Verschollen im Urlaub - Rolf Spittel - E-Book

Verschollen im Urlaub E-Book

Rolf Spittel

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Beschreibung

Peer van Breugelen, Finanzchef eines weltweit operierenden Elektrokonzerns ist spurlos verschwunden, nachdem ein Wirbelsturm der maximalen Kategoriestufe aus seinem Urlaubsort abgezogen ist. Die Ehefrau kümmert sich um die notwendige Vermisstenanzeige eigenartigerweise erst nach ihrer Rückkehr in Zürich. Dabei gibt sie zu Protokoll, sich während des Hurrikans in einer anderen Unterkunft aufgehalten zu haben, und verdächtigt Hans Spruit, für das spurlose Verschwinden verantwortlich zu sein. Ein Jahr zuvor war der Reiseleiter in Kroatien dabei behilflich, einen durch ihren Ehemann unfreiwillig verschulden Tod eines Nachtportiers zu vertuschen, bis das Ehepaar das Land verlassen hatte. Für die Unterstützung erwies sich Peer van Breugelen einige Tage später extrem undankbar, indem er sich verleugnen ließ, als ihn der Reiseleiter um finanzielle Hilfe angehen wollte. Hans hatte sich Hals über Kopf aus Kroatien absetzen müssen, nachdem ihm die Polizei auf die Spur gekommen war. Die Flucht war mit dem Verlust des Jobs und erheblichen Unkosten verbunden. Da sich der damalige Reiseleiter in Mexiko ihr gegenüber nicht zu erkennen gegeben hat, vermutet sie dahinter einen Racheakt, welcher ihrem Gatten letztendlich das Leben kostete. Frau van Breugelen ist aber nicht in der Lage, für ihre Behauptung einen Beweis zu erbringen. Als jedoch ein kompromittierendes Schreiben bei der mexikanischen Polizei eingeht, welches den Reiseleiter belastet, nimmt sich die Staatsanwaltschaft in Den Haag jenem mysteriösen Fall an. Parallel beauftragt eine Versicherungsgesellschaft in Zürich eigene Ermittler mit der Suchaktion nach dem Topmanager. Dieser ist bei Tod im Ausland mit einer hohen Summe versichert. Angesichts der enormen Schadensbilanz, welche der gewaltige Hurrikan hinterlassen hat, werden Verschollene nach einem Jahr für tot erklärt. Ab jenem Moment erlangt die Witwe einen Rechtsanspruch auf Auszahlung einer hohen Versicherungssumme. Bei diesem Betrag handelt es sich um sieben Millionen Euro. Die Investigationsbemühungen des Versicherungskonzerns nehmen in Mexiko ihren Anfang. Dabei kommen erste Resultate ans Tageslicht. Des Weiteren stößt ein Detektiv auf eine verdächtige Spur in Zürich. Zuletzt konzentriert sich die Suche nach dem Verschollenen überraschenderweise auf Kuba. Eine anfängliche Vermisstenmeldung mündet somit in einen Kriminalfall internationalen Ausmasses. Ein aktueller Hinweis: Dieser Roman ist garantiert virenfrei, obwohl Protagonisten ein Corona-Bier trinken.

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Seitenzahl: 250

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Rolf Spittel

Verschollen im Urlaub

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

VERSCHOLLEN IM URLAUB

Alles begann an der kroatischen Adriaküste...

...und findet seine Fortsetzung auf Yucatán, Mexiko

Zwischenspiel im Alpenvorland und an der Nordseeküste

Mexikanisch/schweizerische Ermittlungen

Sehr persönliche Erfahrungen auf Kuba

Finales Trinidad

Impressum neobooks

VERSCHOLLEN IM URLAUB

Antje öffnet den Briefkasten. Nach einer Woche hat sich einige Post angesammelt. Reklame jeder Art, natürlich Rechnungen, die längst erwartete Einladung zur Taufe ihrer einzigen Nichte, und hinter einer Benachrichtigung eine blaustichige Ansichtskarte. Deren Foto zeigt einen traumhaften Sandstrand mit Palmen - und ein sonderbar anmutendes Denkmal. Neugierig dreht sie den Kartengruß um. Eigenartigerweise ist keinerlei Text darauf vorhanden. Lediglich in der linken oberen Ecke befindet sich ein winziger, mehrsprachiger Aufdruck hinsichtlich der Lokalität. Dessen Entzifferung bereitet den Augen etwas Mühe.

Bahía de Cochinos, Bay of Pigs, Schweinebucht

Wutentbrannt zerreißt sie die Postkarte in kleine Fetzen. Antje van Breugelen kennt sich in Gegenwartsgeschichte aus und versteht die hundsgemeine Anspielung allzu gut.

Alles begann an der kroatischen Adriaküste...

Rezeptionistin Dube blickt leicht verstohlen über ihren Arbeitsbildschirm. Von diesem Reiseleiter, welcher gerade die Beine neben dem Tresen ausstreckt, von so einem sportlichen Mann würde sie sich aus Wellen retten lassen. Ihr Gewissen schellt sie daraufhin eine schamlose Frau. Jener absurde Gedanke wird bestimmt von der neuen Fernsehserie inspiriert. Seit mehreren Abenden verfolgt sie Ausstrahlungen von Bay Watch und eine Tatsache erscheint ihr dazu geradezu lächerlich. Seit Geburt an der Küste zu leben, und sich maximal bis zur Hüfte in die Fluten der Adria zu getrauen. Ihre Augen taxieren derweilen die muskulösen Arme des Reiseleiters. Die Haut wirkt nicht nur makellos glatt, man erkennt nicht einmal den Ansatz von Behaarung. Und bei ihr ist es wieder höchste Zeit für eine Depilation. Sie würde gerne einmal durch das glatte, modisch geschnittenes, mittelblonde von Hans Spruit Haar streichen ... Hinsichtlich seines Geschmacks für Kleidung fallen ihr gleich mehrere Verbesserungsvorschläge ein. So sind nun einmal die allermeisten Männer veranlagt. Ihnen fehlt einfach der Flair für eine passende Farbkombination und darin weist ihr Gegenüber erhebliche Defizite auf. Wie kann man nur eine rote Jacke mit einer hellgrauen Hose kombinieren! Die Gedanken wechseln auf eine ganz andere Frage über, welche ihr seit einiger Zeit durch den Kopf gehen.

