Verteidigung der katholischen Kirche - Kirchengeschichte und Apologie - Carl Haas - E-Book

Verteidigung der katholischen Kirche - Kirchengeschichte und Apologie E-Book

Carl Haas

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Beschreibung

Die "Verteidigung der katholischen Kirche" erschien 1857 und widerlegt in zwanzig Kapiteln die gängigsten Falschbehauptungen gegen die katholische Kirche anhand von Bibel und Kirchengeschichte. Der Kulturkampf war noch nicht in seiner heißesten Phase, aber die katholische Kirche hatte in Preußen bereits einen schweren Stand. Man warf ihr vor, was man ihr noch immer vorwirft: Sie wolle die Menschheit in „das Mittelalter” zurückwerfen, von dem das 19. Jh. eine romantische, teils gruselige, teils verklärte Vorstellung hatte, die der Mediävistik nicht standhält. In dieser Situation schrieb Haas in der Hoffnung, wenigstens hie und da Menschen zu überzeugen, dass Katholiken keine menschenfressenden Hinterwäldler sind. Mit der überarbeiteten Neuauflage will ich Ähnliches heute versuchen. Die Polemiken gegen die Kirche haben sich ja kaum geändert.

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Seitenzahl: 496

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Carl Haas

Verteidigung der katholischen Kirche Herausgeberin: Claudia Sperlich

Autor: Carl Haas 1857

Herausgegeben von: © 2025 Claudia Sperlich

(https://katholischlogisch.blog)

ISBN Softcover: 978-3-347-81546-9

ISBN E-Book: 978-3-347-81552-0

Druck und Distribution im Auftrag des Herausgebers:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Herausgeber verant-wortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Herausgebers, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort der Herausgeberin

Offenes Sendschreiben des freiresignierten Pfarrers Carl Haas, Dr. der Philosophie, an seine liebe Gemeinde in Ober- und Unter-Gröningen, Königreich Württemberg, bei seinem Rücktritte zur katholischen Kirche.

Vorwort

I. Der Kirchenstaat

II. Der Katholizismus sei ein Feind der bürgerlichen Freiheit

III. Sind die Protestanten reicher als die Katholiken?

IV. Die Pulververschwörung in England

V. Allein seligmachende Kirche

VI. Inquisition

VII. Hus und Hieronymus

VIII. Päpstin Johanna

IX. Papst Gregor VII

X. Gustav Adolf, König von Schweden

XI. Wer hat Magdeburg am 20. Mai 1631 zerstört?

XII. Hugenotten

XIII. Pariser Bluthochzeit

XIV. Die Dragonaden

XV. Die Ohrenbeichte

XVI. Ablass

XVII. Tetzel

XVIII. Messopfer und Abendmahl

XIX. Die Bibel

XX. Der Katholizismus als Feind der Wissenschaften und der Gewissensfreiheit

Danksagung

Verteidigung der katholischen Kirche - Kirchengeschichte und Apologie

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Vorwort der Herausgeberin

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Vorwort der Herausgeberin

Ich stieß durch Zufall auf die digitalisierten Werke von Carl Haas (1804-1883) und war fasziniert, besonders von der Verteidigung der katholischen Kirche (Originaltitel: Beleuchtung großer Vorurtheile gegen die katholische Kirche). Die irrigen Behauptungen über katholische Geschichte, Theologie und Bräuche waren vor über 160 Jahren die selben wie heute! Meine zuweilen flapsig dahergesagte Bemerkung, der Kulturkampf sei noch nicht zu Ende, zeigte sich als sachlich richtig.

Der Geistliche Carl Haas war ein frommer und bibelkundiger protestantischer Geistlicher, und er wurde zu einem frommen und bibelkundigen katholischen Theologen und Schriftsteller, nachdem er sich gründlich mit Schrift und Tradition, mit Kirchengeschichte und der eucharistischen Gegenwart Gottes auseinandergesetzt hatte. Seine Konversion im Januar 1844 war wohlbedacht, aber es fiel ihm nicht leicht, die protestantische Gemeinde zu verlassen, der er gedient hatte. Es gab nach seinem öffentlichen Abschiedsbrief an die Gemeinde eine heftige Auseinandersetzung in Form „offener Briefe” – das waren damals nicht Leserbriefe in Zeitungen, sondern nicht ganz kleine Druckschriften, die ihre Verfasser auslegten und versandten. Von dieser umfangreichen und teilweise gehässigen Briefschlacht seien hier nur die Titel genannt:

Offene Antwort auf das offene Sendschreiben des freiresignierten Pfarrers Dr. Carl Haas an seine liebe Gemeinde in Ober- und Unter-Gröningen bei seinem Rücktritt zur katholischen Kirche

Rechtfertigung des Rücktritts des Herrn Dr. Carl Haas zur katholischen Kirche. Eine Antwort auf die Erwiderung seiner früheren Gemeinde Ober- und Untergröningen in Betreff seines offenen Sendschreibens von einem Katholiken

Christus und der Geist der Wahrheit in der katholischen Kirche. Zugleich Erwiderung und Beleuchtung der über den Rücktritt des vormaligen evangelischen Pfarrers Carl Haas zur katholischenKirche – erschienenen protestantischen Streitschriften. Von einem katholischen Laien.

Einige herzliche Worte in Antwort auf das offene Sendschreiben des neubekehrten Dr. Carl Haas, ehemaligen protestantischen Pfarrers. An diesen, seine ehemalige Pfarrgemeinde und seine Gegner gerichtet von einem unparteiischen Freunde der Wahrheit.

Die Verteidigung der katholischen Kirche erschien 1857 und widerlegt in zwanzig Kapiteln die gängigsten Falschbehauptungen gegen die katholische Kirche anhand von Bibel und Kirchengeschichte.

Das ganze 19. Jahrhundert war weltweit von Kriegen und Revolutionen geprägt. Die Napoleonischen Kriege waren 44 Jahre her, der Krimkrieg gerade einmal ein Jahr. Konflikte brodelten zwischen Preußen und Russland sowie Preußen und der Schweiz. Die Industrialisierung entwickelte sich. Teuerung und Hunger der späten 40er Jahre waren gut erinnerlich. Bismarck hatte kürzlich deutlich gemacht, dass für ihn Staatsinteressen über allen Grundsätzen standen.

Nationalismen und Animositäten gegenüber „anderen” Völkern waren überall im Schwange, insbesondere ein „Salon-Antisemitismus”, der noch nicht die tödliche Aggressivität des 20. Jhs. erreichte und gerade dadurch „gesellschaftsfähig” schien. Auch unser Autor konnte sich ihm leider nicht ganz entziehen.

Der Kulturkampf war noch nicht in seiner heißesten Phase, aber die katholische Kirche hatte in Preußen bereits einen schweren Stand. Man warf ihr vor, was man ihr noch immer vorwirft: Sie wolle die Menschheit in „das Mittelalter” zurückwerfen, von dem das 19. Jh. eine romantische, teils gruselige, teils verklärte Vorstellung hatte, die der Mediävistik nicht standhält.

In dieser Situation schrieb Haas in der Hoffnung, wenigstens das protestantische Bildungsbürgertum hie und da zu überzeugen, dass Katholiken keine menschenfressenden Hinterwäldler sind. Mit der überarbeiteten Neuauflage will ich Ähnliches heute versuchen. Den Titel habe ich geändert zu „Verteidigung der katholischen Kirche”.

Ganz ohne Fußnoten geht es in diesem Werk leider nicht.

Haas zitiert viel und gern aus der Bibel und anderen Autoren. Wo er Bibelstellen angibt, erspare ich mir die Textangabe; es empfiehlt sich, bei der Lektüre eine Bibel in greifbarer Nähe zu haben. (Das empfiehlt sich überhaupt fast immer, hierin werden mir Christen aller Konfessionen zustimmen.) Wo er die Bibel oder lateinische oder griechische Autoren zitiert, geschieht das in Übersetzungen, die im 19. Jh. gängig waren. Viele Zitate gibt er nur ungefähr und teilweise ohne Autorennennung an – hier habe ich, soweit es mir möglich war, in Fußnoten Abhilfe geschaffen. Auf Angabe fremdsprachlicher Originaltexte in den Fußnoten habe ich verzichtet und nur die deutschen Übersetzungen angegeben.

Fußnoten habe ich auch gesetzt, wo Haas sich auf Ereignisse bezieht, die heute nicht mehr allgemein bekannt sind. Die Fußnoten des Autors sind mit – Haas gekennzeichnet.

