht getrennt, sondern gemeinsam auf ihre Vernehmung, so werden sie natürlich über das Geschehene – genauer gesagt das Wahrgenommene – sprechen. Es bildet sich so leicht eine „herrschende Meinung“ – etwa die Bekleidung eines der Täter betreffend –, die nur ein Zeuge so aufgenommen hat, die dann aber später von allen Zeugen als eigene Erinnerung wiedergegeben wird. Fälle, in denen hier völlig unzutreffende Beschreibungen erheblichen und sinnlosen Ermittlungsaufwand zur Folge haben, sind in der Praxis keine Seltenheit.

1.1.4Fehlerquellen bei der Wiedergabe

28Gespeicherte Informationen bedürfen – um für eine Vernehmung nutzbar gemacht werden zu können – des Abrufes und der Wiedergabe. Zunächst wird das latent vorhandene Wissen in das aktuelle Bewusstsein gerufen und damit dann abrufbar.

29Die hierbei möglicherweise auftretenden Blockaden sind jedem aus dem Alltag bekannt: Namen, Ortsbezeichnungen oder Rufnummern „kennt“ man, kann sie aber gerade nicht benennen. Die Information ist vorhanden, aber aktuell nicht verfügbar. Gedächtnis und Bewusstsein sind momentan nicht identisch, wobei aber, teilweise durch Gedankenbrücken und/oder Stichworte, diese Information dann wie aus dem Nichts doch wieder verfügbar ist und wiedergegeben werden kann.9

30Die eigentliche Wiedergabephase wird unmittelbar durch den Vernehmenden beeinflusst; hier ist er anwesend, und sein Verhalten kann positive oder negative Stimulationen bewirken. Sein Auftreten und seine Vorgehensweise haben Auswirkungen auf das Ergebnis, sodass an dieser Stelle insbesondere die strukturierten Vernehmungsmodelle10 ihre Auswirkungen tätigen: Der Zugang zu der zu vernehmenden Person, die Kontaktphase und insbesondere die Möglichkeit eines ungestörten durchgängigen Vortrages tragen hier zu positiven Ergebnissen bei.

31Defizite in der Wiedergabephase können in Ausnahmefällen möglicherweise – sofern die Spielregeln eingehalten werden – im Rahmen einer Hypnose behoben werden.11

1.2Personenbezogene Faktoren

32Der wichtigste personenbezogene Faktor der Wahrnehmung und der Reproduktion ist die Emotion; starke emotionale Beteiligung an einem wahrgenommenen Ereignis steigert grundsätzlich die Fähigkeit zur Wahrnehmung, Speicherung und Wiedergabe, aber auch die Möglichkeit einer bewussten oder unbewussten Verfälschung.

1.2.1Weitere subjektive Determinanten

33Neben der Emotion und dem Interesse an der Wahrnehmung sind auf der personellen Ebene aber weitere subjektive Determinanten zu berücksichtigen:

–Geschlecht und Alter,

–Entwicklungs- und Gesundheitszustand,

–Wahrnehmungsfähigkeit,

–Wahrnehmungsmöglichkeit,

–Sachkunde oder Sonderwissen, etwa aufgrund privater/beruflicher Vorbefassung,

–Vorurteile,

–Aussagemotivation.

1.2.2Wahrnehmungsverzerrungen

34Unbeschadet der gerade dargestellten Unzulänglichkeiten muss der Vernehmende sich die Möglichkeit und Problematik sogenannter Wahrnehmungsverzerrungen vergegenwärtigen: Sachverhalte werden häufig so wahrgenommen, wie man sie sehen will – und nicht, wie man sie tatsächlich gesehen hat. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen dieses Phänomen eindrucksvoll.

Beispiele:

35Kreise bzw. Ringe, die eine kleine Öffnung aufweisen, werden regelmäßig als geschlossen wahrgenommen und beschrieben.

Je nach Vorgabe (und/oder vorangegangener Suggestion) wird ein und dieselbe Zeichnung entweder nur als alte oder nur als junge Frau gesehen, also erkannt (Kippbild).

Sofern ein Referent als besonders kompetent und eloquent vorgestellt wird, bewerten die Zuhörer seinen Vortrag als durchweg äußerst positiv; eine andere Personengruppe, der der Vortragende negativ präsentiert wurde und die denselben Vortrag zeitgleich mithört, gelangt zu einer schlechten Beurteilung der Leistung des Referenten.

36Diese Beispiele könnten beliebig fortgesetzt werden; sie sollen nur verdeutlichen, dass Wahrnehmungsverzerrungen unsere Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit stärker beeinflussen, als es bei unreflektierter Betrachtung scheint; ihrer Existenz und ihrer unheilvollen Einflüsse auf eine Aussage muss sich der Vernehmende stets bewusst sein.

