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Verraten (Band #3 Der Weg Der Vampire) ist das dritte Buch der Bestseller Serie Der Weg Der Vampire!In VERRATEN erwacht Caitlin Paine aus einem tiefen Koma und erfährt, dass sie verwandelt wurde. Nun ist sie ein vollblütiger Vampir, und sie bestaunt ihre neu erlangten Kräfte, ihre Fähigkeit zu fliegen und ihre übermenschliche Stärke. Ihre wahre Liebe Caleb ist immer noch an ihrer Seite und wartet geduldig auf ihre Genesung. Sie hat alles, was sie sich erträumen könnte. Bis auf einmal alles schrecklich schief läuft. Caitlin ertappt Caleb mit seiner Ex-Frau, Sera, und bevor Caleb eine Gelegenheit zur Erklärung hat, wirft Caitlin ihn hinaus. Mit gebrochenem Herzen und verwirrt, würde Caitlin am liebsten sterben, und ihr einziger Trost ist ihr Wolf-Welpe Rose. Caitlin findet weiteren Trost in ihrem neuen Umfeld. Sie erfährt, dass man sie auf eine versteckte Insel mitten im Hudson River gebracht hat - Pollepel - in einen elitären Zirkel junger Vampire, bestehend aus 24 Jungen und Mädchen wie ihr. Sie erfährt, dass es ein Ort für Ausgestoßene ist wie sie, und sie lernt ihre neue beste Freundin Polly kennen. Gemeinsam beginnen sie, Elitekampftechniken der Vampire zu trainieren, und sie erkennt, dass sie womöglich endlich einen Ort gefunden hat, den sie Heimat nennen kann. Doch ein gigantischer Krieg der Vampire bahnt sich an, und ihr Bruder Sam ist immer noch da draußen, von Samantha verschleppt. Auch der böse Kyle, der nun das mystische Schwert besitzt, ist auf dem Kriegspfad und er will sich von nichts davon abhalten lassen, New York zu zerstören. Caitlin weiß, dass sie nur eine gewisse Zeit auf der Insel verbringen kann, bevor ihr Schicksal sie zwingt, weiterzuziehen - auch wenn sie sich dort zu Hause fühlt und Interesse am schwer fassbaren Vampir Blake gefunden hat. Sie ist schließlich die Eine, und alle Augen sind auf sie gerichtet, in der Erwartung ihren Vater zu finden und die andere Waffe, die sie vielleicht alle retten kann.
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Seitenzahl: 317
Veröffentlichungsjahr: 2014
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verraten
(Band #3 Der Weg Der Vampire)
MORGAN RICE
AUSGEWÄHLTE STIMMEN ZU DEN BÜCHERN VON MORGAN RICE
„Hat mich von Anfang an gefesselt und es hörte nicht auf … Diese Geschichte ist ein erstaunliches Abenteuer, von Anfang an voller Tempo und Action. Nicht ein Moment Langeweile.“
--Paranormal Romance Guild {über Turned}
„Ein großartiger Plot und genau diese Art Buch, die man nachts nicht weglegen kann. Das Ende ist ein so spektakulärer Cliffhanger, dass man sofort das nächste Buch kaufen will, um herauszufinden, was als nächstes passiert.“
--The Dallas Examiner{über Loved}
„Ein Buch, das Locker mit Bis(s) zum Morgengrauen und den Vampire Readings mithalten kann. Man will einfach bis zur letzten Seite weiterlesen! Wenn Sie Abenteuer, Liebe und Vampire lieben, ist dieses Buch das Richtige für Sie!“
--vampirebooksite.com {regarding Turned}
„Eine ideale Story für jüngere Leser. Morgan Rice ist gut darin, einem Buch, was ein typisches Vampirmärchen hätte werden können, einen originellen Twist zu verleihen. Der erfrischende und einzigartige Roman hat die klassischen Elemente übernatürlicher Storys für junge Erwachsene.“
--The Romance Reviews {regarding Turned}
„Rice ist einfach fantastisch darin, Dich von Anfang an in die Geschichte hineinzuziehen. Seine Beschreibungen gehen weit über das bloße Ausmalen von Szenen hinaus … Nett geschrieben und liest sich extrem schnell. Ein guter Anfang für eine neue Vampirserie, die sicher ein Hit bei allen Lesern wird, die leichte und zugleich unterhaltsame Kost mögen.“
--Black Lagoon Reviews {über Turned}
„Voller Action, Romantik, Abenteuer und Spannung. Das Buch ist eine wundervolle Ergänzung für die Serie. Man will sofort mehr von Morgan Rice lesen.“
--vampirebooksite.com {über Loved}
„Morgan Rice beweist sich wieder einmal als extrem talentierte Geschichtenerzählerin … Das Buch gefällt sicher vielen Lesern, auch jüngeren Fans des Vampir-/Fantasygenres. Der unerwartete Cliffhanger lässt einen schockiert zurück.“
--THE ROMANCE REVIEWS{über Loved}
Über Morgan Rice
Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller Serie DER WEG DER VAMPIRE, eine elfteilige Serie für junge Leser. Ihrer Feder entstammt auch die Nr. 1 Bestseller Serie TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptischer Thriller-Serie aus derzeit zwei Büchern (man darf auf das Dritte gespannt sein) und die epische Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, das derzeit aus dreizehn Büchern besteht und die Bestsellerlisten anführt.
Morgans Bücher gibt es als Audio oder Print-Editionen die in vielen Sprachen erschienen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch – mehr Sprachen werden folgen.
Morgan freut sich, von ihren Lesern zu hören, darum besuchen Sie bitte www.morganricebooks.com um sich für Email-Updates zu registrieren. Erhalten sie ein kostenloses Buch, Geschenke, laden sie die kostenlose App herunter und erhalten sie exklusiv die neusten Nachrichten. Oder folgen Sie Morgan auf Facebook und Twitter. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!