Schließlich habe ich Irrtümer und Unschärfen des Autors mit Fußnoten bedacht. Die Ungerechtigkeiten, mit denen Haas die Juden bedenkt, sein manchmal überkandideltes Sturmlaufen gegen die protestantischen Kirchen und seinen zeitweilig aufblitzenden Nationalstolz unterstütze ich nicht, will sie aber auch nicht streichen; das käme mir unredlich vor. Dies Buch ist auch ein Portrait des Autors und seiner Zeit, und ich traue den Lesern zu, alles zu prüfen und das Schlechte zu verwerfen (vgl. 1 Thess. 5,21).

Orthographie, Grammatik und Zeichensetzung wurden vorsichtig unseren Lesegewohnheiten angepasst. Die auf Gott bezogenen Personalpronomen schreibe ich im Gegensatz zu Carl Haas groß; mir gefällt es besser, wenn man dem Herrn auch diese orthographische Besonderheit gönnt.

Claudia Sperlich, Februar 2025

Offenes Sendschreiben des freiresignierten Pfarrers Carl Haas, Dr. der Philosophie, an seine liebe Gemeinde in Ober- und Unter-Gröningen, Königreich Württemberg, bei seinem Rücktritte zur katholischen Kirche.

Motto: Matth. 9,36. Da er das Volk sah, jammerte ihn desselbigen; denn sie waren verschmachtet und zerstreut, wie die Schafe, die keinen Hirten haben.

Augsburg 1844, Druck und Verlag der Karl Kollmann'schen Buchhandlung.

 

§ 1 - Eingang

Ihr seid es, die beharrt habt bei mir in meinen Anfechtungen (Lk. 22,28). Dieses Zeugnis gibt der scheidende Herr Seinen Jüngern; dieses Zeugnis bin ich deiner Liebe, teuerste Gemeinde, schuldig, welche von Jahr zu Jahr immer inniger gegen mich, bei allen meinen Leiden immer fester wurde und bei unserer Trennung sich in einer Wehmut aussprach, die mein Innerstes erschütterte und mir ewig unvergesslich bleiben wird. Eine solche Liebe kann nimmer aufhören (1 Kor. 13,8). In dieser Überzeugung hoffe ich, meinen Dank, für den ich keine Worte finde, einst ganz ausdrücken zu können.

Mit vielen von euch sprach ich von meinem Scheiden. Sie wollten nicht daran glauben, und als sie daran glauben mussten, fragte mich niemand: „Wo (das heißt: in welche Zukunft) gehst du hin?“, sondern euer Herz ist voll Trauerns geworden. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist euch gut, dass ich hingehe (Joh. 16,5-7).

Längst schon hattet ihr gehört, euer Pfarrer wolle katholisch werden. Ihr wolltet mich nicht fragen, und so konnte ich nicht antworten. Deshalb beschloss ich, gegenwärtiges Schriftchen zu unserer Verständigung zu verfasssen, sobald mein Geist auch nur einige Ruhe und Fassung nach so vielen Erschütterungen erlangt haben würde.

So hört mich denn an, ihr Lieben, die ihr mir bis ins fünfzehnte Jahr so viele Aufmerksamkeit geschenkt habt! Nur noch diesmal hört mich mit Liebe an! Ich will mich kurz fassen. Den allwissenden Gott aber nehme ich zum Zeugen, dass ich nur Wahrheit und heilige Überzeugung euch jetzt vortragen will. Dazu habe ich ihn brünstig und oft angerufen. Und nun zur Sache im Namen des Herrn Jesu!

§ 2

Seit ungefähr acht Jahren bemerktet ihr, wie ich mich immer tiefer von der Welt in die Einsamkeit zurückzog; teils weil mich die Seelsorge immer mehr in Anspruch nahm, teils weil ich von der Welt äußerlich vielfach verletzt wurde, teils weil ein höheres Bedürfnis sie mir nach und nach entleidete. Aus diesem höheren Bedürfnisse entstand eine innere Unruhe über meine mangelhaften Kenntnisse. Um diese zu erweitern, fing ich an, fleißiger zu studieren, und der Herr segnete mich mit mehr Glauben, als ich früher hatte. Aber dabei sollte es nach Gottes Willen nicht bleiben. Es stiegen in mir Zweifel aller Art auf über die protestantischen Lehren; ich trug diese Zweifel frommen und erleuchteten Glaubensbrüdern vor, und diese hatten dieselben Zweifel, oder gar noch mehrere. Nun durchforschte ich mit Fleiß die Schriften gelehrter Protestanten, und meine Unruhe wuchs, denn statt meine Zweifel zu lösen, erregten sie in mir nur noch neue und stärkere. Endlich rief mir eine höhere Stimme zu: Warum bittest, suchst, klopfst du nicht bei Mir an? (Mt. 7,7) Und nun legte ich meine Zweifel Gott und Seinem Worte und anstatt den Weisen der Welt nur anerkannt frommen Männern und ihren Schriften vor. Aber wie erschrak ich! Ich fand einen Irrtum an dem anderen in meinem Glauben, fand, wie irrig man mir die Schrift ausgelegt und welche Unwahrheiten über Luther und die Reformation von Jugend auf eingepflanzt hatte. Vergebens, ich wollte dies nicht zugeben; ich musste mich gefangen geben oder die Sünde wider den Heiligen Geist begehen (Mt. 12,31). Ich überblickte mein Schicksal und erkannte, dass der Herr mich ausgehen heiße aus meinem Vaterlande und von meiner Freundschaft (Gen. 12,1). Endlich unterwarf ich mich in Demut dem neuen Lichte und meines Gottes Wegen auf Gnade und Ungnade. In der ältesten christlichen Kirche suchte ich das Brot des Lebens unbesorgt um das irdische (Mt. 6,33). Ein schmerzliches Lebewohl sagte ich Amt und Stand, Freunden und Verwandten, Vaterland und Umgebung, das schmerzlichste aber dir, teure, innig geliebte Gemeinde!

Arm kam ich her, arm zog ich weg.

Was meine Widersacher und ihr Benehmen gegen mich betrifft, so kann ich sagen: Es schien, als ob sie mir Böses wollten, aber Gott gedachte es gut zu machen (Gen. 50,29). Denn durch sie beschleunigte er meine Schritte zum vorgehaltenen Ziele. Werden sie meine Bekehrung nicht auf alle Art ausbeuten und missdeuten? Gott wolle ihnen vergeben, und ich nicht aufhören, für sie zu beten!

§ 3

Einige gewichtige Fragen höre ich im Geiste euch an mich stellen; ich will sie frei aussprechen und mit Gottes Hilfe beantworten.

§ 4 - Darf man denn seinen väterlichen Glauben verlassen?

Hört meine Antwort.

Schön ist die Treue, aber nur so lange sie sich auf einen würdigen Gegenstand bezieht. Oder ist die Treue z.B. gegen eine Buhlerin auch schön? - Wenn ich Irrtum und Trostlosigkeit in meinem bisherigen Glauben, und in einem andern volle Wahrheit, himmlischen Trost und Besserung des Herzens finde, welchem bin ich schuldig, anzuhängen? Offenbar dem letzteren. Sonst hätte ja Christus Juden und Heiden nicht von ihrem väterlichen Glauben zum neuen rufen, ja sogar sagen dürfen: „Nötige sie, hereinzukommen, auf dass das Haus voll werde!“ (Lk. 14,23)

Als vor dreihundert Jahren euren katholischen Voreltern gesagt wurde, der bisherige Glaube tauge nichts, da nahmen sie einen neuen an. Wenn ihr also meint, dies sei nicht erlaubt, so richtet ihr eure Väter und euch selber, denn warum kehrt ihr nicht zum alten Glauben zurück, wenn man ihn nicht verlassen darf?

Richtet auch mich nicht, liebe Brüder, vor der Zeit, bis der Herr komme (1 Kor. 4,5). Ist es denn eine Schande, Besseres zu suchen? (1 Thess. 5,21) Prüft alles, und das Gute behaltet!

Betet, übt fromme Werke, und der Herr wird euch heimsuchen, wie er einst den Hauptmann Cornelius mit wahrem Glauben heimgesucht hat (Apg. 10).

§ 5 - Kann man denn nicht in jedem Glauben selig werden?

Schwerlich. Hatte denn z.B. der Apostel Paulus vor seiner Bekehrung zum Christentum keinen Glauben? O ja, denn er war ein Eiferer um Gott (Apg. 22,3), und doch verließ er den Glauben seiner Väter, um dem christlichen durch Not und Tod anzuhängen.

