Verwurzelt in der Caritas - Daniela Blank - E-Book

Verwurzelt in der Caritas E-Book

Daniela Blank

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Beschreibung

Die "Gemeinschaft katholischer Gemeindereferentinnen" wurde 1926 von Pater Wilhelm Wiesen und Margarete Ruckmich als "Berufsgemeinschaft katholischer Gemeinde- und Caritashelferinnen" gegründet. Die Gemeinschaft von Frauen, die erstmals hauptamtlich in der Pastoral der Katholischen Kirche tätig sind, stellt für ihre Mitglieder eine religiöse, fachliche und soziale Gemeinschaft dar. Die Gemeinschaft löst sich im Jahr 2014 auf. Das vorliegende Werk geht den Ursachen hierfür auf den Grund und beleuchtet zugleich den Beitrag der Gemeinschaft für die Ausarbeitung des Berufsbildes der heutigen Gemeindereferentin (sowie des Gemeindereferenten). Dabei lässt es durch Interviews von ehemaligen Mitgliedern auch Stimmen aus der Gemeinschaft selbst zu Wort kommen.

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32

Studien

zur Theologie und Praxis

der Caritas und Sozialen Pastoral

Herausgegeben von

Klaus Baumann und

Ursula Nothelle-Wildfeuer

Begründet von

Heinrich Pompeÿ und

Lothar Roos

Band 32

Daniela Blank

Verwurzelt in der Caritas

Die Entwicklung der Gemeinschaft katholischer Gemeindereferentinnen e.V. zwischen 1926–2014

echter

Als Dissertation an der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. eingereicht am 10. 01. 2018,

im Promotionsausschuss angenommen am 20. 11. 2018.

Feststellung des Gesamtergebnisses der Promotion am 06. 12. 2018.

Dekan: Prof. Dr. Karl-Heinz Braun

Erstgutachter: Prof. Dr. Klaus Baumann

Zweitgutachter: Prof. Dr. Karl-Heinz Braun

D 25

Bibliografische Information

der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese

Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ›http://dnb.d-nb.de‹ abrufbar.

1. Auflage 2019

© 2019 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter.de

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

ISBN

978-3-429-05305-5

978-3-429-04992-8(PDF)

978-3-429-06402-0(ePub)

Vorwort

„Es reicht nicht, wenn Frauen Geschichte machen – sie muss auch erinnert werden.“1

Dieses Zitat der evangelischen Theologin und Pfarrerin Ellen Ueberschär aus ihrer Veröffentlichung „Fürchtet euch nicht! Frauen machen Kirche.“ zeigt meine Motivation für die vorliegende Arbeit auf. Frauen schreiben Geschichte, auch in der Katholischen Kirche, jedoch wird diese häufig nicht festgehalten. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt ins Vergessen. Wenn (Kirchen-) Historie aber dem Anspruch einer möglichst wahrheitsgetreuen Wiedergabe gerecht werden möchte, darf ein Vergessen nicht geschehen. Der zumeist selbstlose Einsatz der Frauen in der Seelsorge für die Menschen und die sich selbst zurücknehmende Haltung vieler Mitglieder der in der vorliegenden Arbeit porträtierten Berufsgemeinschaft soll nicht dazu führen, dass dieser Part der Historie in Vergessenheit gerät.

Demnach widme ich diese Dissertationsschrift, die am 10.01.2018 an der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eingereicht und vom Promotionsausschuss am 20.11.2018 angenommen wurde, und damit im Jahr des 90-jährigen Jubiläums der ersten Ausbildungsstätte für Gemeindehelferinnen eingereicht wurde, mit tiefem Respekt und großer Anerkennung allen bisher ungenannten und der Öffentlichkeit unbekannten Frauen, die sich innerhalb der Katholischen Kirche, gestern, heute oder morgen und trotz aller Herausforderungen, die dieses Engagement mit sich brachte und bringt, engagier(t)en.

Mein Dank gilt folgenden Personen, die mich während der Bearbeitung unterstützten: Herzlich danke ich vor allem meinem Erstbetreuer Prof. Klaus Baumann für die regelmäßigen hilfreichen und inspirierenden Gespräche. Ebenso danke ich meinem Zweitbetreuer Prof. Karl-Heinz Braun für den Austausch in Bezug auf kirchenhistorische Aspekte.

Herzlichen Dank richte ich auch an Dr. Dieter Fuchs, welcher mir auf dem Gebiet der qualitativen Forschung bei Fragen zur Seite stand. Bedanken möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam mit mir den Weg der Promotion begingen: Für die wertvollen Rückmeldungen, die gegenseitige Motivation und das stets unterstützende Miteinander. Eine wertvolle Unterstützung bot mir ebenfalls die Graduiertenschule Humanities. Den Mitgliedern der dort angegliederten interdisziplinären Arbeitsgruppe Biografien danke ich herzlich für die hilfreichen Inputs.

Danken möchte ich weiter den Mitarbeitenden der Archive, die eine wesentliche Quelle der Information für die Recherche darstellten: Ich danke Gabriele Witolla, Andrea Renner-Palat und Mathias Reininger vom Archiv des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg. Weiter danke ich Dr. Katharina Seifert und Verena Baader vom Margarete-Ruckmich-Haus in Freiburg für die Einblicke ins Hausarchiv sowie Dr. Christoph Schmider und Dr. László Strauß-Németh vom Erzbischöflichen Archiv Freiburg und Josef Bilstein vom Archiv des Bonifatiuswerkes in Paderborn. Ein Dankeschön richte ich auch an Pater Dietmar Weber vom Provinzialat der Kamillianer in Essen.

Besonderer Dank gilt allen Interviewpartnerinnen, die mir ihr Vertrauen schenkten. Danken möchte ich weiterhin dem (ehemaligen) Vorstand der Gemeinschaft katholischer Gemeindereferentinnen für die Unterstützung. Außerdem danke ich einzelnen Personen, welche mir ihre privaten Unterlagen bereitwillig zur Verfügung gestellt haben. Weiter danke ich den Studierenden in der Ausbildung der zukünftigen Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten im Margarete-Ruckmich-Haus, die mir einen Einblick in die Hausgemeinschaft gewährten. Der Erzbischof-Hermann-Stiftung der Erzdiözese Freiburg danke ich sehr für ihre Unterstützung durch die Förderung der Studie. Ebenso bedanke ich mich für das gewährte Promotionsabschlussstipendium nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz (LGFG). Für den gewährten Druckkostenzuschuss für diese Publikation bedanke ich mich ebenfalls sehr bei der Erzdiözese Freiburg.

Daniela Blank

Freiburg im Breisgau, im Dezember 2018

1 Überschär (2012), 70.

INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

1.1 Forschungsgegenstand und -ziele

1.1.1 Forschungsgegenstand

1.1.2 Fragestellungen

1.2 Forschungsstand und Quellenlage

1.2.1 Stand der Forschung

1.2.2 Quellenlage

1.3 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit

2. ENTSTEHUNG, ENTWICKLUNG UND AUFLÖSUNG EINER BERUFSGEMEINSCHAFT

2.1 Wegbereitung zur Entwicklung eines neuen Laienberufes für die Frau in der Katholischen Kirche (1850-1925)

2.1.1 Die Frau zur Jahrhundertwende

2.1.2 Katholische Kirche und die Herausforderungen der Seelsorge um 1900

2.1.3 Maßnahmen des Deutschen Caritasverbandes

2.1.4 Errichtung des Instituts für Caritaswissenschaft in Freiburg

2.1.5 Der Bonifatiusverein Paderborn und die Diasporahelferinnen

2.1.6 Parallele Entwicklungen in der evangelischen Kirche: Die Gemeindehelferin

2.2 Exkurs: Margarete Ruckmich und Pater Wilhelm Wiesen

2.2.1 Margarete Ruckmich

2.2.2 Pater Wilhelm Wiesen

2.3 Gründung der Vereinigung der Katholischen Gemeinde- und Caritashelferinnen (1926)

2.3.1 Erster Kurs und Gründungsmitglieder der Berufsgemeinschaft

2.3.2 Das erste Treffen in Bad Honnef 1927

2.3.3 Zweck des Zusammenschlusses: Aufbau, Ziele, Aufnahmekriterien und Erkennungszeichen

2.3.4 Religiöse Grundsätze der Berufsgemeinschaft

2.4 Die ersten Jahre in der Berufsgemeinschaft Katholischer Gemeindehelferinnen (1926-1933)

2.4.1 Berufliche Perspektiven der Frau in den 1920er Jahren

2.4.2 Zeichen der Zugehörigkeit und Erkennungsmerkmale: Ein eigenes Berufskleid und eine Brosche

2.4.3 Gründung der Katholischen Gemeindehelferinnenschule im Jahre 1928

2.4.4 Das Erholungsheim Frohhof im Schwarzwald

2.4.5 Ziele der Berufsgemeinschaft: Innere und äußere Sicherung des Berufsbildes

2.4.6 Die Zusammenarbeit mit dem Bonifatiusverein Paderborn

2.5 Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg: Koordinaten der Berufsgemeinschaft (1933-1946)

2.5.1 Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die Katholische Kirche und die Berufsgemeinschaft

2.5.2 Arbeit der Geschäftsstelle in der Kriegszeit

2.5.3 Frau und Berufstätigkeit zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit

2.5.4 Änderung der Satzungen, Ausbau der Dienstverträge und zusätzliche Altersvorsorge

2.5.5 Gründung der Schulungs- und Beratungsstelle für Ordensfrauen (1941)

2.5.6 Die Diözesen und die Berufsgemeinschaft

2.5.7 Der Einsatz des Klerus für den Beruf der Seelsorgehelferin

2.6 Die Berufsgemeinschaft in der Nachkriegszeit (1947-1960)

2.6.1 Seelsorgehilfe in der Diaspora und die Rolle des Bonifatiusvereins

2.6.2 Die Berufsgemeinschaft der Diaspora-Seelsorgehelferinnen im Bonifatiuswerk (DSB)

2.6.3 Ein Seelsorgehelferinnenbund als Konkurrenz zur Berufsgemeinschaft

2.6.4 Die Gründung von Seminaren für Seelsorgehilfe

2.6.5 Die Trennung von Seminar und Berufsgemeinschaft

2.6.6 Das Bruder-Klaus-Heim

2.6.7 Das St. Praxediswerk

2.6.8 Überlegungen zur Umwandlung in ein Säkularinstitut und die Gründung der Gemeinschaft St. Praxedis

2.6.9 Ein neues Haus in Essen-Heidhausen: Das Praxedisheim

2.6.10 Die Schulungs- und Beratungsstelle für Ordensfrauen wird zur Schulungs- und Beratungsstelle für Seelsorgehelferinnen (1944-47)