Bücher von Morgan Rice
DER RING DER ZAUBEREIQUESTE DER HELDEN (Band #1)MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)
LOS DER DRACHEN (Band #3)
RUF NACH EHRE (Band #4)
SCHWUR DES RUHMS (Band #5)
ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)A RITE OF SWORDS – RITUS DER SCHWERTER (Band #7)demnächst auf Deutsch erhältlich
A GRANT OF ARMS - GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)A SKY OF SPELLS – HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)
A SEA OF SHIELDS – MEER DER SCHILDE (Band #10)A REIGN OF STEEL – REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)A LAND OF FIRE – LAND DES FEUERS (BAND #12)
A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)
DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENSARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)demnächst auf Deutsch erhältlich
ARENA TWO -- ARENA ZWEI (Band #2)
DER WEG DER VAMPIRE
GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)
VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)
VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)
BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)
BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)
demnächst auf Deutsch erhältlich
BETROTHED -- VERMÄHLT (Band #6)
VOWED -- GELOBT (Band #7)
FOUND -- GEFUNDEN (Band #8)
RESURRECTED – ERWECKT (Band #9)CRAVED – ERSEHNT (Band #10)
FATED – BERUFEN (Band #11)
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Dieses Werk ist fiktional. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle entstammen entweder der Imagination des Autors oder werden fiktional verwendet. Jede eventuelle Ähnlichkeit zu realen Personen, lebendig oder tot, ist rein zufällig.
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
FAKT:
Auf siebzig Jahr kann ich mich gut erinnern;
In diesem Zeitraum sah ich Schreckenstage
Und wunderbare Ding, doch diese böse Nacht
Macht alles Vorge klein.
William Shakespeare, Macbeth
Pollepel Island, Hudson River, New York
(In der Gegenwart)
»Caitlin?«, fragte jemand leise. »Caitlin?«
Als Caitlin Paine die Stimme hörte, versuchte sie mühsam, die Augen aufzuschlagen. Doch ihre Lider waren so schwer, dass es ihr kaum gelingen wollte, so sehr sie sich auch abmühte. Als sie es endlich schaffte – nur für einen kleinen Moment –, erkannte sie sofort, zu wem die Stimme gehörte.
Es war Caleb.
Er kniete neben ihr, hielt ihre Hände und musterte sie besorgt.
»Caitlin?«, wiederholte er.
Sie versuchte, sich zurechtzufinden und einen klaren Kopf zu bekommen. Wo war sie? Der Raum, in dem sie sich befanden, hatte kahle Wände aus Stein. Es war Nacht, und durch ein großes Fenster fiel das Licht des Vollmondes herein. Steinböden, gemauerte Wände, eine gewölbte Steindecke. Der Stein sah glatt und sehr alt aus. Waren sie in einem mittelalterlichen Kloster?
Abgesehen von dem Mondlicht wurde der Raum nur von einer kleinen Fackel erhellt, die an einer Wand befestigt war und nicht besonders viel Licht abgab. Um mehr zu erkennen, war es einfach zu düster.
Caitlin versuchte sich auf Calebs Gesicht zu konzentrieren, das ganz nah war. Hoffnungsvoll beobachtete er sie. Auf einmal leuchteten seine Augen auf, er drückte ihre Hand. Seine Hände fühlten sich warm an, während ihre ganz kalt und irgendwie leblos waren.
Trotz ihrer Bemühungen fielen Caitlin die Augen wieder zu – sie waren einfach zu schwer. Irgendwie fühlte sie sich ... nein, krank war nicht das richtige Wort. Sie fühlte sich ... schwer. Es war, als würde sie irgendwo zwischen den Welten schweben. Sie fühlte sich nicht mit ihrem Körper verbunden und schien auch nicht mehr Teil der Erde zu sein. Trotzdem war sie nicht tot, sondern hatte das Gefühl, aus einem sehr, sehr tiefen Schlaf zu erwachen.
Angestrengt versuchte sie, sich zu erinnern. Boston ... die King’s Chapel ... das Schwert. Dann fiel ihr ein, dass man sie niedergestochen hatte. Sie hatte im Sterben gelegen. Caleb war bei ihr gewesen. Und dann ... seine Eckzähne – sie waren immer näher gekommen.
Seitlich am Hals spürte Caitlin einen pochenden Schmerz. Das musste die Stelle sein, an der sie gebissen worden war. Sie hatte ihn darum gebeten – ihn sogar regelrecht angefleht.
Doch jetzt war sie sich nicht mehr sicher, ob das wirklich eine gute Idee gewesen war, denn sie fühlte sich schrecklich. Eiskaltes Blut schien durch ihre Adern zu strömen. Es fühlte sich an, als wäre sie gestorben, hätte aber den nächsten Schritt nicht gemacht. So, als wäre sie irgendwo stecken geblieben.
Außerdem hatte sie Schmerzen. Dumpf pochten sie in ihrer linken Seite und in ihrem Bauch. Das musste die Stelle sein, an der das Schwert in ihren Körper gedrungen war.
»Was du gerade durchmachst, ist ganz normal«, erklärte Caleb ihr sanft. »Hab keine Angst. Alle machen das direkt nach ihrer Verwandlung durch. Aber es wird besser werden, das verspreche ich dir. Die Schmerzen werden bald ganz verschwinden.«
Sie hätte gerne gelächelt und ihm das Gesicht gestreichelt. Allein der Klang seiner Stimme machte alles wieder gut. Dafür lohnte sich alles. Endlich konnte sie für immer mit ihm zusammen sein, und das gab ihr Hoffnung.
Aber sie war zu müde. Ihr Körper reagierte nicht auf die Wünsche ihres Gehirns – sie schaffte es nicht, zu lächeln oder die Hand zu heben. Ganz allmählich driftete sie wieder in den Schlaf zurück ...
Doch plötzlich schreckte ein Gedanke sie auf. Das Schwert ... es hatte dort gelegen, und dann ... war es gestohlen worden. Wer hatte es jetzt?