1.2.3Alters- und Größenschätzungen

37Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Ergebnisse eines empirischen Forschungsprojektes, das im Rahmen einer phänomenologischen Untersuchung zu allein handelnden Bankräubern die Zuverlässigkeit von Alters- und Größenschätzungen untersucht hat.12 In diesem – in besonderem Maße – praxisrelevanten Bereich treten eklatante Fehler auf, deren Existenz sich der polizeiliche Sachbearbeiter bewusst sein muss. Diese sind bei der Altersschätzung u. a. vom Maskierungsgrad des Täters, dessen Alter und vom sogenannten „own-age-effect“ geprägt: Menschen derselben Altersklasse können präziser eingeschätzt werden. Die Validität einer Größenschätzung hängt von der Größe des Täters und der Größendifferenz zum Zeugen – auch hier gibt es einen „own-size-effect“ – ab. Die Qualität beider Schätzungen ist voneinander unabhängig und wird auch von der Rolle der Auskunftsperson (Bankangestellter/Zufallszeuge/Opfer der Bedrohung …) stark beeinflusst.

1.3Sachbezogene Faktoren

38Neben den personenbezogenen (Unsicherheits-)Faktoren lassen sich weitere sachbezogene Fehlerquellen der Wahrnehmung und Erinnerung wie folgt veranschaulichen:

Wahrnehmung und Erinnerung

schlechte

mittelmäßige

gute

•Zeit

•Menge

•Größe

•Farbe

•große Personengruppen

•unbekannte Stimmen

•Entfernungen

•Unangenehmes

•Standardsituationen (etwa bei Berufszeugen)

•räumliche Einordnung von Geräuschen

•Chronologie

•räumliche Verhältnisse

•Zuordnung von Verhalten zu Personen

•(Tat-)Gegenstände

•kleine Personengruppen

•bekannte Stimmen

•Neuheiten

Übersicht:Abhängigkeit von Wahrnehmung und Erinnerung von sachbezogenen Faktoren

1.4Lüge und Irrtum

39Wenn Lügen ebenso wie Irrtümer dazu führen, dass dem Vernehmenden ein „falscher Sachverhalt“ vorgetragen und möglicherweise den weiteren Ermittlungen zugrunde gelegt wird, muss das Phänomen des Irrtums13 und der Lüge vom Vernehmenden einkalkuliert und beide gedanklich voneinander getrennt werden.

40Ohne hier nochmals auf die in der Vernehmungs- und Aussagepsychologie anerkannten Verfälschungs- und Verzerrungsmöglichkeiten näher eingehen zu wollen, dürfte jedenfalls bei Zeugenaussagen – entgegen anderslautenden Pressemitteilungen – nicht die Lüge dominieren. Trotzdem kann allenfalls in knapp der Hälfte der Zeugenaussagen diesen (wie die nachfolgende Übersicht dokumentiert)14 eine Zuverlässigkeit zugesprochen werden.

Übersicht:Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen

Die „Lügenquote“ bei Beschuldigtenvernehmungen dürfte demgegenüber allerdings deutlich höher liegen.

1.5Unglaubhaftigkeits- bzw. Nullhypothese, Realkennzeichen und Warnhinweise

41Die Bewertung einer Aussage und die Beurteilung ihres Wahrheitsgehaltes bereitet regelmäßig Schwierigkeiten, die ihre Grundlage auch darin haben, dass gedanklich ein falscher Ansatz gewählt wird.15

Beispiele:

42Die Äußerung, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, an der Aussage zu zweifeln, verdeutlicht den unzutreffenden Gedankengang ebenso wie die Frage, wie man die Lüge enttarnen kann.

Aus der jüngeren Rechtsprechung sei der Haftrichter im sog. Kachelmannverfahren zitiert, der – so eine Veröffentlichung16 – im Hinblick auf die Angaben der geschädigten Zeugin gesagt haben soll, dass er davon ausgehe, „dass jemand der einen anderen einer Straftat bezichtigt, wahrheitsgemäße Angaben macht.“

1.5.1Nullhypothese

43Die höchstrichterliche Rechtsprechung vertritt entgegen den gerade genannten Beispielen die sog. Nullhypothese.

 

Praxistipp:

44

Der BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage aus dem Jahre 1999 eindeutig und überzeugend dargelegt, dass bei jeder Aussage davon ausgegangen werden muss, dass sie falsch ist und ausgehend von dieser Prämisse positive Realkennzeichen vorliegen müssen.17

45Zustimmung verdient daher im Grundsatz eine Entscheidung des OLG Nürnberg: „Dabei musste die Kammer davon ausgehen, dass nach der so genannten Nullhypothese des BGH … jede Aussage so lange als unwahr gilt, bis diese Vermutung sich angesichts der Zahl und der Qualität der Realitätskriterien in der Aussage nicht mehr aufrecht erhalten lässt. Auch wenn sie – ebenso vertretbar – als gleich wahrscheinlich unterstellt haben sollte, dass die Zeugin lügt oder die Wahrheit sagt …, brauchte sie eindeutige und qualitativ belastbare Realitätskriterien, um diese Hypothese der neutralen Anfangswahrscheinlichkeit zu widerlegen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG zur „Aussage-gegen-Aussage-Konstellation“ hat das Tatgericht die Gründe, die für und gegen eine mögliche Täterschaft sprechen, aufzuklären, wahrzunehmen und zu erwägen, damit die Entscheidung einen rationalen Charakter und eine tragfähige Grundlage für den Schuldspruch vorweisen kann ….“18

Übersicht:Bewertung von Aussagen

46Die vom OLG auch genannte Hypothese der neutralen Anfangswahrscheinlichkeit geht im Wesentlichen auf Bender/Nack/Treuer19 zurück; sie ist in der Tat gedanklich ebenso gut vertretbar, lässt allerdings die Konsequenz und gedankliche Eindeutigkeit der Nullhypothese des BGH vermissen.