2.6.11 Die ersten Diözesanreferentinnen

2.6.12 Merkmale der Zugehörigkeit: Ein Ring, ein neues Berufskleid und das Silberkreuz

2.7 Turbulente Zeiten – interne Konflikte und Mitgliederstagnation (1960er Jahre)

2.7.1 Die Teilung Deutschlands: Grenzgängerinnen und Hilfspakete

2.7.2 Der Einfluss des Zweiten Vatikanischen Konzils auf die Berufsgemeinschaft

2.7.3 Die Gründung der Arbeitsstelle zur Förderung des Berufes der Seelsorgehelferin

2.7.4 Dienstanweisungen

2.7.5 Stagnation der Mitgliedseintritte: Erklärungsmodelle

2.7.6 Das Frankfurter Gespräch: Überlegungen zu einem Zusammenschluss in einer großen Berufsgemeinschaft

2.7.7 Neue Satzungsentwürfe und die Religiöse Grundordnung

2.7.8 Interne Konflikte

2.7.9 Organisatorische Umstellung in der Gemeinschaft und Veränderung der Arbeitsaufgaben der Leitung

2.7.10 Ein neues Haus in Frankfurt

2.8 Der etablierte Beruf Gemeindereferent/in und neues Selbstverständnis der Berufsgemeinschaft (1970er)

2.8.1 Frauen in Gesellschaft und Kirche

2.8.2 Änderungen in der pastoralen Berufslandschaft: Die Synode von Würzburg

2.8.3 Die Diskussion um den Diakonat der Frau

2.8.4 Umbenennung zur Berufsgemeinschaft katholischer Frauen im pastoralen Dienst e.V. (1973) und 50-jähriges Jubiläum (1976)

2.8.5 Die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Berufes der Seelsorgehelferin und Katechetin in deutschsprachigen Diözesen

2.8.6 Die Gemeinschaft St. Praxedis wird zur Diakonia (1970)

2.9 Krise, Neubelebung und Auflösung (1980er-2014)

2.9.1 Ursachensuche für den Mitgliederrückgang: Bürokratie und Generationenkonflikte (1980)

2.9.2 Umfrage innerhalb der Berufsgemeinschaft und Erfahrungsberichte (1980)

2.9.3 Entstehung neuer Berufsverbände (1980er)

2.9.4 Eine letzte Neuorientierung (1990er)

2.9.5 Umbenennung in Gemeinschaft katholischer Gemeindereferentinnen (1995)

2.9.6 Entscheidung zur Orientierung nach Innen (2003)

2.9.7 Sukzessiver Rückzug der Gemeinschaft

2.9.8 Die letzte Mitgliederversammlung (2011)

3. ZUM SELBSTVERSTÄNDNIS DER BERUFSGEMEINSCHAFT

3.1 Das Verständnis der Berufsgemeinschaft: Aufgaben und Ziele

3.2 Grundlagen: Die Satzungen

3.3 Aufbau und Organisation der Berufsgemeinschaft

3.3.1 Die Struktur der Berufsgemeinschaft.

3.3.2 Die Aufteilung in Groß-und Kleinbezirke und die Bezirksleiterinnen

3.3.3 Interne Kommunikation durch die Mitgliederzeitschriften

3.3.4 Externe Vernetzung durch Gremienarbeit

3.4 Mitgliedschaft: Bedingungen und Aufnahmerituale

3.4.1 Aufnahmebedingungen und Ausschlusskriterien

3.4.2 Berufsweihe als Aufnahmeritual

3.5 Religiosität: Die Gebete der Gemeinschaft und die religiöse Grundordnung

3.6 Ehrungen von Mitgliedern

3.7 Kontakt und Austausch mit dem Ausland

3.8 Lebenszyklus der Berufsgemeinschaft: Organisationsstufen nach Martin Saarinen

4. ERFAHRUNGSHORIZONTE DER MITGLIEDER (ERGEBNISSE DER QUALITATIVEN STUDIE)

4.1 Hinführung

4.2 Forschungsdesign

4.2.1 Darlegung der Forschungsfragen

4.2.2 Gütekriterien der Untersuchung

4.2.3 Darstellung der Methoden

4.2.4 Prozess der Datenerhebung

4.2.5 Aufbereitung des Datenmaterials

4.3 Ergebnisdarstellung

4.3.1 Beschreibung des Kategoriensystems

4.3.2 Kategorienbasierte Auswertung entlang der Hauptthemen

4.3.3 Analyse der Zusammenhänge zwischen Kategorien

4.4 Diskussion der Ergebnisse

4.4.1 Leben und Arbeiten als Einheit

4.4.2 Gemeinschaft als Familie, berufliches Netzwerk und religiöse Heimat

4.4.3 Die Auflösung der Berufsgemeinschaft und Erklärungsmodelle

4.4.4 Die Abhängigkeit von der Persönlichkeit des Priesters und das Verhalten der Gemeindereferentin

5. BEITRAG DER BERUFSGEMEINSCHAFT ZUR BERUFSBILDENTWICKLUNG DER SEELSORGEHELFERIN

5.1 Die Berufsgemeinschaft als Element der erfolgreichen Etablierung des neuen Berufsbildes

5.2 Von der Berufung zum Beruf

5.2.1 Vom Taschengeld zum festen Lohn: Finanzielle und soziale Sicherung

5.2.2 Von der Helferin zur Partnerin

5.2.3 Von der freiwilligen Ehelosigkeit und Jungfräulichkeit zum Familienleben

5.3 Frauenbilder: Werthafte Frau und geistige Mütterlichkeit

5.3.1 Das Konzept der geistigen und sozialen Mütterlichkeit

5.3.2 Differenz oder Gleichheit der Frau zum Mann

5.3.3 Die werthafte Frauenpersönlichkeit: Ruckmichs Erbe in der Berufsgemeinschaft

5.3.4 Frauenbilder in der Berufsgemeinschaft

6. CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN: IMPULSE DER BERUFSGEMEINSCHAFT FÜR DIE ZUKUNFT

6.1 Die Notwendigkeit von Gemeinschaft

6.2 Stärkung und Ausbau des Berufsprofils

6.3 Caritas und Seelsorge

6.4 Bleibende Herausforderungen in der Pastoral

6.5 Grenzen der Arbeit und weiterer Forschungsbedarf

7. ABSTRACT

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

Abkürzungsverzeichnis

AA

Apostolicam actuositatem

AG

Arbeitsgemeinschaft

Anm. DB

Anmerkung der Verfasserin Daniela Blank

Bd.

Band

BG

Berufsgemeinschaft

BKF

Berufsgemeinschaft katholischer Frauen im pastoralen Dienst

BKG

Berufsgemeinschaft Katholischer Gemeindehelferinnen

BKS

Berufsgemeinschaft Katholischer Seelsorgehelferinnen

Cc

Canones

CIC

Codex Iuris Canonici

DBK

Deutsche Bischofskonferenz

DDR

Deutsche Demokratische Republik

DSB

Diasporaseelsorgehelferinnen im Bonifatiuswerk

ebd.

ebenda

e.V.

eingetragener Verein

f.

folgende

ff.

fortfolgende

Fasz.

Faszikel

GG

Grundgesetz

GKG

Gemeinschaft Katholischer Gemeindereferentinnen

KZ

Konzentrationslager

LG

Lumen gentium

m.E.

meines Erachtens

Mk

Deutsche Mark

NSDAP

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

s.

siehe

s.a.

siehe auch

Sr.

Schwester

SBO

Schulungs- und Beratungsstelle für Seelsorgehelferinnen

SBS

Schulungs- und Beratungsstelle für die in der Seelsorge stehenden Ordensfrauen

SHB

Seelsorgehelferinnenbund

Rm

Deutsche Reichsmark

U.D.A.P.

Union Des Assistantes Paroissiales

v.a.

vor allem

z.B.

zum Beispiel

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Pater Wilhelm Wiesen und Margarete Ruckmich (1935).

Quelle: AMRH

Abbildung 2: Erster Nachschulungskurs 1926. Ganz links: Pater Wilhelm Wiesen; in der Mitte sitzend: Margarete Ruckmich.

Quelle: Brigitte Schuster

Abbildung 3: Das Werthmannhaus in Freiburg. Sitz des Deutschen Caritasverbandes, der Geschäftsstelle der Berufsgemeinschaft von 1926 bis 1969, sowie der Gemeindehelferinnenschule.

Quelle: ADCV Bilder zur Chronik 1926-1980

Abbildung 4: Ein Mitglied mit Haube und Berufsabzeichen.

Quelle: ADCV 2011/025 (7)

Abbildung 5: Das Berufsabzeichen. Die erste Brosche der Berufsgemeinschaft katholischer Gemeindereferentinnen.

Quelle: ADCV Bilder zur Chronik 1926-1980.

Abbildung 6: Schulheim der Gemeindehelferinnen und Erholungsmöglichkeit in der Hildastraße 65 in Freiburg.

Quelle: Brigitte Schuster

Abbildung 7: Ausbildungskurs 1928/1930.

Quelle: ADCV Bilder zur Chronik 1926-1980.

Abbildung 8: Der Frohhof in Günterstal bei Freiburg. Quelle: AMRH.

Abbildung 9: Die zweite Brosche der Berufsgemeinschaft katholischer Seelsorgehelferinnen. Quelle: Brigitte Schuster

Abbildung 10: Das Bruder-Klaus-Heim in Bad Kissingen. Heim der Berufsgemeinschaft von 1948 bis 1952. Quelle: AMRH.

Abbildung 11: Mitgliederanzahl 1926-2011

Abbildung 12: Organe der Berufsgemeinschaft ab 1927

Abbildung 13: Organe der Berufsgemeinschaft ab 1934

Abbildung 14: Organe der Berufsgemeinschaft ab 1980

Abbildung 15: Elemente d. Bedeutung d. Berufsgemeinschaft für ihre Mitglieder

Abbildung 16: Faktoren der Etablierung des Berufsbildes der Seelsorgehelferin

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Inhalte des Interviewleitfadens

Tabelle 2: Beispiel für die Verwendung des Anonymisierungsprotokolls

Tabelle 3: Übersicht über das Kategoriensystem

Tabelle 4: Interne und externe Faktoren für den Mitgliederrückgang

1. Einleitung

1.1 Forschungsgegenstand und -ziele

1.1.1 Forschungsgegenstand

Die vorliegende Arbeit stellt die Entwicklung der Gemeinschaft Katholischer Gemeindereferentinnen von ihrer Entstehung bis zu ihrer Auflösung dar. Sie soll einen Beitrag dazu leisten, die innerkirchliche sowie gesellschaftliche Wahrnehmung des Beitrags der Frauen in der (katholischen) Kirche zu vergrößern. Frauen in der Seelsorge stellen sich selbst und ihre Arbeit häufig nicht in den Vordergrund, und doch haben sie eine Bedeutung, die historisch selten aufgearbeitet wird. Da die Berufsgemeinschaft sich beim Entstehen dieser Arbeit in der Auflösung befand, bestand die Gefahr, dass die jahrzehntelange Arbeit und das erfolgreiche Bemühen um die Festigung eines mittlerweile selbstverständlichen und anerkannten hauptamtlichen Berufes für die Frau in der katholischen Kirche in Vergessenheit geraten würde.

1.1.2 Fragestellungen

Neben der historischen Aufarbeitung und Darstellung der Entwicklung der Berufsgemeinschaft mit ihren Inhalten und Zielen wird insbesondere die Bedeutung der Berufsgemeinschaft zum einen für den Berufsstand insgesamt und zum anderen für die einzelnen Mitglieder der Berufsgemeinschaft in den Fokus der Arbeit gestellt. Die Gründe für den Mitgliederrückgang und damit auch für die Auflösung der Berufsgemeinschaft sollen dargestellt werden. Somit ergeben sich folgende Fragestellungen:

■ Mit welchem Hintergrund wurde die Berufsgemeinschaft gegründet und welche Ziele verfolgte sie?