Auf einmal fiel Caitlin ihr Bruder Sam ein: Er war bewusstlos gewesen und von dieser Vampirfrau mitgenommen worden. Was war mit ihm, befand er sich in Sicherheit?
Und Caleb, warum war er hier? Er müsste doch eigentlich das Schwert zurückholen und die anderen aufhalten. War er nur ihretwegen hiergeblieben? Opferte er gerade alles, nur um an ihrer Seite zu bleiben?
Eine Frage nach der anderen schoss ihr durch den Kopf.
Sie nahm all ihre Kraft zusammen und schaffte es tatsächlich, die Lippen zu bewegen.
»Das Schwert«, brachte sie mühsam hervor. Ihre Kehle war so trocken, dass das Sprechen ihr Schmerzen bereitete. »Du musst gehen ...«, fügte sie hinzu. »Du musst das Schwert ...«
»Pst, ganz ruhig«, erwiderte Caleb. »Ruh dich einfach aus.«
Doch sie wollte mehr sagen, so viel mehr. Sie wollte ihm sagen, wie sehr sie ihn liebte, wie dankbar sie ihm war. Und wie sehr sie hoffte, dass er immer an ihrer Seite bleiben würde.
Kyle flog über den Norden Manhattans. Noch nie zuvor hatte er ein derartiges Hochgefühl erlebt. Hinter ihm flog Sergei, sein gehorsamer Diener, gefolgt von Hunderten von Vampiren, die sich ihnen unterwegs angeschlossen hatten. In Kyles Gürtel steckte nun das sagenumwobene Schwert, und das sagte alles. Überall entlang der Ostküste hatten böse Vampire die Neuigkeit bereits gehört, und immer mehr Clans stießen dazu und folgten Kyle. Allen war klar, dass es Krieg geben würde, denn Kyles Ruf eilte ihm weit voraus. Diese Vampire wussten, dass er garantiert nichts Gutes im Schilde führte. Und sie wollten daran teilhaben.
Prickelnde Vorfreude erfüllte Kyle, während die Armee hinter ihm anwuchs. Sergei hatte seine Sache gut gemacht, als er das Schwert genommen und diese Caitlin niedergestochen hatte. Damit hatte er Kyle überrascht, denn das hätte er Sergei gar nicht zugetraut. Offensichtlich hatte er ihn unterschätzt, und als Belohnung hatte er ihn am Leben gelassen. Bestimmt würde Sergei sich noch als guter Handlanger erweisen. Vor allem war Kyle beeindruckt gewesen, dass Sergei ihm sofort brav das Schwert überreicht hatte, nachdem sie die King’s Chapel verlassen hatten. Ja, Sergei kannte seine Stellung. Wenn er sich weiterhin dementsprechend verhielt, würde Kyle ihn vielleicht sogar befördern und ihm die Verantwortung über eine kleine Legion übertragen. Zwar hasste Kyle die meisten Dinge an den meisten Leuten, aber wenn er eine Eigenschaft schätzte, dann war es Loyalität.
Vor allem nach dem, was sein eigenes Volk, der Blacktide Clan, ihm angetan hatte. Nachdem Kyle Tausende von Jahren uneingeschränkt loyal gewesen war, hatte Rexus, der Oberste Meister, ihn verstoßen, als wäre er ein Niemand und als hätten all die Jahre treuer Gefolgschaft nichts bedeutet. Und alles nur wegen eines einzigen kleinen Fehlers. Das war unvorstellbar.
Doch jetzt war Kyles Plan perfekt aufgegangen. Nun, da das Schwert sich endlich in seinem Besitz befand, konnte ihm nichts mehr – absolut gar nichts mehr – in die Quere kommen. Sehr bald würde er Krieg gegen die Menschen und gegen die guten Vampirclans führen, und selbstverständlich würde er gewinnen.
Als Kyle sich dem Stadtzentrum näherte und Harlem überflog, ließ er sich etwas tiefer sinken und nutzte sein ausgezeichnetes Vampirsehvermögen, um die Einzelheiten dort unten heranzuzoomen. Dabei wurde sein Grinsen noch breiter.
Die Verbreitung der Pest, die Kyle selbst in die Wege geleitet hatte, zeigte offenbar bereits Wirkung, denn es herrschte schreckliches Chaos. Diese jämmerlichen kleinen Menschen drängten sich in alle Richtungen, rasten mit ihren Autos gegen Einbahnstraßen, stritten miteinander und plünderten Geschäfte. Er konnte erkennen, dass die meisten von ihnen mit den charakteristischen Beulen übersät waren, die symptomatisch für die Beulenpest waren. Außerdem sah er die Leichen, die sich bereits an jeder Straßenecke stapelten. Dort unten herrschte regelrecht Weltuntergangsstimmung. Nichts hätte Kyle glücklicher machen können.
Jetzt war es nur noch eine Frage von Tagen, bis sich alle Menschen in der ganzen Stadt angesteckt haben würden. Das war der Augenblick, in dem Kyle und seine Männer zuschlagen und die Übriggebliebenen vernichten würden. Es würde das größte Festmahl werden, das es je gegeben hatte. Und danach würden sie die wenigen überlebenden Menschen als Sklaven halten.
Das einzige kleine Hindernis, das noch im Weg stand, war der Whitetide Clan. Er bestand aus diesen jämmerlichen Vampiren, die sich nur von Tierblut ernährten und sich für etwas Besseres hielten. Ja, sie würden versuchen, sich ihm in den Weg zu stellen. Da Kyle jedoch das Schwert besaß, hatten sie keine Chance. Wenn er mit den Menschen fertig war, würde er sich als Nächstes um die Vampire des Whitetide Clans kümmern.