Aber wenn der Glaube nur ein christlicher ist, so muss er doch selig machen? Ja, wenn er ein christlicher ist, das heißt, wenn er Christum ganz hat. Denkt euch den Glauben als einen Weg zum Himmel. Es mögen nun vielleicht verschiedene Wege dahin führen, aber nur einer davon ist der nächste, also auch der sicherste. So kann es nur einen wahren christlichen Glauben geben. Wer aber getraut sich zu sagen: „Ich will nicht auf dem nächsten und sichersten Wege zum Himmel gehen“? Wer ist so vermessen, dass er diesen Weg liegen lässt und einen anderen wählen will, da doch Christus gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich!“ (Joh. 14,16) – Allem Irdischen geht ihr emsig nach auf dem nächsten Wege, und dem Himmlischen wolltet ihr euch auf Umwegen nähern? Habt ihr so geringe Freude daran, dass ihr nicht eilen mögt? Habt ihr so viele übrige Zeit zum Seligwerden, da es doch geschrieben steht: „Schafft, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern“ (Phil. 2,12). Wisst ihr nicht, dass neben den Umwegen auch die Abwege liegen? (Ps. 125,5)

§ 6 - Ist denn im protestantischen Glauben Christus nicht ganz?

Nimmermehr! Christus war Prophet, mächtig im Worte. Er predigte gewaltig, und nicht wie die Schriftgelehrten (Mt. 7,20; Joh. 20,21). Er lehrte nicht aus sich, sondern aus Gott (Joh. 12,50). „Gleich wie mich der Vater gesandt hat, sende Ich euch.“ Und Mk. 16,15: „Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium.“ Er setzte einen Lehrstand ein, weihte ihn mit dem Heiligen Geiste (Joh. 20,22), und zuletzt verhieß er diesem Stande, bei Ihm zu sein alle Tage bis an der Welt Ende (Mt. 28,20). Dieser Lehrstand weihte wieder (Apg. 1,15-26), und so ging es fort bis auf diese Stunde in der katholischen Kirche. Daher kommt es, liebe Protestanten, dass bei euch so verschieden gelehrt wird seit dreihundert Jahren. Denn wer weiht eure Prediger? Niemand, weil selbst niemand geweiht ist und ein Mensch sich selbst nichts nehmen kann, es wird ihm denn gegeben vom Himmel (Joh. 3,27).

Christus war ferner Hoherpriester, denn Er opferte Seinen Leib, und zwar gedoppelt, unblutig in Gegenwart seiner Jünger, da Er noch lebte, denn lt. Mt. 26,26-28 gab Er ihnen Seinen Leib und Sein Blut, und zwar denselben Leib und dasselbe Blut, der am Kreuze hing und das dort ganz vergossen wurde. Dem blutigen Opfer auf Golgatha ging also das unblutige voran. Das lehrt die Schrift in Jesu Worten klar. Christus heißt wegen dieses unblutigen Opfers ein Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks (Ps. 110,4 und Hebr. 5,6). Denn dieser Melchisedek (König von Salem, d.h. von Frieden und Gerechtigkeit) opferte Brot und Wein (Gen. 14,18) und segnete (Vs. 19). Hiermit war er ein Vorläufer Christi, der vor Seinem Leiden und Sterben ein unblutiges Opfer brachte (Jes. 45,15) – das ist der verborgene Gott, der Heiland. – Aber ist denn an Seinem blutigen Opfer auf Golgatha nicht genug? O ja, sobald wir dessen ganz teilhaftig werden. Das heilige Messopfer und das blutige Opfer am Kreuze sind durchaus nicht zwei, sondern es ist ein und dasselbe Opfer, gleichwie der Brunnen kein anderes Wasser gibt als das seiner Quelle. Denn in beiden ist Christus, der opfert, in beiden derselbe Leib und dasselbe Blut des Gekreuzigten, beide gehen aus einer Quelle hervor, nämlich der Liebe. Wie Er hatte geliebt die Seinen, so liebte Er sie bis ans Ende (Joh. 13,1). Diese Liebe ließ sich zu unserer Schwachheit herab, so dass sie sich opferte, leiblich vor den Jüngern (Mt. 26,26-28), aber unblutig; leiblich vor der ganzen Welt, aber blutig, auf Golgatha. Hätte Christus sich nicht vergegenwärtigt, vergegenwärtigte Er sich nicht wirklich und wahrhaft im Messopfer immer und überall, so hätten wir nur eine rührende Geschichte von Ihm zu erzählen, nun aber haben wir die lebendige Tatsache Seines Opfertodes. Hätte Christus sich nicht unblutig geopfert, wer wäre im Stande gewesen, Sein ewiges, fortgesetztes Opfer unter uns aufzurichten? So bezeugen die Apostel und die ganze christliche Kirche bis zur Stunde, dass sie es vom Herrn empfangen haben. Oder sollte es ein Mensch – und welcher? – erfunden haben? Ein solch großer Gedanke übersteigt menschliches Denken; hier ist ein größeres Wunder als die Weltschöpfung, eine Gottesschöpfung. Deshalb schreibt Paulus (1 Kor. 2,9 u. 10): „Das kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“ „Denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.“

Liebe hat dieses heiligste Opfer gegründet, Liebe erhält es und der Hass der Welt wollte es vor dreihundert Jahren verwerfen, aber siehe – der Hass ward verworfen, das Opfer nicht, denn bei weitem der größte Teil der Christenheit feiert es als sein höchstes Gut. Erst werden die Christen entsündigt, dann folgt das Opfer, ganz wie es im Alten Testamente vorgebildet war.

Im unblutigen Opfer, Messe genannt, wird uns das zweite, das blutige, erst ganz zu eigen gemacht. Wir brauchen auch nicht allein Versöhnungs-, sondern Bitt-, Lob- und Dankopfer, und das ist die Messe weiter. Deshalb hat Gott im alten Bunde blutige und unblutige, Versöhnungs-, Lob- und Dankopfer eingesetzt, die alle nur auf Christum vorbereiten und mit Ihm aufhören sollten, weil Er das größte und letzte Opfer war. Soll aber deshalb Sein Opfer nicht mehr gefeiert werden? Das sei ferne! Täglich bedarf mein Körper der Nahrung, und meine Seele soll leer ausgehen? „Mein Fleisch ist die rechte Speise, und Mein Blut ist der rechte Trank“, sagte der Herr (Joh. 6,55). Und hiermit sollte mein Leib und meine Seele sich nur jährlich ein- bis zweimal nähren wollen und nicht lieber täglich, oder zum öftern in der Woche, wie es bei den Katholiken geschieht? Willst du nicht das Heiligste Gott opfern? Das ist Sein Sohn, der sich dazu herablässt! Glaubt ja nicht, dass ein protestantischer Geistlicher euch den Leib des Herrn geben könne! Und warum nicht? Weil er nicht der Priester des Hohenpriesters ist, weil er nicht von der Kirche berufen, nicht mit ihrem Geiste geweiht ist, weil er nicht ganz und gar tut, wie und was Christus vor seinen Jüngern getan und die Kirche beibehalten hat. Er ist somit nicht Testaments-Vollstrecker. Oder ist es ein Fehler, dass die katholische Kirche nur den Leib Christi gibt? Dafür hat sie gute und heilsame Gründe. Lest Joh. 6,35 und die Verse 48, 50 und 51. Dort spricht Christus nur von Seinem Fleische, wodurch man in Ewigkeit lebe. Ebenso sagt Paulus (1 Kor. 11,27): „Welcher nun unwürdig von diesem Brot isst oder von dem Kelch des Herrn trinkt“. Wäre Leib und Blut Christi zusammen nötig, so könnte Paulus nicht oder sagen. Leib und Blut Christi genießt der Priester nur in der Messe; nur als Priester und Opferer, der Leib und Blut darbringt, wie Christus vor seinen Jüngern, den ersten Priestern, es gemacht hat; wenn er aber kommuniziert, genießt auch er nur den Leib allein. Bei Lk. 24,30 gibt Christus nur das Brot. Vergleicht auch Apg. 2,42 und 20,7 – wieder nur eine Gestalt.

Christus war leidend, und alle sollen mit Ihm leiden, auf dass sich alle mit Ihm freuen (1 Petr. 4,12 und 13). Hier sind nicht die Leiden nur gemeint, die den Menschen überhaupt treffen, sondern Christi Leiden und Mitleiden, z.B. wie Er aus Mitgefühl geweint, gefastet, sich selbst verleugnet, Sünder heimgesucht, Trauernde unterstützt und getröstet, Verzweifelnde liebreich aufgerichtet hat.

