Verschleppt in Schwarz Afrika - Eddie Meier - E-Book

Verschleppt in Schwarz Afrika E-Book

Eddie Meier

0,0
21,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Bobby mit Mountain-Bike und Anhänger auf Abenteuer-Reise von der Schweiz durch ganz Afrika bis Kapstadt auf Suche nach schwarzen Rad-Talenten. Freundin Bigi gewinnt in Nairobi Wettbewerb: Safari durch Nationalparks inkl. Badeferien am Indischen Ozean. Ueberfall auf Reisegesellschaft, da russischer Grossmacht-Politiker Kirinowski Diktiergerät sucht, mit geheimen Formeln der "Antimaterie". Bobby verfolgt mit Vico und Maggy Al-Shabaab-Verschlepper in Dhow Indischen Ozean entlang. Gefangene befreit, aber Maggy stirbt bei Schusswechsel. Bobby beisst sich nach Cape Town durch.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 311

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

Für den Inhalt und die Korrektur zeichnet der Autor verantwortlich.

© 2023 united p. c. Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-7103-5647-6

ISBN e-book: 978-3-7103-5745-9

Umschlagfoto: www.pixabay.com/Suresh Saroha

Umschlaggestaltung, Layout & Satz:united p. c. Verlag

Innenabbildungen: www.pixabay.com/Suresh Saroha

www.united-pc.eu

Widmung

Diesen Roman widme ich meinen sportlichen Familienmitgliedern, GattinVictoria(generelle Fitness, Laufen), SöhnenEddie III(Fussball: GC Zürich Junioren und US Marines 1. Mannschaft)Norman Victor(2 x „Paar-Aerobic Schweizermeister“, Schwarzer Gurt Karate und Budsitsu 3. Dan, Bodybuildung) undMichael Harry(Tennis), TochterDinah Akeer(generelle Fitness und Einladung in Kenianische Eishockey Nationalmannschaft) als Dank für ihre Mithilfe bei Computerproblemen,Carmen Monica(Reiten) undRuth Frieda(Schwimmen, Radfahren und Gymnasitk) für gute Stimmung und Ruth auch für die Bildauswahl für das Cover.

Lektorat:André Mégroz, St.Gallen

VSA 0. Was vorher geschah…

Soeben hatte François Fischer, der französische „Capitain de Route“ unserer ukrainischen Radsportgruppe an der Tour de France, nach seinem Etappensieg in Paris, den riesigen Blumenstrauss, den kuscheligen gelben Plüschlöwen der Credit Lyonnaise und die obligate Büchse Coca Cola für das Fernsehpublikum in Empfang genommen und war auf die oberste Stufe des Treppchens gestiegen, welche für den strahlenden Sieger reserviert war. Wohl wegen dieser weltweiten Fernsehpräsenz hatte es sich auch in diesem Jahr der französische Staatspräsident nicht nehmen lassen, persönlich den Siegern zu gratulieren. Sowohl dem des Gesamtklassements, dem der heutigen Triumph-Etappe, wie auch denen der einzelnen Disziplinenwertungen. Nach dem rotweissgetupften Trikot des Bergpreisleaders und dem ebenfalls täglich neu in ein grasgrünes Trikot eingekleideten Leader im Punkteklassement, war jetzt gerade unserGregorim weissen Jersey dran, den Pokal aus den erlauchten Händen des Präsidenten der „grande Nation“ für den Rooky, den besten Nachwuchsfahrer oder Jungprofi der Tour entgegen zu nehmen. Dies war von Anfang an unser erklärtes Ziel gewesen, auf das wir monatelang bis aufs Blut geschuftet und alle fast übermenschlichen Entbehrungen und Strapazen auf uns genommen hatten.

Genau in diesem Augenblick zerriss eine gewaltige, ohrenbetäubende Detonation die relative Stille vor dem nächsten Applaus. Ich, Bobby Bergmann, der Schweizer Sportliche Leiter und Manager der Ukrainischen Radnationalmannschaft, wurde von etwas am Kopf getroffen, das wie die Fernbedienung eines Farbfernsehers aussah. Während ich kurz einmal „das Feuer in Holland sah“ und gleich darauf das Bewusstsein verlor, begann sich blitzschnell vor meinem inneren Auge der Film der Erlebnisse der letzten dramatischen Monate abzuspulen, wie eine von einem rasenden Fernsehreporter kommentierte Mega-Sportreportage…

Die siegreiche, haarscharfe und klitzeknappe Zielankunft vonFrançois Fischerals Etappensieger hatteBigi, meine geliebte Freundin, aus bester Perspektive gefilmt. Ebenso die verschiedenen Siegerehrungen der Spezialklassemente – bis hin zum „Big Bang“, dem ohrenbetäubenden Knall etwas hinter ihr, wo die Begleiter der Mannschaften platziert waren. Dort herrschte nun ein unglaubliches Durcheinander, ja pures Chaos, auch dann noch, als die Polizei den Ort des Grauens abgesperrt hatte und die Feuerwehr und Krankenwagen mit schaurig grell heulenden Sirenen vorgefahren waren. Unter den Toten warenProf. Dr. Dr. Pierre Fischer, sein BodyguardEinsteinund unser FaktotumKasper – und natürlichIgor, in dessen einem Schuh die Bombe hochgegangen war. Ohne sein Wissen waren seine Rennschuhe mit denen vonGregorausgetauscht worden, sodass sich Igor buchstäblich selber in die Luft gejagt hatte! Mehr oder weniger schwer verletzt waren ich, Bobby undPjotrund eine Reihe Mitglieder anderer Rennteams, währendNikolaimit dem Schrecken davon gekommen war und mit Bobby im Krankenwagen ins Marmottan Spital fuhr, welches bei der halsbrecherischen Fahrt der Ambulanz in nur vier Minuten erreicht wurde. Zuvor aber warf er Bigi die Schlüssel von Fatima, dem Mannschaftsbus der Sportgruppe zu, sodass sie dort Bobby’s Sachen zusammen suchen und ins Marmottan Spital bringen konnte.