Aber zuerst – das war ihm am allerwichtigsten – würde er sich seinen Platz in seinem eigenen Clan zurückerobern. Und dabei würde er gnadenlose Härte walten lassen. Rexus hat einen schweren Fehler begangen, indem er mich bestraft hat, dachte Kyle. Unwillkürlich hob er die Hand und berührte die verkrusteten Wunden an seiner einen Gesichtshälfte. Man hatte ihn grausam bestraft, weil Caitlin ihm entwischt war. Rexus würde für jede einzelne Narbe, die Kyle davongetragen hatte, büßen müssen. Zwar besaß Rexus große Macht, doch mit dem Schwert war Kyle sogar noch mächtiger als er. Und Kyle würde nicht eher ruhen, bis er Rexus eigenhändig getötet hatte und er selbst der neue Oberste Meister war.
Bei dem Gedanken grinste Kyle wieder breit. Oberster Meister. Nach all den Jahrtausenden. Er hatte es verdient – es war seine Bestimmung.
Kyle und seine Männer flogen immer weiter, über den Central Park, über das Stadtzentrum, über den Union Square, über Greenwich Village ... bis sie schließlich den City Hall Park erreichten.
Elegant landete Kyle, und die Schar der Vampire, die inzwischen auf Hunderte angewachsen war, folgte seinem Beispiel. Es war unglaublich, wie groß seine Armee nun geworden war. Was für eine eindrucksvolle Rückkehr!
Als Kyle gerade auf die City Hall zusteuerte, um die Türen aufzubrechen und seinen Krieg zu beginnen, entdeckte er aus dem Augenwinkel etwas, was seine Aufmerksamkeit erregte. Etwas, das ihn beunruhigte.
Er zoomte die Brooklyn Bridge heran, die mehrere Häuserblocks entfernt war, um das dort herrschende wilde Durcheinander genauer zu inspizieren. Unmengen von Autos steckten im Stau vor der Brücke fest, weil jeder versuchte, aus der Stadt herauszukommen.
Doch die Brücke war abgeriegelt. Mehrere Panzer und Militärfahrzeuge blockierten den Weg, und Soldaten richteten ihre Maschinengewehre auf die Menge. Offensichtlich durfte niemand Manhattan Island verlassen. Das Militär hatte den Auftrag, eine weitere Verbreitung der Seuche zu verhindern. Wahrscheinlich hatte man inzwischen sämtliche Brücken und Tunnel abgeriegelt.
Eigentlich war das genau das, was Kyle gewollt hatte: Wenn alle Menschen in Manhattan in der Falle saßen, würde es einfacher sein, sie zu töten.
Trotzdem drehte sich ihm jetzt der Magen um, als er das Spektakel mit eigenen Augen sah. Denn er hasste sämtliche Obrigkeiten – und dazu gehörte eben auch das Militär. Beinahe empfand er Mitgefühl mit den Menschenmassen, die schreiend verlangten, die Insel verlassen zu können. Sie wurden von Autoritätspersonen aufgehalten, und bei dem Gedanken kochte heiße Wut in Kyle hoch.
Gleichzeitig schoss ihm eine neue Idee durch den Kopf. Warum sollte man nicht einige Menschen von der Insel lassen? Denn dann würden sie die Pest weiterverbreiten, was ganz in seinem Sinne wäre. Zum Beispiel nach Brooklyn. Ja, das wäre doch sehr praktisch.
Plötzlich erhob Kyle sich wieder in die Lüfte und flog auf die Brooklyn Bridge zu. Sofort folgten ihm Hunderte Vampire.
Gut, dachte er. Sie sind loyal und gehorsam, und sie stellen keine Fragen. Eine sehr brauchbare Armee.
Geschmeidig landete Kyle vor der Brooklyn Bridge auf der Motorhaube eines Autos. Die Stiefel der anderen Vampire machten klackende Geräusche, als sie auf den Autos hinter Kyle aufsetzten.
Ein plötzliches Hupkonzert setzte ein – offensichtlich gefiel es den Menschen nicht, wenn man über ihre Autos spazierte.
Wut flammte in Kyle auf, weil diese erbärmlichen Menschen so undankbar waren und hupten, obwohl er gekommen war, um ihnen zu helfen.
Er stand auf der Motorhaube eines Saab Geländewagens und wollte gerade herunterspringen, um sich um das Militär zu kümmern. Weil der Fahrer jedoch wie wild hupte, drehte er sich langsam um und blickte durch die Windschutzscheibe auf die Familie hinunter, die wiederum zu ihm hinaufstarrte.
Sie waren eine typische adrette Vorzeigefamilie. Auf den Vordersitzen saßen Ehemann und Ehefrau, beide in den Vierzigern, hinter ihnen ihre beiden Kinder. Der Mann öffnete das Fenster und drohte Kyle mit der Faust.
»Runter von meinem Auto, verdammt noch mal!«, schrie er erbost.
Langsam kniete Kyle sich hin, holte aus und zertrümmerte mit der Faust die Windschutzscheibe. Dann packte er den Mann an seinem Polokragen und riss ihn durch die Scheibe aus dem Wagen. Glassplitter flogen in alle Richtungen, während die Ehefrau und die Kinder vor Entsetzen aufschrien.
Breit grinsend hob Kyle den Mann hoch über seinen Kopf.
Der arme Kerl jammerte und schrie. Die Glasscherben hatten ihm viele Verletzungen zugefügt, und er war blutüberströmt.
Mit Schwung warf Kyle den Mann durch die Luft, als wäre er ein Papierflugzeug. Er flog viele Meter weit und stürzte schließlich irgendwo mitten im Stau auf ein Auto. Kyle hoffte, dass er tot war.
Nun machte Kyle sich an die Arbeit, sprang von dem Auto und lief auf die riesigen Panzer zu, die den Zugang zur Brücke versperrten. Die übrigen Vampire folgten ihm auf den Fersen.
Als Kyle und seine Männer näher kamen, wurden die Soldaten sichtlich nervös. Mehrere brachten ihre Maschinengewehre in Anschlag.