Welche Entbehrungen legen sich die Protestanten auf? Selbst die kleine des Fastens verachten und verspotten sie, da doch Christus ihnen auch darin ein Beispiel gegeben hat (Mt. 4,2). Ist denn die Art von bösen Geistern nicht auch unter ihnen, die nur durch Fasten und Gebet ausfährt? (Mk. 9,29) Lest auch 1 Kor. 7,5. Christus hat genug getan für unsere Sünden, entgegnet ihr. Hebt aber das die Bußwerke und die Genugtuung auf, die ihr zu leisten imstande seid? Ist Reue genug, wo ich noch etwas tun kann? Seht, wie es Zachäus bei seiner Reue macht (Lk. 19,8)! „Wir tragen um alle Zeit das Leiden des Herrn Jesu an unserem sterblichen Leibe, auf dass auch das Leben des Herrn Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“ (2 Kor. 4,10) Nur dafür, wofür ich nicht vollständig büßen und genugtun kann, hat Christus vollständig gebüßt und genug getan, auf dass Sein Leiden mich tröste und bessere.

„Christus sah in ihre Herzen“ (Mt. 9,4). Die Apostel und ihre Nachfolger sollen Sünden vergeben oder behalten (Joh. 20,23). Darum bin ich dem Priester das Bekenntnis aller Sünden schuldig, derer ich mich erinnern kann. Denn der Herr hat ihnen ein Urteil übertragen, sie müssen also wissen, welche Sünden und welchen Sündern sie zu vergeben oder zu behalten haben. Christus hat Seine Priester zu Richtern über die Sünden gemacht und ihnen deshalb den Heiligen Geist gegeben (Joh. 20,22 und 23). Wo aber kein Kläger ist, da ist auch kein Richter. Wer ist denn der Kläger, oder wer soll es sein? Jeder Mensch, denn als Sünder soll er sich anklagen (Mk. 1,5). Er soll sich richten lassen vom Priester, auf dass er nicht dem ewigen Gerichte verfalle. Geständnis der Sünden wirkt Vergebung der Sünden, denn wer seine Missetat bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen (Spr. 28,13). Und warum? Weil er sich vor Gott und seinem Diener, der ganz an Gottes Stelle ist (Lk. 10,16), gedemütigt hat. Den Demütigen aber gibt Gott Gnade (1 Petr. 5,5). Geständnis der Sünden deckt sie nur darum auf, weil es nötig ist, und macht, dass die Seelenwunden untersucht und geheilt werden können zum Troste des Sünders. Das lehrt eine alte Erfahrung, und Erfahrung macht den Meister.

Christus war endlich auch König (Mk. 15,2) und ist es noch. Hätte Ihn die protestantische Kirche nicht ganz oder zum Teile verworfen, so würde Er in ihr alle Einrichtungen zum Heile anordnen und ausführen lassen, wie das ein König tut. Stattdessen verwerfen die Protestanten fünf Seiner Sakramente, nehmen nur zwei an, und sind über die zwei nicht einig oder behandeln sie mit entsetzlicher Gleichgültigkeit. Wäre Christus ihr König, so hätten sie feste Einrichtungen in Kirchen und Schulen, aber jedes Jahr bringt neue. Wie viele Gesang- und Kirchenbücher, wie vielerlei Kirchen- und Schulordnungen habt ihr nicht schon erlebt?

Wäre Christus euer König, so hättet ihr Kirchenzucht. So aber geht zur Kirche wer will und wie er will und wann er will, steht zu Gevatter, wer mag und wen man mag, lässt sich beichtväterlichen Rat geben oder verschmäht ihn, hat keinen geistlichen Rat bei so vielen schweren Erfahrungen. Zum Abendmahle wird alles zugelassen, bis am Ende alles wegbleibt. Unzählige aus den höheren Ständen haben sich bereits davon losgesagt. An einigen Orten weigern sich protestantische Christen, ihre Kinder taufen zu lassen, andere lassen sich gar zum zweiten Male taufen, z.B. in Stuttgart. Gott ist aber nicht ein Gott der Unordnung (1 Kor. 14,33).

Wäre Christus euer König, so wäre eure Ehe durch Ihn geheiligt und nach Seinem Worte (Mt. 5,32) unauflöslich und höchstens beim Ehebruch zu trennen, wobei aber Christus nicht gesagt hat, dass der eine oder der andere Teil wieder heiraten dürfe. Denn was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden (Mt. 19,6).

Wäre Christus euer König, so wäret ihr nicht getrennt von dem Felsen, auf dem allein Christus seine Kirche erbaut hat (Mt. 16,18). „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will Ich bauen Meine Gemeinde (d.h. die ganze Kirche auf ewige Zeiten), und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ Petrus und nach ihm jeder seiner rechtmäßigen Nachfolger, d.h. jeder römische Papst, ist das sichtbare Oberhaupt aller Christen, als der von Christus eingesetzte sichtbare Nachfolger und Stellvertreter. Deshalb bekam nur allein Petrus zuerst die Schlüssel des Himmelreichs (Mt. 16,19), deshalb prüft ihn Christus, ob er Ihn lieber habe als die übrigen Apostel und Er ihm die Aufsicht über Schafe und Lämmer übertragen könne (Joh. 21,15-17). Deshalb tut Petrus die erste Buße (Lk. 22,62). Deshalb bekam er von Christus den großen Auftrag: „Stärke deine Brüder“ (Lk. 22,32). Deshalb leitet er die Wahl eines Apostels (Apg. 1,15), wird stets allen Aposteln vorangesetzt (Mt. 10,2; Mk. 3,16; Apg. 1,13), nicht weil er der älteste war, denn das war Andreas, sein Bruder, sondern weil er das sichtbare Haupt sein sollte. Ein sichtbares Haupt aber hat die Christenheit noch weit notwendiger als ein irdisches Reich, das Gott zum unsichtbaren, aber eben deshalb den König zum sichtbaren Haupte als Stellvertreter Gottes hat. Und Christus, das unsichtbare Oberhaupt Seiner Kirche, sollte keinen sichtbaren Stellvertreter auf Erden haben? Das war Petrus; das ist so lange jeder Papst, als die Pforten der Hölle da sind.

Seht ihr, dass ihr Christus nicht ganz habt?

§ 7 - Ist es nicht genug, dass wir Christus in der Heiligen Schrift haben?

Christus ist nicht ganz in der Heiligen Schrift, nicht einmal Seine ganze Lehre, denn Er selber sagt (Joh. 16,12): „Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnt es nicht tragen.“ Viele Lehren sind nicht vollständig in der Schrift enthalten; in viele Lehren und Wahrheiten führte erst der Heilige Geist die Apostel ein (Joh. 16,13). Glaubt ihr, in drei Jahren habe Christus nicht mehr gelehrt und getan, als was in dem Evangelium steht? So steht nun, liebe Brüder, und haltet an den Satzungen, die euch gelehrt wurden, es sei durch unser Wort oder Epistel. So schreibt Paulus (2 Thess. 2,15). Er unterscheidet eine Lehre, die er mündlich, und eine Lehre, die er schriftlich gab, und die mündliche ist die erste, darum setzt er sie voran. Denn es gibt eine christliche Erblehre1 und eine christliche Schriftlehre. Daher haben die Katholiken mit allem Rechte manches, was nicht wörtlich in der Schrift steht, aber nichts, was wider sie ist, nichts, was nicht von Christus stammt. Der Jünger ist nicht über seinem Meister, noch der Knecht über dem Herrn (Mt. 10,21). Christus legte den Kern, vom Himmel gebracht, in die Erde, die Apostel begossen und pflanzten (1 Kor. 3,6). Ist nun der Baum, unter dessen Schatten sich die Völker der Erde sammeln, nicht des Herrn Werk (Mt. 13,31 u. 32)? Nichts hat sich verändert in der Kirche, nichts ist zu ihr von außen gekommen, nur aus Christus, ihrem Lebensmarke, hat sie sich erweitert, wie jede Pflanze aus sich herauswächst, im Laufe ihrer Zeit größer, mannigfaltiger, herrlicher wird und doch dieselbe Pflanze bleibt.