■ Welche Möglichkeiten besaß die Berufsgemeinschaft, ihre Ziele zu verfolgen und wie nutzte sie diese konkret?

■ Welche Bedeutung hatte die Berufsgemeinschaft für ihre Mitglieder?

■ Welche Begründungen für den Mitgliederrückgang in der Berufsgemeinschaft lassen sich finden?

■ Inwieweit kann die Berufsgemeinschaft als relevante Institution betrachtet werden in Bezug auf die Entwicklung der pastoralen Laienberufe für die Frau in der katholischen Kirche, vor allem in Bezug auf das Berufsbild der heutigen Gemeindereferentin und des heutigen Gemeindereferenten?

Der Psychologe Heinz Schuler ist der Auffassung, dass auch Kirchen und Verbände als Organisationen zu gelten haben. Als solche sind sie demnach auch für die Organisationspsychologie interessant.2 Für die vorliegende Arbeit können vor allem folgende Themen als besonders relevant betrachtet werden: Das Commitment in Organisationen, die Organisationsentwicklung sowie die Unternehmenskultur.3

Das Commitment sowie die Unternehmenskultur werden schwerpunktmäßig im empirischen Part dieser Arbeit durch eine Befragung von (ehemaligen) Mitgliedern mithilfe von Interviews sichtbar. Preisendörfer empfiehlt drei Fragen, die zu stellen sind, um eine Organisation zu untersuchen:

„Für diejenigen, der [sic!] eine Organisation wissenschaftlich beschreiben und analysieren wollen, empfehlen sich stets die drei Fragen: Wer sind die relevanten Akteure bzw. Akteurgruppen, welche Interessen haben sie, und über welche Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Interessen verfügen sie […]?“4

Die vorliegende Arbeit versucht, den hier genannten Fragen nachzugehen und die Akteurinnen der Berufsgemeinschaft mitsamt ihren Interessen und Optionen zur Durchsetzung derselben darzustellen.

1.2 Forschungsstand und Quellenlage

1.2.1 Stand der Forschung

Während zu dem Thema pastorale Berufe in der Katholischen Kirche auch in Bezug auf Frauen in der Katholischen Kirche einige Veröffentlichungen zu finden sind, existiert eine Publikation zur Geschichte der Berufsgemeinschaft bisher nicht. Zu dem Thema wurde eine Masterarbeit von der Verfasserin selbst verfasst, die allerdings nicht publiziert wurde und lediglich die ersten 40 Jahre der Berufsgemeinschaft erforschte.5 Die Berufsgemeinschaft selbst gab weiterhin einige Jubiläumsschriften heraus.

Eine Publikation von Almut Rumstadt über Margarete Ruckmich leistet bereits einen wertvollen Beitrag über die Initiatorin des Berufes der heutigen Gemeindereferentin.6

Die an der Theologischen Fakultät Freiburg mit dem Titel Frauen als Seelsorgerinnen. Die Entwicklung des Berufs Seelsorgehelferin, dargestellt am Lebenswerk von Margarete Ruckmich (1894-1985) eingereichte Dissertation bearbeitet sowohl eine umfassende Biografie Ruckmichs als auch die Darstellung der Entwicklung des Berufes der Seelsorgehelferin. Hierbei wird auch ein besonderes Merkmal auf die erste Ausbildungsstätte (Katholische Gemeindehelferinnenschule) in Freiburg gelegt, die von Ruckmich wesentlich geprägt wurde. Die Berufsgemeinschaft findet ebenso Erwähnung, wird aber nicht umfassend dargestellt.7

1.2.2 Quellenlage

Im Archiv des Deutschen Caritasverbandes, welches sich in der Zentrale des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg befindet, finden sich einige Akten zur Berufsgemeinschaft. Kurz vor Beginn des Dissertationsvorhabens wurde von der Berufsgemeinschaft eine große Auswahl an Akten in das Archiv des Deutschen Caritasverbandes übermittelt. Eine außerordentliche Zugangsberechtigung wurde von der damaligen Vorsitzenden der Berufsgemeinschaft an die Verfasserin erteilt, sodass ein Zugang zu diesen einzigen Archivunterlagen möglich wurde. Die dortigen 64 Akten sind zum Zeitpunkt der Dissertation noch nicht inventarisiert worden, befanden sich aber größtenteils in mit Jahreszahlen gekennzeichneten Aktenordnern. Das Archivmaterial umfasst beispielsweise einen allgemeinen Schriftwechsel ab 1926, Protokolle der Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen, Protokolle und Berichte aus der Arbeit der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Berufe der Gemeindereferentinnen und Religionspädagogen (ab 1978), Protokolle und Unterlagen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Gemeindereferentinnen und Religionspädagogen (ab 1987), Unterlagen der Jubiläumsfeiern der Jahre 1951 (25 Jahre), 1976 (50 Jahre), 1986 in Limburg, 1996 in Vierzehnheiligen und 2009 in Limburg. Außerdem befinden sich Unterlagen zu Entwicklung des Berufs und der Gemeinschaft im Archiv.

Korrespondenzen seitens der Berufsgemeinschaft mit dem Ausland, die allerdings hauptsächlich von Ruckmich geführt wurden und nach ihrer Tätigkeit als Leiterin des Seminars und der Berufsgemeinschaft ins Leere verlaufen, befinden sich ebenfalls dort. Eine nahezu vollständige Zusammenstellung der internen Mitgliederzeitschrift Unsere Mitteilungen ist im Archiv des Deutschen Caritasverbandes zu finden und ist ebenfalls in der Bibliothek des Deutschen Caritasverbandes8 öffentlich zugänglich.

Eine Umfrage der Berufsgemeinschaft führte dazu, dass einige Berichte von Mitgliedern zu ihren beruflichen Erfahrungen gesammelt und archiviert wurden. Diese liefern wertvolle Hintergrundaspekte des Arbeitsalltags der damaligen Seelsorgehelferin sowie Hinweise auf die Bedeutung der Berufsgemeinschaft für die einzelnen Mitglieder.

Neben dem Archiv des Deutschen Caritasverbandes bot sich auch das Archiv des Bonifatiuswerk in Paderborn als wesentliche Informationsquelle an, die dort vorhandenen Archivmaterialien beziehen sich hauptsächlich auf Korrespondenzen und die Art der Zusammenarbeit zwischen der Berufsgemeinschaft und dem Bonifatiuswerk. Darüber hinaus existieren einige Unterlagen von ehemaligen Mitgliedern, die der Autorin übermittelt wurden, allerdings nicht öffentlich zugänglich sind.

Weitere als Basis für diese Arbeit relevante Quellen stellen mehrere Publikationen zur Thematik der Gemeindereferentin und des Gemeindereferenten dar, die vor allem in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht wurden. Allerdings sind in diesen Publikationen wenig bis keine Bezüge zur Berufsgemeinschaft vorhanden.

Dirk Rietmann erörterte in seiner 2000 an der Universität Münster eingereichten Diplomarbeit mit dem Titel Von der Seelsorgehilfe zur beruflichen Mitarbeit der Frau in der Seelsorge – Pater Wilhelm Wiesen am Deutschen Caritasverband von 1920 bis 1947 bereits den wesentlichen Beitrag, den Pater Wilhelm Wiesen für die Entstehung des neuen Berufes der Seelsorgehelferin geleistet hat.9

Franz-Joseph Wothe zeichnete 1985 die Entwicklung des Berufsbildes, ausgehend vom Deutschen Caritasverband und dem Bonifatiusverein für die Diaspora in groben Zügen nach, dabei erwähnte er die Berufsgemeinschaft lediglich am Rande: „Es hat sich zumindest eine Berufsgemeinschaft entwickelt.“10 Diese hätte sich der Weiterbildung angenommen, das Gemeinschaftsleben gepflegt und soziale Interessen der Mitglieder vertreten. Allerdings wird der Leserin und dem Leser suggeriert, dass die Berufsgemeinschaft sich erst im Laufe der Jahre gebildet hat. Dass diese bereits vor dem ersten Gemeindehelferinnenseminar entstand und darüber hinaus auch für die Stellenvermittlung, soziale Absicherung und mehr sorgte, wurde von ihm außen vor gelassen.11

Ebenfalls 1985 erschien ein Sammelwerk von Josef Hochstaffl mit dem Titel Von Beruf Gemeindereferent. Aufnahme eines Bestandes. Perspektive einer Zukunft. Beim Blick in das Inhaltsverzeichnis fällt auf, dass sich keine einzige weibliche Autorin in diesem Sammelwerk befindet. Das erstaunt, bedenkt man, dass das Berufsbild wesentlich durch Frauen geprägte wurde. Der Titel stimmt ebenso nachdenklich: Von Beruf Gemeindereferent. Wurde hier bewusst die männliche Form gewählt? Wenn diese Frage zu bejahen wäre, ist nach der Begründung zu fragen. Im Jahr 1985 hat sich das Bild des männlichen Gemeindereferenten bereits etabliert, und doch war das Berufsbild von den 1920er Jahren bis hinein in die 1960er Jahre des 20. Jahrhunderts ausschließlich von Frauen geprägt.12

So stellte Annabelle Pithan (1997) in ihrem Sammelwerk Religionspädagoginnen des 20. Jahrhunderts dann auch Frauen vor, die einen wesentlichen Beitrag in der Seelsorge leisteten. Sie begründete diese Darstellung damit, dass Frauen in der Kirche nicht vergessen werden dürfen. Sie erwähnte dabei das Werk Die vergessenen Väter der modernen Religionspädagogik (Pfister, Gerhard), welches 1989 veröffentlicht wurde. Pithan bezeichnete ihr Werk als „Porträtband“, in dem protestantische wie katholische Frauen vorgestellt werden.13 Pithan wollte durch ihre Porträts von Religionspädagoginnen des 20. Jahrhunderts „einen Beitrag zum affidamento und zur weiblichen Genealogie leisten.“14 Sie war der Meinung, dass es Frauen durch das Kennen Lernen von vergangenen und gegenwärtigen Frauenbiografien „möglich [wird, Anm. DB], ihre individuellen Erfahrungen zu transzendieren und symbolisch auszudrücken.“15

Schließlich stellte Rebecca Müller in der Publikation ihrer im Wintersemester 2012/13 eingereichten Dissertation mit dem Titel Ausbildung zur Gemeindehelferin – Das Seminar für kirchlichen Frauendienst im Burckhardthaus e. V. (1926-1971) die Entwicklung des Berufes der evangelischen Gemeindehelferin in Deutschland anhand der Entwicklung des Burckhardthauses dar.16

1.3 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit speist sich zu einem großen Teil aus Archivmaterial verschiedener Archive sowie aus privaten Quellen und („grauer“) Literatur.

Um einen Eindruck zu bekommen, welchen Wert die Berufsgemeinschaft für ihre Mitglieder hatte, als auch zusätzliche Informationen über die Arbeit der Berufsgemeinschaft zu erhalten, wurde es in einer eigens angelegten Studie möglich, Interviews mit Mitgliedern durchzuführen. Hier konnten einige relevante Aspekte gewonnen werden, die durch das Archivmaterial allein nicht ersichtlich wurden. Das methodische Vorgehen der empirischen Studie wird im vierten Kapitel näher beschrieben.