47In der berühmten und gefürchteten Aussage-gegen-Aussage-Konstellation, bei der die Überzeugung von der Richtigkeit von der Aussage eines einzigen Tatzeugen abhängt, gilt die Nullhypothese ebenfalls für beide Seiten. Grundsätzlich kann eine (richterliche) Überzeugungsbildung im Einzelfall auf die Aussage eines einzigen Zeugen gestützt werden, wenn

–selbst bei neutralen Zeugen – wie etwa Polizeibeamten – nicht davon ausgegangen wird, dass der von ihnen bekundete Sachverhalt mit der Realität übereinstimmen muss,

–die Sicherheit der Aussageperson nicht als Indikator für die objektive Richtigkeit gedeutet wird und

–jede Aussage solange als unzuverlässig angesehen wird, wie nicht die Nullhypothese eindeutig und zuverlässig widerlegt ist.20

1.5.2Realkennzeichen und Warnsignale

48Im Folgenden sollen die Realkennzeichen und Warnsignale kurz dargestellt werden.21

Für den Wahrheitsgehalt einer Aussage sprechen als Real- oder Realitätskenn-zeichen

–Details, Verflechtungen und Individualität im Inhalt,

–Erweiterungen und Konstanz bei Wiederholung und

–Widerspruchsfreiheit, Nichtsteuerung und Gleichheit in der Struktur

der Bekundungen.

49Warnhinweise und Lügensignale sind demgegenüber

–Verlegenheit, die sich in Zurückhaltung, der Sprache und/oder einer Unterwürfigkeit äußert,

–Kargheit und Strukturbrüche als Zeichen fehlender Kompetenz und

–Übertreibungen in Form von Dreistigkeiten, Bestimmtheit und nicht erforderlichen Begründungen.

1.6Analyse einer Aussage

50Bei der Beurteilung von Zeugenaussagen nehmen Lüge und Irrtum etwa einen identischen Raum ein; die Gründe für Irrtümer wurden bereits dargestellt. Im Folgenden geht es nun um die Enttarnung der Unwahrheit anhand signifikanter Merkmale.22

51Die zuvor beschriebenen Unwägbarkeiten einer Aussage machen die Aussageanalyse zu einem wichtigen Teil der Überprüfung der Glaubhaftigkeit einer Aussage: Grundlegend hierfür sind die Feststellungen des BGH aus dem Jahr 1999, mit denen er die Voraussetzungen an brauchbare

52Glaubhaftigkeitsgutachten – einer 14-jährigen Zeugin in einem Missbrauchsverfahren – allgemein festgelegt hat.23 Diese Darlegungen beanspruchen Allgemeingültigkeit und stellen insgesamt acht Qualitätskriterien für eine Inhalts- und Konstanzanalyse auf:

–Detailreichtum der Aussage,

–individuelle – ausgefallene – Besonderheiten,

–raum-zeitliche Verknüpfung mit objektivierbaren Faktoren,

–Konstanz in wesentlichen Teilen,

–Homogenität der Aussage,

–ungeordnete – aber psychologisch erklärbare – Beschreibungen,

–spontane Erweiterungen,

–Objektivität durch Beschreibung be- und entlastender Umstände.

1.6.1Detailreichtum

53Der Detailreichtum einer Schilderung stellt das erste inhaltliche Beurteilungskriterium dar: (Nur) Wer etwas auch tatsächlich erlebt hat, kann dies plastisch schildern und quasi wie einen Film für den Vernehmenden abspulen. Wird man in die Lage versetzt, anhand der Schilderung beobachtender Teil des Geschehenen zu werden, spricht viel für eine wahrheitsgetreue Schilderung.

54Besondere Probleme treten hier allerdings dadurch auf, dass es auch Situationen gibt, in denen

–etwas bereits tatsächlich Erlebtes in eine andere Lebenssituation projiziert wird,

–etwas anderweitig Wahrgenommenes einem Transfer unterzogen wird. Eine allzu ausführliche Berichterstattung in den Medien, Darstellungen im Internet und die sogenannten Realityshows führen dazu, dass Unbeteiligte über scheinbares Insiderwissen, das detailreiche Schilderungen ermöglicht, verfügen.

55Hier ist es die schwierige Aufgabe des Vernehmenden, einen derartigen Transfer zu erkennen; allerdings lehrt die Gedächtnispsychologie, dass eine solche Übertragung an den zu Vernehmenden hohe Anforderungen stellt und daher eher selten vorkommt.