Und wie könnte Christus, unser Herr und Gott (Joh. 20,28), in der Heiligen Schrift, einem sichtbaren Werke, beschlossen sein! – Was ist die Heilige Schrift ohne Seinen Geist? Ein toter Buchstabe, den man deuten und drehen kann, wie man will. Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig (2 Kor. 3,6). Wir haben also den Geist Christi nötig, um die Schrift zu verstehen. Verstehst du auch, was du liest (Apg. 8,30 u. 31; Lk. 24,27; 2 Petr. 3,16)? Aber diesen Geist hat Christus nur Seinen geheiligten Nachfolgern zur Auslegung verheißen und nicht der Welt, die Ihn nicht kennt und nicht will. Die katholische Kirche legt allein die Schrift mit Christi Geist aus, in der protestantischen Kirche legt jeder aus sich die Heilige Schrift aus; die katholische Kirche sieht zu Christus empor durch alle Zeiten und ihre Auslegung und vernimmt den wahren Sinn, die protestantische Kirche schaut in sich hinein, und danach legt sie aus – wo muss die Wahrheit sein? Die protestantischen Geistlichen und Gelehrten haben nicht eine einzige Hauptstelle in der Heiligen Schrift, über die sie einig wären. Wüsstet ihr überhaupt, wie man mit der Schrift bei euch umgeht, euch würde grauen. Die wenigsten Protestanten glauben noch an die Schrift. Wie können sie dieselbe richtig auslegen? Das sollt ihr für das erste wissen, dass keine Weissagung in der Schrift geschieht aus eigener Auslegung, sondern die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben vom Geiste Gottes (2 Petr. 1,20 u. 21).

Die Protestanten müssen sich jede Auslegung der Schrift gefallen lassen; die Katholiken halten nur eine für wahr, nämlich die von Christus den Aposteln und ihren wahren Nachfolgern durch den Heiligen Geist gegebene und stets rein und unverfälscht erhaltene.

Und macht denn die Schrift allein zum Christen? So wenig, als mich die Beschreibung eines Handwerks zum Meister macht. – Sind denn die Protestanten strenge bei der Schrift geblieben? Nach dem, was wir bisher sahen, nicht. Sonst müssten sie sich die Füße waschen (Joh. 13,10), das Abendmahl nachts halten (Mt. 26,20), ungesäuertes Brot dabei essen, keine Kinder, sondern nur Erwachsene taufen und diese untertauchen, sich des Blutes und Erstickten enthalten (Apg. 15,20), die Kranken ölen (Jak. 5,14) usw.

Soll die Bibel allein gelten, so muss alles in ihr gelten; soll der Geist mehr als die Bibel gelten, so muss man sehen, wo dieser Geist ist.

Ihr sagt: Der Glaube allein macht selig, und die Schrift sagt: Ja, wenn er durch Liebe tätig ist (Gal. 5,6; Jak. 2,18). Und woher kommt der Glaube? Der Glaube kommt aus Predigern und Predigt, das Predigen aber durch Gottes Wort (Röm. 10,14-17). Was ist das echte Wort Gottes? Das weiß nur die Kirche, denn ihr ward es anvertraut, sie sah es schreiben, sie bewahrte die Urkunde des göttlichen Wortes allein; denn das Neue Testament lehrt oft und klar, dass es zuerst ein mündliches Wort Gottes, die Predigt und Erzählung der Apostel und ihrer Schüler, gab, hieraus entstand die Kirche (die ersten Christengemeinden), und dann erst wurde das mündliche Wort aufgeschrieben und gesammelt. Ist Christus in der Römisch-Katholischen Kirche ganz, wie ihr Anblick und ihre Geschichte lehrt, so weiß auch nur sie, was unverfälschtes Wort Gottes und welches sein wahrer Sinn sei. Wo also diese Kirche nicht ist, da ist kein Wort Gottes unzweifelhaft echt, keine sichere Auslegung, d.h. keine wahre Predigt und kein wahrer Glaube möglich.

§ 8 - Sind denn die Katholiken besser als die Protestanten?

Darauf kann nur Gott der Allwissende entscheidend antworten. So wie es sich im gemeinen Leben vor euren Augen herausstellt, ist der eine Teil so gut als der andere. Daher muss man so fragen: Wer von beiden Teilen hat die besten und meisten Gnadenmittel? Und kein Protestant kann leugnen, dass die Katholiken alle Gnadenmittel der Protestanten, diese aber nicht alle Gnadenmittel der Katholiken haben. Zeige mir deinen Glauben mit deinen Werken (Joh. 2,18)! Habt ihr Protestanten auch Heilige, Wundertäter, Blutzeugen, wie sie die katholische Kirche zu Tausenden aufzuweisen hat? Wir sind, sagt ihr, nicht so alt. Dann solltet ihr auch nicht klüger sein wollen als die Alten. Wir sind, sagt ihr ferner, unserer nicht so viele wie die Katholiken. Ja. Wenn nun zehn etwas behaupten und einer bestreitet es, wird wohl die Wahrheit nicht eher bei zehn als bei einem sein, auch vorausgesetzt, dass die elf gleich gut und gleich verständig sind? So seht ihr auch an der Anzahl euern Nachteil. – Könntet ihr euch umsehen, wie ich mich jahrelang umgesehen habe, so würdet ihr finden: So viele Sekten und Rotten wie bei Protestanten in einem kleinen Lande gibt es bei Katholiken auf der ganzen Erde nicht.

Bei weitem der größte Teil der vornehmen Protestanten verachtet Kirche und Sakramente ganz und gar und verspottet sie öffentlich in Wort und Tat. Einen ganz ungläubigen Geistlichen findet man zum Wunder unter den katholischen, aber zu Dutzenden unter den protestantischen.2 Die Protestanten geben ein Opfer (und wie klein!) in das Stiftungsvermögen, was aber fließt daraus den Armen zu? Man hat Kranke, aber keine besonderen Menschen, die freiwillig und unentgeltlich ihr ganzes Leben, wie z.B. die Barmherzigen Brüder und Schwestern unter den Katholiken, bei Kranken zubringen. Man hat Verirrte, wer geht ihnen nach? Man hat Heiden in fernen Gegenden, aber wer tut etwas für ihr Heil? Nur einige Sekten unter den Protestanten tun etwas für die Heidenwelt; die übrigen bekümmern sich um nichts der Art. Man findet wohltätige Geistliche unter den protestantischen, aber unter den katholischen ganze Gesellschaften, die nur das Nötigste für sich verwenden und alles freudig der Armut oder dem Reiche Gottes opfern. Nur bei einer einzigen hiesigen Kirchenzeitung laufen jährlich mehrere tausend Gulden ein zu frommen Zwecken, von lauter auch unbemittelten Katholiken. Überhaupt ist in katholischen Landen der Wohltätigkeitssinn weit größer als in protestantischen. Könntet ihr sehen, wie in katholischen Ländern Kranke gepflegt und Arme erquickt werden, in Klöstern und Spitälern, ihr würdet staunen. Darum: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen (Mt. 7,20)!

§ 9 - Wie steht es um den Gottesdienst der Katholiken?

Besser als ich es je bei Protestanten gesehen habe. Ihre Andacht ist inniger, unermüdet, auf alle gerichtet. „Betet ohne Unterlass“ (1 Thess. 4,17). Die herrlichen Kirchen fassen bald die andächtigen Zuhörer in der Predigt nicht mehr, und dass man dreimal in der Woche den Gottesdienst besucht, ist gewöhnlich. Die meisten verrichten täglich ihre Andacht daselbst. Ich habe katholische Predigten gehört, wie ich noch keine gehört habe, voll Glauben, Feuer und Geist. Außer der Predigt aber haben sie noch einen so herrlichen Gottesdienst voll Demut, Buße und Trost, dass man ihn nur verstehen lernen darf, um für ihn begeistert zu werden. Diesen sieht David im Geiste (Ps. 27,4).

Wenn dagegen euch die Predigt nicht befriedigt, wie leer geht ihr aus! Muss dann nicht eure Seele verschmachten? Also hängt euer Gottesdienst von einem Menschen ab! Ist das tröstlich?

Oder stoßen euch am katholischen Gottesdienste manche Gebräuche und Zeremonien ab? Diese sind notwendig, damit der Mensch von außen auch angeregt werde zur Heiligkeit. Es gibt keinen Gebrauch in der katholischen Kirche ohne einen frommen und schönen Sinn, und alles ist darauf berechnet, dass wir schwache Menschen sind, welche allein vom Äußeren zum Inneren, vom Sinnlichen zum Geistigen, gelangen können. Und gibt es auch nur ein Volk, das nicht seine Gebräuche hat und sogar schlimme, und wie fest hält es daran! – Seht die Schönheit der katholischen Tempel, ihre Reinlichkeit, ihren Schmuck, hört den feierlichen Gesang, die sanfte Musik, das gemeinschaftliche Gebet, betrachtet ihre Bilder, die uns nur an Heiliges erinnern und Dankbarkeit und gute Vorsätze in uns rege machen! Ist mir das Bild meiner leiblichen Eltern heilig, so ist mir das Bild meiner geistlichen Voreltern, Christi und Seiner heiligen Zeugen, deren Tod wert gehalten ist vor dem Herrn (Ps. 116,15), noch weit heiliger. Kein Katholik betet Bilder an, sondern er erhebt daran seine Andacht, denn diese ist eine Leiter, die nicht genug Sprossen haben kann, Wie tröstlich und wohltätig für ein gefühlvolles Herz! – Warum soll es nach dem Tode keinen Mittelstand zwischen Himmel und Hölle geben? Lest doch 2 Makk. 12,43-46. Es ist Lehre der Heiligen weil sie zum höchsten Gott führen soll.

