Verschwundene Schätze - Miklós Bánffy - E-Book

Verschwundene Schätze E-Book

Miklós Bánffy

0,0

Beschreibung

Der zweite Teil der großen Geschichte von Siebenbürgen vor dem Ersten Weltkrieg nach „Die Schrift in Flammen“, die 2012 erstmals auf Deutsch erschienen ist: Der Erzähler Bánffy, 1921/22 Außenminister von Ungarn, später Staatsangehöriger von Rumänien, schildert die Jahrhundertwende als Zeit sich verschärfender nationaler und sozialer Gegensätze. Der liberale Idealist Bálint Abády verstrickt sich immer tiefer in eine unglückliche Liebesgeschichte; sein Neffe und Freund, der begnadete Musiker László Gyeröffy, geht willentlich und unabwendbar den Weg der Selbstzerstörung. Im Glanz der letzten Jahre der Monarchie taumelt die Welt von gestern ihrem Ende entgegen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 901

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Zsolnay E-Book

Miklós Bánffy

Verschwundene Schätze

Roman

Aus dem Ungarischen

und mit einem Nachwort

von Andreas Oplatka

Paul Zsolnay Verlag

Die Originalausgabe erschien erstmals 1937 unter dem Titel »És hijjával találtattál«.

»Verschwundene Schätze« ist der zweite Teil der Siebenbürger Geschichte.

Mit freundlicher Unterstützung von

ISBN 978-3-552-05627-5

Original copyright © Miklós Bánffy 1937

Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe

© Paul Zsolnay Verlag Wien 2013

Satz: Eva Kaltenbrunner-Dorfinger, Wien

Unser gesamtes lieferbares Programm

und viele andere Informationen finden Sie unter:

www.hanser-literaturverlage.de

Erfahren Sie mehr über uns und unsere Autoren auf www.facebook.com/ZsolnayDeuticke

Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

… Schon stand in flammenden Zeichen

an der Mauer des königlichen Palais

geschrieben: Du wurdest gewogen …

Doch das sahen die Schmausenden nicht,

sondern sie riefen in ihrer großen Betrunkenheit,

dass man aus der Schatzkammer des Herrn

jene silbernen und goldenen Gefäße, die

einst ihre Vorfahren erworben hatten,

herbeischaffen solle.

Und man holte die Gefäße. Und sie tranken

daraus viel Wein und waren berauscht.

Und sie verspielten unter sich die Gefäße des

Herrn, sie stritten um sie und beschimpften

einander wegen ihrer aus Erz, Holz, Stein und

Lehm verfertigten Götter. Die Finger der flammenden

Hand aber fuhren fort, an die Palastmauer zu

schreiben. Und die nächsten Worte hießen:

… und wurdest zu leicht befunden …

Erster Teil

I.

Die heutige Sitzung war sehr gut besucht. Der Saal des Parlaments hatte sich dicht gefüllt. Auch die Mitglieder der Regierung waren vollzählig erschienen. Der Tag freilich war von besonderer Art: Der Staatshaushaltsplan sollte vorgelegt werden, und dies in der Gewissheit, dass er Zustimmung finden würde. Ähnliches war seit 1903 nie mehr vorgekommen, man hatte die finanziellen Angelegenheiten des Landes auf der Grundlage von verlängerten Budgetplänen geführt oder – wie es um des Reimes willen im Küchenlatein heißt – in einem »Ex-lex«-Zustand. Jetzt, im Herbst 1906, wurde im Staatshaushalt die Ordnung endlich wiederhergestellt. Ein großes Verdienst der Koalitionsregierung.

Pál Hoitsy, der Referent, betrat die Rednertribüne. Sein schöner, ergrauter Kopf mit dem kurzgeschnittenen Kaiserbart nahm sich vor dem Eichensockel des Präsidialsitzes gut aus. In Quersätzen würdigte er die feierliche Stunde, die segensreiche, neu hergestellte Harmonie zwischen dem König und der Nation1.