Zwischen den Panzern und den Autos befand sich ein gut dreißig Meter breiter Streifen, den offensichtlich niemand überqueren wollte.
Doch Kyle überschritt diese unsichtbare Grenze völlig unbekümmert und marschierte geradewegs auf die Panzer zu.
»Stehen bleiben!«, rief einer der Soldaten durch ein Megafon. »Kommen Sie NICHT näher, sonst eröffnen wir das Feuer!«
Kyle lachte über das ganze Gesicht und marschierte weiter.
»Ich habe gesagt, STEHEN BLEIBEN!«, wiederholte der Soldat. »Das ist die LETZTE Warnung! Es besteht Ausgangssperre. Wir haben den Auftrag, nach Einbruch der Nacht auf jeden zu schießen!«
Kyles Grinsen wurde noch breiter.
»Die Nacht gehört mir«, antwortete er.
Als Kyle seinen Weg fortsetzte, eröffneten sie plötzlich das Feuer. Dutzende Soldaten richteten ihre Maschinenpistolen auf Kyle und seine Männer und schossen.
Die Kugeln prallten von Kyle ab, von seiner Brust, seinen Armen, seinem Kopf und seinen Beinen. Sie fühlten sich an wie Regentropfen, nur etwas heftiger. Amüsiert lächelte er über diese jämmerlichen Waffen der Menschen.
Dann sah er die entsetzten Gesichter der Männer, als sie begriffen, dass er nicht einmal verletzt war. Ganz offensichtlich konnten sie nicht begreifen, warum er immer noch auf den Beinen war. Auch seine Begleiter waren gesund und munter.
Den Soldaten blieb keine Zeit, auf ihre Erkenntnis zu reagieren, denn Kyle ging bereits auf einen der Panzer zu, kroch darunter und stemmte ihn mit übermenschlichen Kräften in die Höhe. Dann trug er das Fahrzeug mehrere Schritte Richtung Brückengeländer. Einige Soldaten verloren das Gleichgewicht und purzelten von dem Panzer herunter, während Dutzende weiterer Männer sich mit aller Kraft an dem Metall festklammerten, um nicht abzustürzen.
Doch das erwies sich als großer Fehler.
Kyle machte noch drei schnelle Schritte und warf den Panzer mit aller Kraft von der Brücke.
Das Fahrzeug flog im hohen Bogen über das Geländer und stürzte viele Meter in die Tiefe auf den Fluss zu. Dabei drehte es sich immer wieder um sich selbst. Die Soldaten schrien, als sie sich nicht mehr halten konnten und abstürzten. Schließlich schlug der Panzer mit einem gewaltigen Platschen auf der Wasseroberfläche auf.
Plötzlich erwachte der Verkehr zum Leben. Die vollkommen verängstigten New Yorker traten ohne zu zögern das Gaspedal durch, und die Autos schossen auf der jetzt frei gewordenen Fahrspur auf die Brücke zu. Innerhalb weniger Sekunden brausten Hunderte von Autos aus Manhattan heraus. Als Kyle ihre Gesichter musterte, erkannte er, dass viele bereits mit der Pest infiziert waren.
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem entstellten Gesicht aus. Diese Nacht versprach wunderbar zu werden.
Samantha sah, wie die riesigen Doppeltüren sich knarrend öffneten, und spürte ein unangenehmes Ziehen im Bauch. Dann trat sie in Begleitung von mehreren Vampirwachen in das Gemach ihres Meisters. Zwar hielten sie sie nicht fest – das würden sie nie wagen – doch sie umringten sie so dicht, dass die Botschaft auch so eindeutig war. Demnach war sie immer noch eine von ihnen, obwohl sie unter Hausarrest stand – zumindest, bis das Treffen mit Rexus vorüber war. Er bestellte sie als Soldatin zu sich, doch gleichzeitig war sie auch eine Gefangene.
Nachdem die Tür mit einem Krachen hinter ihr ins Schloss gefallen war, sah sie, dass der Raum voller Vampire war. Seit Jahren hatte sie nicht mehr so viele von ihnen versammelt gesehen. Aberhunderte füllten den Raum. Offensichtlich wollten alle zusehen und die Neuigkeiten über das Schwert hören. Sie wollten hören, wie sie es sich hatte entwischen lassen.
Aber wahrscheinlich wollten sie vor allem miterleben, wie sie bestraft wurde. Jeder wusste, dass Rexus ein unerbittlicher Meister war, der sogar den kleinsten Fehler mit einer Strafe ahndete. Und eine Verfehlung von dieser Tragweite würde sicherlich eine besonders schwere Bestrafung nach sich ziehen.
Samantha wusste das, und sie versuchte auch gar nicht, ihrem Schicksal zu entkommen. Schließlich hatte sie den Auftrag, den sie übernommen hatte, nicht erfolgreich ausgeführt. Zwar hatte sie das Schwert gefunden, aber sie hatte es auch verloren – sie hatte zugelassen, dass Kyle und Sergei es ihr vor der Nase weggeschnappt hatten.
Alles wäre perfekt gewesen. Das Schwert hatte nur wenige Schritte von ihr entfernt auf dem Boden in der King’s Chapel gelegen. Nur wenige Sekunden hatten sie von dem Ergreifen des Schwertes getrennt, von der Erfüllung ihres Auftrages, um ein Haar wäre sie zur Heldin ihres Clans geworden.
Und dann war Kyle mit seinem schrecklichen Handlanger hereinmarschiert, hatte sie niedergeschlagen und das Schwert gestohlen, unmittelbar bevor sie danach hatte greifen können. Das war so unfair. Wie hätte sie damit rechnen können?
Und was war sie jetzt? Der Bösewicht, die Versagerin. Die, die sich das Schwert vor der Nase hatte wegschnappen lassen. Oh ja, das dicke Ende würde noch kommen, davon war sie überzeugt.