1.6.2Individuelle – ausgefallene – Besonderheiten

56Schildert eine Aussageperson individuelle – ausgefallene – Besonderheiten in ihrer persönlichen Ausdrucksweise, spricht dieses weitere Inhaltskriterium für eine wahre und erlebte Begebenheit. Es erfolgt nicht etwa eine Schilderung aus einer Art Vogelperspektive, sondern eine emotionale und individuelle Wiedergabe, die Nebensächlichkeiten, Belangloses und Assoziiertes teilweise in den Mittelpunkt rückt; auch ein teilweise geschildertes eigenes Unverständnis stärkt die Individualität und damit die Glaubhaftigkeit der Aussage.

1.6.3Raum-zeitliche Verknüpfung mit objektivierbaren Faktoren

57Letztes inhaltliches Kriterium ist die raum-zeitliche Verknüpfung mit objektivierbaren Faktoren. Es stützt – was ohne weitere Erläuterung einleuchten dürfte – die Richtigkeit einer Aussage, wenn sich deren Inhalte in objektivierbare und beweisbare Ermittlungsergebnisse einfügen.

1.6.4Konstanz in wesentlichen Teilen

58Ein strukturelles Kriterium ist die Konstanz in wesentlichen Teilen; hier ist zu überprüfen, ob die Aussage inhaltlich, sprachlich und situativ gleich bleibt. Dies gilt insbesondere bezüglich einer gleichmäßigen Schilderung von relevantem und irrelevantem (Tat-)Geschehen und dem Fehlen innerer Widersprüche.

1.6.5Homogenität

59Sofern sich unterschiedliche Teile der Aussage decken und sich, zunächst scheinbar unwichtige, Details wie bei einem Puzzle zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen lassen, spricht auch dieses strukturelle Kriterium für eine wahre Aussage.

1.6.6Ungeordnete – aber psychologisch erklärbare – Beschreibungen

60Auch bei diesem Punkt wird die Struktur einer Aussage analysiert: Schildert eine Auskunftsperson ein scheinbar zusammenhangloses, zunächst unverständliches Detail, das sich später in das Ermittlungsergebnis einfügt, begründet dies keinen Zweifel an der Wahrheit.

61Auch eine ungeordnete, nicht chronologische Wiedergabe ist hier ein Wahrheitskriterium, da der Lügner zu einer solchen Leistung – bleibt der Aussageinhalt konstant – nur selten in der Lage sein wird.

1.6.7Spontane Erweiterungen

62Der Lügner steht vor seinem Lügendilemma;24 der Ausweg für ihn besteht scheinbar darin, Widersprüche zu unterdrücken bzw. nicht aufkommen zu lassen, indem er sich beharrlich auf seine ursprüngliche Version beruft und von dieser nicht abrückt. Zu spontanen Erweiterungen und Ergänzungen dieser Angaben ist er nicht in der Lage und auch nicht darauf vorbereitet. Spontane Erweiterungen sind aus seiner Sicht gefährlich und werden daher unterlassen.

63Positiv ausgedrückt sind daher Lückenauffüllungen, spontane Präzisierungen und Erweiterungen ein deutliches Indiz für eine wahrheitsgemäße Aussage.

1.6.8Objektivität durch Beschreibung be- und entlastender Umstände

64Letztlich ist auf die Objektivität durch Beschreibung be- und entlastender Umstände zu achten. Wer die Wechselbeziehungen der Beteiligten eines Geschehens wirklich wahrgenommen und erlebt hat, wird regelmäßig selbst bei schwerwiegenden Straftaten auch Positives über den Täter berichten können. Günstige und ungünstige Schilderungen in dieser Richtung – aber auch in Richtung des Opferzeugen – werden in einer Mischform vorliegen und, werden sie wiedergegeben, die Neutralität der Auskunftsperson bestärken.

1.6.9Resümee

65Aus den beschriebenen Fakten ergibt sich eine grobe Checkliste zur realistischen Einschätzung und Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage:25

 

Praxistipp:

66

Für die Glaubhaftigkeit spricht, wenn die Aussageperson

–ihre Schilderung frei reproduzieren konnte,

–auf Vorhalte reagiert,

–eine originelle, stimmige Aussage ohne Widersprüche tätigt,

–nicht durch verbale oder non-verbale Suggestionen beeinflusst wurde und/oder

–Gedankenfehler auszuschließen sind.

1.7Lügensignale

67Der Lügner steht vor der misslichen Situation, dass er etwas präsentiert, das er selbst nicht – oder nicht so – persönlich erlebt hat und er daher kaum in der Lage ist, eine lebensnahe und lebendige Schilderung zu liefern; er wird also versuchen, dies mit einer detaillierten Darstellung zu überspielen, wohl wissend, dass die Entdeckung einer Lüge umso wahrscheinlicher ist, je umfangreicher eine Aussage wird.

68Dieses „Lügendilemma“ eröffnet für den Vernehmungsbeamten die Möglichkeit, Kriterien aufzustellen, um erfundene Schilderungen aufzudecken und damit die Lüge zu enttarnen.26

1.7.1Recht zur Lüge?!