Aufbauend auf den Recherchen in den Archiven beginnt die Arbeit im zweiten Kapitel mit einer Darstellung der historischen Entstehung und Entwicklung der Berufsgemeinschaft vor dem gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext und stellt ebenso die Auflösung der Berufsgemeinschaft dar. Nachdem die historischen Grundlagen dargelegt wurden, wird im dritten Kapitel ein Blick auf die inhaltliche und organisatorische Ausrichtung der Berufsgemeinschaft geworfen. Das vierte Kapitel stellt die qualitative Studie vor, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurde. Ein wesentlicher Fokus wird hier auf die subjektiven Erfahrungshorizonte der befragten Mitglieder gelegt. Im darauf folgenden fünften Kapitel wird der Beitrag der Berufsgemeinschaft vor dem Hintergrund der vorangegangenen historischen Erarbeitungen betrachtet, vor allem in Bezug auf die Berufsbildentwicklung der Seelsorgehelferin zur Gemeindereferentin und zum Gemeindereferenten. Das Kapitel wirft einen Blick auf die konkreten Beiträge, die die Berufsgemeinschaft zur Entwicklung des neuen Berufes innerhalb der Katholischen Kirche gegeben hat. Schließlich gibt das sechste Kapitel Impulse aus der Historie der Berufsgemeinschaft heraus für die heutigen und zukünftigen Herausforderungen der Caritas17 und Pastoral. Dies schließt sowohl einen Rückblick als auch einen Ausblick auf das Verständnis von caritas18 gestern und heute ein.

2 Vgl. Schuler (2004), 10.

3 Ebd., 11.

4 Preisendörfer (2011), 61.

5 Vgl. Pochert, Daniela: Die Berufsgemeinschaft Katholischer Seelsorgehelferinnen. Errungenschaften und Herausforderungen in den Jahren 1926-1966. Freiburg, Uni., Masterarbeit, 2011.

6 Vgl. Rumstadt, Almut: Margarete Ruckmich (1894-1985). Pionierin der hauptberuflichen Seelsorge durch Frauen. Würzburg, Echter: 2003.

7 Vgl. Rumstadt (2003).

8 Bestellbar unter: Z 1977, Berufsgemeinschaft Katholischer Seelsorgehelferinnen.

9 Rietmann (2000). Von der Seelsorgehilfe zur beruflichen Mitarbeit der Frau in der Seelsorge: Pater Wilhelm Wiesen am Deutschen Caritasverband von 1920 bis 1947.

10 Wothe (1985), 176.

11 Ebd.

12 Hochstaffl (1985).

13 Vgl. Pithan (1997), 9f.

14 Ebd., 13.

15 Ebd.

16 Vgl. Müller (2014).

17 Unter dem Begriff der Caritas wird in dieser Arbeit die institutionalisierte, professionelle Sozialarbeit der Katholischen Kirche verstanden. (Die kursiv gedruckte Caritas bezieht sich auf die verbandseigene Zeitschrift.)

18 Der kursive und kleingeschriebene Begriff caritas bezeichnet in der vorliegenden Arbeit den Wesensvollzug der diakonia der Katholischen Kirche.

2. Entstehung, Entwicklung und Auflösung einer Berufsgemeinschaft19

„Erinnerung braucht Namen und Orte, anders können wir sie nicht im Gedächtnis aufbewahren. Es ist gut, dass wir inzwischen die Namen einer ganzen Reihe von Theologinnen kennen, die im Nationalsozialismus der Menschenverachtung mutig widerstanden haben. Warum aber kennen wir die Namen der anderen Frauen nicht, derer, die dafür gesorgt haben, dass das gemeindliche Leben nicht zum Erliegen kam?“20

Die evangelische Theologin Überschär weist in oben stehendem Zitat darauf hin, dass die ersten Theologinnen und ersten Theologieprofessorinnen mittlerweile durchaus bekannt wurden, was sich durch diverse Preisauszeichnungen bemerkbar macht. Weniger im Vordergrund stünden allerdings die ersten Gemeindehelferinnen, die den Weg ebneten für die Berufstätigkeit der Frau in der ev. Kirche und das Selbstverständnis.21 Selbst wenn es sich hier um die protestantische Seelsorge handelt, kann dies auch auf katholischer Seite beobachtet werden. Wer kennt die ersten Gemeindehelferinnen noch namentlich, außer der Mitinitiatorin Margarete Ruckmich selbst? Ihr zu Ehren wurde in ihrer Wirkungsstätte Freiburg die erste Ausbildungsstätte (das erste Seelsorgehelferinnenseminar) benannt. Darüber hinaus wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchaus einzelne Berufsträgerinnen mit kirchlich relevanten Auszeichnungen bedacht. Allerdings wurden diese innerkirchlich kaum wahrgenommen.

Auch wenn es den Frauen selbst meist nicht um eine individuelle Auszeichnung der eigenen Leistungen geht (was eine Erklärung für die mangelnde Erinnerung darstellen kann), so führt doch gerade eine solche Zurückhaltung meist zu einer mangelnden Kultur der Erinnerung, welche wiederum in der historischen Darstellung zu einer Verzerrung der Realität und Wahrheit führen kann. So meint Überschär dann auch:

„Aber auf der Seite des Dienstes von nicht-ordinierten Frauen ist es eher schattig. Es gibt keinen Preis, der an die erste Gemeindehelferin erinnert […]. […] Eine Gedächtniskultur, die an der Wahrheit interessiert ist, darf den weiblichen Anteil an der Kirchengeschichte außerhalb von Amt und Würden nicht dem Vergessen preisgeben.“22

Diese Namen und Orte, welche die Berufsgemeinschaft prägten, werden in diesem Kapitel vorgestellt. Ein historischer Überblick durch eine Zeittabelle im Anhang kann die Lektüre sinnvoll begleiten (Anhang 1).

2.1 Wegbereitung zur Entwicklung eines neuen Laienberufes für die Frau in der Katholischen Kirche (1850-1925)

Die Gründung einer Berufsgemeinschaft von Frauen, die hauptberuflich in einem neu entstehenden Beruf innerhalb der Katholischen Kirche arbeiten, vollzieht sich inmitten verschiedener gesellschaftlicher Ereignisse. Die im 19. Jahrhundert entstehende Frauenbewegung und die damit einhergehende Veränderung im Blick auf das gesellschaftliche Rollenbild der Frau ist hier ebenso zu berücksichtigen wie die durch die Industrialisierung veränderte Situation in der Pastoral. Auf die aufkommende Soziale Frage antwortet die Katholische Kirche mit der Institutionalisierung und Professionalisierung ihres diakonischen Auftrags durch die Gründung des Deutschen Caritasverbandes und einer eigenen Caritasschule. Das Berufsbild der Wohlfahrtspflegerin/Sozialbeamtin/Fürsorgerin und die damit einhergehende Professionalisierung der Sozialarbeit sind ebenfalls am Beginn ihrer Entwicklung.

2.1.1 Die Frau zur Jahrhundertwende

Die Frauenbewegung

Mitte des 19. Jahrhunderts startet eine liberale, sozialistische Frauenbewegung, die in der Öffentlichkeit wirkt und mehr Rechte für die Frau einfordert. Wichtige Wortführerinnen sind vor allem Helene Lange, Gertrud Bäumer und Louise Otto-Peters.23 Die erste Frauenbewegung in Deutschland beginnt bereits 1848 „zaghaft“ und wird dann „verdrängt“, obwohl diese Frauenbewegung nach Elisabeth Moltmann-Wendel danach „nie wieder so kühn und selbstbewusst“24 auftritt. Moltmann-Wendel stellt in Bezug auf die deutsche Frauenbewegung drei Frauen aus dem 19. Jahrhundert vor: Fanny Lewald (*1811), Malwida von Meysenburg (*1816) und Luise Otto (*1819).

Fanny Lewalds Bestreben sind das „Recht auf Arbeit und ökonomische Selbständigkeit und politische Rechte für die steuerzahlende Frau.“25 Sie ist der Auffassung, eine „einseitige Pflege der Frauenbildung widerspricht […] ihrem Ziel sozialpolitischer Befreiung.“26 Lewald berichtet auch von Frauen, die „vom Christentum enttäuscht“ waren und aus diesem Grund „nie wieder den Weg in eine christliche Gemeinschaft zurück“27 fanden. Malwida von Meysenburg unterstützt die ökonomische Selbständigkeit der Frau ebenso, indem sie Schülerinnen einer religionsfreien Grundschule, welche an die Hamburger Hochschule für Frauen angegliedert ist, betreut und leitet.28

Luise Otto-Peters schließlich gilt als Begründerin der deutschen Frauenbewegung. Sie gründet 1849 die erste Frauenzeitschrift in Deutschland (drei Jahrgänge): „Dieser selbe Erfahrungssatz ist es, welcher mich zur Herausgabe einer Frauen-Zeitung veranlaßt [sic!].29 Mitten in den großen Umwälzungen, in denen wir uns alle befinden, werden sich die Frauen vergessen sehen, wenn sie selbst an sich zu denken vergessen!“30 Gemeinsam mit Auguste Schmidt gründet Otto-Peters 1865 den Allgemeinen deutschen Frauenverein mit dem Ziel: Recht auf Erwerb für die Frauen.31 Helene Lange ist der Auffassung, dass trotz des Engagements einiger Frauen zuvor erst durch diese Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins die Frauenbewegung „über das Stadium der ersten Anfänge“ 32 hinausgegangen sei.

Die Vereinsgründung wird durch eine neue Verfassung von 1849 vereinfacht, welche die Gründung von Vereinen und das Versammlungsrecht aller Bürger ohne vorherige Genehmigung zulässt. Dann stagniert die Entwicklung jedoch – zumindest in Deutschland, denn in den USA geht die Frauenbewegung weiter. Hier spricht Moltmann-Wendel von einem „politischen und psychologischen 48er Schock […], in dem noch nicht recht eingebürgerte – Staat- und Staatskirche gefährdende – Ideen einfach erstickten und aus der Öffentlichkeit verbannt wurden.“33 „Die Kirche schien die Allein-herrschaft über die christliche Tradition wieder übernommen zu haben.“34

Ein politisch-parteiliches Engagement ist den Frauen ab 1908 möglich.35 Eine wesentliche Errungenschaft ist vor allem das Stimmrecht, welches ab 1919 auch Frauen in der Weimarer Republik die Möglichkeit für wesentliche politische Teilhabe gibt. Ungeachtet dessen, dass sich immer mehr Frauen beruflich betätigen und dadurch auch kollektiv ein größeres Selbstbewusstsein erreichen, schließen sich allerdings nicht alle Frauen der beginnenden Frauenbewegung uneingeschränkt an: „Die fortschrittliche Frauenbewegung, die als nächstes Ziel die Erlangung der vollständigen politischen Gleichstellung der Frau mit dem Manne aufstellt, stößt in den Reihen der Frauen selbst noch auf viel Unverständnis und Indolenz, von direkter Gegnerschaft gar nicht zu reden.“36