Seht die Totenfeier der Katholiken an. Bei ihnen leben die Toten in Verbindung mit den Lebenden fort, denn entweder beten die Toten für die Zurückgebliebenen, oder diese für die Toten, und zwar täglich. An einem Tage des Jahres aber, am 2. November, gedenkt alles in Rührung und frommen Gelübden der teuren Entschlafenen, besucht und schmückt ihre Gräber. Wie tröstlich und wohltätig für ein gefühlvolles Herz! Warum soll es nach dem Tode keinen Mittelstand zwischen Himmel und Hölle geben? Lest doch 2 Makk. 12,43-46. Es ist Lehre der Heiligen Schrift, dass auf den Tod das Gericht folgt (Hebr. 9,27). Ein Teil – die Heiligen – stirbt so in der Gnade, dass er sogleich rein zur Seligkeit eingeht (Joh. 5,24; Lk. 16,22), oder so, dass er als noch mit Schwäche und ungebüßten Strafen behaftet, in den Reinigungsort, Fegefeuer genannt, versetzt wird. Die Übrigen verfallen der Verdammnis (Lk. 16,23). Die meisten Menschen sterben so, dass sie nicht ganz verdammt und nicht ganz selig werden können. Deshalb ist Christus zur Unterwelt herabgestiegen, weil da noch Menschen waren, die gerettet werden konnten (1 Petr. 3,19 u. 20). Darum sagt Christus (Mt. 12,32), es gebe nur eine Sünde, die weder in dieser noch in jener Welt vergeben werden könne. Also müssen auch in jener Welt noch Sünden vergeben werden, und das nennen die Katholiken das Fegefeuer oder den Reinigungszustand der Seelen nach dem Tode voller Schmerzen. Jedes Werk wird durch Feuer offenbar werden, sagt Paulus (1 Kor. 3,13). Gibt es einen Mittelzustand, so muss es auch eine Fürbitte für die Verstorbenen geben. Tut Fürbitte für jedermann (1 Tim. 2,1)!

§ 10 - Werden wir Protestanten nicht selig?

Die katholische Kirche verdammt euch nicht und spricht euch nicht selig, denn alles Gericht hat der Vater dem Sohne übergeben (Joh. 5,22), aber die katholische Kirche betet unablässig für euch. Die Heilige Schrift lehrt, dass Gott übersieht die Zeit der Unwissenheit; nun aber gebietet Er allen Menschen an allen Enden, Buße zu tun (Apg. 17,30). Wer nicht zur katholischen Kirche gehört ohne seine Schuld, wider sein Wissen und Willen, wer in Einfalt des Herzens der Meinung ist, er habe Christum in sich und Teil an ihm, der ist nur blind geboren und hat noch niemanden gefunden, der ihm die Augen öffnet! Sollen aber die Werke Gottes nicht an ihm offenbar werden (Joh. 9,3)? Wer aber von dem Besseren gehört hat und doch nicht bitten, suchen, anklopfen, prüfen will, der stirbt in seinen Sünden und kann nicht hinkommen, wo Christus ist (Joh. 8,21). Darum habe ich alles verlassen, um Christo nachzufolgen, und alles für Schaden geachtet, um Christum zu gewinnen (Mt. 4,20 u. 19,27; Philipp. 3,8).

§ 11 - Wenn der protestantische Glaube noch nicht vollständig ist, kann er es nicht nach und nach werden?

Warum ist er es nicht bis jetzt geworden? Warum ist er nach dem Geständnisse unzähliger Protestanten stets im Abnehmen begriffen?

„Ohne Mich könnt ihr nichts tun“, sagt der Herr (Joh. 15,5). Denn wenn die Rebe abgeschnitten ist vom Stocke, so verdorrt sie und – muss brennen (Joh. 15,6). So sind die Protestanten abgeschnitten von der einzigen, allgemeinen Kirche Jesu, und da Er das Haupt der Kirche ist, so sind sie auch von Christus getrennt. Darum so viel Unglaube, Kälte, Hochmut, Gleichgültigkeit und Sektengeist unter ihnen. Nur noch einige Stücke, Trümmer, haben sie von Christus aus der katholischen Kirche mit hinüber genommen, und an diese will der Herr täglich sich wieder ganz anknüpfen, wenn sie sich zu Seiner Kirche wenden (Mt. 18,17). Wer die Gemeinde, d.h. die Kirche, nicht hört, ist wie ein Heide und Zöllner. Nur die Kirche ist Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit (1 Tim. 3,15). Wie, wo, wann soll es besser werden mit dem protestantischen Glauben, da es Protestanten gibt, die die Schrift auslegen, wie sie wollen, Protestanten, die sie gar nicht verstehen und nicht lieben, Protestanten, die sie ein altes Weibermärlein nennen, Christus für einen bloßen Menschen ausgeben, Seine Sakramente für überflüssige Dinge, Predigt und Kirche für ganz unnütze Anstalten öffentlich in ihren Schriften ausschreien! Nirgends ist unter ihnen mehr Einigkeit und Begeisterung für ihren Glauben, überall nur Lauigkeit, Kälte, Tod. Nur einige Sekten haben noch einige Wärme, verachten aber die anderen, sondern sich ab und verfallen darum in Heuchelei und Hochmut (Lk. 18,9-14).

Mitten unter protestantischen Gelehrten hört man schlimmere Dinge als unter Heiden, und unrettbar eilt der protestantische Glaube seinem Untergange entgegen. Die Zeit wird kommen, wo eure Kirchen leer stehen, eure Schulen euch keine gehorsamen Kinder mehr geben, euer Familienglück zu Grunde gehen und mit dem himmlischen aller zeitliche Segen verschwinden wird. Noch könnt ihr vorbeugen. Heute, so ihr Gottes Stimme hört, verstockt eure Herzen nicht (Ps. 95,7 u. 8). Wer weiß, ob es nicht bald zu spät sein wird?

Fest steht der Felsen Christi in der katholischen Kirche; nichts hat sie verloren, alles gerettet durch die Stürme der Zeit und der Welt. – Christus in Petrus und den Aposteln, die Kirche auf diese gegründet und in der Kirche alles Heil, aller Trost, alle Gnade in Ewigkeit! So habe ich es durch Gottes Hilfe gefunden, so will ich es bekennen, darauf will ich leben, leiden und sterben. Gott helfe mir, ich kann nicht anders!

§ 12 - Warum redest du so zu uns?

Weil mich die Liebe Christi dazu drängt. Es ist mir oft zu Mute, wie ihr es lest (Röm. 9,1-3): Eure Augen zu öffnen, eure Seelen zu retten, möchte ich fast selbst verbannt sein von Christus! Nicht um mich zu rechtfertigen rede ich, denn ihr seid nicht meine Richter; ich stehe oder falle, so stehe oder falle ich meinem Herrn (Röm. 14,4).

Was hat mich katholisch gemacht? Des Herrn Gnade in meinen Schicksalen, in Seinen Züchtigungen, in Seinem Segen bei meinem Suchen. Kein Mensch hat mir zugeredet, viele aber haben mir abgeredet; kein Mensch hat mir Versprechen gemacht. Opfer aller Art habe ich gebracht, der Schmach und Armut mich ausgesetzt, ein schönes Amt niedergelegt. Wer darf mich unredlicher Absichten beschuldigen unter solchen euch wohlbekannten Umständen?

Und was habe ich Tag und Nacht in meinem Inneren nicht durchkämpfen müssen, bis meine Schwachheit überwunden war und Christus in mir eine Gestalt gewann (Gal. 4,19)!

Nur einiges habe ich euch über die Herrlichkeit der katholischen Kirche gesagt und ihre Wahrheit, nur einiges über die Irrtümer des protestantischen Glaubens. Wahrlich, ich hätte euch noch viel zu sagen. Mehr jedoch sage ich in einem Buche, das demnächst erscheinen wird und in welchem ich euren Pfarrern sowie den höheren Ständen eures Glaubens den Beweis für meinen Glauben vorlegen werde mit gewohnter Offenheit.

Bin ich denn aber der einzige Protestant, der katholisch geworden ist? Bereits zählt man 725 ausgezeichnete Männer und Weiber aus den höheren und höchsten Ständen, darunter auch mehrere Geistliche, die den Irrtümern des Protestantismus entsagt haben und katholisch geworden sind. Noch mehr. In England haben sich in kurzer Zeit wenigstens neuntausend Seelen, darunter fast alle Geistliche, zur katholischen Kirche bekehrt. Bis ein Katholik protestantisch wird, werden wenigstens zehn Protestanten katholisch. In acht Jahren wurden in Ungarn 3860 Protestanten katholisch, in England kehren jährlich fünf- bis sechstausend Protestanten zur katholischen Kirche zurück. Erkennt ihr aus diesen Zeichen nicht die Zeit, dass der eine Hirte eine Herde sich schaffen will (Joh. 10,16)?

O dass ihr die große Zeit auch eurer Heimsuchung erkennen möchtet (Lk. 19,42) und dafür wirken, so lange es Tag ist (Joh. 9,4)! Bekennt den Herrn vor der Menschen, auf dass Er euch bekenne vor Seinem himmlischen Vater (Mt. 10,32). „Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn Mich“, spricht Er, „der ist Meiner nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um Meinetwillen, der wird es finden“ (Mt. 10,37-40). – Das ist mein tägliches Gebet für euch, dass ihr euch mutig aufmacht und den Herrn sucht, wo Er allein zu finden ist.

Gedenkt meiner in Liebe, wie ich nie aufhören werde, eurer zu gedenken. Der Herr führe uns so, dass Er einst uns alle wieder vereinigen könne! Amen.

Mit Dank und Liebe

euer ehemaliger Seelsorger

Carl Haas

Augsburg, den 14. Januar 1844

Verteidigung der katholischen Kirche

von Dr. Karl HaasTübingen, 1857

1 Tradition

2 Darunter verstehe ich besonders die vulgärrationalistische Richtung und die Hegelsche. – Haas

Vorwort

In einer deutschen Stadt lebte ein Advokat, vor Gott und der Welt als Schelm bekannt. Er mochte es aber treiben, wie er wollte, so führte er stets das Wort im Munde: „Ich bin ein ehrlicher Mann.“ Zuerst ärgerten sich die Leute über diese Unverschämtheit des Advokaten. Da sich dieser aber nicht irre machen ließ, so lachte man nachher darüber, und zuletzt hieß er „der ehrliche Mann“.

Die meisten Menschen glauben das Gute vom anderen nicht so gerne wie das Böse. Wenn man daher einem recht oft etwas Böses nachsagt, so darf man darauf rechnen, dass die meisten es glauben. So ging es der katholischen Kirche. Da ihre Feinde ihr nichts Schlimmes in Wahrheit nachsagen konnten, so erdichteten und brachten sie üble Nachreden auf. Sie wiederholten diese üblen Nachreden so lange, bis die Leute sie glaubten und nachschwatzten.

Es gibt namentlich in Deutschland unter sogenannten gebildeten und ungebildeten Leuten so manches Geschichtlein über die katholische Kirche und so manchen Vorwurf gegen sie, an welchen auch nicht ein wahres Wort ist, und Leute, welche über jede Überlieferung spotten und schmähen, halten an der Überlieferung gewisser Lügen steif und fest.

Wohl sind diese Lügen längst aufgedeckt und widerlegt, aber in zerstreuten Werken, gelehrten Schriften und Darstellungen, hinter welche viele sehr selten und die Leute aus dem Volke gar nie kommen und welche sie auch kaum verstehen würden. Daher ist es mir auch mehr als einmal vorgekommen, dass ich von Herren und gemeinen Leuten über solche Lügen gefragt wurde, ob denn und was daran sei? Denn das deutsche Volk hat sich sehr geändert; sonst hieß es: der lügt wie gedruckt; jetzt meint man, was gedruckt sei, könne doch nicht ganz erlogen sein.

Auch geht es mit gewissen Wahrheiten wie mit dem Kreuz und Knopf auf dem Kirchturm: Viele halten sie für so klein, wie sie aussehen, und das, was so klein vor ihren Füßen liegt, für so groß, wie sie es sich einbilden. Denn um über das Irdische so weit wegzukommen, dass man es nur noch als gar klein sieht, und um so nahe zum Himmlischen zu kommen, dass man es recht groß sieht, muss man zwei Flügel haben, nämlich das Gebet und die Gerechtigkeit. Vor diesen versinkt das Irdische und erhebt sich das Himmlische. Stolz und Eigendünkel aber sitzen bei vielen da, wo jene Flügel sein sollten, und so können sie nicht in die Höhe, und Gott kann nicht in ihre Tiefe kommen.

Unter der Menge von Lügen, Vorwürfen und üblen Nachreden, die man durch stetes Hersagen unter das Volk und zur Geltung gebracht hat, habe ich nun diejenigen ausgewählt, von denen ich meinte, man solle sie auch vor dem Volke zu Schanden machen, und zwar in der einfachsten Darstellung, mit Hilfe der Geschichte und des gesunden Menschenverstandes. Dass es noch weit mehr solcher alten Lügen über die Kirche gibt, weiß ich wohl, aber gegenwärtiges Buch soll nicht groß und nicht teuer sein, um es unter das Volk zu bringen, und so musste ich mich bei dieser Jagd auf Bären, die sich viele Deutsche aufbinden ließen, auf nachfolgende zwanzig Stücke beschränken. Vielleicht lernt man an den größten auch die kleineren erkennen; vielleicht wird die Jagd von besseren Schützen fortgesetzt, wenn sie sehen, dass man endlich Geschmack daran findet, ohne Bären der Ewigkeit zuzuwandern. – Wo ich den rechten Fleck nicht getroffen, da bitte ich, mich darauf aufmerksam zu machen, sei es in der Form oder Materie.

Augsburg, 1857

Der Verfasser

I. Der Kirchenstaat

Der Kirchenstaat ist ein unchristliches Ding, so hört man schon dreihundert Jahre sagen.

Dass der oberste geistliche Herr auf Erden auch zugleich ein weltlicher Fürst ist, dass der Papst ein eigenes Ländergebiet hat, dass der sichtbare Nachfolger und Statthalter Christi ein Reich auf dieser Erde besitzt, will vielen nicht behagen. So lange dieser Kirchenstaat besteht, hat es Leute gegeben, die Mäuse wider ihn hatten. Aber diese Mäuse sind unbeachtet dahingegangen, und der Kirchenstaat ist geblieben. Je mehr Neider und Feinde der Kirchenstaat hat, um so fester scheint er zu stehen. Fast in keinem Jahrhundert hat es an großen und mächtigen Herren gefehlt, die da meinten, das schöne Land, das dem Papste gehöre, wäre besser in ihren Händen. Aber so oft sie danach griffen, verbrannten sie sich die Finger. Zu allen Zeiten gab es aber auch wieder andere große Herren, welche es nicht anders wussten, als dass dem Papste der Kirchenstaat mit Recht gehöre und sozusagen das älteste Reich auf Erden sei. Ja, sie meinten, wenn man so ein Reich nicht respektiere, so werde man zuletzt gar kein Reich mehr unangetastet lassen.

Das, meine ich, sei leicht einzusehen: Wenn der Kirchenstaat kein so ganz richtiges Gut ist, so ist es sonderbar, dass man in so vielen hundert Jahren nicht mit ihm fertig geworden ist, das heißt, dass es immer noch ein weltliches Papstreich gibt. Hat es aber mit diesem Reiche seine Richtigkeit, so ist es noch sonderbarer, es so lange und vergeblich anzustreiten.