69Eine Frage, die beim Thema „Vernehmung“ immer wieder auftaucht, ist die, wer lügen darf und wer nicht. Weihmann tritt beispielsweise der Auffassung, Beschuldigte dürften straflos die Unwahrheit sagen, zu Recht entgegen.27 Grundsätzlich ist festzustellen: Lügen erfüllt – für sich betrachtet – keinen Straftatbestand. Ausdrücklich erlaubt ist es natürlich nicht, und aus Sicht des Ermittlers auch unerwünscht! Nach eingehendem Studium von Straf- und Bußgeldvorschriften steht aber eindeutig fest: Lügen ist nicht grundsätzlich verboten.

1.7.1.1Zeugen

70Die zeugenschaftliche Belehrung beinhaltet regelmäßig den Hinweis auf mögliche Zeugnisverweigerungsrechte,28 die die Möglichkeit, zu schweigen gemeinsam haben. Ebenso regelmäßig kommt der Hinweis hinzu, was eventuelle Falschaussagen (Lügen) zur Folge haben können, etwa so formuliert: „Sie dürfen niemanden wissentlich falsch anschuldigen“ (Hinweis auf die Strafbarkeit nach § 164 StGB), – „Sie dürfen keine Straftat vortäuschen“ (Hinweis auf die Strafbarkeit nach § 145d StGB). Darin erschöpft sich in den allermeisten Fällen der Hinweis auf die möglichen Folgen. Im konkreten Einzelfall kann es notwendig werden, auf andere Straftatbestände wie Strafvereitelung oder Beihilfe hierzu hinzuweisen. Auch das sind konkret formulierte Straftatbestände, die (nur) mögliche Folgen von Falschaussagen aufzeigen.

71„Bürger, sagen Sie nunmehr die Wahrheit!“, hieß es in einer vorformulierten Aussagevorbereitung und -formel am Ende der („vorgeschriebenen“) Belehrung in den 50er Jahren. Damals wurde – im Gegensatz zur heutigen Prozessauffassung – die Belehrung als notwendiges Übel angesehen, wie eine „Formvorschrift“, deren Weglassung ein Manko war, nicht aber den Inhalt der Vernehmung und deren Verwertbarkeit in Frage stellte. Genau das hat sich geändert. Nichtverwertbarkeiten wurden höchstrichterlich festgestellt, was sich in der Praxis auf die Notwendigkeit von klar formulierten Belehrungen niederschlagen sollte; das geschah auch, aber eines hat sich bis heute fortgesetzt:

72Der Hinweis auf eine „Wahrheitspflicht“, die – bei genauer Betrachtungsweise – gar nicht existiert. Allein die Falschaussage vor Gericht, speziell unter Eid, stellt einen eigenständigen Straftatbestand dar. Im (vorgelagerten) Ermittlungsverfahren spielt die „Lüge“ zwar eine gewichtige und konkrete Rolle, verboten und sanktioniert ist sie allerdings nicht. Trotzdem ermahnt jeder „Ermittler“ zu Recht zur Wahrheit.

73Auch wenn keine – auch nicht aus der nur für richterliche Vernehmung geltenden Norm des § 57 Abs. 1 StPO ableitbare – Verpflichtung zur Wahrheit besteht, hat der Ermittler im Sinne der Sachverhaltsaufklärung allerdings ein eigenes Interesse daran, dass der Vernommene die Wahrheit sagt. Genau so sollte er es auch darstellen:

Beispiel:

74„Ich möchte von Ihnen die Wahrheit hören.“Mit dieser Feststellung stellt der Vernehmende den Selbstbezug und damit einen deutlichen Rahmen her. Alles andere – wie etwa der Hinweis auf andere Instanzen oder eine „allgemeine Wahrheitspflicht“ – entbehrt notwendiger Grundlagen.

1.7.1.2Beschuldigte

75Für den Beschuldigten gilt dasselbe. Auch er darf lügen, aber niemanden wissentlich falsch anschuldigen oder eine Straftat vortäuschen. Zudem bilden die Ehrdelike der §§ 185 ff. StGB eine Grenze des „Rechts zur Lüge“. Genau wie einem Zeugen muss ihm klar gemacht werden, dass die Folgen einer falschen Aussage unter Umständen eine Straftatbestandsverwirklichung darstellen.

 

Praxistipp:

76

„Sie dürfen hier lügen“ wäre – wenn auch denkbar – die falsche, jedenfalls aber unglückliche Formulierung. Notwendig und angemessen ist der Hinweis auf Schweigerechte. Wenn darauf verzichtet wird und der Vernommene aussagt, sollte der Vernehmende selbst in personam auf Wahrheitsgehalte pochen.

1.7.1.3Selbstbelastungsfreiheit versus Auskunftspflichten

77Der fundamentale rechtsstaatliche Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit kollidiert in vielen Bereichen mit außerstrafrechtlichen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten. Diese Thematik war Anstoß für den sog. Gemeinschuldnerbeschluss des BVerfG 198129. Hintergrund der Entscheidung war, dass ein Gemeinschuldner gegenüber dem Konkursgericht die von diesem nach § 75 KO a. F.30 geforderten Informationen unter Hinweis darauf, dass er sich durch seine Angaben eventuell selbst einer Straftat bezichtige, verweigerte. Die Erzwingbarkeit der Auskünfte wurde vor dem Hintergrund der schützenswerten Vermögensinteressen der Gläubiger verfassungsrechtlich nicht in Frage gestellt – allerdings schuf das BVerfG im Wege ergänzender Auslegung der Konkursordnung ein strafrechtliches Verwertungsverbot.