Frauen und Berufstätigkeit

Sofern Frauen außerhäuslich berufstätig sind, so sind sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem als Dienstbotinnen, Fabrikarbeiterinnen, im Handel, als Beamtinnen im Post,- Bahn, Telegrafen, und Telefondienst und als Lehrerinnen beschäftigt. Vor allem der Lehrerinnenberuf wird gesellschaftlich als der „Frauennatur“ entsprechend betrachtet.37

Trotz der Errungenschaften und der Möglichkeit für Frauen, sich auch akademisch zu bilden und einem Beruf nachzugehen, ist ein Großteil der Gesellschaft der Meinung, dass die Frau nicht in Konkurrenz zum Mann treten solle. So meint der Theologe Augustin Rösler: „Auf dem politischen und wirtschaftlichen Gebiete wird dem Manne stets die Führerrolle verbleiben.“38 Keineswegs sollte eine „Frau […] ganz oder teilweise in den Wirkungskreis des Mannes eintreten.“39 Ein Beispiel stellt die Schriftstellerei dar. Für eine Frau ist es um 1900 schwierig und mit Kritik verbunden, schriftstellerisch tätig zu sein und zu publizieren. Rösler kritisiert es 1903 allerdings, „wenn von vornherein jede Schriftstellerin als Blaustrumpf und Emanzipierte verhöhnt wird.“ Er setzt sich für die Veröffentlichung von Schriften durch Schriftstellerinnen ein, sofern ihre familiären Pflichten nicht vernachlässigt werden.40

Im Bereich der Industriearbeitenden kommt es zu einer sehr hohen Frauenberufstätigkeit, damit einhergehend auch zu Konkurrenzsituationen: In den neu entstandenen Fabriken existiert seit Beginn der Industrialisierung ein erhöhter Bedarf an Arbeitskräften, sodass auch Frauen als Arbeitskräfte in Betracht gezogen werden. Diese werden geringer entlohnt als ihre männlichen Kollegen, was zu einer Konkurrenzsituation zwischen den männlichen und den weiblichen Arbeitskräften führt. Schon bald sind bereits ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung weiblichen Geschlechts: „Nach der Berufszählung von 1907 war der dritte Teil aller erwerbstätigen Bürger des Deutschen Reichs Frauen.“41

Ehe als Ziel

Selbst in den Fällen, in denen es notwendig ist, dass die Frau einem Beruf nachgeht, ist eine längere Erwerbstätigkeit der Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht vorgesehen: „Für das Mädchen ist eine Erwerbstätigkeit von vornherein nur ein Durchgangs-stadium für die Ehe, nicht ein dauernder Beruf.“ Aus diesem Grund müsse die Vorbildung für die Frauen auch nicht so intensiv betrieben werden wie für die Männer.42 Eine ökonomische Unabhängigkeit der Frau wird dabei nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern von manchen sogar befürwortet: „Daß jedes Mädchen eine solche Ausbildung anstreben soll, die ihm eine ökonomische Unabhängigkeit und Selbständigkeit sichern kann, müssen sogar jene zugeben, die mit allgemeiner Verheiratung die Frauenfrage lösen wollen. Nur sittliche und wirtschaftliche Selbständigkeit kann dem Mädchen die nötige Freiheit bei der Wahl der Ehe sichern.“43 Aus diesem Zitat wird ersichtlich, dass selbst die Berufstätigkeit der Frau letztlich auf eine Eheschließung abzielt.

Bildung für die Frau mit dem Ziel der Mutterschaft

Im Zuge der Frauenbewegung werden Frauen in Deutschland erstmals 1900 zum Studium zugelassen. Einige, sowie der bereits zitierte Rösler, sind auch der Auffassung, dass Frauen hierfür die nötige Intelligenz mitbrächten: „Ob weibliche Geistesanlage genügen, um die höheren Studien, die gewöhnlich mit dem Besuch einer Universität verbunden sind, erfolgreich zu betreiben, kann ernstlich nicht in Frage gestellt werden.“44 Solange es nicht darum geht, einen akademischen Beruf nach dem Studium auszuüben, gibt es keine Einwände gegen weibliche Studierende, aber da Frauen im Allgemeinen heiraten werden (mit dem Ziel, eine Familie zu gründen), werden sie auch ihren Mutterpflichten nachgehen müssen, und diese seien mit einem akademischen Beruf nicht vereinbar.45

Trotzdem ist Rösler der Meinung, dass Frauen generell nicht zu einem wissenschaftlichen Arbeiten fähig sind: „Eigentlich wissenschaftliches Denken und wissenschaftliche Forschung ist nicht Sache des Frauengeistes; überwiegend rezeptiver Natur sind sie viel mehr geschickt, Gegebenes sich anzueignen und bei besonderer Begabung auch selbständig zu verarbeiten.“46 Rösler verweist auf eine Studie zur Arbeitsfähigkeit der Frau, welche eindeutig nachweisen würde, dass es intellektuelle Differenzen zwischen Frau und Mann gäbe: „Die Frage, ob diese Eigentümlichkeiten in der Natur begründet oder durch die bisherige Frauenstellung in den sozialen Verhältnissen hervorgerufen seien, beantwortet Nawiasth mit Bejahung der ersteren Annahme. Nichts berechtigt zu der Behauptung, daß eine andere Erziehung oder Entwicklung diese Differenzierung ändern werde.“47 Die studierte Frau soll das Ziel der Mutterschaft verfolgen: „Die Frau sei vor allem zur Erzieherin ihrer eigenen Kinder zu erziehen.“48 Rösler fragt vor diesem Hintergrund danach, ob es im gesellschaftlichen Interesse sei, die Frau so gut wie den Mann auszubilden.49

Einige Jahrzehnte davor kritisiert Hedwig Dohm 1872 den Theologie-Professor Jacobi sowie Philipp von Nathusius, welche beide eine Schmerzverklärung als Wesenselement eines idealen Frauenbildes betrachten. Sie stellt als paradox dar, dass Frauen von geistiger Arbeit verschont bleiben müssten, wenn sie doch tagtäglich körperlich deutlich anstrengendere Arbeit im Haushalt verrichten würden. Bezugnehmend auf Stuart Mill ist sie der Auffassung, „daß die Frau […] den Zweck ihres Daseins in sich selbst habe, also nicht in den Männern.“50

Nach dem Ersten Weltkrieg erhöht sich die Anzahl weiblicher Arbeitskräfte dennoch abermals, wie aus einem Protokoll des Diözesanverbandstages der katholischen Arbeiterinnenvereine 1917 in Offenburg hervorgeht:

„Unter den 9 Millionen Industriearbeitern vor dem Kriege, befanden sich schon 1 1/2 Millionen Arbeiterinnen. Diese Zahl ist inzwischen ganz ausserordentlich gewachsen, von 34,4% im ersten Kriegsjahr auf 65% bei Krupp allein von 1200 auf 15000. In einigen Krankenkassen hat sich das Verhältnis geradezu umgekehrt, früher 1:3, jetzt 3:1.“51

Der erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 trägt durch die erhöhte Berufstätigkeit der Frauen zu einem veränderten Frauenbild in der Gesellschaft bei. Viele Frauen verrichten notgedrungen durch den Krieg so genannte Männer-Arbeiten und bewähren sich darin, was zu einem erhöhten Selbstbewusstsein und zu einer Art „Zwangsemanzipation“ führt.52

Die Demobilierungsmaß nahmen, die durch Verordnungen in den Jahren 1919 und 1920 gegen Arbeiterinnen, Angestellte und Beamtinnen durchgeführt werden, bringen die weibliche Erwerbstätigkeit allerdings wieder auf den Vorkriegsstand zurück. Den heimkehrenden Soldaten sollen ihre Arbeitsplätze zurückgegeben werden.53

Viele Ehemänner oder auch potentielle Ehemänner kehren allerdings nicht mehr zurück. Eine Berufstätigkeit als Durchgangsstadium zum Ziel der Ehe und Mutterschaft wird durch die Folgen des Ersten Weltkrieges deswegen für viele Frauen gar nicht erst möglich:

„Deutschland hat einen Kriegsverlust von rund 1 800 00 Toten gehabt. Die Zahl der als Kriegsbeschädigte erwerbsunfähigen oder nachträglich an den Kriegsfolgen zugrunde gegangenen Männer läßt sich genau nicht angeben. Schon allein aus dieser Gefallenenziffer ergibt sich einerseits ein großer Witwenüberschuß – und zwar der bis dahin im Rahmen der Frauenfrage nicht existierende Überschuß von jungen Witwen […], andererseits eine starke Verminderung der Heiratsaussichten der Mädchen der entsprechenden Jahrgänge.“54

Vielen Frauen bleibt also keine andere Wahl, als durch eine Berufstätigkeit die finanzielle Unabhängigkeit und Selbstständigkeit anzustreben.55 Sie sehen sich gezwungen, sich und ihre Familien selbst ökonomisch abzusichern.

Eine Zunahme der außerhäuslich arbeitenden Frauen findet nicht nur im Arbeiterstand statt. Auch für die Frauen, die aus höheren Schichten kommen und eine Schulbildung erhalten durften, entstehen neue Möglichkeiten, einen Beruf zu ergreifen. Neue Berufsbilder für Frauen entstehen vor allem durch den Notstand in der Fürsorge. Mit ehrenamtlicher Hilfe lässt sich die große Not nicht mehr in den Griff bekommen, was unter anderem auch zu einer Professionalisierung der Sozialen Arbeit führt. Frauen scheinen durch ihre „Mütterlichkeit“ in besonderem Maße für diese Aufgabe befähigt zu sein.56 Rösler, der der Frau zwar die Fähigkeit zur wissenschaftlichen Forschung abspricht, spricht der Frau hinsichtlich ihrer Fähigkeiten im Vergleich zum Mann allerdings eine größere Sorgfalt zu: „Es wird allgemein zugestanden, daß durchschnittlich die Beamtinnen, Studentinnen, Pflegerinnen mehr Sorgfalt und Fleiß in ihrer Pflichterfüllung zeigen als die männlichen Berufsgenossen.“57

Das Konzept der sozialen und geistigen Mütterlichkeit

Diejenigen Frauen, die einem Beruf nachgehen, sei es bewusst oder gezwungen durch die Nachkriegssituation, leben in aller Regel unverheiratet und ohne Familie. Da die Tätigkeiten in den neuen Berufen sich meist im sozialen und kirchlichen Bereich befinden, wurde die der Frau zugesprochenen Mütterlichkeit als eine soziale Mütterlichkeit verstanden und das Vakuum der nicht vorhandenen Familie durch den Beruf gefüllt:

„Für Frauen hatte sich um die Jahrhundertwende von 1900 die Lage insofern verändert, als eine Berufstätigkeit im sozial-karitativen Bereich auch von der bürgerlichen Frauenbewegung gutgeheißen und somit auch in kirchlichen Kreisen langsam akzeptiert wurde. Eine solche Tätigkeit konnte als 'soziale Mütterlichkeit' begriffen werden, sodass die Existenz als Lehrerin oder eben auch als Seelsorgehelferin zu einer neuen weiblichen Lebensform wurde: weltlich – also ohne Zugehörigkeit zu einem Orden oder einer Kongregation – und unverheiratet.“58