- Hast Du eigentlich vor, ein weiteres Mal auf unsere Insel zurückzukehren? Eventuell vielleicht schon im nächsten Jahr?

Hans legt seine Ausflugsabrechnungen beiseite und blickt der Rezeptionistin tief in die dunkelbraunen Augen.

- Ich käme die nächste Saison gerne zurück. Unter der Voraussetzung, dass Du bis dahin geschieden bist.

- Du bist mir vielleicht ein Casanova. Und was machst Du, falls ich bis dann wirklich solo bin? Aber leider weiß ich nur zu genau, dass Du mit der schönen Ina im Hotel Park ebenso ungeniert zu flirten pflegst. Und nun im Ernst. Hast Du bereits Zukunftspläne geschmiedet?

Der Reiseleiter wirft einen Blick zur hoteleigenen Bootsanlegestelle hinab. Die Frage hat ihn unvorbereitet getroffen und er denkt zum ersten Mal ernsthaft über seine eigenen Pläne für die nächste Sommersaison nach. Der bereits fünf Monate andauernder Aufenthalt als Repräsentant von Neckermann Reisen auf der kleinen, verträumten Insel behagt ihm weitgehend. Lopud befindet sich lediglich eine Stunde mit dem Postschiff vom nervenaufreibenden Massentourismus in Dubrovnik entfernt. Von Ruhe und Natur umgeben, betreut er deutsche und holländische Urlauber seines Arbeitgebers, welche ihre Ferien in einem der drei Hotels verbringen. Bis vor wenigen Wochen hatte er zwar mit erheblichen Überbuchungsproblemen zu kämpfen, der Fehler beruhte aber einzig auf der Unfähigkeit des Generaldirektors der Hotelgruppe. Abgesehen vom damit direkt verbundenen Ärger hat er sich ansonsten pudelwohl gefühlt, was kein Wunder darstellt. Auf dieser dalmatinischen Insel existiert kein Autoverkehr, die schmale Uferpromenade verbindet die Hotels und dazwischen befinden sich einige Gebäude entlang einer halbkreisförmigen Bucht. Die äußerst bescheidene Infrastruktur besteht gerade mal aus einer Eisdiele, zwei kleinen Supermärkten, vier Restaurants, zwei Bars und einem Büro, welches zugleich als Postbüro und Verkaufsstelle für die Personenfähre dient. Die Gesamtbevölkerungszahl beläuft sich auf weniger als 250 Seelen. Hans erinnert sich noch gut an seinen Antrittsbesuch.

Anfang April, kurz vor Ankunft der ersten Pauschalurlauber aus Mitteleuropa, betrachtete er vom Oberdeck des Postschiffes aus die geringen Ausmaße der Insel. Vier Kilometer in der Länge, und etwas weniger als die Hälfte in der Breite. In ihrer Mitte steigt ein kleiner Berg auf etwa 200 Höhenmeter an, überall wächst typische Mittelmeervegetation. Als der betagte Dampfer an der vorderen Hafenmauer anlegte, wartete praktisch die vollständige Bevölkerung mit Handkarren und zwei Minitraktoren auf eintreffende Ware. Für die anstehende Saison hatte man gleich kisten- oder sogar palettenweise Getränke, Lebensmittel, Putzmaterial und Klopapapier im Einkaufszentrum des neuen Hafens von Dubrovnik bestellt. Nach dem Verlassen des Schiffes betrat der neue Reiseleiter zunächst den botanischen Garten. Ein verwittertes Hinweisschild warnt Besucher beim Betreten vor einstürzendem Gemäuer des 1979 durch ein Erdbeben zum größten Teil zerstörten Grandhotels. Man erkennt das Gebäude nur noch durch die Äste der Laubbäume und Efeuranken. Die ehemaligen Unterkünfte würden im Hochsommer dringend benötigt, aber wer bringt die Mittel für den Wiederaufbau auf?

Sämtliche Fassaden privater Wohnhäuser bestehen aus Granit und keines der Gebäude wurde nach 1850 erbaut. Vereinzelte Palmen spenden Schatten und üppig blühende Oleandersträucher setzen ihre Farbtupfer entlang der Uferpromenade. Hans musste hin und wieder Handkarren ausweichen, auf welchen Inselbewohner ihre bestellten Waren transportierten. Kinder spielten derweilen barfuß am schmalen Sandstreifen, wo die Wellen der Adria gemächlich ausrollen. Vereinzelt grüßten ihn Einheimische wie einen alten Bekannten und vor der Kirche unterbrachen zwei Senioren ihr Schachspiel. Beide wollten unbedingt den neuen Vodic in Augenschein nehmen. Es hatte sich bereits in Windeseile herumgesprochen, dass der neue Reiseleiter von Neckermann auf dem Postschiff eingetroffen sei. Einer der Schachspieler bot ihm eine dunkle Zigarette an, er lehnte dankend ab und setzte den Streifzug fort.