Jetzt war es für sie nur noch von Bedeutung, dass Sam in Sicherheit war. Er war ebenfalls niedergeschlagen worden und hatte das Bewusstsein verloren. Daraufhin hatte sie ihn weggetragen und die ganze Strecke hierhergebracht, weil sie ihn in ihrer Nähe haben wollte. Sie war nicht bereit, ihn gehen zu lassen, und sie hatte nicht gewusst, wohin sie ihn sonst hätte bringen sollen. Also hatte sie ihn hereingeschmuggelt und ihn in einem leeren Raum tief unter der Erde untergebracht. Niemand hatte sie dabei beobachtet, jedenfalls nicht, soweit sie wusste. Dort würde er vor den neugierigen Augen dieser Vampire sicher sein. Jetzt würde sie Rexus Bericht erstatten, ihre Bestrafung erdulden und danach bis Tagesanbruch warten, wenn alle anderen schliefen, um mit Sam zu fliehen.
Natürlich konnte sie nicht einfach sofort fliehen. Wenn sie nicht zuerst ihren Bericht ablieferte und ihre Strafe verbüßte, würde ihr Clan Jagd auf sie machen, und sie wäre für den Rest ihres Lebens auf der Flucht. Hatte sie erst einmal ihre Strafe erduldet, würde niemand sie verfolgen. Dann konnte sie mit Sam zusammen fliehen und sich irgendwo niederlassen. Nur sie beide.
Niemals hätte sie damit gerechnet, dass dieser Junge solche Gefühle in ihr wachrufen könnte. Inzwischen besaß er für sie erste Priorität. Sie wollte mit ihm zusammen sein: Sie brauchte ihn. So verrückt es auch klingen mochte, selbst für ihre eigenen Ohren – sie konnte sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Das machte sie wütend, denn sie wusste nicht, wie es so weit hatte kommen können. Wie hatte sie sich nur in einen Jungen im Teenageralter verlieben können? Ganz zu schweigen davon, dass er ein Mensch war. Dafür hasste sie sich. Aber es war, wie es war. Es würde nichts bringen, ihre Gefühle ändern zu wollen.
Dieser Gedanke gab ihr Kraft, als sie langsam auf Rexus’ Thron zuging und sich auf seinen Urteilsspruch vorbereitete. Sie wusste, dass sie unbeschreibliche Schmerzen erleiden würde, doch der Gedanke an Sam würde ihr helfen, das durchzustehen. Es gab jemanden, zu dem sie zurückkehren konnte. Außerdem würde Sam all das erspart bleiben, weil sie ihn in Sicherheit gebracht hatte. Deshalb würde sie ertragen können, was jetzt auf sie zukam.
Doch würde er sie nach der Verbüßung der Strafe überhaupt noch lieben? So wie sie Rexus kannte, würde er als Strafe für sie eine Behandlung mit Weihwasser für angemessen halten und ihr Gesicht so gut es ging verunstalten. Vielleicht würde sie danach nicht mehr hübsch sein. Würde Sam sie dann immer noch lieben? Sie konnte es nur hoffen.
Stille senkte sich über den Raum, während die unzähligen Vampire näher rückten, um nichts zu verpassen. Samantha ging auf Rexus zu, ließ sich auf ein Knie sinken und neigte den Kopf.
Rexus starrte von seinem Thron auf sie hinunter, wobei seine harten, eisblauen Augen sie förmlich zu durchbohren schienen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, obwohl Samantha wusste, dass wahrscheinlich nur wenige Sekunden vergingen. Wohlweislich hielt sie den Kopf gesenkt und hütete sich, seinem Blick zu begegnen.
»Also«, begann Rexus mit rauer Stimme zu sprechen, »jetzt rächt es sich, dass ich dich ausgewählt habe.«
Ein längeres Schweigen folgte, während er Samantha musterte. Sie unternahm keinen Versuch, sich in irgendeiner Weise zu rechtfertigen, sondern blickte nicht einmal auf.
»Ich habe dich losgeschickt, um einen sehr einfachen Auftrag zu erledigen«, fuhr er fort. »Nachdem Kyle versagt hatte, brauchte ich jemandem, dem ich vertrauen konnte. Meine wertvollste Kriegerin. Noch nie zuvor hattest du mich enttäuscht, nicht ein einziges Mal in Jahrtausenden«, sagte er hart. »Aber irgendwie ist es dir gelungen, an diesem einfachen Auftrag zu scheitern – absolut kläglich zu scheitern.«
Samantha schwieg weiterhin.
»Nun erzähl mir ganz genau, was mit dem Schwert geschehen ist. Wo ist es?«
»Mein Meister«, antwortete sie bedächtig. »Ich habe dieses Mädchen aufgespürt, diese Caitlin. Und Caleb. Ich habe sie beide gefunden. Auch das Schwert habe ich gefunden. Ich habe Caitlin sogar dazu gebracht, es aus der Hand zu geben. Dann lag es auf dem Boden, nur ganz knapp außerhalb meiner Reichweite. Ich war ganz dicht davor, es war eine Frage von Sekunden, bis ich es in den Händen hätte halten können, um es Euch zu bringen.«
Samantha schluckte.
»Ich konnte nicht ahnen, was als Nächstes passieren würde. Als Kyle mich angriff, war ich völlig überrumpelt ...« Lautes Gemurmel breitete sich unter den versammelten Vampiren aus.
»Bevor ich das Schwert ergreifen konnte«, fuhr sie fort, »hatte Kyle es schon an sich genommen. Sofort flüchtete er aus der Kirche, ich konnte nichts tun, um ihn daran zu hindern. Als ich versuchte, ihn zu verfolgen, war er bereits verschwunden. Das Schwert befindet sich jetzt in seinem Besitz.«
Das Gemurmel wurde lauter. Die Aufregung und Besorgnis im Raum war beinahe greifbar.
»RUHE!«, rief jemand mit lauter Stimme.
Langsam erstarb das Murmeln.
»Also hast du zugelassen, dass Kyle das Schwert genommen hat. Du hast es ihm praktisch überreicht.«
Obwohl Samantha es besser wusste, konnte sie sich nicht zurückhalten. Sie musste einfach etwas zu ihrer Verteidigung sagen. »Mein Meister, ich konnte nichts tun ...«
Rexus unterbrach sie mit einem simplen Kopfschütteln, eine Geste, die Samantha fürchtete. Denn sie bedeutete, dass Schlimmes folgen würde.
»Wegen dir muss ich jetzt zwei Kriege vorbereiten. Diesen erbärmlichen Krieg gegen die Menschen und jetzt auch noch einen Krieg gegen Kyle.«
Als sich drückendes Schweigen über den Raum legte, spürte Samantha, dass ihre Bestrafung unmittelbar bevorstand. Sie war bereit. In Gedanken klammerte sie sich an das Bild von Sam und an die Tatsache, dass sie sie nicht wirklich umbringen konnten. Das würden sie nie tun. Es würde ein Leben nach all dem geben, irgendein Leben, und Sam würde ein Teil davon sein.
»Ich habe mir eine ganze besondere Strafe für dich ausgedacht«, erklärte Rexus, während er das Gesicht zu einem bösen Grinsen verzog.
Als Samantha hörte, wie die große Doppeltür hinter ihr geöffnet wurde, drehte sie sich unwillkürlich um.
Das Herz wurde ihr schwer, und ihr Mut sank.
An Händen und Füßen mit Ketten gefesselt wurde Sam von zwei Vampiren in den Raum gezerrt.
Sie hatten ihn gefunden.
Da sie ihn auch geknebelt hatten, konnte er sich winden, wie er wollte, doch es war ihm trotzdem nicht möglich, sich zu artikulieren. Seine Augen waren vor Schock und Furcht weit aufgerissen. Die Ketten rasselten, als sie ihn vorwärtszerrten.
»Offensichtlich hast du nicht nur das Schwert verloren, sondern auch noch Zuneigung zu einem Menschen gefasst – ungeachtet aller Vampirregeln«, sagte Rexus. »Deine Bestrafung, Samantha, wird darin bestehen, dem Leiden der Person zuzusehen, die dir am wichtigsten ist. Ich spüre, dass du dir selbst nicht am wichtigsten bist. Es ist dieser Junge. Dieser jämmerliche kleine Menschenjunge. Also gut«, fügte er hinzu und beugte sich grinsend vor. »Dann wird das deine Strafe sein: Wir werden diesem Jungen schreckliche Schmerzen zufügen.«
Samanthas Herz schlug heftig. Das hatte sie nicht vorhergesehen, sie konnte es nicht zulassen. Um keinen Preis.
Umgehend wurde sie aktiv und sprang auf Sams Bewacher zu. Es gelang ihr sogar, einen von ihnen heftig gegen die Brust zu treten, sodass er mehrere Meter rückwärts flog.
Aber bevor sie den andern angreifen konnte, hatten sich schon mehrere Vampire auf sie gestürzt und sie zu Boden geworfen. Mit aller Kraft versuchte sie sich zu wehren, aber da sie in der Überzahl waren, hatte sie keine Chance.
Hilflos musste sie zusehen, wie Sam in die Mitte des Raumes gezerrt wurde. Sie brachten ihn an die Stelle, an der in der Regel die Bestrafungen mit Weihwasser durchgeführt wurden. Für Vampire war diese Strafe unbeschreiblich schmerzhaft, und danach blieben sie lebenslang entstellt.
Da Sam ein Mensch war, war für ihn eine Bestrafung mit konzentrierter Säure vorgesehen. Die Schmerzen waren nicht abzuschätzen, die Folge der Säureattacke wäre auf jeden Fall ein entsetzlicher Tod. Also führten sie Sam zu seiner Hinrichtung. Und Samantha wurde gezwungen, dabei zuzusehen.
Rexus’ Grinsen wurde noch breiter, als Sam am Boden angekettet wurde. Auf ein Nicken des Meisters hin riss einer der Bewacher Sam das Klebeband vom Mund.
Sams Blick suchte sofort Samantha, seine Augen waren vor Furcht geweitet.
»Samantha!«, schrie er. »Bitte, rette mich!«
Gegen ihren Willen brach sie in Tränen aus. Es gab nichts, was sie hätte tun können, absolut nichts.
Sechs Vampire rollten einen riesigen Eisenkessel herbei, der ganz oben auf einer Leiter befestigt war. Dann rückten sie ihn direkt über Sams Kopf in Position.
Sam blickte auf.
Caitlin rannte durch ein Blumenfeld. Die Blumen reichten ihr bis zur Taille, und sie pflügte regelrecht einen Pfad hindurch. Die blutrote Sonne stand wie eine riesige Kugel am Horizont.
Mit dem Rücken zur Sonne wartete in der Ferne ihr Vater. Zwar konnte sie sein Gesicht nicht sehen, aber sie erkannte seine Silhouette – daher wusste sie, dass er es war.
Während Caitlin immer weiterlief, weil sie sich so sehnlichst wünschte, ihn endlich zu treffen und in die Arme zu schließen, versank die Sonne schnell hinter dem Horizont und war innerhalb weniger Sekunden vollkommen verschwunden.
Plötzlich herrschte absolute Dunkelheit. Caitlins Vater wartete immer noch auf sie. Sie spürte, dass er sie dazu bewegen wollte, noch schneller zu laufen, um sie endlich umarmen zu können. Aber ihre Beine konnten nicht noch schneller rennen. Obwohl sie sich größte Mühe gab, schien sie ihm nicht näher zu kommen.