Nur einige Übereifrige ließen sich mit mageren Hochrufen vernehmen. Das Haus blieb still. Alle Parteien schwiegen ernst, nicht nur die Gruppe der Nationalitäten, die auf den oberen Bänken der rechten Mitte saß, dicht um ihren Vorsitzenden, den Serben Mihail Polit; dieser sollte, wie man wusste, einen Entschließungsantrag vorlegen. Man schwieg, denn an diesem gleichen Morgen des 22. November war im Wiener Fremdenblatt ein Artikel erschienen, welcher der hier beschworenen großen Harmonie widersprach. Der Artikel bezog sich auf einen Vorstoß von vor zwei Tagen, den die juristische Kommission formuliert hatte, und dem – so hatte man geglaubt – die Kammer heute den höheren Rang eines Landesbeschlusses verleihen würde. Eine heikle, eine unangenehme Angelegenheit.

Begonnen hatte sie damit, dass ein Abgeordneter der Volkspartei zwei Tage zuvor den Antrag einreichte, das abgetretene Kabinett Fejérváry unter Anklage zu stellen. Die Regierung konnte nun der Behandlung des Vorschlags nicht mehr ausweichen, wie sie es im Juli bei der Debatte über die Adresse an den Herrscher mit ähnlichen schriftlichen Eingaben der Komitate2 und der Städte getan hatte. Sie konnte dies umso weniger, als der Antragsteller zu Rakovszkys enger Umgebung gehörte. Man vermutete folglich, dass dieser hinter der Angelegenheit stehe, und in Ferenc Kossuths3 Lager munkelte man über einen meuchlerischen Angriff, von bösen Kabalen und einer Absicht, die Zusammenarbeit der verbündeten Parteien zu sprengen. »Und ihr Angriff richtet sich gerade gegen den empfindlichsten Punkt!« Alle wussten nämlich, und Rakovszky selber gewiss am besten, dass eine der Bedingungen des Regierungswechsels darin bestand, den Mitgliedern des vorangegangenen Kabinetts Unversehrtheit zuzusichern. Die Anführer der Koalitionsparteien hatten sich gegenüber dem König hierzu verpflichtet. In die Öffentlichkeit gedrungen war dies nicht, und als im Sommer László Vörös, der Handelsminister der sogenannten Trabanten-Regierung4, den Schleier über dem Pakt5 lüftete, bestritten die halboffiziellen Blätter seine Behauptungen, wiewohl sie dies mit leicht unsicheren Formulierungen taten. Jetzt aber, da die Volkspartei so provozierend auftrat, musste man sich der Angelegenheit stellen und eine Lösung finden, die der ungarisch-rebellischen öffentlichen Meinung zur Freude gereichte, die aber auch das enthielt, wofür man gegenüber dem König das eigene Wort verpfändet hatte.

Dies gelang denn auch dank Ferenc Kossuths Auftritt. Er hatte in der Kommission seine ganze Autorität in die Waagschale geworfen. »Es gibt keinen Pakt, denn dieser wäre ja eine Verletzung der Verfassung«, erklärte er. Das war ein gefährlicher Satz. Es war ja bekannt, dass der Herrscher ihnen den Auftrag zur Regierungsbildung aufgrund umschriebener Punkte erteilt hatte, aber die Worte wirkten sehr gut, selbstbewusst und klangvoll. So erreichte er, dass die Kommission die Anklageerhebung verwarf und stattdessen eine ächtende Verlautbarung verabschiedete, laut der sie Fejérváry und seine Genossen »ungetreue Räte des Königs und der Nation« nannte und sie »dem niederschmetternden Urteil der Nation« überantwortete.

Die Kommission verordnete sodann, den ganzen Text durch öffentliche Anschläge bekanntzumachen, sobald das Parlament ihn zum Landesbeschluss erklärt habe. Das war eine gute, eine ausgezeichnete Formel. Jedermann verließ die Kommissionssitzung befriedigt, die Extremisten darum, weil man die verhasste Trabanten-Regierung gebrandmarkt hatte, die Minister wiederum darum, weil sie der Forderung ausgewichen waren, deren Erfüllung für sie ausgeschlossen gewesen wäre. Doch am Morgen dieses Tages schlug die Bombe ein. Ein groß aufgemachter Artikel war im Wiener Fremdenblatt erschienen, das als Sprachrohr des Hofes galt. Unter der Form eines Berichts aus Budapest wurde darin ausgeführt, dass der tags zuvor gefasste Beschluss »umgestaltet werden soll«, da es doch widersinnig sei, dass diejenigen, die das Vertrauen des Herrschers besaßen, vor aller Welt an den Pranger gestellt werden sollten; und dann folgte noch eine Nachricht »aus Fejérvárys Umgebung«, wonach er an der nächsten Sitzung des Oberhauses das Wort ergreifen und Einzelheiten des Paktes benennen werde.