Sein Recht mag dieser Staat haben, sagen andere, das sieht man schon an seinem langen Bestehen; aber es taugt eben kein weltliches Reich für den Papst, denn Christus, sein Herr und Meister, hatte kein Reich auf Erden, ja kein eigenes Plätzchen, auf dem er nur sein Haupt hätte ruhen lassen können, und zudem hat der arme Menschensohn deutlich gesagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ – Aber da muss ich doch etwas fragen: Hat denn der Kirchenstaat die Päpste gehindert, ihr geistliches Amt recht zu verwalten? Wir werden später jemand erzählen lassen, der alles selber erlebt hat und es also am besten weiß; ich meine die Geschichte. Sie kann uns sagen, wie die Päpste zu ihrem Reiche gekommen sind und ob sie es zum Nutzen der Menschheit oder zum Schaden derselben verwaltet haben. Hat ein Hausvater viele Kinder und hat ihm der liebe Gott Güter dazu beschert und erhalten, so ist es doch unvernünftig, zu sagen: „Hausvater, deine Güter hindern dich an der Kindererziehung, also schenke sie weg, damit du deine Vaterpflichten besser erfüllen kannst.“ Ja, mancher hat da und dort ein Kind schon versorgt, kommt es aber in Not, so läuft es eben wieder zum Vater um Hilfe, und wie gut ist es, wenn der gute Vater noch etwas hat! So wird uns auch die Geschichte erzählen, wie viele in gar vielen Zeiten oft nur den letzten Schutz und die einzige Hilfe beim Papste in Rom fanden und dass dieser so oft nur helfen konnte, weil er ein weltliches Reich, ein Fürstentum hatte.

Wahr ist es, dass Christus arm auf Erden war und blieb und Seinen Jüngern wohl kein Wörtchen von einem weltlichen Reiche sagte. Und doch kam dieses mit der Zeit an Seinen Statthalter, aber es gehörte nie zum Reiche Christi, denn dieses Reich bestand lange bevor es einen Kirchenstaat gab und kann heute oder morgen ohne diesen bestehen. Aber ob dieser Kirchenstaat nicht förderlich für das Reich Christi war, ist eine andere Frage. Mein Kleid gehört gewiss nicht zur Seligkeit, und doch kann es mein Leben verlängern und mir sonst Mittel und Weg werden, meine Pflicht zu erfüllen und Gutes zu tun und so meiner Seligkeit zu dienen.

Sooft ich in Gedanken das päpstliche Fürstentum ansehe, wie es entstanden ist und erhalten worden, so oft meine ich, es sei auch wirklich kein Reich von dieser Welt, sondern von oben zu seinem Zwecke geschaffen und bestimmt. Freilich gibt es superkluge Leute, die mit allem bald fertig sind und kurzweg sagen: Der Kirchenstaat ist eben durch die List der Päpste und die Dummheit der Kaiser, die nicht merkten, was vorging, entstanden. Nun, wenn die Päpste gar so gescheit und die Kaiser gar so dumm waren, wird es kein großes Unglück sein, wenn die Gescheiten etwas bekamen, was die Dummen nicht verstanden.

Fragt man die klugen Feinde des Kirchenstaats: „Warum haben denn die Päpste diese Länder sich zusammengebracht?“, so wissen sie auch hier kurzen Bescheid: „Das haben die Päpste aus Ehrgeiz und Herrschsucht getan.“ Aber da begreife ich nur zwei Stücke nicht: 1. Wie der gerechte Gott solche Sünde des Ehrgeizes und der Herrschsucht an dem Papste so lange nicht straft, sondern ihn wunderbar dabei beschützt, und 2. wie man mit so ungerechtem Gute so viel Gutes zustande bringen kann, wie die Päpste mit ihrem Reiche zustande gebracht haben. Denn die allergrimmigsten Papstfeinde können nicht leugnen, dass die Päpste viel Gutes, gerade als weltliche Fürsten, vollbracht haben. Und wenn sogar die Papstfeinde etwas aus der Geschichte herausgeschnitten und etwas von anderem Zeuge hineingesetzt haben, so hat es eben nicht zusammengepasst, das Eingesetzte ist bald zerrissen, und das Herausgeschnittene hat man wieder gefunden und eingesetzt.

Statt also eine Menge Fragen und Einwendungen zu beantworten, soll der wahrhaftige Mund, der stets mit Ehren besteht, soll die Geschichte uns sagen, wie es mit diesem Kirchenstaat auf Erden gegangen ist.

Es hat lange Zeit Päpste gegeben, bevor es einen Kirchenstaat gegeben hat. Arm und niedrig kamen die heiligen Apostel Paulus und Petrus nach Rom, starben dort den Martertod, und hierauf hatte Petrus noch 32 Nachfolger als Päpste, von denen keiner Fürst oder Landesherr war. Aber eine Herrschaft hatten sie schon in ihrer tiefsten Erniedrigung – eine Herrschaft über die Herzen und Geister der Christen, und da diese Herrschaft sich auf den Befehl Christi gründete, zu wachen über die Herde, die Schafe und Lämmer zu weiden, und mit Liebe geübt wurde nach dem Vorbilde des Herrn, so ging es, wie es noch immer geht: Wem man sein höchstes Wohl, das Heil der Seele, anvertraut, dem vertraut man auch das Geringere gerne an, das Irdische, ja man lässt ihm keine Ruhe, bis er sich auch zuweilen einer weltlichen Sache annimmt, besonders in einer Zeit, wo man sonst keinen Freund und Ratgeber, keinen Richter und Friedensstifter auftreiben kann. Das siehst du schon an der ersten Christengemeinde in Jerusalem: Sie hatte ihren Schatz im Himmel und legte darum Hab und Gut zu den Füßen der Apostel, so dass diese fast in ihrem Hauptgeschäfte gestört worden wären. Denn sie mussten alsbald Armenpfleger aufstellen. Lies nur das zweite, vierte und sechste Kapitel der Apostelgeschichte.

Jetzt aber soll von Rom die Rede sein, denn dort war Petrus der erste Papst, und dort blieb bis heute mit wenigen Unterbrechungen der päpstliche Stuhl stehen, und was ihm jetzt von Land und Leuten gehört, heißt heute noch Patrimonium Petri, auf Deutsch: Erbgut des Petrus. Ein schöner Ausdruck; er erinnert daran, dass man damit das päpstliche Erdenreich auch auf den Petrus zurückführe, gleichsam als seine irdische Hinterlassenschaft betrachte, und dass jeder Papst nur Verwalter dieses Erbguts sei. So wenig Petrus und seine 32 ersten Nachfolger hinterlassen haben an irdischem Geld und Gut, so schön ist es, dass man doch alles ihrem Segen zuschreibt und kein Papst bei aller irdischen Macht und Herrlichkeit das vergessen durfte.

In Rom ging es gar lange den Christen noch schlechter als in Jerusalem. Denn in der Hauptstadt des Judenlandes konnten sich doch die Christen in Häusern versammeln, und gar lange durften die Juden sie auch nicht quälen, weil die Römer zur Strafe von Gott gesandt wurden, um ihr eigenes Wort an ihnen zu erfüllen: „Jesu Blut komme über uns und unsere Kinder!“ (Mt. 27,25) Anders sah es in Rom aus. Das war die Hauptstadt der Welt, denn die Römer beherrschten damals fast alle bekannten Länder der Erde, und ihrer Macht widerstand nichts mehr. Und so schlecht es in den Sitten stand, da man nicht einmal den noch etwas besseren Glauben der Väter gelten ließ, so warf der weise Gott das große Gebäude, das römisches Reich hieß, doch nicht um, weil er es noch eine Zeit lang für sein Reich verwenden wollte. Denn durch dieses große Reich kam das Christentum schneller und leichter in der Welt herum, als es bei kleineren Reichen sonst der Fall ist. In alle Welt sollten aber die Apostel gehen, und da ist es doch kein Wunder, dass der Hauptapostel, der erste Statthalter Christi, nach Rom ging. Denn setzt man etwas in der Hauptstadt durch, so hat man viel dafür im ganzen Reiche gewonnen.

Damals aber, als Petrus nach Rom kam, sah es schlimm aus in dieser Weltstadt. Denn da wohnten Macht und Glanz neben Entnervung und Sklaverei, Reichtum und Wollüste neben Armut und Elend, und was das Schlimmste war: Arme und Reiche, Kleine und Große, Sklaven und Freie waren gleich tief gesunken und im Grunde gleich unglücklich und verächtlich. Nur wenige gab es noch, welche das allgemeine Elend ein wenig einsahen, aber keine Abhilfe wussten und darum nichts glaubten, als dass es so nicht fortgehen könne und man nur auf das Schlimmste sich gefasst halten dürfe.

In diesen Morast von Sünde und Elend sollte das Christentum Rettung bringen. Aber das Unreine kann das Reine nicht ausstehen, und das Reine flieht das Unreine, um nicht angesteckt zu werden. Taumelte auf dem Boden Roms nur Üppigkeit und Laster, so verkroch sich das Christenhäuflein vor diesem rohen Haufen unter den Boden und erstarkte dort, während das Geschlecht über ihm immer mehr faulte.