Das Konzept einer geistigen Mütterlichkeit bei unverheirateten Frauen besteht bereits seit den 1870er Jahren und versteht darunter die Aufgabe der Frau, ihre „emotionalen und moralischen Qualitäten auf gesamtgesellschaftliche Verhältnisse zu übertragen: Mit den Attributen der 'geistigen Mütterlichkeit' ausgestattet, sollte auch die ledige Frau ihre familialen Rollenerwartungen erfüllen, jedoch jetzt auf das Volksganze bezogen. Ihre Kulturaufgabe sollte die erwerbstätige Frau erfüllen, indem sie ihre Mutterrolle in der Gesellschaft, und dort vor allem in pädagogischen und sozialen Berufen, auslebte.“59

„Bei den Vertreterinnen des in den siebziger Jahren entfalteten Konzepts der 'geistigen Mütterlichkeit', das die frühen egalitären Emanzipationstheorien der bürgerlichen Frauenbewegung zurückzudrängen begann, verlagerte sich der Stellenwert, den Berufstätigkeit im Emanzipationsprozeß einnahm. Zwar verband sich in vielen Äußerungen über weibliche Arbeit auch dann noch die Hoffnung auf Qualifizierung, wirtschaftliche Unabhängigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz. Aber parallel dazu forderten führende Frauenrechtlerinnen immer lautstärker auch Pflichttreue, Opferfreudigkeit und Selbstbeschränkung von der berufstätigen Frau. Auf diese Weise aktualisierten sie tradierte Weiblichkeitsmuster und sahen in der Mutterrolle den eigentlichen Naturberuf der Frau.“60

Die Frau in der Katholischen Kirche

Wie steht die Katholische Kirche zur Frauenbewegung? Der Kamillianerpater Wilhelm Wiesen setzt diese in Bezug zur Katholischen Frauenbewegung:

„Die deutsche Frauenbewegung 'verband in sich religiöse und vaterländische Gesinnung'. Große Verdienste kommen Helene Lange zu in ihren erfolgreichen Bemühungen für eine vertiefte Frauenbildung und dafür, daß sie der Frau den Zugang zur Hochschule erschloß und damit zu großen und mannigfaltigen Berufsformen kultureller und sozialer Art. Es ist das großer Verdienst von Gertrud Bäumer, diese Bestrebungen fortgesetzt, erweitert und vertieft zu haben. Angestoßen durch die Schriften weitblickender Frauen wie Elisabeth Gnauck-Kühne und E.M. Hammann, erstand um die Jahrhundertwende eine eigene katholische Frauenbewegung, die vor allem unter der Führung von Hedwig Dransfeld als bahnbrechend für den Einsatz der katholischen Frauenwelt in den sozialen und kulturellen Lebensbereichen gewirkt hat.“61

Als ein wichtiges Ereignis ist die Gründung des Katholischen Deutschen Frauenbundes im Jahre 1903 zu nennen. Die bisherigen katholischen Frauenvereine hatten keine Bestrebungen, für die Rechte der Frau in der Gesellschaft zu kämpfen. Die außerhalb der katholischen Kreise begonnene Frauenbewegung wird auf Seiten der christlichen Kirchen von Elisabeth Gnauck-Kühne nun mit dem christlichen Gedanken verbunden. Sie gilt als eine der Initiatorinnen des Katholischen Deutschen Frauenbundes.62

Allerdings kommt auch Protest von Seiten der Kirche und der kirchlichen Amtsträger auf: Wie passt der erhobene Anspruch auf Recht und Selbstbestimmung der Frauen mit der gepredigten „Niedrigkeit des Dienstes“ zusammen? Innerhalb der katholischen Kirche verändert sich das Frauenbild bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zwar, denn „man brauchte Frauen für die kirchliche Sozialarbeit. Man brauchte ihre Einsatzbereitschaft, ihren Dienst, ihre mütterlichen Fähigkeiten. Dennoch bleibt ein tiefes – vom Patriarchat, seinen Herrschaftsansprüchen und seinem Verstandesdenken her zu erklärendes – Mißtrauen gegen Frauen, ihre Selbständigkeit und ihre Bedeutung.“63

Einigen Frauen schreitet der Fortschritt bezüglich des Frauenbildes in der Katholischen Kirche allerdings zu langsam voran: „Der Rückzug vieler selbstbewusster Frauen aus der Kirche, die ihnen zwar Sozialarbeit, aber keine Identität als volle Persönlichkeit bot, erschwerte den Prozeß, Kirche und Theologie mit der Frauenbewegung zu konfrontieren und zu verändern.“64 Diese Frauen greifen das kirchliche Frauenbild an und grenzen sich von den Frauen ab, welche sich der Kirche und dem dort herrschenden Patriarchat unterwerfen würden.65

Die Ergänzung beider Geschlechter

Die ehemalige Seelsorgehelferin und Diözesanreferentin der Frauenseelsorge im Bistum Dresden-Meißen Lisa Ahnert teilt die Entwicklung des Frauenbildes im 20. Jahrhunderts in Phasen ein. Die erste Phase, die sie Gleichwertigkeit und Andersartigkeit nennt, wird durch die Industrialisierung, sowie den Ersten Weltkrieg eingeleitet, in dem die Frauen typisch „männliche“ Aufgabenbereiche übernehmen müssen und merken, dass sie dies können. Das christliche Frauenbild ist geprägt von einer Mütterlichkeit und Hingabe, wobei die Frau noch auf den Mann hin geordnet ist. Frau und Mann sind zwar auch in Christus gleich, aber dennoch anders. So sollen sie sich ergänzen. Es kommt sogar teilweise zu einem überhöhten Frauenbild, wenn beispielsweise ein „marianisches Grundbild“ der Frau zu Grunde gelegt wird, während der Mann daneben eher herabgesetzt wird.66„Dieses Bild der mütterlichen Frau, wie sie Gertrud von le Fort beschreibt, die die Not sieht und zur Hingabe bereit ist, war ein tastender Versuch, die Eigenart und die Andersartigkeit der Frau gegenüber der Eigenart des Mannes darzustellen […] Das war gegenüber früheren Zeiten, in denen die Frau nur als Gegenüber zum Mann gesehen wurde, ein echter Schritt nach vorn.“67

Diese Gleichwertigkeit und zugleich Andersartigkeit der beiden Geschlechter, die sich ergänzen, propagiert die Katholische Kirche noch bis in die 1950er Jahre hinein als „die These von der komplementären Polarität der Geschlechter. Beide haben ihre unübertragbaren, aber einander ergänzenden Eigenarten und Aufgaben.“68 Diese Auffassung kann als stichhaltiges Argument für die Befürworter einer Berufstätigkeit der Frau innerhalb der Kirche gelten – selbst gegen kritisch eingestellte Kleriker.

Trotz dieser grundsätzlichen Offenheit für den beruflichen Einsatz der Frau im sozialen Bereich seitens der Kirche stellt die unverheiratete Frau eine Herausforderung dar: Sie „wurde in der Blütezeit der Frauenbewegung zu einem Problem der Kirche“ 69 und zwar deshalb, da sie den Frieden der Familien stören könne. Man muss nun also bewusst Berufe finden, damit unverheiratete Frauen davon abgebracht werden, sich in bestehende Familien einzumischen und den Frieden zu stören. Aber: „Das Diakonissenideal als allein verbindliches Lebensideal reichte nicht mehr aus, alle säkularen Bedürfnisse aufzufangen.“70

Katholische Frauenvereine und Berufsgemeinschaften

Katholische Frauenvereine

Noch bis 1898 verbietet das preußische Vereinsgesetz (§ 8) Frauen die Mitgliedschaft in politischen Vereinen sowie die Teilnahme an politischen Versammlungen. Das katholische Vereinsleben zählt jedoch nicht dazu. In den 1830er Jahren werden die ersten katholischen Vereine gegründet. So kann 1837 die Gründung des Clemens-August-Verein (Köln) verzeichnet werden und 1844 die Gründung des Kirchlichen Vereins für Baden (Freiburg). 1848 wird gar als „das große Gründerjahr der Katholischen Vereine“71 bezeichnet. Im katholischen Vereinswesen ist es Frauen gestattet, sich zu engagieren:

„In der Zeit von 1880 bis 1904 traten die katholischen Frauenvereine aus ihrem primär lokalen Wirkungsbereich heraus; einige neu entstandene Vereine wurden zu Vereinigungen für ganz Deutschland ausgestaltet, so der Verein katholischer deutscher Lehrerinnen, der Sozialdienst katholischer Frauen, der Mädchenschutz sowie die Gehilfinnenvereine.“72

Zudem wird den Vereinen eine familiäre Funktion zugesprochen:

„Jeder Verein besaß über einen gewählten Aufgabenbereich hinaus noch eine soziale Funktion. Er wurde in manchen Fällen zu einer Ersatzfamilie, in der der soziale Kontakt der Mitglieder gepflegt wurde und das religiöse Leben seine Bedeutung hatte. Die Mitglieder sollten im Verein ein Gefühl der Geborgenheit besitzen.“73

Die spätere Berufsgemeinschaft liegt mit ihrem familiären Charakter also zeitlich durchaus im Trend.74 Erste katholische Berufsgemeinschaften für berufstätige Frauen bilden sich, um sich gegenseitig zu unterstützen:

„Waren die Gründungen von Hildegardisvereinen und Studentinnenverbindungen z.T. eine Frucht der sich seit dem 19. Jahrhundert entwickelnden katholischen Bildungsbestrebungen, so standen die Neugründungen mehrerer katholischer Berufsvereinigungen insbesondere in der Tradition der Frauenberufsvereine. Zu ihnen zählt der Verein katholischer deutscher Sozialbeamtinnen. Anlaß für die 1916 ins Leben getretene Gemeinschaft war die Kriegszeit, in der Ehe und Familie besonderen Belastungen ausgesetzt waren. Die einzelne Beamtin, so glaubten die Vereinsgründer, bedürfe gerade in dieser Zeit zur Bewältigung ihrer Aufgaben der Hilfe und der Unterstützung eine Berufsgemeinschaft.“75

Parallel zum Verein katholischer deutscher Sozialbeamtinnen gründet sich 1916 der überkonfessionelle Deutsche Verband der Sozialbeamtinnen. 1903 gründet sich auf evangelischer Seite ein Verband der evangelischen Wohlfahrtspflegerinnen Deutschlands.76 Dabei ist bei den katholischen Frauenvereinen zu beachten, dass diese zwar häufig von Laien gegründet werden, sich dabei aber durchaus eng mit der Amtskirche verwurzelt sehen und sich nie gegen diese stellen:

„Die Leitung der von 1840 bis 1880 gegründeten Vereine hatten im Regelfall Geistliche, die Präsides genannt wurden, inne. Seit der Gründung des Lehrerinnenvereins [1885, Anm. DB] kam sie in der Mehrzahl den Frauen selbst zu. Priester fungierten dann als Geistliche Beiräte.“77

Für die Katholische Kirche mit ihrer Herausforderung, die Seelsorge in den modernen Großstädten zu organisieren, stellt das katholische Vereinswesen eine hilfreiche Unterstützung dar: „Die katholischen Vereine haben sich als unentbehrliches Hilfsmittel moderner Seelsorge in den Großstädten erwiesen.“78 Die Vereine werden in die Großstadtseelsorge fest eingeplant und das Laienapostolat soll mit der Seelsorge verknüpft werden:

„Diese beiden Richtlinien möchten wir als maßgebend für die zukünftige Großstadtseelsorge bezeichnen. Wir formulieren so folgendermaßen: 1. Planmäßige, stetige Missionierung der gesamten Pfarrgemeinde unter Führung der Seelsorger, unter Mitarbeit eines straff organisierten Laienapostolates und unter Mithilfe eines der Zeitlage angepaßten katholischen Vereinslebens. 2. Erweiterung und Neuorientierung der organisierten Caritasarbeit und engste Verknüpfung derselben mit Seelsorge und Laienapostolat.“79

Die ersten Berufsorganisationen von Frauen

Die ersten von und für Frauen gegründeten Berufsvereine werden bereits im 19. Jahrhundert gegründet. Die Gründerinnen sind zumeist auch in der aufkeimenden Frauenbewegung aktiv und möchten aktiv gegen die Benachteiligungen von berufstätigen Frauen vorgehen.