Auf einmal ging der Mond auf – ein riesiger, blutroter Mond, der fast den ganzen Himmel ausfüllte. Caitlin konnte alle Einzelheiten an seiner Oberfläche erkennen, sämtliche Erhebungen, Täler und Krater. Jetzt zeichnete sich ihr Vater als Silhouette gegen den Mond ab, und sie hatte das Gefühl, direkt auf den Mond zuzulaufen.
Doch plötzlich kam sie nicht mehr weiter, ihre Beine bewegten sich nicht mehr. Als sie hinuntersah, entdeckte sie, dass die Blumen sich um ihre Fußknöchel und Beine gewunden hatten. Jetzt sahen sie aus wie Schlingpflanzen, und sie waren so dick und stark, dass Caitlin sich nicht mehr rühren konnte.
Und dann glitt eine gigantische Schlange durch das Feld auf sie zu. Panisch versuchte Caitlin, sich loszureißen und zu fliehen, aber sie hatte keine Chance. Die Schlange kam näher, löste sich vom Boden und stürzte sich auf Caitlins Hals. Als sich die langen Fangzähne in ihren Hals bohrten, schrie sie laut auf. Der Schmerz war entsetzlich.
Mit einem Ruck wachte Caitlin auf, saß senkrecht im Bett und atmete heftig. Als sie sich an den Hals griff, spürte sie zwei verkrustete Wunden. Einen Augenblick lang brachte sie ihren Traum und die Gegenwart durcheinander und sah sich nach einer Schlange um. Es war keine zu sehen.
Verwirrt rieb sie sich den Hals. Die Wunden schmerzten noch, aber nicht so stark wie in ihrem Traum. Caitlin atmete tief durch.
Ihre Haut war mit kaltem Schweiß überzogen, ihr Herz schlug immer noch heftig. Als sie sich das Gesicht und die Schläfen abwischte, spürte sie, dass ihr die nassen Haare am Kopf klebten. Wie lange war es her, seit sie zuletzt gebadet hatte? Ihre Haare gewaschen hatte? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Wie lange hatte sie hier gelegen? Und wo war sie überhaupt?
Sie sah sich in dem Raum um. Irgendwie kam ihr der Ort bekannt vor – hatte sie davon geträumt, oder war sie vorher schon einmal wach gewesen? Die Wände waren komplett aus Stein, und es gab ein großes Rundbogenfenster, durch das sie in den Nachthimmel hinausblicken konnte. Das Licht des riesengroßen Vollmonds fiel in den Raum.
Vorsichtig schwang sie die Beine über den Bettrand und rieb sich die Stirn, während sie sich zu erinnern versuchte. Dabei durchschoss ein schrecklicher Schmerz ihre Seite. Als sie an die Stelle fasste, spürte sie eine verschorfte Wunde. Woher stammte die Wunde? War sie angegriffen worden?
Als Caitlin scharf nachdachte, fielen ihr langsam, aber sicher die Einzelheiten wieder ein. Boston. Der Freedom Trail. Die King’s Chapel. Das Schwert. Dann ... der Angriff von hinten. Dann ...
Caleb. Er war dort gewesen und hatte auf sie hinuntergeblickt. Die Welt war ihr allmählich entglitten, und sie hatte ihn um etwas gebeten. Verwandle mich, hatte sie ihn angefleht ...
Als Caitlin erneut die Hände hob und die beiden Wundmale an der Seite ihres Halses fühlte, wusste sie, dass er ihre Bitte erfüllt hatte.
Das erklärte alles. Schlagartig begriff sie, was geschehen war: Sie war verwandelt worden. Dann hatte man sie irgendwohin gebracht, damit sie sich erholen konnte. Wahrscheinlich hatte Caleb aufmerksam über sie gewacht. Vorsichtig bewegte sie Arme und Beine, drehte den Kopf, untersuchte ihren Körper ...
Sie fühlte sich anders, so viel war sicher. Irgendwie war sie nicht mehr sie selbst. Eine grenzenlose Kraft durchströmte sie. Sie hatte das Bedürfnis, zu rennen, Wände zu durchbrechen, in die Luft zu springen. Außerdem spürte sie noch etwas anderes: Auf ihrem Rücken unterhalb ihrer Schulterblätter waren zwei leichte Wölbungen. Flügel. Und sie wusste, dass sie sich öffnen würden, wenn sie fliegen wollte.
Caitlin war wie berauscht von ihrer neu entdeckten Kraft und wollte sie unbedingt ausprobieren. Die Decke fiel ihr auf den Kopf – sie hatte keine Ahnung, wie lange sie schon hier war – und sie wollte unbedingt wissen, wie sich dieses neue Leben anfühlte. Außerdem empfand sie noch etwas, was neu für sie war: Sie fühlte sich draufgängerisch. So, als könnte sie nicht sterben, als könnte sie folgenlos dumme Fehler begehen und mit ihrem Leben spielen. Sie hatte Lust, am Rande des Abgrunds zu balancieren.
Neugierig drehte sie sich um und sah aus dem Fenster in den Nachthimmel hinaus. Das Rundbogenfenster besaß kein Glas und würde in ein mittelalterliches Kloster passen.
Das alte Menschenmädchen Caitlin aus der Vergangenheit hätte gezögert, nachgedacht und gezweifelt, ob sie wirklich tun sollte, was ihr in den Sinn gekommen war. Doch die wiedergeborene Caitlin handelte ohne jedes Zögern. Praktisch in dem Moment, in dem ihr der Gedanke durch den Kopf schoss, sprintete sie schon los und setzte ihn in die Tat um.
Mit wenigen schnellen Schritten hatte sie das Fenster erreicht, sprang auf die Brüstung und stürzte sich hinaus.
Ihr Instinkt sagte ihr, dass ihre Flügel sich entfalten würden, sobald sie sich in der Luft befand. Falls sie falsch lag, würde sie abstürzen und viele, viele Meter weiter unten auf dem Boden aufschlagen. Doch die wiedergeborene Caitlin hatte nicht das Gefühl, je wieder etwas falsch machen zu können.