Er war in ein kleines Paradies gelangt, in welchem demnächst Urlauber geruhsame Ferien verbringen. Auf Lopud suchen Mitteleuropäer inmitten einer weitgehend intakten, mediterranen Landschaft nach Ruhe und Erholung. Er folgte einen schmalen Pfad den Hügel hinauf, an der ersten Weggabelung führte ihn ein Eselspfad zum Südstrand hinab. Es handelt sich um eine der wenigen Buchten in Kroatien, welche über einen Sandstrand verfügen. Das Ufer umsäumt ein kleiner Pinienhain. Es kehrte begeistert um, und setzte den Rundgang in der entgegengesetzen Richtung fort. Laufend erblickte er Ruinen ehemaliger Kirchen, verfallener Kapellen und verlassener Landhäuser. Anspruchslose Kletterpflanzen überwuchern architektonische Zeugen einer ruhmreichen Vergangenheit. Vor einem verheerenden Erbeben im Spätmittelalter diente Lopud den reichen Kaufleuten aus Dubrovnik als Sommerresidenz. Diese Epoche ist längst Geschichte, ebenso wie die einstige Vorherrschaft von Venedig entlang der östlichen Adria. Die heutigen Bewohner leben hauptsächlich vom Tourismus, die Landwirtschaft dient vorwiegend ihrem Eigenbedarf. Jede einzelne Familie pflegt Rebstöcke, Obstbäume und Zypressen . Das Holz des spindeldünnen Laubbaumes wird für Dachgewölbe verwendet.

Auf halber Strecke kam er an einer Konoba vorbei, welche dem Nachtportier des Hotels Lafodia gehört. Der Kroate betreibt die Schenke tagsüber und bietet Eigenprodukte an. Rotwein, Rohschinken und in Olivenöl eingelegten Ziegenkäse. Sein lukratives Nebengewerbe hat Josipe nicht angemeldet, wie es sämtliche Einheimischen handhaben. Deswegen wirft immer jemand ein wachsames Auge auf die Adria. Sobald ein Polizeiboot aus Dubrovnik vor Lopud auftaucht, verschwinden sämtliche Hinweisschilder zu illegalen Privatbetrieben. Und falls zu dieser Stunde ein Urlauber die Absicht hegt, einen Hauswein zu trinken, steht er vor verschlossener Tür. Aber sobald die Gefahr gebannt scheint, steuerpflichtig zu werden, kann man wieder luftgetrockneten Schinken zum Rotwein genießen.

Die Anzahl der Hotelbediensteten wächst kurz vor Beginn der Sommermonate massiv an. Ab diesem Moment schuften vom Festland angeworbene Arbeitskräfte in den Hotels. Und allerspätestens Mitte September, wenn sich die Unterkünfte allmählich zu wieder leeren beginnen, sieht man allen die Erschöpfung direkt im Gesicht an, und die meisten haben massiv an Körpergewicht eingebüßt. Sämtliche Hotelangestellte malochen von Ende April bis Mitte September ohne einen freien Tag am Stück durch. Dank ihrer aufkumulierten Überstunden erhält das Personal ganzjährig einen eher bescheidenen Monatslohn ausbezahlt.

Während der Wintermonate verirrt sich eher selten ein Reisender nach Lopud. In dieser touristenlosen Zeit wird ebenfalls nicht gefaulenzt. Die alten Gebäude verlangen ständige Renovierungsarbeiten, und wer etwas Geld ansparen konnte, baut ein weiteres Fremdenzimmer am eigenen Haus an. Fast alle Familien vermieten mindestens ein Gästezimmer oder Appartements während der Sommermonate. Einmal eine eigene Pension mit sechs bis acht Unterkünften zu besitzen, dieser Wunschtraum ist praktisch sämtlichen Einheimischen gemein. Im Juli und August übertrifft die Nachfrage nach einer Schlafstelle das vorhandene Bettenangebot der Hotels bei Weitem, in diesem Zeitraum leben manche Familien im Wohnzimmer. Schlafzimmer werden vermietet, weil täglich Urlauber ohne Hotelreservierungen auf dem Postschiff eintreffen.

Hans kennt unterdessen die meisten Privatunterkünfte. Er musste einige Urlauber während einer Woche oder sogar der gesamter Aufenthaltsdauer außerhalb des gebuchten Hotels unterbringen. Der Generaldirektor hatte im Vorjahr weitaus mehr Zimmer an ausländischen Reiseveranstalter verkauft, als tatsächlich verfügbar sind. Hinter dem ren hausgemachten Überbuchungsproblem steckte weder böse Absicht, noch wollte der Direktor damit Privatzimmer füllen helfen. Der Manager verfügt schlicht und einfach nicht über die notwendige Ausbildung, um seiner anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden. Die Legitimation für diesen Posten leitet sich einzig aus einer langjährigen Mitgliedschaft in der Regierungspartei ab. Als er das Jahr zuvor mit Hoteleinkäufern die Preise und Bettenkontingente einzeln aushandelte, verzählte sich der Kroate halt dummerweise.

Und als im Hochsommer zahlreiche überbuchte Urlauber die Rezeptionen zornig belagerten, war von Gospodin Direktore weit und breit keine Spur zu sehen. Vollkommen berechtigte Unmutsäußerungen trafen ausschließlich unschuldige Reiseleiter und Rezeptionisten. Ihm und seinen Kollegen von der Konkurrenz fiel es dabei weiß Gott nicht leicht, aufgebrachte Urlaubsgäste zu beruhigen, schließlich hatten diese bereits vor Monaten ihre Ferienarrangements gebucht. Als sie nach der anstrengenden Anreise erfuhren, im eigentlich reservierten Hotel sei kein Zimmer frei, lehnten es die Allermeisten kategorisch ab, in ein Alternativhotel nach Dubrovnik ausweichen. Diese spezielle Klientel wählt mit Bedacht die kleine Insel an der süddalmatinischen Adriaküste aus.