1.7.1.3.1Insolvenzordnung

78Das aktuelle Pendant für das Insolvenzverfahren findet sich in § 97 InsO. Absatz 1 Satz 3 der Vorschrift regelt ein Verwendungsverbot, das heißt, dass die durch Auskunft des Insolvenzschuldners, zu der dieser nach § 97 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO in umfassender Form verpflichtet ist, erlangten Informationen in einem Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit dessen Zustimmung verwendet werden dürfen.31

1.7.1.3.2Asylgesetz

79Dem Asylverfahrensrecht ist diese Problematik ebenfalls nicht fremd – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied zu den vorgenannten Rechtsbereichen: Die im Rahmen des Asylverfahrens nach §§ 15, 25 Asylgesetz bestehende Mitwirkungspflicht des Antragstellers kann mit staatlichen Mitteln nicht erzwungen werden. Der Interessenkonflikt beschränkt sich auf die Person des Antragstellers, der vor die Alternative gestellt ist, sich entweder durch vollständigen und wahrheitsgemäßen Tatsachenvortrag der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen oder durch Verweigerung von (zureichenden) Angaben die Ablehnung seines Asylbegehrens zu riskieren. Aus diesem Konflikt kann in aller Regel kein Beweisverwertungsverbot folgen.32 § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Asylgesetz, der die Übermittlung und Verwertung der Angaben des Asylsuchenden auch für Maßnahmen der Strafverfolgung legitimiert, ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich.

80Etwas anderes kann sich dann ergeben, wenn die Anhörung im Asylverfahren an der Begründung und Erhärtung eines Anfangsverdachts ausgerichtet ist, z. B., indem die Anhörung unterbrochen wird, die Strafverfolgungsbehörden über die (strafrechtliche) Selbstbelastung des Asylbegehrenden informiert werden und sodann das weitere Vorgehen abgesprochen wird. Bei derartigen „verdeckten Beschuldigtenvernehmungen“, die den nemo-tenetur-Grundsatz33, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das dem Rechtsstaatsprinzip inhärente Verdikt des fairen Verfahrens tangieren, entscheidet die im Einzelfall vorzunehmende Abwägung dieser Verfassungsrechte gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an effektiver Strafverfolgung über ein etwaiges Verwertungsverbot.34 Aspekte wie ein ggf. planmäßiges Vorgehen, etwa bei standardisierter Verwendung eines für Zwecke des Strafverfahrens entwickelten Fragenkatalogs, die Tatsache, dass der Mitarbeiter des BAMF die Anhörung nicht als Privatperson oder „verdeckter Ermittler“, sondern als Behördenvertreter mit staatlicher Autorität durchführt, aber – auf der anderen Seite – auch ein drohender Beweismittelverlust spielen eine Rolle.

1.7.1.3.3Disziplinarverfahren im Strafvollzug

81Werden gegen Insassen einer JVA Disziplinarverfahren geführt, erfolgt regelmäßig eine Vernehmung durch Beamte des Strafvollzuges, in deren Verlauf die Betroffenen die Vorwürfe möglicherweise einräumen. Im daraufhin eingeleiteten Strafverfahren sind – so das LG Detmold – bei einem entsprechenden Widerspruch des Angeklagten dessen ursprüngliche Angaben nicht verwertbar, da die besondere Drucksituation in der JVA und die fehlende Belehrung über das Auskunftsverweigerungsrecht im Rahmen des Disziplinarverfahrens zu einem Beweisverwertungsverbot führen.35

1.7.1.4 Falschangaben bei Verkehrsdelikten

82Ein Fahrverbot und/oder der Fahrerlaubnisentzug nebst Sperrfrist beeinträchtigen den Beschuldigten in seiner Lebensführung und treffen ihn deshalb oftmals härter als die (eigentliche) Strafe. Daher häufen sich gerade im Bereich der Straßenverkehrsdelikte die Fälle, in denen der Beschuldigte versucht, den Verdacht von sich (auf andere) abzulenken. Zur Beantwortung der Frage, ob die Grenze zu einer Straftat nach § 164 StGB bzw. dem formell subsidiären § 145d StGB bereits überschritten ist oder sich der Beschuldigte noch im Rahmen „strafloser Selbstbegünstigung“ bewegt, wird überwiegend auf eine Differenzierung nach Fallgruppen zurückgegriffen:

–Schlichtes Bestreiten:

Keine Straftat.36

–Bezichtigung einer bislang unverdächtigen Person:

Falsche Verdächtigung.37

–Bezichtigung einer tatsituativ verdächtigen Person:

Nach vorherrschender obergerichtlicher Rechtsprechung nicht strafbewehrt, da die Person auch durch das bloße Leugnen in den Verdacht der Ermittlungsbehörden geraten wäre.38 Abweichendes gilt jedoch dann, wenn der Beschuldigte weitere, den anderen belastende Umstände vorträgt oder die Beweislage verfälscht.39

–Angabe falscher Personalien:

Grundsätzlich falsche Verdächtigung.40 Die Absicht im Sinne des § 164 StGB kann aber fehlen, wenn der Beschuldigte von faktischen Verfahrenshindernissen ausgeht – also etwa weiß, dass der Namensträger ohne festen Wohnsitz ist41 – oder wenn sich der Beschuldigte unter falschem Namen verfolgen lassen will.42

–Bezichtigung des Belastungszeugen mit einer Falschaussage durch Bestreiten:

Aufgrund der Alltäglichkeit von „Aussage gegen Aussage“-Situationen, der rechtsstaatlichen Bedeutung des nemo-tenetur-Prinzips und der bekannten Unzuverlässigkeit von Zeugenangaben wird sich aus der Einlassung des Beschuldigten nicht nur die objektive Unrichtigkeit der Zeugenbekundungen, sondern darüber hinaus ein zumindest bedingter Vorsatz (§§ 153, 154 StGB) oder Fahrlässigkeit (§ 161 StGB) ableiten lassen müssen, um das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 164 StGB anzunehmen.43

–Aufrechterhaltung/Wiederholung der Verdächtigung:

Keine Eignung, behördliches Verfahren herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, es sei denn, die Unterbreitung neuer Tatsachen führt zu einer Verdichtung des Tatverdachts. Nach anderer Auffassung liegt eine Tat im Rechtssinne vor, bei Wiederholung der Verdächtigung vor einer anderen Stelle dürfte dann Tatmehrheit anzunehmen sein.44

–Bezichtigung eines Unbekannten:

Umstritten, ob eine Beteiligtentäuschung im Sinne des § 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB vorliegt.45 Denkbar wäre auch eine Strafbarkeit nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB, sofern der Beschuldigte durch seine Einlassung den Verdacht hervorruft, dass eine weitere prozessuale Tat begangen worden sei (der Beschuldigte einer Verkehrsunfallflucht behauptet, das Fahrzeug sei vor einigen Tagen von einer unbekannten Person entwendet worden).

83Für einen transparenteren Umgang mit Beschuldigtenlügen plädiert Krell46 und will die Frage der Strafbarkeit an den betroffenen Interessen messen: Sofern ausschließlich staatliche Belange tangiert seien, soll die Straffreiheit der Beschuldigtenlüge aus der grundgesetzlich garantierten Selbstbelastungsfreiheit folgen. Bei Eingriffen in Rechtsgüter Dritter würden diese den Bereich der Grenzen der Legalität jedoch verlassen. Folge soll eine regelmäßige Strafbarkeit von wahrheitswidrigen Vorgaben des Beschuldigten sein, sofern sie unter § 164 StGB fallen, wohingegen sie bei § 145d StGB straffrei bleiben. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass die Selbstbegünstigung in § 145d StGB unter Strafe gestellt werde, während sie in anderem Zusammenhang – etwa bei Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) oder Strafvereitelung (§ 258 StGB) – sanktionslos bleibe. Die angebliche überflüssige Arbeitsveranlassung sei nur scheinbar ein Argument für eine derartige unterschiedliche Behandlung selbstbegünstigenden aktiven Tuns. Entsprechende Konsequenz dieser von Krell vorgeschlagenen konsequente(re)n Abgrenzung von straffreiem und strafbewehrtem selbstentlastenden Handeln wäre etwa, dass die rechtfertigende Einwilligung des zu Unrecht Verdächtigten die Strafbarkeit nach § 164 StGB entfallen ließe, da dann – der Tatbestand schützt nach herrschender Meinung sowohl private als auch staatliche Interessen – nur noch die zuletzt genannten betroffen wären. Ferner wäre § 145d StGB aufzuheben. Insgesamt ist eine Lösung de lege ferenda wünschenswert.

1.7.2Guter oder schlechter Leumund

84Ein beliebter und nicht auszurottender Irrglaube dokumentiert sich in einem alten Sprichwort: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“. Dies ist eine Fehleinschätzung, die auf der Grundlage beruht, dass sich die Glaubwürdigkeit einer Person und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage über die Persönlichkeit, den Lebenswandel und das Vorverhalten erschließt.

85Diese Vorstellung ist schlichtweg unzutreffend: Es gibt keine personenbezogene – quasi allgemeine – Glaubwürdigkeit und damit keinen Leumund. Der BGH trägt dieser Feststellung dadurch Rechnung, dass er Fragen an Zeugen, die deren Verhalten in vorangegangenen vergleichbaren Situationen (uneidliche falsche Aussage oder gar Meineid in einem vorangegangenen Gerichtsverfahren) aufklären sollen, als grundsätzlich unzulässig erachtet.47Falschaussagen werden nicht durch stabile Persönlichkeitsmerkmale, sondern durch situative und damit variable Faktoren hervorgerufen.48

86Diesem Gedanken trägt auch die neue Gesetzgebung Rechnung; zum 1.10.2009 wurde durch das 2. Opferrechtsreformgesetz § 68a Abs. 2 S. 1 StPO neu eingefügt.

§ 68a StPO Beschränkung des Fragerechts aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes

(2) Fragen nach Umständen, die die Glaubwürdigkeit des Zeugen in der vorliegenden Sache betreffen, insbesondere nach seinen Beziehungen zu dem Beschuldigten oder der verletzten Person, sind zu stellen, soweit dies erforderlich ist.

87Vor diesem Hintergrund erscheinen auch empirische Untersuchungen, nach denen Männer mehr lügen als Frauen und geringer gebildete Menschen eine verminderte Lügenquote aufweisen,49 zweifelhaft; sie können jedenfalls für eine konkrete Vernehmungssituation keine brauchbaren Parameter liefern.

88Das Verhalten und die Unbeholfenheit „der Justiz“ – gemeint sind Richter und Staatsanwälte – dokumentierten sich im Kachelmann-Verfahren als einprägsames Negativbeispiel. Hier wurden Leumundszeugen in allen Richtungen benannt und vernommen, was bei genauer Betrachtung schlichtweg überflüssig ist.

1.7.3Fehlen von Realitätskriterien

89Die Realitätskriterien wurden bereits erörtert; es bedarf daher an dieser Stelle nur der Benennung des daraus folgenden Umkehrschlusses: Das Fehlen von Realitätskriterien ist ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer Lüge.

1.7.4Weitere Warn- und Lügensignale

90Daneben haben Bender/Nack/Treuer eine Dreiteilung von Warnsignalen vorgenommen, die es zu unterscheiden und zu beachten gilt:50

Warnsignale

Verlegenheit

Übertreibung

Mangelnde Kompetenz

•Zurückhaltung

•Unterwürfigkeit

•Unklarheiten, Versprechen

•doppelte Negationen

•übertriebene – biologisch unmögliche – Exaktheit

•Entrüstung bis Dreistigkeit

•Begründungen für einen Sachverhalt statt Schilderung eines Tatsachengeschehens

•karge, abstrakte Sachverhaltsschilderungen

•fehlende Komplikationen

•ausschließlich zielgerichtete Bekundung

Übersicht:Warnsignale bei Vernehmungen

91Nicht jedes Warnsignal beweist bei isoliertem Vorliegen eine Lüge; die vorgenannten signifikanten Merkmale können ihren Ursprung etwa auch darin haben, dass der zu Vernehmende allein die Vernehmungssituation – oder sein aktuelles persönliches und berufliches Umfeld – als großen Stressfaktor empfindet,51 und ihn dies veranlasst, Warnsignale zu produzieren und zu verbreiten.

 

Praxistipp:

92

Die Warnsignale entfalten eine Indizwirkung; ihr Vorliegen muss zur Folge haben, dass der Vernehmende ihr Zustandekommen und seine eigene Schlussfolgerung in besonderem Maße kritisch hinterfragt.

93Selbst eine jahrzehntelange Berufs- und Vernehmungserfahrung begründet hier nicht zwingend eine sichere Einschätzung.52

Hier ist eine Falsifikationsstrategie anzuwenden,53 mit der, vor dem Hintergrund aller vorhandenen Informationen, hinterfragt wird, was für die Richtigkeit der scheinbar unzutreffenden Aussage spricht. Sofern der Vernehmende auch danach noch vom Vorliegen einer Lüge überzeugt ist, hat er den zu Vernehmenden damit zu konfrontieren.

1.8Zuverlässig funktionierende Lügenerkennungsmethoden?

94Wer glaubt, anhand von Aussagen die Wahrheit erkennen zu können, wird – entgegen anderslautenden Veröffentlichungen54 – in der Praxis schnell eines Besseren belehrt. Insbesondere der Körpersprache wird hier eine Schlüsselfunktion zugeschrieben, die sie nicht hat; darauf wird im Rahmen der Fragetechniken ausführlicher eingegangen werden.55 Das Ergebnis sei an dieser exponierten Stelle vorweggenommen:

95Es gibt keine zuverlässig funktionierende Lügenerkennungsmethode; eine Bewertung des Wahrheitsgehalts einer Aussage anhand körperlicher Verhaltensmuster verbietet sich.

1.9Kurze tatsächliche Bestandsaufnahme

96Negativbeispiele aus der Vergangenheit und Praxis polizeilicher Vernehmungen spiegeln sicherlich nicht das Alltagsgeschäft oder gar die übliche Vernehmungspraxis wider; sie sind nicht repräsentativ. Ihr Vorkommen und ihre Resonanz in der Bevölkerung sind allerdings unbestreitbar.

97Unstreitig ist jedes Fehlurteil, das zu einer Verurteilung führt, eines zu viel, wohl aber leider nicht immer vermeidbar, mithin Teil einer kritischen Bestandsaufnahme der Strafjustiz. Die an mancher Stelle56 auftauchende Behauptung, jedes vierte Strafurteil sei falsch und ein Fehlurteil, ist eine bloße – nicht verifizierte – Schätzung und definiert zudem nicht, ab wann Falschheit vorliegt: Falsche Tatsachenfeststellungen, falsche Sanktionen oder Verurteilung statt Freispruch und anders herum?

98Veröffentlichungen zu Fehlern im Strafverfahren sind lesenswert: Peters57 und Hirschberg wurden von Darnstädt