Nicht mehr. Nur so viel.

In der Kammer herrschte gedrückte Stimmung. Dies nicht nur darum, weil wegen des herbstlichen Wetters der von einem Glasdach gedeckte Raum im Dunkel lag. Das elektrische Licht auf den Pressetribünen und Galerien machte ihn wohl noch dunkler, es ließ die vielen Verzierungen aus künstlichem Marmor und die falschen Vergoldungen nur hier und dort erglänzen; die bemalten Gipsfiguren in der Höhe wiederum waren kaum noch sichtbar. Einzig das graue Haar des Vortragenden auf dem Podium setzte einen Farbtupfer. Die Abgeordneten hielten es für geziemend, während der Sitzung im Saal zu bleiben, aber jedermann hing seinen Gedanken nach. Den wohlformulierten Sätzen des Redners lauschten sie kaum. In den verschiedenen Gruppen der 48-er, in den Bänken der Verfassungs- und der Volkspartei, überall steckten fünf bis sechs Männer die Köpfe zusammen und besprachen flüsternd die neueste Wendung, die im Fremdenblatt zwischen den Zeilen versteckte Drohung.

Ferenc Kossuth und Justizminister Polonyi berieten leise, aber aufgeregt mit Visontai, der tags zuvor den Text des Beschlusses aufgesetzt hatte. Einzig Wekerle6 lehnte sich im Sessel des Ministerpräsidenten in breiter Ruhe zurück und wandte sein schönes, an einen römischen Imperator gemahnendes Gesicht dem Vortragenden zu. Der Staatshaushalt war sein Werk, vielleicht erfreute er sich jetzt daran. Er galt auch im Übrigen als ein Mann mit starken Nerven, der schon manchen Sturm gesehen hatte.

Trotzdem, was für eine veränderte Welt, dachte Bálint Abády, der als parteiloser Abgeordneter gegenüber dem Präsidium in der Mitte in der oberen Bankreihe saß. Welch ein Sturm hätte hier bei diesem Thema vor anderthalb Jahren noch getobt. Wie wäre ein Redner nach dem anderen aufgesprungen, wie hätten sie in ihren schallenden Voten vor der Tagesordnung das fluchbeladene Wien und die finstere Kamarilla gegeißelt. Womöglich hätte auch der Vorsitzende selber die unrechtmäßige Einmischung »einer fremden Zeitung« zur Sprache gebracht. Jetzt sind sie schon realistischer geworden, sie rechnen mit den tatsächlichen Verhältnissen. Vielleicht lernen sie ihre Lektion … Unter solchen Gedanken hörte er den Worten des Redners zu.

Gegen Ende des Referats kam ein Mann von den Bänken der 48-er herüber und nahm neben Abády Platz: Dr. Zsigmond Boros, Anwalt, Abgeordneter von Marosvásárhely. Seine Karriere hatte so schön begonnen. Nach den Wahlen 1904 war er einer der Wortführer der äußersten Linken. Bei der Bildung der Koalitionsregierung wurde er Staatssekretär in Kossuths Ministerium. Nach kaum zwei Monaten trat er aber plötzlich und ohne ersichtlichen Grund zurück. Ein Gerücht ging um, etwas stimme nicht in seiner Anwaltspraxis. Bestimmtes wusste oder sagte zwar niemand, aber seither behandelte ihn jedermann kühl, denn man sah damals in der Politik wohl vieles nach, in Fragen der persönlichen Ehrbarkeit herrschte aber äußerste Strenge. Boros erschien seit seinem Rücktritt selten im Parlament; vielleicht hielt er sich andernorts auf, vielleicht war er damit befasst, seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Vor zwei Tagen hatte er sich wieder eingestellt. Abády machte die Beobachtung, dass sich Boros schon seit Beginn der Sitzung immer wieder einer Gruppe zuwandte und leise etwas erklärte, um sich dann zu einer anderen zu gesellen. Jetzt hatte er sich neben ihn gesetzt. Gewiss mit Absicht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!