Er unterbreitete einigen Hauseigentümer ein für kroatische Normaleinkommen sehr lukratives Angebot und daraufhin rückten die Familien noch etwas enger zusammen. Überbuchte Urlauber übernachten sogar auf einer ausziehbaren Couch im Wohnzimmer. Der Kundendienst in Frankfurt wurde sogleich darüber informiert. Daraufhin wurde allen betroffenen Urlaubern ein Großteil ihres Reisepreises direkt nach der Rückkehr zurückerstattet und im Anschluss bat die Zentrale in Frankfurt die Hotels dafür indirekt zur Kasse. Sämtliche mit Überbuchungen zusammenhängende Unkosten zog die Buchhaltung direkt von der nächsten Monatsabrechnung ab, welche die Hotelgesellschaft in Frankfurt einreichen muss. Jene happigen Abzüge ziehen garantiert eine positive Auswirkung nach sich. Derartig hohe Einbußen werden die Parteispitze davon überzeugen, dass man den Generaldirektor besser anderweitig eingesetzen sollte. Einigen in Privatunterkünften untergebrachten Urlaubern gefiel ihr Alternativaufenthalt dermaßen gut, dass sie bereits für das Folgejahr einen Privaturlaub im Haus ihrer Gastfamilien reserviert haben.

Und mit einem neuen und hoffentlich kompetenteren Generaldirektor erscheint ihm eine weitere Sommersaison auf der autofreien Insel durchaus erstrebenswert. Dabei muss man allerding die Unberechenbarkeit der Einsatzzentrale berücksichtigen. Personalplanung und Wünsche der einzelnen Reiseleiter weichen häufig diametral voneinander ab. Diese Tatsache holt ihn aus seinen Gedankengängen zurück. Dube hat sich derweilen bereits gefragt, ob Hans eventuell beleidigt sei, weil keine Antwort erfolgte. Endlich macht er den Mund auf.

- Ich käme gerne wieder, aber letztendlich hängt die Entscheidung von der Zentrale in Frankfurt ab. Wie lange muss ich eigentlich noch untätig herumsitzen, oder ist die Sprechstunde bereits beendet?

Bevor ihm die Rezeptionistin antwortet, kann sie es partout nicht unterlassen, ihm zuvor nochmals sein Missgeschick direkt unter die Nase zu reiben.

- Du hast also die neue Armbanduhr bei der schönen Ina liegen gelassen? Es ist 19.50 Uhr.

Die Rezeptionistin im Hotel Dubrava hatte den Holländer vor knapp zwei Stunden gebeten, ihr die zahlreichen Funktionen seiner Seiko vorzuführen. Inmitten der Demonstration erschien ein erboster Urlauber, um mit seinem Reiseleiter eine vollkommen unnötige Diskussion über eine unabänderliche Flugplanänderung zu führen. Und diese sinnlose Beschwerde beanspruchte dermaßen viel Zeit, dass er im Anschluss zum Hotel Lafodia rennen musste, ohne zuvor seine Armbanduhr zurückzuverlangen.

Aus dem leicht bissigen Kommentar von Dube glaubt er, eine leichte Eifersucht heraus zu hören. Die beiden Rezeptionistinnen senden hin und wieder eindeutige romantisch geprägte Signale aus, doch zu mehr als einem Flirt wird es niemals kommen. Die Frauen sind verheiratet und befolgen akribisch die Gebote der katholischen Kirche. Ganz weit oben steht geschrieben, Du sollst nicht ehebrechen. Er muss noch zehn Minuten ausharren, um den ausschließlich für Reiseleiter reservierten Tisch im Restaurant aufsuchen zu können.

Dube versteht nicht, warum der Holländer stets so gewissenhaft die Sprechstundenzeiten einhält. Treues Stammpublikum stellt ab September die Mehrheit der Urlauber, und nimmt eher selten die Hilfe eines Reiseleiters in Anspruch. Der Oliver von der TUI ist da einiges schlauer. Der atypische Deutsche ist heute erst gar nicht zur Sprechstunde erschienen. Aber warum tut es ihm Hans nicht gleich?

- Warum verhältst Du dich so typisch deutsch? Ich beziehe meine Frage auf die strikte Einhaltung der Arbeitszeit.

- Ich möchte in dieser Wintersaison unserem Fernost-Team angehören. Sollten sich Urlauber jedoch beim Kundendienst darüber beschweren, mich während der angeschriebenen Zeiten nicht in der Sprechstunde angetroffen zu haben, kann ich mir den Einsatz in Ostasien direkt abschminken. Und das bedeutet, einen weiteren Winter in einer der Reservationszentralen in Deutschland zu arbeiten.

Die Rezeptionistin hört ihm überhaupt nicht mehr zu! Dube starrt stattdessen zur Anlegestelle des Hotels. Er folgt ihrem Blick und versteht ihre Verwunderung. Eine hochmotorisierte Jacht legt gerade an und ein Besatzungsmitglied hilft einem Ehepaar galant beim Aussteigen. Dube muss sogleich einen Kommentar dazu abgeben.

- Die Herrschaften müssen sich verirrt haben, die Filmfestspiele finden in Venedig statt.

Und mit einem zynischen Grinsen dreht sich die Rezeptionistin zum Reiseleiter um.

- Oder handelt es sich um eine verspätete Ankunft von Neckermann-Reisen? In diesem Fall musst Du den roten Teppich für deine illustren Urlauber ausrollen.

Beide wissen, dass Mitglieder der Oberschicht niemals die Dienste des deutschen Reiseveranstalters in Anspruch nehmen. ‚Neckermann machts möglich‘, mit diesem Slogan spricht man eine lediglich eine Kundschaft an, welche nicht über prall gefüllte Brieftaschen verfügen. Im Kroatienkatalog werden fast ausschließlich nur Hotels aus dem Zwei- und Dreisternebereich angeboten. Dube fokussiert derweilen den Blick auf das ungewöhnliche Paar. Ein spezielles Kleidungsstück hat es ihr besonders angetan.

- Die hiesigen Nachttemperaturen kühlen in diesem Monat schon etwas ab, aber eine Edelpelzjacke halte ich für überzogen! Sieh nur, was für ein Luxus die Schultern der feinen Dame ziert.

Hans hat keine Ahnung, welches arme Tier dafür sein Leben lassen musste. In jedem Fall erscheint ihm eine Stola vollkommen deplatziert. Die Pelzträgerin stolziert in High Heels die Treppenstufen herauf. Ein Anblick, welcher ihn tatsächlich an die Glimmerwelt von Filmfestspielen erinnert. Derartige Anlässe kennt Hans lediglich vom Fernsehschirm her. Die Rezeptionistin kommentiert das Herannahen des Paares ganz im Stil einer Klatschreporterin.

- Die Schultern der Diva in einem himmelblauen Abendkleid aus Seide des Hauses Dior bedeckt eine elegante Zobelstola von Révillon. Ihr etwa 45-jähriger Begleiter trägt einen Smoking von Karl Lagerfeld.

Das ungewöhnliche Paar wirkt dabei selbstsicher. Sie ist maximal Anfang 30, und er mindestens fünfzehn Jahre älter. Gold und mehrere Karat funkelt in der Abendsonne, Blitzlichtgewitter setzt nicht ein. Sie vernehmen auch kein Jubel wartender Fans. Gekreische hungriger Möwen hallt stattdessen durch die Abendluft und Einheimische nahe der Anlegestelle trauen ihren Augen nicht. Der Gepäckträger des Hotels rennt tatsächlich mit zwei Koffern in den Händen die Treppenstufen hinauf. Normalerweise vermeide Mirko doch jede unnötige Anstrengung. Welche Trinkgeldhöhe hat ihn wohl zu dieser Höchstleistung gedopt?

Hans begibt sich an den Arbeitstisch zurück und öffnet etwas verunsichert den Aktenkoffer, um die Transferliste der letzten Ankunft zu konsultieren. Darauf wird ein Ehepaar aufgeführt, welches nicht im gebuchten Charterflugzeug aus Amsterdam anreisen konnte. Gemäß telefonischer Anweisung aus der Zentrale muss deren Unterkunft auf unbestimmte Zeit blockiert bleiben. Es kann doch nicht sein, oder ...

- Dube erwartest das Hotel heute noch irgendwelche Ankünfte?

Die Rezeptionistin verneint dies kategorisch. Sein sechster Sinn veranlasst ihn, sich schleunigst zu erheben, um die neuen Gäste bereits am Hoteleingang abzufangen.

- Guten Abend. Habe ich die Ehre, das Ehepaar Van Breugelen mit etwas Verspätung auf Lopud willkommen zu heißen?

- Dem ist so, und wir hoffen, unsere Unterkunft wurde mittlerweile nicht anderweitig belegt.

Hans ist mit sich zufrieden. Auf seinen beruflichen Instinkt ist Verlass. Dube muss kräftig durchatmen, während die van Breugelens ihre Personalien auf den Anmeldeformularen eintragen. Die anschließende Information lässt den Reiseleiter ebenfalls um Fassung ringen.

- Eine unvorhergesehene Terminüberschneidung hat es uns am Dienstag verunmöglicht, wie ursprünglich geplant im Charterflugzeug anzureisen. Dank des Einsatz des Firmenjets können wir wenigsten ein paar Urlaubstage auf Lopud genießen.

Der Rezeptionistin fällt der Zimmerschlüssel aus den Hand, und der Reiseleiter muss eine noch weitere Überraschung verkraften, ohne ein allzu erstauntes Gesicht zu machen.

- Sie können bereits unseren Rückflug nach Amsterdam stornieren. Am Ende unseres Urlaubs werden wir im Learjet direkt nach London weiter fliegen.

Zu seiner eigenen Überraschung verschlägt es Hans nicht die Sprache.

- Sobald Sie mir die Abflugzeit mitteilen, werde ich mich um den Transfer zum Flughafen kümmern.

- Ihr Angebot ist gut gemeint, aber mein Assistent in Den Haag hat sich bereits um diese Detail gekümmert.

Dube ist lediglich in der Lage, den Zimmerschlüssel kommentarlos in die ausgestreckte Hand des Kofferträgers zu legen, während Hans die beiden Urlauber auf seiner Liste abhakt. Später muss er noch auf dem Wochenrapport noch vermerken, dass beim nächsten Abflug zwei frei Plätze nach Amsterdam zur Verfügung stehen. Zuvor kommt er der Verpflichtung als Reiseleiter nach.

- Boschko begleitet Sie nun zu ihrem Zimmer. Falls Sie Hilfe oder Informationen benötigen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Es werden immer noch interessante Ausflüge auf dem Festland angeboten, meine Sprechstundenzeiten stehen auf der Anschlagtafel. Ich wohne übrigen ebenfalls im Hotel Lafodia. Für einen Notfall verrate ich ihnen meine Zimmernummer. Es ist die 234. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und einen guten Appetit. Das Restaurant ist noch bis 22 Uhr geöffnet.

- Danke Hans. Wir wollen lediglich etwas ausspannen und die Natur genießen. Meine Ehegattin hat die Insel bereits vor einem Jahr besucht, und ist deswegen noch mit den örtlichen Gegebenheiten weitgehend vertraut. Ich habe eine kleine Aufmerksamkeit für Sie.

Peer van Breugelen steckt dem Reiseleiter etwas Glitzerndes in die Brusttasche. Während die van Breugelen den Fahrstuhl benutzen, betrachtet Hans das Geschenk und es gelingt es ihm nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. Es handelt sich um einen hundsgemeinen Kugelschreiber. Auf diesen Kommentar hin springen Dube schier die Augen aus der Orbita.