„Wie solche Initiativen konkret Gestalt annahmen, läßt sich besonders gut am Beispiel der Lehrerinnenvereine zeigen. Schon allein die Tatsache, daß eine große Anzahl von engagierten Vertreterinnen der bürgerlichen, aber auch der proletarischen Frauenbewegung selbst Lehrerinnen waren, verweist deutlich auf den inneren Zusammenhang zwischen Frauen- und Lehrerinnenbewegung.“80

Da die Berufsgruppe der Lehrerinnen für den aufkommenden Beruf der Seelsorgehelferin noch von Relevanz sein wird, soll hier beispielhaft auf den ersten deutschen Lehrerinnenverein hingewiesen werden, der 1865 gegründet wird:

„Der Dresdner Verein, der 1865 unter dem Namen Pädagogischer Zirkel gegründet wurde, war wohl nicht nur der erste Lehrerinnenverein, sondern auch eine der ersten Berufsorganisationen bürgerlicher Frauen überhaupt. Als Verein von Lehrerinnen und Freundinnen des Erziehungswesens bemühte sich die Organisation darum, die Geselligkeit zu fördern und befaßte sich mit Aus- und Weiterbildungsfragen. Die materielle Interessensvertretung beschränkte sich in der frühen Zeit auf Selbsthilfemaßnahmen, wie Unterstützung bei Krankheit oder Stellenvermittlung.“81

Berufstätige Frauen gründen auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Vertretung ihrer Interessen Berufsorganisationen. Allerdings schließen sie sich nicht den bestehenden Männerorganisationen an, sondern gründen eigene Verbände. Dies ist zum einen darin begründet, dass sie in den Männerorganisationen vermutlich einen schwereren Stand hätten, zum anderen, dass sie andere Interessen vertreten. Allerdings ist es keineswegs so, dass die berufstätigen Frauen in den Verbänden zugleich die Frauenbewegung aktiv unterstützen.82

Auch die ersten Berufskräfte in der Seelsorgehilfe schließen sich aus den Vereinen heraus bereits zu einem Verband zusammen. In diesen treten auch einige Helfer und Helferinnen ein, die noch nie in der Caritasarbeit standen. Der Erste Weltkrieg entschleunigt die bereits in Gang gesetzte Entwicklung jedoch.

Elisabethvereine und Vinzenzkonferenzen

Vor allem die Elisabethkonferenzen und Vinzenzkonferenzen stellen eine wesentliche Unterstützung der Laien in der Seelsorgehilfe dar. Noch bevor die ersten Gemeindehelferinnen die Gemeinden hauptamtlich unterstützen, gibt es Frauen und Männer, welche sich – ehrenamtlich – um Notleidende in der Gesellschaft kümmern. So betätigen sich beispielsweise Elisabethvereine in den Bereichen der Armenfürsorge, Krankenpflege, der Pflege für Schulpflichtige, Fürsorge für Alte. Bereits zuvor gibt es caritativ tätige Frauenvereine, wie z.B. ab 1815 in Freiburg. Im Jahr 1817 wird durch von Görres in Koblenz der Hilfsverein gegründet, welcher später unter dem Namen Katholischer Frauenverein weiter existiert.83

Die Elisabethvereine gründen sich als Antwort auf die große Not in der beginnenden Industrialisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts, vor allem zwischen 1840 und 1860. So werden die ersten Elisabethenvereine 1840 in Trier und Augsburg gegründet, bald danach folgen München (1842) und Barmen (1843, bei Höhn). Weitere Elisabethvereine gründen sich in Mainz (1848), Olpe (1855), Osnabrück (1864), Ellwangen (1848), Würzburg (1853) und Limburg (1859). 1845 findet die erste Vinzenzkonferenz statt; 1853 wird die Organisation in einen Vinzenz- und einen Elisabethenverein umgestaltet. In Freiburg gründet sich 1892 ein Elisabethverein, der bereits 1815 gegründete Frauenverein geht in diesen im Jahre 1920 über.84

Schwerpunkte sind die caritative Tätigkeit für arme, wohnungslose und kranke Menschen, wobei die einzelnen Elisabethvereine durchaus unterschiedlich aufgestellt sein und auch verschiedene Ziele haben können. Mitglieder sind Frauen, die ehrenamtlich mitwirken und beispielsweise Krankenbesuche tätigen (im Sinne einer ambulanten Krankenpflege). Informationen hierfür holen sie sich auch vom Pfarrer. Ein weiterer, wesentlicher Aufgabenbereich ist die Einrichtung von Suppenküchen für arme Leute.85

Die bestehenden Vinzenzkonferenzen schließen in der Regel eine Teilnahme von Frauen aus, allerdings gibt es auch innerhalb mancher Vinzenzvereine bereits Frauenkonferenzen. Im Fokus steht hier die Hausarmenpflege, später werden Hausbesuche bei unverheirateten Paaren und Eltern von ungetauften Kindern getätigt. Dies ist bis dahin den männlichen Mitgliedern der Vinzenzvereine vorbehalten.86 Die meisten Elisabethvereine haben eine religiöse als auch wesentlich praktische Ausrichtung; ihre Mitglieder kümmern sich schwerpunktmäßig um arme und kranke Menschen.87 Interessant ist, dass der in München gegründete örtliche Elisabethverein eine „von Laien gegründete, von ihnen ehrenamtlich geführte und religiös ausgerichtete Gemeinschaft“88 ist. Es gibt zwar einen geistlichen Beirat, die Gemeinschaft wird aber von den Frauen selbst geführt. Der für die Mitglieder relevante Schwerpunkt in der religiösen Ausrichtung zeigt sich in der Tatsache, dass der Verein 1851 zur Marianischen Kongregation wird.89 „Eine planmässige Arbeit dieser Art war aber schon deshalb nicht möglich, weil keine brauchbare Kartothek vorhanden war, und vor allem deshalb, weil es an geschulten Kräften fehlte.“90

2.1.2 Katholische Kirche und die Herausforderungen der Seelsorge um 1900

Auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert steht die Katholische Kirche mit ihrer Seelsorgetätigkeit vor großen Herausforderungen. Jahrhundertelang waren Gemeinden keiner großen Fluktuation durch Wegzüge ausgesetzt. Die Gemeindepfarrer wussten bisher um jedes einzelne Gemeindemitglied. Durch die Industrialisierung kommt es nun zu tiefgreifenden Veränderungen: „Die Zeiten, wo sich die Gesamtheit der Pfarrangehörigen als eine bodenständige, mit der Scholle verwachsene, seit Generationen mit dem Pfarrleben verbundene Gemeinschaft darbot, sind für die meisten Großstadtgemeinden längst vorüber. Ein großer Teil des weiten Feldes, das die Seelsorge zu bestellen hat, ist nicht mehr das altbekannte, oft erprobte Erdreich, sondern angeschwemmtes Land; denn schon seit Jahrzehnten wird Deutschland von einer gewaltigen Binnenwanderung beherrscht, die eine große Zahl von Menschen aus dem Lande in die Stadt und von einem Ort zum andern hinführt.“91

Durch die Industrialisierung und die hierdurch verursachte Binnenwanderung sehen sich die Priester plötzlich mit für sie neuen und gravierenden sozialen Problemen, der sogenannten Sozialen Frage konfrontiert. Hiervor konnten sie ihre Augen nicht verschließen.

„Es muss aus genauer Sachkenntnis der zur Lösung anstehenden Probleme heraus eine institutionelle Änderung der wirtschaftsgesellschaftlichen Verfassung herbeigeführt werden. Deswegen war es notwendig, dass sich der Klerus, soweit er sich in echter Weise als 'Volkslehrer' (Kolping) erkannte, dem Studium der sozialen Frage mit besonderer Eindringlichkeit widmete, um etwas zur Sache sagen zu können.“92

Die Seelsorger der Kirche sehen sich gezwungen, ihre Methoden diesen gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen, denn „die ererbten Formen der Pastoration entsprachen nicht mehr den Forderungen der gegenwärtigen Lage.“ 93 Der bereits zitierte Wiesen betont „die Notwendigkeit einer Seelsorgehilfe […], die sich ergibt aus der gewaltigen Zunahme der Bevölkerung, aus dem Priestermangel, aus der Apathie und der Verhetzung weitester Kreise gegen Priester- und Ordensstand, aus der Freizügigkeit, aus den Gefahren modernen Großstadt- und Geisteslebens.“94

Die Seelsorge hat nicht nur die bestehenden Gemeindemitglieder als Zielgruppe, vielmehr ist eine aufsuchende Seelsorge gefragt, die besonders die Menschen im Blick hat, die sich von einem Gemeindeleben entfernen. Sie wird gar als missionarisch bezeichnet: „Die reguläre Seelsorge muß den engen Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit sprengen und sich zur Missionsseelsorge erweitern, die es sich zur Aufgabe macht, die Verlorenen und Abseitsstehenden zurückzugewinnen, die Gefährdeten und Wankenden zu stärken und den Geist der Treugebliebenen zu erneuern.“95

Ein neuer Begriff taucht auf: Die Großstadtseelsorge96. Dieser wird durch die 1909 von Heinrich Swoboda veröffentlichte Publikation mit dem Titel Großstadtseelsorge geprägt. „Svobodas Werk machte deutlich, daß in den Großstädten und in den Industriezentren eine bedrohliche Lage der religiösen Seelenpflege bestand.“97 Selbst wenn die Städte immer größer werden, dürfe die Seelsorge, die dadurch erschwert wird, laut Swoboda nicht außen vor gelassen werden.98 Swoboda nennt als angemessene Mittel einer erneuerten Seelsorge: „Bessere Erfassung der Zuziehenden, Pflege des seelsorgerlichen Kontaktes durch Hausbesuche, Weckung und Organisation des Laienapostolates für den Dienst der Seelsorge, bessere Aktivierung der Mitarbeit der Frau im Bereich der Pastoration.“99

Um die neuen Herausforderungen meistern zu können, benötigt es ein organisiertes und strukturiertes Vorgehen. So wird nach einigen praktischen Erfahrungen 1919 offiziell die Pfarrkartei eingeführt. Wiesen berichtet über die vorangegangene Entwicklung der Kartei:

„Sie unterrichtet über die religiösen, sozialen Verhältnisse der Gläubigen, über die Fürsorgebedürftigen, gibt die Unterlagen für die rechte Vereinsseelsorge, für die Propaganda der guten Presse usw. […] Stadtvikar Litzinger aus Dortmund hat zuerst 1912 in der Präsideskorrespondenz des Volksvereins eine instruktive Schrift über die Pfarrkartei herausgegeben, 1914 trat dann Johannes Karl Kammer mit einem neuen Kartensystem an die Öffentlichkeit. Ein anderes gab der Caritasverband heraus, das zuerst in Hannover und später in Freiburg praktisch durchgeführt wurde. […] Diese Vielheit wäre für die Seelsorge der Zu- und Abwandernden von Nachteil gewesen. Von den hochwürdigsten Bischöfen ist daher auf der Bischofskonferenz zu Fulda 1919 eine Einheitskarte sanktioniert worden, die von der Zentralstelle für kirchliche Statistik in Köln herausgegeben wird.100

Die einzuführende Pfarrkartei ist vor allem mit Hausbesuchen verbunden, die durchgeführt werden müssen. Wiesen bezeichnet die Hausbesuche als neue und notwendige pastorale Methode, die neben der Vereinsseelsorge steht:

„Die neue Zeit verlangte neue Methoden in der Pastoral. Zwei Seelsorgsmittel wurden eifrig, namentlich in den Großstädten und Industriegebieten, aufgegriffen: Die Vereinsseelsorge und die systematischen Hausbesuche.“101

Die bereits genannten Vinzenzkonferenzen und Elisabethvereine sind Beispiele für eine solche Vereinsseelsorge.