Gleichzeitig 2’828.4 km entfernt in Moskau in Kirinowski’s geheimer Parteizentrale

Ebenso wie Kirinowski, der aufstrebende russische Politiker, sich in den Ländern der früheren Sowietunion wie die Ukraine, Weissrussland, das Baltikum etc. ein Netzwerk von Verbündeten und damit späteren Spitzenpolitiker, wenn sich seine Vision eines neuerlich vereinigten Grossrussland realisiert haben würde, so baute er jetzt schon geheime Verbindungen zu anderen Staaten auf, besonders zu solchen, in denen es ebenfalls Umsturzbewegungen gab. Einer davon war der Iran, in dem lange nicht alle Bürger mit dem fundamentalistischislamischen Regime der Mullahs und den von ihnen voll abhängigen Spitzenpolitikern einverstanden und glücklich waren.Jussuf Jabalameliwar der Anführer der Iranischen Befreiungsbewegung, die zwar den Schah auch nicht zurück haben mochte, da er seinerzeit zu viel in zu kurzer Zeit realisieren wollte – denen aber eine Regierungsform und solche Lebensbedingungen wie in der modernen Türkei vorschwebten, wie dieseKemal Atatürkdurchgesetzt hatte. Nur dass sich Jussuf in seiner Vorstellung dabei als ziemlich allmächtiger Staatspräsident sah.

Dass dort, wo russische Politik gemacht wurde, immer auch gewaltige Mengen von Vodka floss, ist zwischenzeitlich allgemein bekannt.Kirinowskihatte bereits so viel getankt, dass er kurz vor dem Ueberlaufen war. Jussuf war zwar der Geburtsurkunde nach Moslem, doch wollte er seine Unabhängigkeit unter anderem dadurch dokumentieren, dass er frischfröhlich mitsoff – wenn auch etwas gemässigter als Kirinowski. Um sich vor diesem wichtig zu machen erzählte er gerade, er habe sehr enge Beziehung mit den Forschern, die sich in seinem Land auf der Strecke zwischen Isfahan und Teheran „mit der friedlichen Nutzung der Atom-Energie“ befassten. Da der Iran über eigene Uran-Vorkommen verfügte, könne er bei Bedarf auch mit einer kleinen Atombombe dienen.

Genau in diesem Augenblick zeigte das unregistrierte Handy von Kiri den Empfang eines SMS an. Nachdem er die Botschaft gelesen hatte, schien es, als sei er um zwei Kleidergrössen gewachsen. Triumphierend bedankte er sich einerseits für Jussuf’s generöses Angebot, erklärte aber gleichzeitig, er habe etwas viel Wirkungsvolleres zu bieten. Irgendwie muss seine sonst doch recht kluge Zurückhaltung und Verschwiegenheit im hochprozentigen Alkohol ersoffen sein, denn er erklärte Jussuf – wie seinerzeit Igor – fast wortgetreu in einem nicht enden wollenden Monolog, was es mit derAntimaterieauf sich hatte, deren letzte Geheimnisse er auf Grund der Mitteilung von Igor nun gelöst glaubte. Da Jussuf beim Wort „Antimaterie“ nur „Bahnhof oder Telefonstange“ verstand, bequemte sich Kirinowski, ihm – ähnlich, ja fast genau gleich wie damals Igor, dem früheren KGB Mitarbeiter und Kriminalkommissar, in Odessa in dem verlotterten Wohnhaus, in dem es nach Katzenscheisse und Urin stank – die Facts zu erklären, nur dass er sich jetzt sicher glaubte, nach der erhaltenen SMS-Botschaft auch die letzten Rätsel gelöst bekommen zu haben.

„Wie wir heute wissen, besteht Materie ausAtomen. Aber auch diese bestehen wiederum aus den verschiedensten Dingen, von deren wachsender Komplexität sich die eierköpfigen Wissenschaftler ständig neu verblüffen lassen, wie Kinder im russischen Nationalzirkus, je mehr sie davon durch ihre nasenborende Forschungstätigkeit erfahren. Für unser laienhaftes Verständnis genügen die beiden Grundbestandteile derAtome, die Elektronen und Protonen.Auf unserem geliebten Mütterchen Erde, ebenso wie in dem uns bekannten Universum, sind die Elektronen immer wie Weiblein negativ und die Protonen wie erigierte Schwänze positiv geladen. Unsere sternenguckenden Astronomen und Wissenschaftler wurden nun in letzter Zeit mit neuen Erkenntnissen wie Jungfrauen mit neugeborenen Babies konfrontiert, die ihnen das Leben ganz schön erschwerten und den Arsch heiss werden liessen. Sie fanden nämlich heraus, dass es Partikel gibt, die aus „weiss-ich-nicht-was“ für einem Scheiss bestehen und sich mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit fortbewegen – dabei galt bisher die kommunistische, wie die kapitalistische Lehrmeinung, dass sichnichtsschneller bewegt als das Licht.

Vor bald dreissig Jahren haben die beiden Wissenschaftler Anderson und Dicke durch theoretische Berechnungen am „Zählrahmen“ herausgefunden, bei denen uns wohl beiden, dir, Jussuf und mir, die Rübe platzen würde, dass es auch Elektronen geben muss, die positiv geladen sind. Dass es sie gibt, wird zwischenzeitlich allgemein hüben wie drüben als gesichert angenommen und sie erhielten die BezeichnungPositronen. An der Universität von Berkeley in Kalifornien, bei den gottverdammten Amis, wurden die Anti-Protonen entdeckt, was die Situation gleich noch weiter verkomplizierte wie das Auftauchen eines Liebhabers aus dem Kleiderschrank, wenn der gehörnte Ehemann schon zu Hause war. Die Verbindung von Anti-Protonen mit Positronen ergibt das, was heute als Antimaterie bezeichnet wird. Einigkeit herrscht nun in grauer gehirnrindestrotzenden Fachkreisen darüber, dass es katastrophale Auswirkungen hätte, wenn ein Positron oder ein Elektron oder ein Proton und ein Anti-Proton, oder gar beide beschissenen Gruppen zusammenstiessen wie zwei Schnellzüge in einer Nebelnacht. Dabei würden absolut tödliche Gammastrahlen frei, wobei bei einer solchen Explosion eine derartige Hitze entwickelt würde, dass alles Leben im Umkreis von vielleicht sogar hunderten von Quadratkilometern augenblicklich ausgelöscht würde, wie das von Schnecken, wenn sie gnadenlos in kochendes Wasser geschmissen werden. Schon zwei Gramm Antimaterie würden genügen, wenn sie unsere alte Erde auf der Sonnenseite träfen, um augenblicklich jegliches Leben auf unserem einmaligen blauen Planeten zu vernichten. Die Erde selbst würde in eine kreis- förmige Umlaufbahn um die Sonne geschleudert, falls sie nicht gleich beim Kontakt wie ein Molotow-Cocktail explodieren würde“.

„Gibt es denn wirklich solche frei vorkommende Antimaterie auf unserer Erde?“ wird wohl deine nächste skeptische Frage sein, mein lieber Jussuf. „Vermutlich nein“ muss ich dir darauf antworten, „aber verdammt sicher kann niemand sein, zum Teufel. Aber es gibt einen Beweis, dass eine solche Katastrophe bereits einmal stattgefunden hat. Im Jahre 1908 ereignete sich in einer zum Glück unbewohnten Gegend Sibiriens etwas, das jedes vorhandene Lebewesen augenblicklich getötet hätte. Russische Wissenschaftler, die zu Forschungszwecken etwa zwanzig Jahre später in diese gottverlassene Gegend kamen, fanden ein Gebiet von fast zweihundert Quadratkilometern vor, in dem die Bäume durch Hitze zerstört worden waren – jedoch nicht durch normales, allmähliches Verbrennen, sondern durch augenblickliche Einäscherung, was in vielen Fällen zu einer Versteinerung der Bäume geführt hatte. Stell dir einmal vor, mein Waffenbruder Jussuf, was wohl passiert wäre, wenn es sich umMoskauoderTeherangehandelt hätte – beide wären sofort in ausgestorbene Geisterstädte verwandelt worden“. „Wie willst du beweisen, dass es sich dabei um solche Scheiss-Antimaterie gehandelt hat?“ wird nun wohl deine nächste Frage lauten. „Den Beweis kann ich dir anbieten, Brüderchen: Alle anderen bisher bekannten Verletzungen der Erdoberfläche, alle grösseren Löcher im Boden, entstanden durch Körper aus dem Weltraum, liessen sich ausnahmslos durch Meteore nachweisen. Doch in dieser geisterhaften Wüste in Sibirien deutete absolut nichts auf einen Meteoreinschlag hin. In Südafrika oder Arizona verursachten solche Baller riesige Krater. Darum sind die Wissenschaftler heute überzeugt, dass es bei dem Unglück in Sibirien um einen Winzling von Partikel von Antimaterie gehandelt haben muss, der eine Masse von ungefähr einem hundertmillionstel Gramm hatte. In den sechziger Jahren vermuteten hohlköpfige westliche Wissenschaftlerkreise, dass wir ausgebufften Russen das Geheimnis der Antimaterie gelöst hätten. Sie verwarfen dann allerdings diese Vermutung wieder, da die Antimaterie die unangenehme Eigenschaft hat, alles zu vernichten, was mit ihr in Berührung kommt, wie Gewaltsverbrecher sie belastendes Beweismaterial. Darum schien eine künstliche Herstellung und Aufbewahrung schlichtweg so unmöglich, wie die „Quadratur des Kreises“. „Verstehe ich dich richtig, Alexander Kirinowski, wenn ich annehme, dass dies nicht zutrifft?“ wirst du mich an dieser Stelle wohl fragen. „Du hast recht wie ein Schiedsrichter in einem Fussballmatch“, werde ich dir darauf entgegnen. Dann wird dein schlauköpfiger Kommentar wohl sein, dass das doch nichts weniger bedeutet, als dass das Land, welches dieses riesentötende Geheimnis in der Hand hat, die ganze übrige Welt tyrannisieren und in die Tasche stecken könnte, wie ein Schuljunge sein Butterbrot. Im Vergleich mit einer solchen Giga-Waffe wären alle herkömmlichen Super-Atombomben – sogar deine friedlichen iranischen – reine, fast ungefährliche Kinderspielzeuge, wie Plastikbogen mit Gummisaugerpfeilen…“ wirst du bestätigen. „Auch hier kann ich nur zustimmen, wie ein totalitärer Wähler seinem Wahlprogramm, Brüderchen. Wir hatten die Lösung vor etwa zwanzig Jahren theoretisch in unseren Händen, wie unsere Eier in den Hosen. In unserem „Lubylan-Forschungszentrum für chemische Kriegsführung und der Entwicklung von Nervengasen inCrau“ hatte ein nicht ganz freiwillig zu uns übergelaufener deutscher Kernphysiker namensProfessor Erich Van Diemendas Problem gelöst. Bevor wir allerdings die Goliath-Waffe wirklich entwickeln konnten, passierte eine beschissene Panne. Der amerikanische CIA hatte versucht, Van Diemen zu entführen oder mindestens die geheime Formel zu entwenden. Er hatte dafür einen ganzen Zirkus mit Löwen, Elefanten und Artisten zu uns rübergeschickt und ein in seinen Diensten stehender Hochseilartist schaffte sich den Zugang zu diesem Hochsicherheitsgebäude, indem er über ein dreihundert Meter langes Hochspannungskabel balancierte, das normalerweise mit zweitausend Volt geladen war. Leider wurde dabei Prof. Van Diemen von einem unserer eigenen Doppelagenten aus Versehen erschossen und die allerneuesten Forschungsergebnisse gestohlen, wie Äpfel auf einem Gemüsemarkt. Der CIA-Agent gehörte – zum Glück für uns – zu einer dieser Sorte von lauwarmen Pazifisten, die den Krieg hassten. Darum hatte er seine weltverändernde Beute den Amis nicht ausgeliefert, sondern sie vernichtet als wäre sie eine überflüssige amtliche Aktennotiz. Seiner Meinung nach war es für die heile Welt besser, wenn niemand die verdammte Formel hatte. Diese ganze Geschichte wurde übrigens vom schottischen Thriller-AutorAlistair MacLean – wenn auch romanhaft ausgeschmückt wie ein orientalisches Märchenbuch – ziemlich akkurat in seinem Bestseller „Circus“ beschrieben, der Glasnost sei’s gedankt, sogar auf russisch herausgekommen ist“. „Was hat denn diese Schose mit uns zu tun?“ wirst du jetzt wissen wollen. „Nun, alle Unterlagen hat dieser Agent nicht gefunden. Frühere Aufzeichnungen wurden an einem anderen, noch sichereren Ort aufbewahrt, sodass sie uns auch heute noch zur Verfügung stehen. Was wir nun brauchen, ist jemand, der daraus die letzten Schlussfolgerungen von Van Diemen noch einmal nachvollziehen kann, wie ein Schachspiel aus der Zeitung. Und wer das könnte, das weiss ich heute mit grosser Zuverlässigkeit, so sicher, wie die Sonne jeden Morgen bei uns im Osten aufgeht. Bevor Van Diemen zu uns übergelaufen „wurde“ (das KGB hatte ihn nämlich entführt), arbeitete er mit einem elsässischen Wissenschaftler namensProf. Dr. Dr. Pierre Fischersehr eng zusammen. Dieser Prof. Fischer hat sich zwischenzeitlich zu einem der bestbehüteten Kernphysik-Forscher der schneckenfressenden Franzosen gemausert, der im Auftrag der französischen Regierung im grössten Forschungszentrum der Welt, imCERNganz in der Nähe von Genf, dem Schweizer „Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire“forscht, in dem über 3000 Physiker, d. h. mehr als die Hälfte aller Teilchenphysiker der Welt tätig sind. Es sind dies die klügsten Köpfe auf diesem Planeten, Franzosen, Deutsche, Italiener, Schweizer, Japaner, Holländer etc. Und diese Physiker repräsentieren über fünfhundert Universitäten und mehr als sechzig Nationalitäten. Das CERN – in dem übrigens das WOLD WIDE WEB erfunden wurde – besitzt einenTeilchenbeschleuniger, einen Ring von mehr als acht Kilometern Durchmessern und einer Länge von siebenundzwanzig Kilometern. Er ist die grösste Maschine der Welt und erstreckt sich unterirdisch bis weit nach Frankreich hinein. Es handelt sich um eine grosse, runde Röhre, in der subatomare Partikel beschleunigt werden, in dem rings um die Röhre in rascher Folge Magnete ein und ausgeschaltet werden und die Partikel in einander entgegengesetzter Richtung herumgestossen werden, bis sie gewaltige Geschwindigkeiten erreicht haben, d. h. mehr als zweihundertneunzigtausend Kilometerin der Sekunde(beinahe Lichtgeschwindigkeit) und dann aufeinanderprallen. Durch die anschliessende kontrollierte Kollision werden sie in ihre Bestandteile zerlegt, wodurch die Wissenschaftler einen Einblick in die fundamentalsten Bausteine der Natur gewinnen können. Laut Geheimberichten unserer geheimnisseschnüffelnden Wissenschafts-Spione soll er das Geheimnis der Antimaterie-Bombe zwischenzeitlich ebenfalls geknackt haben und die Atomtests auf demMururoa-Atollsollen in Wirklichkeit den ersten „ganz kleinen“ Antimaterie-Test verstecken, wie ein Dieb seine Beute bei einem Hehler. Es soll sich dabei um eine so klitzewinzige Menge von weniger als einem Zehntausendmillionstel Gramm handeln, was bei den durch die Atombombentests verursachten Schäden nicht weiter auffallen dürfte als ein Detektiv in einer Menschenmenge am Feierabend. Am besten versteckt man so etwas schon immer, indem man es vor den Augen der gesamten Weltöffentlichkeit durchzieht“. „Nun wirst du wissen wollen, wie unser Radsport-Projekt, dessen Schlussphase wir nächstens auf dem TV-Bildschirm auf Eurosport hinter uns mitverfolgen können, in dieses weltpolitische Puzzle-Spiel passen soll.“ Darauf meine Erklärung: „So gut Professor Fischer auch von der französischen Geheimpolizei bewacht wird, einen Freiraum hat er sich ausbedungen. Seine äffische Liebe gilt seinem EnkelFrançois, der zwar nebenbei ebenfalls Physik studiert, aber im Sommer als strampelnder Radprofi tätig ist – wenn auch nicht mit eben überwältigendem Erfolg. Immerhin hat er bereits zweimal die Tour de France bestritten und den Lindwurm auch zu Ende gefahren. Beide Male liess es sich sein Grossvater nicht nehmen, ihn während mehreren Etappen im Mannschaftswagen seines französischen Teams zu begleiten. Leider war dem Rennstall der Hauptsponsor abgesprungen, die Kohlen waren alle und François stand damals, Ende letzter Saison, ohne Vertrag in der Tasche da. Diesen jungen Mann mussten wir uns unbedingt angeln, mit seiner Erfahrung alsbeinewirbelnden Asphaltstrategenoder sogenannten„Capitain de Route“und für unser unerfahrenes Nachwuchsteam verpflichten. Er spricht übrigens als Elsässer neben französisch fliessend deutsch, was für unseren Alpenland-TrainerBobby Bergmannwichtig ist, und er hat sogar am Gymnasium russisch als zusätzliche Fremdsprache belegt, was wiederum alle unsere ukrainischen Lenkstangengeiferer verstehen. Ganz bestimmt bekommen wir dann an der nächsten Tour de France wieder die Ehre eines Besuchs seines Grossvaters. Dann müssen wir ihn uns schnappen, verstehst du. Entweder zu uns entführen, oder ihn mindestens für einige Stunden unauffällig unter Drogen setzen, damit er uns den uns noch fehlenden letzten Schlüssel zur Antimaterie-Formel liefert, wie ein Bäcker seine frischen Brötchen. Das ist uns tatsächlich gelungen. Wie wir das im Detail machen wollten wusste ich zwar nicht, das musste ich meinem gerissenen, mit allen Abwässern gewaschenen ukrainischenEx-KGB-Mann Igorüberlassen, aber die Droge, die den ollen Fischer willenlos macht, sodass er „singen“ wird wie ein Kanarienvögelchen, die haben wir zur Verfügung, wie ein Präservativ zum Bumsen. Das Gute an diesem neuartigen Mittelchen ist, dass sich die damit behandelte Person nachher nicht daran erinnern kann, was mit ihr passiert ist und dass sie irgend etwas ausgeplaudert hat. Wenn es uns gelingt, dass Prof. Fischer nur einmal die „Fatima“, den ukrainischen Mannschaftsbus betritt, dann sind wir die Herren der Welt! Vielleicht kann Igor ihm dann die weltgeschichteverändernden Fragen selber stellen oder besser von einer Aufzeichnung unserer Atomphysiker abspielen und die Antworten auf irgend einem Tonträger aufnehmen.“ Und das ist nach dem SMS von Igor tatsächlich gelungen.

Plötzlich hatte Kirinowski wie auch Jussuf fast den gleichen zündenden Geistesblitz. Kirinowski entschuldigte sich kurz bei seinem Gast und ging in ein Nebenzimmer, während sich Jussuf auf die Toilette zurück zog. Beide nahmen ihr unregistriertes Handy und wählten eine Nummer in Paris: Kirinowski bei der russischen Botschaft in der franösischen Hauptstadt, wo ein dritter Handelsattachée zu seiner „Mannschaft“ gehörte. Ganz kurz instruierte er diesen, sofort zu Igor zu gehen und sich den Tonträger aushändigen zu lassen und diesen dann persönlich zu ihm nach Moskau zu bringen. Auch der dritte Handelsattachée in der iranischen Botschaft in Paris war in Wirklichkeit ein „Spook“, also ein Spion, und auch dieser fühlte sich Jussuf verpflichtet. Sein Auftrag lautete identisch – nur mit dem Zusatz notfalls mit Gewalt, falls Igor Schwierigkeiten machen sollte – und natürlich nach Teheran.

Dann kehrten beide ins Besprechungszimmer zurück und verfolgten die Ereignisse um die Zielankunft der Tour de France auf der Champs Elysee am Fernsehen auf Eurosport. Der Etappensieg vonFrançois Fischer, der taktisch sehr clever mit der Unterstützung des ganzen Teams herausgefahren worden war, nahmen beide mit grosser Befriedigung auf. Kirinowski war aber noch gespannter als der Pfeilbogen eines Indianerhäuptlings auf dem Kriegspfad, auf das, was nun noch gemäss dem mit Igor seinerzeit in Odessa vereinbarten kriminellen Generalstabsplan folgen sollte – auf das was er als ausgleichende Rache für seine erlittene Schmach in Strassburg ansah. Jeden Moment nun sollte der französische Präsident „Flügelchen anschnallen und in die Luft zu seinen Vorfahren fliegen“. Der Knall ertönte zwar grauenhaft, doch musste Kiri mit Entsetzen feststellen, dass die Explosion nicht bei der Preisübergabe durch den französischen Präsidenten erfolgt war, sondern ein rechtes Stück weiter hinten, wo die Betreuer standen. Bis die Kamera den Schwenk gemacht hatte, war vom in tausend Stücke explodierten Igor nichts mehr zu sehen. Hatte dieser den für die Zukunft der ganzen Menschheit so entscheidenden Tonaufnahmeträger wohl auf sich getragen (wodurch dieser wohl unwiederbringlich verloren wäre), oder befand er sich allenfalls noch in der Fatima? Unverzüglich begab er sich – von einem Moment zum anderen wieder total nüchtern – erneut in den Nebenraum und betätigte die Wahlwiederholung seines Handys. „Geh sofort und untersuch die Fatima, ob du irgend einen Tonträger in einem Aufnahmegerät findest! Und dann bring mir diesen unverzüglich nach Moskau. Aber lass dich dabei nicht erwischen und hinterlass keine Spuren von deiner Suchaktion.“

Fast dasselbe tat Jussuf wieder in der Toilette mit dem einzigen Unterschied von Teheran statt Moskau.

Und danach?

Natürlich kannte Bigi sich in der Fatima genau aus und wusste, wo Bobby seine Siebensachen jeweils verstaute. Irgend eine, vielleicht durch die„Silva-Mind-Control Methode“besonders geschärfte Intuition liess ihr eine kleine Ausbuchtung beim vordersten Sessel auffallen. Beim genaueren Hinsehen entpuppte es sich als ein kleinerDigital Voice Recorder oder Diktiergerätetwa in der Grösse einer Zigarettenschachtel. Da sie so etwas immer einmal wieder in ihrem Studium an der Uni brauchen konnte, steckte sie das Ding kurzerhand in ihre voluminöse Handtasche, deren Inhalt für die ganze Menschheit ausser ihr so fremd und unbekannt wie es bis vor kurzem die Rückseite des Mondes war, ohne sich darum zu kümmern, was allenfalls darauf gespeichert war. Dann packte sie die nötigsten Klamotten und das Toiletten-Kit von Bobby zusammen, suchte sich ein Taxi und fuhr in das Mermottan Spital, wo sie sich als Verlobte von Bobby vorstellte – was von Nikolai gegenüber dem Personal der Notaufnahme bestätigt wurde. Bobby war immer noch bewusstlos, denn er war von etwas wie einer Fernbedienung direkt am Schläfenlappen am Kopf getroffen worden. Zusätzlich diagnostizierten die Notfallärzte schwere Prellungen auf der ganzen rechten Körperseite, denn der Luftdruck der Explosion hatte ihn gegen einen Laternenpfahl geschleudert. Zum Glück bestand keine akute Lebensgefahr. Trotzdem wollten ihn die Mediziner für einige Tage zu Beobachtung behalten. Da Bigi nachweisen konnte, dass Bobby voll privat versichert war, bekam dieser ein schönes Einzelzimmer mit einem zweiten Bett, das Bigi benützen durfte.

Nicht lange nachdem Bigi den Mannschaftsbus „Fatima“ in Richtung Spital verlassen hatte, schlich ein Mann um das Gefährt herum, den ein Kenner schnell einmal als Russen identifiziert hätte. Als er feststellte, dass niemand weder ihn noch den Bus beobachtete, nahm er einen Bund Dietriche aus seiner Aktentasche und hatte das Schloss zur Passagierabteilung innert weniger Minuten geknackt, ohne es zu beschädigen. Routiniert durchsuchte er das ganze Fahrzeug sorgfältig – ohne dass er Spuren seiner Sucharbeit hinterlassen hätte. So gut er auch suchte – nirgends fand er etwas, was wie ein Diktiergerät oder auch nur wie ein Handy ausgesehen hätte. Vielleicht hatte es Igor doch auf sich getragen, als er in die Luft flog und damit war es wohl nicht mehr zu finden. Er verliess die „Fatima“ und verschloss die Türe, sodass niemand auf den Gedanken kommen konnte, jemand hätte sie durchsucht. Zurück in der russischen Botschaft rief er Kirinowski auf einem abhörsicheren Handy an und meldete den Misserfolg seiner Bemühungen. Dieser war gar nicht erfreut und bedeutete ihm, er werde nächstens weitere Anweisungen erhalten.

Kurz darauf schlich schon wieder jemand um den Mannschaftsbus herum und knackte das gleiche Schloss erneut. Ihn als Perser, respektive Iraner zu identifizieren wäre schon etwas schwieriger gewesen. Auch er durchsuchte den Bus minutiös. Auch er fand absolut nichts, das dem geglichen hätte, was er finden sollte. Ebenfalls unverrichteter Dinge kehrte er in seine Botschaft zurück und kontaktierte seinen Auftraggeber, um gleichfalls seine Enttäuschung zu melden. Auch sein Kontakt erklärte ihm, er solle weitere Anweisungen abwarten.

Als Bobby nach zwei Tagen wieder normal ansprechbar war, durfte er auch den Besuch vonNikolaiempfangen. Das Thema war natürlich, wie es mit der Ukrainischen Radnationalmannschaft weiter gehen sollte. Sie hatten im ersten Jahr ja weit mehr erreicht, als dass sie es sich hätten träumen lassen. Die Fahrer hatten sich so gut in Szene gesetzt, dass sie von Angeboten anderer Rennteams geradezu überhäuft wurden. In seiner jetzigen Zusammensetzung würde die Nationalmannschaft also nicht mehr weiter bestehen. Auch Nikolai hatte für sich als Sportmediziner ein speziell interessantes Angebot vorliegen. Darum beschlossen Bobby und Nikolai dann aufzuhören, wenn sie auf dem Gipfel des Erfolgs waren. Bobby wusste natürlich immer noch nicht, wo der plötzliche Geldsegen hergekommen war und war darum mehr als erfreut, als ihm Nikolai dasErbe von Igor anbot, der ja ausser ihm selber niemand hatte, dem er das Geld hätte vermachen können. Bobby konnte es kaum fassen: jetzt war er plötzlich ein steinreicher Mann und musste sich auch auf weite Sicht keine Sorgen machen, wie er seinen Lebensunterhalt verdienen müsste.

In der Bibliothek des Spitals entdeckte er ein für ihn sehr interessantes Buch:„Land of second Chances – The impossible rise of Rwanda’s Cycling Team“ von Tim Lewis.Darin fand er ganz viel Spannendes über den Radrennsport, sowie die Laufszene in Afrika. Bis etwa 1950 waren Afrikaner nicht als Langstrecken-Läufer bekannt. 1960 gewann ein Aethiopier namensAbebe Bikiladen olympischen Marathon in Rom. Er sollteAddidasLaufschuhe tragen, kam (typisch afrikanisch) zu spät, um seine Schuhe zu fassen und das Paar, das noch übrig war, war ihm mehrere Nummern zu klein. Kurz entschlossen zog er die Schuhe aus und rannte die ganzen 42’190 km barfuss, über Pflastersteine und was sonst noch als Untergrund zu bezwingen war und gewann als erster Afrikaner Gold an einem olympischen Marathon. Vier Jahre später wiederholte er diesen Triumpf – diesmal allerdings mit Schuhen an den Füssen. Von Beruf war Bikila Mitglied von KaiserHaile Selassie’skaiserlicher Garde. Wirklich los ging es mit den Läufern aus Afrika 1968 an den olympischen Spielen in Mexiko. Mit dem Duell zwischen dem amerikanischen SuperstarJim Ryunund dem kenianischen Polizei-Offizier„Kip“ Keino, der sich im Alter von 12 Jahren vor einem angreifenden Gepard, dem schnellsten Tier der Welt, dank seiner eigenen Schnelligkeit und Kletterfähigkeit auf einen Baum retten konnte. Für diesen Final waren die Voraussetzungen äusserst schlecht für Kip: nicht nur hatte ihm ein Arzt Gallensteine diagnostiziert, sondern der Bus, der ihm zum Final ins Stadion bringen sollte, blieb im Verkehrschaos stecken und er musste über 2 Meilen rennen, um rechtzeitig anzukommen. Nach dem Start hielten alle Experten seine Taktik entweder für naiv oder verzweifelt. Er rannte los wie ein Hundertmeter-Sprinter und hatte bald einmal 20 m Vorsprung auf seine Rivalen. Niemand glaubte, dass er dieses mörderische Tempo über die ganze Distanz würde halten können – aber er schaffte es! Das war der Auslöser des ostafrikanischen „Laufwunders“. 1972 an der nächsten Olympiade gewann er den 3000 m Hindernislauf, für den er überhaupt nicht trainiert hatte. Ueber Distanzen von 800 m bis hin zu Marathons waren die ostafrikanischen Athleten praktisch unschlagbar. Bobby fragte sich, was wohl passieren würde, wenn solche Wunderläufer sich auf ein Rennvelo oder Mountainbike setzen würden? Könnte wohl aus dem Laufwunder ein Velo-Wunder werden? Wäre es zu weit hergeholt, dass sich etwas Aehnliches wie in der Politik abspielen würde, in derBobby Kennedy, Justizminister und Bruder des in Dallas/Texas ermordetenUS-Präsidenten John F. Kennedyvoraussagte, dass in spätestens 40 Jahren ein Afro-Amerikaner Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika würde – was mitBarack Obamafast auf den Tag genau eintraf. (Obama stammte übrigens von einem kenianischen Vater ab). Könnten afrikanische Radrennfahrer in zwanzig Jahren die Tour de France dominieren? Schliesslich ist die Talentsuche ein Nummernspiel. Pro hundert Jugendliche haben so und so viele das Talent für Erfolg – und Afrika ist der Kontinent mit den meisten jungen Menschen!

Plötzlich kam ihm eine verrückte Idee: er hatte von einem anderen jungen Schweizer namensAdigehört, der mit dem Velo den ganzen afrikanischen Kontinent durchquert hatte – von der Schweiz über Nordafrika bis nach Kapstadt, dem „Kap der guten Hoffnung“, in der Vergangenheit der Wendepunkt der christlichen Seefahrt um Afrika herum, bevor durch den Suezkanal riesige Abkürzungen möglich wurden. Dabei könnte er in den verschiedenen Ländern wieder seine Augen offen halten und es mochte sehr wohl sein, dass er statt ukrainischen/osteuropäischen Talenten jetzt schwarze afrikanische finden würde, die zu entwickeln es sich lohnte. Wenn man bedenkt, wie die Langstrecken-Laufszene, z. B. die Marathon- oder Halbmarathon Distanzen von ostafrikanischen Athleten derartig souverän beherrscht wurde, dann war dieser Gedankengang eigentlich recht naheliegend. Laut dem Verfasser des Buches „Land of Second Chances“ gab es nebenSüd-Afrikazwei Länder, in denen der Radsport relativ gut entwickelt war:RwandaundEritrea. Keniawar noch nicht so weit, zeigte aber Potential mit seinen vielen Weltklasse Läufern. Diese Erkenntnisse wollte er in seine Planung mit einfliessen lassen. Wie er schon inUzgorotseinen ukrainischen Nachwuchs-Rennfahrern klar gemacht hatte, war ein Teil dieser Erfolgsstory auf die Tatsache zurück zu führen, dass die meisten dieser Athleten aus sehr hochgelegenen Orten stammten, wieEldoretin Kenia auf über 2’300 m über Meer und von Kindsbeinen an in einem permanenten Höhentraining lebten. Dort würde ihr Blut gezwungenermassen mehr rote Blutkörperchen produzieren müssen, um die gleiche Sauerstoff-Aufnahme wie im Tiefland zu erhalten. Das gleiche geschah bei der Einnahme des als Doping verbotenenEPOs oderCeres. Bei den Langstreckenläufern was dies wohlbekannt, darum trainierten europäische Spitzenathleten, wie zum Beispiel der Schweizer Marathon-EuropameisterVictor Röthlinsehr oft mit den schwarzen Wunderläufern in der Nähe von Eldoret. Bei den Radrennfahrern gab es auch schon ein Exempel:Chris Froome, der viermal an der Tour de France so dominiert hatte, war inKarenbei Nairobi auf über 2’000 m/M geboren –, er war allerdings weiss und hatte neuerdings einen britischen Pass und fuhr im englischenSky-Team, welches vomRupert Murdock’s Media-Imperiumgesponsert wurde.

Er beschloss, diesen doch reichlich „verrückten“ Plan wirklich in allen Einzelheiten durchzudenken, bevor er irgend jemandem davon erzählte – nicht einmal Bigi wollte er zu diesem Zeitpunkt ins Vertrauen ziehen.

VSA 1 – Vorbereitung ist die halbe Miete

Wieder zu Hause im Schweizer „Rüebliland“ im Kanton Aargau machte sich Bobby still und heimlich an die ersten Vorbereitungen. Die Kartensuche auf Via Michelin im Internet stellte sich als schwieriger heraus, als er es sich vorgestellt hatte. Da war zuerst einmal zu klären, ob er wohl die westafrikanische oder die ostafrikanische Route wählen sollte. Sollte er sich für die westafrikanische Route entscheiden, dann musste er unbedingt sein Französisch auf Vordermann bringen. Auf der ostafrikanischen dagegen sein Englisch, denn ausser Somaliland, das einst unter italienischer Kolonialmacht stand, waren diese Länder früher von den Briten beherrscht. Dann kam die Frage, was für ein Fahrrad er verwenden wollte. Eines seiner Rennräder konnte er wohl nicht benützen, da diese nicht für derartige Strapazen gebaut waren. Wohl eher ein robustes Mountain Bike mit wirkungsvollen Stossdämpfern und einem Triathlon Lenker. Die nächste Frage war nun, aus welchem Material der Rahmen gefertigt sein sollte:

Kohlenfaser, das Material der Formel 1 Karosserien, Düsenjägern und Space Shuttels. Seine positiven Eigenschaften waren Steifigkeit, gute Absortion von Fahrbahnunebenheiten wie Potholes (Löchern im Strassenbelag), von denen afrikanische Strassen jede Menge aufwiesen und geringes Gewicht. Vorteile: Kohlefaserbauteile sind viermal stabiler als Stahlbauteile von gleichem Gewicht und rosten nicht. Nachteile: sehr teuer und konnten irgendwo im afrikanischen Busch wohl kaum repariert werden. Weitere Möglichkeit:

Titan. Ebenfalls von der Raumfahrt und vom Flugzeugbau für Rennräder übernommen. Vorteile: absorbiert ebenfalls Fahrbahnstösse hervorragend, komfortabel und rostet nicht. Nachteile: Das teuerste Material im Rahmenbau und schwierig zu reparieren.

Stahl:Diese Rahmen waren früher die absolute Norm und sind heute durch technologische Verbesserungen wieder im Kommen. Vorteile: können wunderbar verziert und bemalt werden. Nachteile: können rosten und sind eher schwerer.

Aluminium:relativ preisgünstig. Vorteile: rostet nicht und eben im Preis. Nachteile: schluckt Stösse nicht so gut wie Kohlefaser, Titan oder Stahl. Anfällig für Metallermüdungserscheinungen und recht schwer zu reparieren. Geringere Lebensdauer als die anderen Materialien.

Da Geld bei Bobby dank der Erbschaft von Igor keine grosse Rolle spielte, entschied er sich für Kohlefaser hergestellt vonEddy Merckx, dem legendären belgischen Super-Champion der 70-er Jahre und heute einem der profiliertesten Rennradbauer.

An dieses Spezialvelo, welches natürlich genau auf Bobbys Körpermasse angefertigt sein musste und von dem er gleich zwei Exemplare anfertigen zu lassen vorhatte, wollte er eine Anhängerkupplung montieren. Der zweirädrige Anhänger sollte leicht, aber doch sehr stabil sein und sich zu einem Bett mit Zelt darüber einrichten lassen. So hatte er es von seinem Vorbild ADI gehört. Er musste darauf achten, dass die beiden Räder die gleiche Grösse hatten wie sein Mountain Bike, dass alles Material einfach, leicht und widerstandfähig war, da er mit Sicherheit nicht nur auf Asphaltstrassen, sondern oft auch auf Naturstrassen oder sogenannten Pisten mit gewaltigen Schlaglöchern rollen würde und mit europäischem Hightech bewanderte Velomechaniker wohl ganz selten zu finden sein würden. Er müsste also sich selber helfen können. Das Ersatzvelo wollte er flugtransportverpackt bei einer Speditionsfirma in der Nähe des Flughafens Kloten/Zürich deponieren, der er telefonisch oder per email den Auftrag erteilen konnte, es bei Bedarf zu irgend einem Flughafen auf seiner Strecke zu senden.

Sollte er in grösseren Städten immer wieder einmal in einem Hotel übernachten, sowohl aus hygienischen, wie aus logistischen Gründen, da er dorthin Reservematerial voraussenden konnte? Wenn diese einen Flughafen hatten, dann könnte ihn seine geliebte Bigi immer wieder einmal besuchen, hoffte er. Er wollte diese Reise allein und nicht mit einem Begleitauto unter die Räder nehmen. Auch wollte er sich keine Zeitlimite setzen, denn er hoffte unterwegs Talente aufzuspüren, denen er dann genügend Aufmerksamkeit und Zeit widmen wollte. Er plante, pro Tag etwa 120 Kilometer zurückzulegen, jedoch im Tempo eines„Landbriefträgers“, wie es im Radsportjargon hiess.

Da er voraus sah, dass er unterwegs viel Leid sehen würde, wollte mit diesem Trip Geld sammeln. Er hatte vor, jeden Kilometer an einzelne Gönner oder Sponsoren zu verkaufen. Pro Kilometer wollte er zehn Euro verlangen. Im Internet plante er seine Reiseroute, aufgeteilt in 10, 20, 50 und 100 km Abschnitte zu veröffentlichen um so über € 100’000.– zu sammeln. Das Geld sollte seinem alten FreundProf. Müllerübergeben werden, der zwischenzeitlich nach Kenia ausgewandert und dort hauptsächlich humanitär tätig war. Wie bereits erwähnt wollte er nicht wie andere Afrika-Raddurchquerer auf Zeit fahren und allenfalls den Weltrekord verbessern, sondern er wollte sich viel Musse gönnen, eben auch um afrikanische Talente zu entdecken. Ausserdem plante er, nicht die kürzeste Route quer durch den Kontinent zu wählen, sondern möglichst den Küsten entlang radeln und immer wieder ein erfrischendes Bad geniessen und einem weiteren Hobby zu frönen, nämlichzu schnorcheln.

Nachdem seine Planung soweit fortgeschritten war, wobei er sich bewusst war, dass trotzdem viel improvisiert werden musste, fand er es an der Zeit, Bigi einzuweihen. Zu seiner Erleichterung fand sie,dass dafür nicht unbedingt Verrücktheit nötig war, aber eine solche würde helfen.Da bei ihnen, dank der Erbschaft von Igor aus dem Verkauf der Müsterchen genügend Geld vorhanden war – von dessen Ursprung sie beide bekanntlich absolut nichts wussten, wollte sie immer einige Tage vor ihm in den vereinbarten Städten ankommen, damit sie das Land und die jeweiligen Menschen in Ruhe kennen lernen konnte. Schon lustig, dass dieUBS, die Union Bank of Switzerland, welche sich neuerdings wie eine unberührte Jungfrau zierte, Drogengeld verwaltete! (Im Roman „Schweiss, Blut und Drogen“ ISBN 978-3-7103-5479-3 erfuhren die Leser, dass derKriminalbeamte Igorund seinNeffe Nicholaietwas ausserhalb von Uzgorod in der Ukraine einen Kleinlastwagen mit Panne entdeckt hatten, bei dem die Fahrer beim Anblick des Polizeifahrzeugs panikartig die Flucht ergriffen. Geistesgegenwärtig schleppten sie den Laster in eine einsame Gegend ab, wo sie feststellten, dass dieserüber 100 kg reines Heroinenthielt, verpackt in kleine Müsterchen…)

Nach intensiven Recherchen im Internet beschloss Bobby, die ostafrikanische Route zu wählen – nicht wie Adi, welcher bis auf die Höhe vonKamerundurch westafrikanische Länder gefahren war und sich dort quer durch den Kontinent nachKeniadurchgeschlagen hatte. Auf diese Weise würde erEritreaverpassen, das Land mit einer der besten Radrenn-Infrastrukturen.

Eine weitere Herausforderung war herauszufinden, welche Länder, die er zu durchreisen plante, vorab ein Visum verlangten. Er wusste, dass ein solches für Kenia an der Landesgrenze erhältlich war. Für die anderen Staaten fuhr er extra in die Bundeshauptstadt der Schweiz, nach Bern. Dort hatten die meisten Länder der Welt Botschaften und Konsulate. Da fast alle Visa terminiert waren, musste er ungefähr wissen, wann er sie besuchen wollte. Das hing natürlich von den Wetterverhältnissen ab. Da derAequatorauf der Höhe von Kenia quer durch den Kontinent verlief, war ihm bekannt, dass südlich davon die Jahreszeiten genau umgekehrt waren: wo in Europa Winter war, gab es in Kenia und weiter südlich Sommer und umgekehrt. Damit er möglichst nicht in die heisseste Saison geraten wollte beschloss er, anfangs März, also im europäischen Frühling zu starten. Dann hatte in der südlichen Hemisphäre der Herbst begonnen, der dann in den „Winter“ übergehen würde, was im Klartext Regenzeit, sogenannte „Short Rains“ bedeutete. Er musste sich also auf Güsse nicht wie unter der Dusche, sondern wie unter einem Wasserfall vorbereiten. Nicht nur besonders gute Regenschütze, sondern auch sein Zelt auf dem Anhänger musste dafür vorbereitet und ganz stark verstrebt sein. Er hatte zwar irgendwo gelesen, es gebe kein schlechtes Wetter zum trainieren, nur ungenügende Bekleidung. Aber er wusste, dass das für tropische Gewitter nicht zutraf.

Dann war in verschiedenen afrikanischen Staaten die politische Situation zu beachten. Schon auf der Anreise am Ende der Türkei kurz nachAdanahatte inSyriendie jahrelange Schlacht umAleppogetobt, welche es wahrscheinlich notwendig machte, diese Kriegsgebiete per Schiff oder Flugzeug zu umgehen. Ueber die politische Situation gab das EDA (eidgenössisches Departement des Aeusseren) in Bern Empfehlungen ab.

Ein weiterer ganz wichtiger Punkt war die Gesundheitsvorsorge. Er fühlte sich zwar absolut gesund und fit, aber in tropischen Ländern konnte man trotzdem ganz böse Krankheiten auflesen. Vorsorge war also besser als heilen. Da war erstens einmal dieMalaria, welche von infizierten Stechmücken/Moskitos übertragen wurde. Da er plante, so weit als möglich den Küsten entlang zu radeln, wo wirklich tropisches Klima herrschte, war seine Vorsicht mehr als begründet. Zwar gab es gegen Malaria noch keine wirksame Impfung, doch konnten gewisse Tabletten einen recht sicheren Vorsorge-Schutz gewähren. In seinem Anhängerzelt musste unbedingt ein Moskitonetz integriert sein. Dann war da noch das„Yellow fever“