- Hast Du überhaupt eine Vorstellung, welchen Wert so ein edles Schreibgerät besitzt?

Hans zuckt mit den Schultern, und die Rezeptionistin flippt beinahe aus.

- Ich müsste einen halben Monatslohn für dieses Juwel aufbringen!

- Somit gehört er dir. Und gebe dein sauer verdientes Geld für vernünftigere Dinge aus.

Hans überreicht der verdatterten Rezeptionistin den Luxusartikel, denn Statussymbole jeder Art liegen nicht überhaupt auf seiner Wellenlinie. Einen Kugelschreiber wird er, wie viele andere zuvor, irgendwo liegen lassen. Deshalb zieht er es vor, eine dem Konsum verfallene Kroatin zu beglücken. Dube freut sich wie Kind an Heiligabend. Ihr Weihnachtsmann muss sie zunächst aus dem Freudentaumel zurückholen.

- Frau van Breugelen hat ihren Schminkkoffer neben der Rezeption stehen lassen.

Die Rezeptionistin kratzt sich zunächst am Hinterkopf.

- Könnest Du bitte kurze Zeit meinen Platz einnehmen?

Der Reiseleiter nickt, und macht sich hinter der Rezeption daran, die Endabrechnung der monatlichen Ausflugsverkäufe zu beenden. Bis ihn Dube ablöst, nimmt er lediglich zwei Zimmerschlüssel entgegen. Es ist Abendessenszeit, und Urlauber wollen keineswegs auf ihre Vollpensionsleistung verzichten.

Strahlenden Augen der Rezeptionistin verraten ihm, das erhaltene Trinkgeld hat ihre Erwartung sogar übertroffen. Als Beweis wedelt sie mit einem druckfrischen 20-Euroschein vor ihrem Gesicht herum. Und dazu ist sie stolze Besitzerin eines Lombard Kugelschreibers aus Gold und Silber. Diesen Glückstag wird sie so schnell nicht vergessen.

Stunden später denkt Hans Spruit dasselbe, aber nicht aus einem positiven Grund heraus.

*

Das Anklopfen an seiner Zimmertür entstammt keiner Traumfantasie. Was besagt der Blick auf den Radiowecker? Um 3 Uhr in der Früh wird wieder einmal ein besoffener Urlauber die eigene Zimmernummer oder sogar das Stockwerk verwechselt haben. Entsprechend grimmig schlurft Hans zur Tür und holt tief Luft. Den elenden Störenfried wird er gehörig zusammengestauchen. Doch als er durch die Türspalte späht, bleibt ihm der Anschiss im Hals stecken. Was will Peer Van Breugelen im Schlafanzug und mit wutentbranntem Gesichtsausdruck von ihm. Der Anblick verheißt nichts Gutes und sein Landsmann hält sich nicht erst lange mit einer Entschuldigung für die Störung auf. Ein Manager kommt direkt zur Sache.

- Kleiden sie sich umgehend an und folgen Sie mir leise zu meinem Zimmer.

Ansonsten gibt er keine Erklärung hinsichtlich des Grundes seines nächtlichen Überfalles ab. Überrumpelt und irritiert zieht Hans Spruit schlaftrunken den Trainingsanzug über. Das Zimmer der Van Breugelens befindet sich zwei Etagen direkt über ihm. Beim Eintreten erkennt der Reiseleiter überraschenderweise zwei Personen auf dem Fußboden. Antje Van Breugelen kniet im weißen Bademantel neben einem regungslos auf dem Teppichboden liegenden Mann. Dessen unnatürliche Körperhaltung lässt Schlimmes befürchten. Der weit aufgerissene Mund, verkrampfte Gliedmaßen und leblosen Augen im lilafarbenen Gesicht veranlassen ihn, in die Hocke zu gehen, um nach einem Lebenszeichen zu suchen. Atmung oder Puls sind nicht mehr wahrnehmbar.

- Wie lange liegt der Mann schon auf dem Boden?

Die Niederländerin antwortet wie in Trance.

- Seit etwa 15 Minuten.

Diese Information lässt lediglich eine Schlussfolgerung zu. Da kommt wohl jede Hilfe zu spät. Der Nachtportier weilt definitiv nicht mehr unter den Lebenden. Es handelt sich um Josipe. Unter dem Tag versetzt er Wein mit reichlich Zuckerzusatz und schenkt diese Spätlese an durstige Urlauber aus. Trotz dieses Frevels hat der Nachtportier den Tod aber nicht verdient. Hans konzentriert sich wieder auf den Todesfall.

- Was hat Josipe inmitten der Nacht in ihrem Zimmer gewollt?

Zusammen mit der Frage fällt dem Reiseleiter erst das verheulte und aufgedunsene Gesicht seiner Landsmännin auf. Sie klärt ihn nicht darüber auf. Ihr Ehegatte setzt sich dazu neben sie auf den Bettrand.

- Vor etwa zwanzig Minuten schreckten mich verdächtige Geräusche an der Zimmertür aus dem Schlaf hoch. Und bevor ich mich halbwegs gesammelt hatte, sah ich zu meinem Schrecken, wie eine Hand durch die Türspalte griff, um die Sicherheitskette mithilfe eines Bleistiftes auszuhängen. Ich handelte instinktiv. Seit Jahren begleitet mich stets ein Elektroschocker auf allen Reisen, um mich bei einem Überfall verteidigen zu können. Das Gerät liegt nachts auf dem Nachttisch. Als sich der Einbrecher auf unser Bett zubewegte, zielte ich auf dessen Oberkörper. Wie vom Blitz getroffen sackte der Eindringling zu Boden. Ich vernahm noch ein schwaches Stöhnen, verbunden mit spastischen Krämpfen, kurz darauf machte er keinen Mucks mehr.

Van Breugelen legt die linke Hand auf die Schulter seiner heftig zitternden Gattin.

- Natürlich war Antje sofort hellwach. Als sie das Gesicht des Kroaten zu sehen bekam, fing sie zu hyperventilieren an. Und zwar dermaßen, dass ich den Hysterieanfall mithilfe wohldosierter Ohrfeigen beenden musste. Im Anschluss beichtete sie mir unter Tränen eine höchst unmoralische Verfehlung. Als meine Gattin vor über einem Jahr diese Insel besuchte, unterhielt sie eine kurze Liebesromanze mit diesem Nachtwächter!

Das Gesicht des gehörten Ehemannes läuft dazu puterrot an, und Antje Van Breugelen hat inzwischen nichts mehr mit jener Diva gemeinsam, welche vor wenigen Stunden durch die Rezeptionshalle wandelte. Hans beschließt, einen Hotelgast zu wecken. Der deutsche Arzt soll sich um den Kreislauf der totenblassen Holländerin kümmern. Peer Van Breugelen lehnt das Angebot umgehend ab. Sein Reiseleiter zieht die Ärmel der Trainingsjacke nach oben. Ihm ist heiß, er muss die Gedanken neu ordnen. Auf Lopud ist weder ein Polizist noch ein Arzt stationiert und. Somit verbleibt ihm keine andere Wahl, als die Polizei in Dubrovnik über den Todesfall zu informieren.

- Hans legen Sie um Himmels willen den Telefonhörer auf!

Peer van Breugelen wirkt bei seiner Anweisung sehr gefasst und Hans Srpruit hält im Vorhaben inne, um eine nachvollziehbare Begründung abzuwarten. Die Stimme des Managers nimmt einen moderaten Tonfall an.

- Letztes Jahr musste ich meine Ehefrau berufsbedingt monatelang vernachlässigen. Die Existenz etlicher Arbeitsplätze stand auf der Kippe! Und deshalb begrüßte ich es ausdrücklich, dass Antje ihre Schwester nach Kroatien begleitete. Nach dem Urlaub erlebte ich sie dermaßen gut erholt und aufgestellt, dass ich beschloss, irgendwann mit ihr zusammen die offensichtlich Energie spendende Insel zu besuchen. Ich ahnte ja nicht, welche Ursache sich tatsächlich hinter ihrem Aufblühen verbarg. Diese beschämende Tatsache ist mir erst seit wenigen Minuten bekannt.

Van Breugelen wischt sich einige Schweißperlen von der Stirn.

- Ein boshaft veranlagter Insulaner muss ihrem damaligen Geliebten direkt nach unserer Ankunft mitgeteilt haben, ein holländisches Betthäschen sei auf die Insel zurückgekehrt, ohne dabei zu erwähnten, dass der betrogene Ehemann dieses Mal mit von der Partie ist. Der Nachtportier beschloss deshalb frohgemut, sich die eintönige Nachtschicht mit einem amourösen Abenteuer zu versüßen, mithilfe des Generalschlüssels kann er sich jederzeit Zutritt verschaffen. Und die verwerfliche Absicht führte den elenden Schweinehund direkt ins Verderben!

Van Breugelen deutet mit dem Zeigefinger indigniert auf den Leichnam.

- Und wegen dieses schamlosen Papagallos werde ich nicht eine Minute damit verlieren, bei kroatischen Ermittlungsbehörden irgendwelche Protokolle zu erstellen. Ich habe schließlich die versuchte Vergewaltigung meiner Ehefrau in Notwehr abgewehrt. Und dass dieser impertinente Nachtwächter an der Entladung eines als harmlos eingestuften Elektroschockers verstarb, geht mir glatt am Arsch runter!

Die Rekonstruktion klingt für den Reiseleiter durchaus logisch, schließlich kennt er die Anmacherszene dieser Insel. An Ankunftstagen versammeln sich sämtliche Don Juans in Erwartungshaltung auf der Hotelterrasse und unterziehen dabei weibliche Alleinreisenden einer optischen Überprüfung. Mit erfahrenen Blicken versuchen die Männer aus Gesichtern herauszulesen, ob die eine oder andere Touristin einem erotischen Abenteuer zugeneigt sein könnte. Und der Nachtportier hat dabei den Ruf weg, jeder dazu infrage kommenden Ausländerin sogleich nachzusteigen. Als Liebhaber muss der Oberanmacher über gewisse Qualitäten verfügen. Einige Auserwählte laden ihn in den Wintermonaten nach Mitteleuropa ein, und übernehmen sämtliche Unkosten. Während der widerlichen Taxierungen werden sogar Wetten abgeschlossen, bis wann eine Urlauberin spätestens flachgelegt sein wird. Ein Mitglied jener Gigologruppe hat zweifelsfrei die Ankunft von Antje Van Breugelen mitbekommen, und Josipe lediglich einen Teil dieser Neuigkeit mitgeteilt. Der saublöde Scherz ging fatal aus. Hans verschließt die Augen des kürzlich Verblichenen.

- Das Schicksal hat dich wahrlich hart bestraft, aber deswegen kann dein Unfalltod nicht verschwiegen werden.

Van Breugelen ist konträrer Ansicht.

- Wenn ein bekannter Ausländer mit einem illegal eingeführten Elektroschocker einen Kroaten tötet, werden sich Polizei und Staatsanwaltschaft jede nur erdenkliche Mühe geben, um der sensationslüsternen Öffentlichkeit einmal ihre Effizienz zu beweisen. Und daraufhin werden mich die Medien in den Dreck ziehen, und vor keiner Verleumdung zurückschrecken, weil sich dadurch Auflagen und Einschaltquoten leicht erhöhen lassen.

Antje heult kurz auf und jammert, das alles sei ihre Schuld. Ihr Ehemann blafft sie an, einfach nur den Mund zu halten, und setzt die Aufzählung seiner Argumente fort.

- Ich denke ja überhaupt nicht daran, mich einer nationalistisch gesinnten Justiz zu stellen und mich tagelang sinnlosen Verhöre ausgesetzt zu sehen. Dutch-Electronics benötigt nächste Woche seinen Finanzchef für anstehende Verhandlungen in London, damit wir auch in Zukunft aggressiven Expansionsgelüsten der Konkurrenz aus Asien erfolgreich die Stirn bieten können!

Der Manager ergreift die rechte Hand des Reiseleiters.

- Bitte helfen Sie mir und meiner bereits doppelt gestraften Ehefrau!

Hans Spruit gerät ins Grübeln. Seine bisherige Erfahrung hinsichtlich rüder Umgangsformen seitens der kroatischen Polizei gegenüber Ausländern lässt es ihm wirklich als wenig ratsam erscheinen, sich freiwillig den Ermittlungsbehörden zu stellen. Und er weiß auch, dass enge Familienbanden zwischen Lopud und Dubrovnik existieren. Körperliche Misshandlungen während eines Verhöres können somit nicht ausgeschlossen werden. Der Tote wird sich deswegen aber nicht in Luft auflösen. Van Breugelen nimmt seine Ratlosigkeit wahr. Als rational denkender Finanzfachmann teilt er seinem Reiseleiter ganz unverblümt mit, welche Aktion er erwarte.

- Organisieren Sie für uns einen diskreten Bootstransfer nach Dubrovnik. Außerdem ersuche ich Sie, den Leichnam so lange zu verbergen, bis wir Kroatien verlassen haben. Logischerweise darf der Nachtwächter natürlich nicht in unserem Zimmer aufgefunden werden.

Hans könnte mindestens zehn plausible Gründe aufzählen, warum ihm keiner der drei Wünsche als sinnvoll erscheint. Bevor er den ersten Einwand vorbringen kann, zieht van Breugelen ein Bündel Geldscheine aus der Brieftasche hervor.

- Das sind rund viertausend Euro. Ich benötige davon lediglich einige kleinere Scheine für eine Taxifahrt zum Flughafen. Der Restbetrag sollte wohl ausreichen, um einen Bootstransfer zu organisieren. Sobald ich mich wieder in Amsterdam aufhalte, überweise ich Dir 10‘000 Euro als Erfolgsprämie auf ein Konto. Dieser Bonus hilft über Gewissensbisse hinweg.

Hans lenkt ein. Dieses Umdenken liegt aber nicht an der Bestechungssumme.

- Ich werde euch beiden ohne Gegenleistung dabei behilflich sein, das Land vor der Entdeckung des Leichnams zu verlassen. Dieser Gefallen geschieht aus einem einzigen Grund. Ich kann mir äußerst rüde Reaktionen seitens der Polizei und Justizbehörde durchaus vorstellen, und möchte aufreißerische Berichterstattungen in den Medien vermeiden. Letzteres dient ebenfalls zum Vorteil meines Arbeitgebers.

Der Reiseleiter greift nach einem Fünfhunderteuroschein.

- Damit werde ich Euch ein Schiff und einen verschwiegenen Kapitän besorgen. Machen Sie sich für eine baldige Abreise bereit, in spätestens einer Stunde legt Darko unten am Steg an.

Ohne weitere Erklärungen verlässt Hans den Raum, um Darko Zebec aufzusuchen. Der Eigentümer eines direkt vor seinem Haus ankerndes Kabinenmotorbootes, welches den Namen der Jungfrau Maria am Bug trägt, wohnt gute 400 Meter von Hotel Lafodia entfernt. Während der Sommermonate bietet der Kroate individuelle Tagesausflüge oder Schnorcheltouren zur Nachbarinsel an. Unberührte Strände mit einem Fisch-Barbecue auf Sipan zu kombinieren, dieses Angebot ist bei den Urlaubern sehr beliebt. Hans erwähnt diese alternative Ausflugsmöglichkeit während seiner Informationsveranstaltungen. Als Gegenleistung lädt ihn Darko gelegentlich an seinem freien Tag zu einer Privattour ein. Sie lösen Austern mit einem scharfen Messer von Unterwassersteilwänden ab, und verzehren die Köstlichkeitem unter Hinzugabe von Zitronensaft. Gekühlten Posip-Weißwein und frisches Weißbrot steuert der Reiseleiter bei.

Darko erschrickt fürchterlich, als ihn zwei Hände wachrütteln. Nach einem extrem derben und absolut nicht jugendfreien Fluch wechselt der Kroate auf die deutsche Sprache über.

- Was fällt Dir ein, mich inmitten der Nacht zu überfallen? Ist ein neuer Krieg ausgebrochen?

Leicht angeschwollene Augen erblickenden einen verführerisch entgegen gehaltenen Geldschein. Darko betastet die extrem seltene Banknote geradezu ehrfurchtsvoll.

- Hat sich der Weihnachtsmann im Monat vertan?

Anstatt darauf eine Antwort zu geben, zieht der Vodic den Geldschein wieder an sich und schaltet zunächst die Deckenbeleuchtung ein. Darko verzieht angewidert das Gesicht. Grelles Licht und Alkohol vertragen sich einfach nicht. Wenigsten so lange nicht, bis er erfährt, was der Holländer von ihm will.

- Du darfst dich als glücklicher Besitzer dieser Geldnote fühlen, falls Du innerhalb von 30 Minuten in der Lage bist, ein holländisches Ehepaar nach Dubrovnik überzusetzen, ohne dabei nach einem Grund zu fragen. Folgende Kurzinformation muss dir dazu genügen. Ein Landsmann von mir muss innerhalb weniger Stunden ein Geschäft abschliessen, bei welchem weit mehr als 500 Euro auf dem Spiel stehen. U redu?