Caritashilfe/Seelsorgehilfe als Ausbau des Laienapostolates

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg zieht man in Erwägung, Laien in die berufliche Mitarbeit in der Seelsorge einzubeziehen. Dies liegt in der großen Not in der Seelsorge der Großstadtpfarreien begründet. Für die notwendige Umorientierung der Seelsorge vor allem in den Großstädten entstehen nun neue Begrifflichkeiten. Die Idee einer Caritashilfe in der Seelsorge kommt auf.102 So werden seelsorgerlich-caritative Dienste bezeichnet, welche (noch) nicht von der ordentlichen Seelsorge übernommen wurden.103

Die beiden neuen Begriffe Caritashilfe und Seelsorgehilfe, die zumeist synonym verwendet werden, werden verstanden als eine „dauernde, planmäßige Unterstützung der lehr- und hirtenamtlichen Tätigkeit des Seelsorgers durch Laienkräfte.“104

Unter dem Begriff Laie wird dabei eine katholisch getaufte Person verstanden, welche keine lehr- und hirtenamtliche Funktion einnimmt. Wiesen stellt die Berufung eines jeden Christen, „der durch das Sakrament der Taufe und der Firmung lebendiges Glied und Mitstreiter der Kirche geworden ist“105, hervor. Die katholischen Vereine stellen bereits ein wichtiges Element in der Bekämpfung von Armut und in der Unterstützung der Seelsorgearbeit des Pfarrers dar. Sie sollen neben den neu gegründeten Caritasverbänden auch weiterhin eine wichtige Rolle für die Seelsorgehilfe spielen:

„Die caritativen Vereine sollten daher in der organisierten Seelsorgehilfe, die auch so bezeichnend Caritashilfe genannt wird, eine hervorragende Rolle einnehmen. Zwar werden weder Vinzenz- noch Elisabethvereine noch der örtliche Caritasverband ausschließlich Träger dieser apostolischen Arbeit sein, weit weniger noch die Fürsorgevereine, aber bedeutsame Faktoren des Laienapostolates werden sie immerhin darstellen müssen.“106

Der Begriff Laienapostolat wird 1922 durch die päpstliche Enzyklika Ubi Arcano von Papst Pius XI. kirchlich eingebracht. Dieser fordert eine „Teilnahme des Laien am hierarchischen Apostolat der Kirche.“107 Zu diesem Zeitpunkt gibt es bereits erste praktische Erfahrungen mit Laien als Helfende in den Gemeinden. „Wie so oft in der Kirchengeschichte ging die Praxis der theologischen Reflexion voraus […].“108 Dieses neue Laienapostolat ist eingegliedert in die Seelsorge und soll die Seelsorge des Pfarrers systematisch unterstützen, wie Wiesen ausarbeitet:

„Daneben steht aber eine andere laienapostolische Bewegung. Sie wird getragen von der ordentlichen Seelsorge unter inniger, lebendiger Eingliederung in den Organismus der kirchlichen Gemeinde. […] Mit dieser Arbeit bringen wir ein wertvolles neues Moment in die Seelsorgearbeit und in die kirchliche Liebestätigkeit hinein: das systematische Aufsuchen der Not und der Hilfsbedürftigen.“109

Dabei ist Wiesen der Auffassung, dass dem Laienapostolat im Gegensatz zum Priestertum „keine besondere Beauftragung [zugrunde liegt, Anm. DB], sondern […] aus dem allgemeinen christlichen Gebot der Nächstenliebe“110 hervorgeht.

In der beruflichen Seelsorgehilfe sind zunächst vor allem Mitglieder der Kongregationen tätig. Es gibt sogar spezifische Kongregationen, wie die Josefsschwestern von Trier, die sich der Unterstützung der Seelsorgehilfe widmen:

„Von neueren klösterlichen oder klosterähnlichen Gemeinschaften, die sich der Seelsorgehilfe in besonderer Weise widmen, nenne ich die Freiburger Liobaschwestern, die schon eine ganze Reihe von Schwestern als Gemeindehelferinnen angestellt haben, die Johannesschwestern mit dem Mutterhaus in Leutesdorf, ferner die Missionsschwestern vom heiligen Namen Mariä, 1922 in Meppen gegründet, die sich vor allem der Kindererziehung und Katechese der Diaspora widmen wollen, die Heimatmission, in München 1923 gegründet, die Schwestern des Verbandes des kath. Apostolates, in Boßweiler in der Pfalz 1923 gegründet. Eine Kongregation, die schon in den neunziger Jahren gegründet wurde mit ausgesprochen neuzeitlichen Zielen der Seelsorgehilfe, sind die Josefsschwestern von Trier. In etwa müssen hier erwähnt werden die Drittordensschwestern für Familienpflege mit den Mutterhäusern in Essen und Crefeld, die Annaschwestern.“111

Allerdings wird deutlich, dass ergänzend zu den Orden und ehrenamtlichen Vereinen weitere Helferinnen und Helfer benötigt werden, da erstere nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind. Zudem wird beobachtet, dass eine „freie Helferin“ im Gegensatz zu einer Ordensschwester von vielen Menschen besser angenommen wird:

„Aber ebensowenig dürfen wir glauben, daß unsere Orden und Kongregationen allein vollends in der Lage sind, die neuen Aufgaben zu übernehmen. […] Zudem muß selbst die Ordensschwester an manchem Hause vorbeigehen, wo die freie Helferin kraft ihrer sozialen Stellung gut Seelsorgehilfe leisten kann. […] Die Erfahrungen, die vielerorts bereits hiermit gemacht worden, sind äußerst günstig. Im Einverständnis mit dem Seelsorger haben caritative Vereine, Vinzenz- und Elisabethvereine, der Dritte Orden solche berufliche Kräfte eingestellt. Ebenso hat der Bonifatiusverein Wanderlehrer für den Religionsunterricht und Diasporahelferinnen angestellt, die neben der Katechese sich auch praktischer Arbeit widmen. Aber auch Pfarrgemeinden, vor allem in größeren Städten, haben Helferinnen angestellt, die sich, soweit wir überblicken, bisher gut bewährt haben.“112

Der Deutsche Caritasverband sieht bald das Bedürfnis einer Fortbildung in Form eines Einführungskurses für die Seelsorgehilfe. Als Zielgruppe denkt man an berufserfahrene Männer und Frauen, die vor allem bisher als Lehrerinnen und Lehrer oder als Beamte arbeiten: „Jetzt ist der Boden beschaffen für einen Einführungskursus in die Seelsorgehilfe. Zu diesem Einführungskurs sind die vorher genannten Persönlichkeiten sowie andere geeignete Männer und Frauen aus der Gemeinde einzuladen. Im Besonderen achte man auf Beamte, Lehrer und Lehrerinnen.“113

Die Notwendigkeit von hauptamtlichen Laienkräften

Auch der Gründer des Deutschen Caritasverbandes, Lorenz Werthmann, ist 1911 der Auffassung, dass die bestehenden Freiwilligen in den sozialen Vereinen nicht ausreichen würden, die Not in der Seelsorge zu lindern:

„Sorgenvoll schaute man sich nach Hilfe um; man suchte sie bei den bestehenden caritativen, sozialen und religiösen Vereinen. Man fand auch dort zahlreiche hilfsbereite Herzen, aber man mußte doch bald die Erfahrung machen, daß gegenüber der Größe des Problems die freiwilligen Helfer nicht ausreichten.“114

Swoboda beschreibt 1911 in seinem bereits in der zweiten Auflage (die erste Auflage erscheint bereits 1909) publizierten Werk Großstadtseelsorge als mögliche Lösung berufliche Laienkräfte: „Auch einzelne Laien können und sollen besonders in der Großstadt zur Seelsorge herangezogen und organisiert werden. Ihrem Berufe nach sind die Lehrer, Lehrerinnen, Ärzte, Krankenpfleger und Pflegerinnen hierzu vor allem berufen.“115 Er schlägt also hauptamtlich tätige Laien für die Großstadtseelsorge vor, und – zum ersten Mal werden auch Frauen genannt.

Warum ist es nicht ausreichend, dass die bisherigen ehrenamtlich tätigen Vereine und die Ordensschwestern als Laienkräfte in der Seelsorgehilfe mitarbeiten? Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen wird die Erfahrung gemacht, dass Laien in manchen Situationen besser angenommen werden als Priester. Diese sollten nicht außen vor bleiben, vielmehr wird die Tätigkeit des Laien als Vorseelsorge verstanden, bevor der Priester seelsorgerlich tätig wird: „Die Notwendigkeit der Laienmitarbeit liegt nicht nur darin begründet, daß zur Erfüllung mancher Aufgaben der katholische Laie sich besser eignet und eher imstande ist, das unmittelbar priesterliche Wirken einzuleiten, oder wenn man will, eine Art Vorseelsorge auszuüben.“116

Der Begriff Vor-Seelsorge macht deutlich, dass die Laien, ob ehrenamtlich oder hauptamtlich tätig, auf die eigentliche Seelsorge, die lediglich durch den Priester selbst ausgeübt wird, vorbereiten. Die Vorseelsorge steht nicht eigenständig da, sondern gliedert sich an das priesterliche Wirken an und ist eine zuarbeitende, helfende Tätigkeit, was bereits die Begriffe Caritashilfe und Seelsorgehilfe ausdrücken. Sie stellt damit auch keine Konkurrenz zur priesterlichen Tätigkeit dar, sondern soll Unterstützung derselben sein.

Dass eine solche Befürchtung eines „Laienregiments“ bereits besteht oder es eine solche Angst geben könnte, weist ein Zitat Wiesens aus dem Jahre 1922 auf, in dem dieser eine mit dem Pfarrer gleichwertige Seelsorge gar als „unkirchlich“ bezeichnet. Hingegen sei gegen eine Hilfe zur Seelsorge nichts einzuwenden: