Viermal hat der Commissaire genug gesehen: 4 Frankreich Krimis - Alfred Bekker - E-Book

Viermal hat der Commissaire genug gesehen: 4 Frankreich Krimis E-Book

Alfred Bekker

0,0

Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Commissaire Marquanteur und das Rätsel der weißen Orchidee Commissaire Marquanteur und der Tote im Fischernetz Commissaire Marquanteur und die Morde in der Rue des Phocéens Commissaire Marquanteur und der Mordfall Arielle Duval Der Morgen war noch jung, als ich meinen alten Peugeot 504 durch die engen Gassen von Le Panier lenkte. Die Straßen wirkten beinahe menschenleer, nur vereinzelt tauchten Frühaufsteher auf, deren Gesichter von der Kühle des Morgens gerötet waren. Mein Kollege, François Leroc, wartete schon in seiner typischen, unerschütterlichen Manier vor einem kleinen Café. Unser Ziel: der Vieux-Port. Eine Leiche war in einem verlassenen Boot gefunden worden. "Pierre," François nickte mir zu, als ich aus dem Wagen stieg, "wir haben eine lange Nacht vor uns." "Guten Morgen, François. Was wissen wir bis jetzt?" Ich sog die frische Meeresluft ein, die leichten Salzgeruch mit einem Hauch von Fischmarktanteilen hatte. François war immer schon der frühere Vogel von uns beiden. Im Gegensatz zu seinem akkuraten Auftreten, war mein eigenes Äußeres oft weniger perfekt. Ich strich mir die Haare aus der Stirn und folgte ihm durch die Gassen hinunter zum Hafen. "Ein Fischer fand die Leiche heute Morgen bei Tagesanbruch. Er hat sie zuerst für einen Schlafenden gehalten, bis er die Blutlache bemerkte." François hielt kurz inne und deutete auf ein kleines Fischerboot, das an einem verlassenen Steg dümpelte. Drum herum hatten sich bereits einige Schaulustige versammelt, die von ein paar uniformierten Polizisten abgehalten wurden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 235

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Alfred Bekker

Viermal hat der Commissaire genug gesehen: 4 Frankreich Krimis

UUID: 3a3e9429-73be-4498-bcc4-4d1e5a77e785
Dieses eBook wurde mit Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Viermal hat der Commissaire genug gesehen: 4 Frankreich Krimis

Copyright

Commissaire Marquanteur und das Rätsel der weißen Orchidee

Commissaire Marquanteur und der Tote im Fischernetz

Commissaire Marquanteur und die Morde in der Rue des Phocéens

Commissaire Marquanteur und der Mordfall Arielle Duval

landmarks

Titelseite

Cover

Inhaltsverzeichnis

Buchanfang

Viermal hat der Commissaire genug gesehen: 4 Frankreich Krimis

Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Commissaire Marquanteur und das Rätsel der weißen Orchidee

Commissaire Marquanteur und der Tote im Fischernetz

Commissaire Marquanteur und die Morde in der Rue des Phocéens

Commissaire Marquanteur und der Mordfall Arielle Duval

Der Morgen war noch jung, als ich meinen alten Peugeot 504 durch die engen Gassen von Le Panier lenkte. Die Straßen wirkten beinahe menschenleer, nur vereinzelt tauchten Frühaufsteher auf, deren Gesichter von der Kühle des Morgens gerötet waren. Mein Kollege, François Leroc, wartete schon in seiner typischen, unerschütterlichen Manier vor einem kleinen Café. Unser Ziel: der Vieux-Port. Eine Leiche war in einem verlassenen Boot gefunden worden.

„Pierre,“ François nickte mir zu, als ich aus dem Wagen stieg, „wir haben eine lange Nacht vor uns.“

„Guten Morgen, François. Was wissen wir bis jetzt?“ Ich sog die frische Meeresluft ein, die leichten Salzgeruch mit einem Hauch von Fischmarktanteilen hatte.

François war immer schon der frühere Vogel von uns beiden. Im Gegensatz zu seinem akkuraten Auftreten, war mein eigenes Äußeres oft weniger perfekt. Ich strich mir die Haare aus der Stirn und folgte ihm durch die Gassen hinunter zum Hafen.

„Ein Fischer fand die Leiche heute Morgen bei Tagesanbruch. Er hat sie zuerst für einen Schlafenden gehalten, bis er die Blutlache bemerkte.“ François hielt kurz inne und deutete auf ein kleines Fischerboot, das an einem verlassenen Steg dümpelte. Drum herum hatten sich bereits einige Schaulustige versammelt, die von ein paar uniformierten Polizisten abgehalten wurden.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Facebook:

https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

Commissaire Marquanteur und das Rätsel der weißen Orchidee

Alfred Bekker

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten. xx

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Facebook:

https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

Commissaire Marquanteur und das Rätsel der weißen Orchidee: Frankreich Krimi

von ALFRED BEKKER

Kapitel 1

Ich bin Pierre Marquanteur, Commissaire bei der FoPoCri Marseille, und ich kann nicht behaupten, dass mich noch viel überrascht in dieser Stadt. Marseille ist ein brodelnder Kessel, in dem sich die Hitze der Gassen mit dem eisigen Kalkül der Unterwelt mischt. Doch an jenem Morgen, als ich die Tür zu meinem Büro aufstieß und mein Kollege François Leroc bereits mit zwei dampfenden Espressi auf mich wartete, ahnte ich nicht, dass dieser Tag alles verändern würde.

François grinste, als hätte er einen besonders guten Witz auf Lager. „Pierre, du siehst aus, als hättest du die Nacht mit den Akten verbracht.“

„Ich habe von weißen Orchideen geträumt“, murmelte ich, während ich meinen Mantel ablegte. „Und das ist nie ein gutes Zeichen.“

Er schob mir den Espresso zu. „Du wirst es brauchen. Marteau will uns sprechen. Sofort.“

Marteau, unser Chef, war ein Mann, der selten Worte verschwendete. Wenn er uns rief, dann brannte es irgendwo. Ich nahm den Kaffee, folgte François durch den Flur, vorbei an den Kollegen, die ihre Morgenroutine durchzogen, als wäre das Leben ein Uhrwerk, das nur ab und zu aus dem Takt geriet.

Im Besprechungszimmer saß Marteau bereits, die Hände in den Taschen seines Tweedjacketts, den Blick auf einen Aktenstapel gerichtet, als könnte er ihn durch Willenskraft zum Sprechen bringen. Neben ihm stand ein großer Strauß weißer Orchideen in einer schlichten Vase. Ein seltsamer Anblick im düsteren Büro.

„Setzen Sie sich“, sagte Marteau, ohne aufzusehen.

François und ich nahmen Platz. Ich musterte die Blumen. „Ein Geschenk?“

Marteau hob den Blick. „Ein Rätsel, Pierre. Heute Morgen vor der Oper gefunden. Keine Karte, keine Nachricht. Nur die Blumen. Und—“ Er schob eine Plastiktüte über den Tisch. Darin lag ein einzelner, silberner Schlüssel.

Ich nahm die Tüte, betrachtete den Schlüssel. „Kein Anhänger. Kein Hinweis, wozu er gehört.“

„Genau das.“ Marteau lehnte sich zurück. „Doch das ist nicht alles. Vor einer Stunde wurde in der Oper eine Leiche gefunden. Im Orchestergraben. Ein Cellist. Name: Lucien Favreau. Erschlagen. Neben ihm: eine weiße Orchidee.“

François pfiff leise durch die Zähne. „Das klingt nach einer Botschaft.“

„Das ist es“, sagte Marteau. „Und ich will, dass Sie beide herausfinden, was sie bedeutet.“

Ich nickte, nahm die Tüte mit dem Schlüssel und stand auf. „Gibt es schon eine Spur?“

Marteau schüttelte den Kopf. „Die Kollegen der Spurensicherung sind vor Ort. Ich habe Sie angemeldet. Und—“ Er warf einen Blick auf die Uhr. „Der Intendant der Oper wartet auf Sie. Er ist... nervös.“

François und ich verließen das Büro. Im Flur begegneten wir Monsieur Marteaus Sekretärin, die uns eine Thermoskanne Kaffee reichte. „Sie werden ihn brauchen, Messieurs.“

Draußen war der Himmel über Marseille grau, als hätte jemand einen Schleier aus Asche über die Stadt gelegt. Wir nahmen den alten, silbernen Citroën, den die FoPoCri uns zur Verfügung stellte. François fuhr, ich betrachtete den Schlüssel in der Plastiktüte.

„Weißt du, was mich wundert?“, sagte François, während er den Wagen durch den morgendlichen Verkehr lenkte.

„Dass jemand einen Musiker im Orchestergraben erschlägt und eine Blume dalässt?“

„Nein. Dass der Täter so sicher war, dass wir die Botschaft verstehen würden.“

Ich lächelte schmal. „Vielleicht ist das die eigentliche Botschaft.“

Die Oper lag wie ein trutziges Schiff am Rand des alten Hafens. Vor dem Eingang parkten bereits mehrere Einsatzfahrzeuge; Polizisten in Uniform versperrten den Zugang. Wir zeigten unsere Ausweise, wurden durchgelassen.

Im Foyer roch es nach kaltem Rauch und alten Samtvorhängen. Der Intendant, ein kleiner, drahtiger Mann mit schütterem Haar und nervösen Händen, erwartete uns.

„Commissaire Marquanteur? Ich bin Jean-Michel Duret. Bitte, kommen Sie. Es ist... furchtbar.“

Wir folgten ihm durch endlose Korridore, vorbei an Kulissen, die wie vergessene Träume an den Wänden lehnten. Im Orchestergraben war die Spurensicherung noch zugange. Der Tote lag auf dem Rücken, das Gesicht zur Seite gedreht, die Hände noch um den Cellobogen gekrampft. Auf seiner Brust: eine einzelne weiße Orchidee.

Ich kniete nieder, betrachtete die Blume. „Wer hat ihn gefunden?“

Duret schluckte. „Die Geigerin. Madame Vasseur. Sie ist im Foyer, völlig aufgelöst.“

François notierte sich den Namen. „Gab es Streit im Orchester?“

Duret schüttelte den Kopf. „Favreau war beliebt. Ein ruhiger Mensch. Keine Feinde. Soweit ich weiß.“

Ich deutete auf die Blume. „Was ist mit den Orchideen?“

Duret zuckte die Schultern. „Wir bekommen manchmal Blumen, aber... Orchideen? Das ist ungewöhnlich.“

François beugte sich zum Toten. „Kein Blut. Der Schlag war präzise.“

Ich stand auf, wandte mich an den Spurensicherer, der gerade einen Beutel mit einem Taschentuch versiegelte. „Irgendwelche Spuren?“

Der Mann schüttelte den Kopf. „Nichts. Keine Fingerabdrücke. Keine Fasern. Der Täter war vorsichtig.“

Ich sah mich um. Der Orchestergraben war ein Labyrinth aus Stühlen, Notenständern, Instrumentenkoffern. Überall Spuren von Leben – und jetzt der Tod.

François und ich verließen den Graben, suchten Madame Vasseur. Sie saß im Foyer, die Hände um eine Tasse Tee gekrallt, das Gesicht fahl.

„Madame Vasseur?“, begann ich sanft. „Sie haben Favreau gefunden?“

Sie nickte, Tränen in den Augen. „Er war immer der Erste. Kam früh, übte. Ich... ich wollte ihm einen Kaffee bringen. Da lag er schon... so still... und die Blume...“

François reichte ihr ein Taschentuch. „Haben Sie jemanden gesehen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Niemanden. Es war still. Nur... als ich den Gang entlangging, roch es nach Parfum. Ein schwerer, süßer Duft.“

Ich notierte es. „Könnten Sie ihn wiedererkennen?“

Sie zögerte. „Vielleicht. Es war... wie Jasmin. Oder Orchidee.“

François und ich tauschten einen Blick.

Wir verließen die Oper, traten hinaus in den feuchten Morgen. Ich betrachtete den Schlüssel. „Ein Schlüssel, eine Blume, ein Toter. Was fehlt?“

François grinste schief. „Der Täter.“

Ich lachte leise. „Und das Motiv.“

Wir stiegen in den Wagen, fuhren zurück zum Präsidium. Auf dem Weg rief ich Monsieur Marteau an, berichtete ihm von der Blume, dem Parfum, dem fehlenden Motiv.

„Arbeiten Sie weiter“, sagte er nur. „Und passen Sie auf sich auf, Pierre.“

Im Büro erwartete uns eine Überraschung. Auf meinem Schreibtisch lag ein Umschlag, adressiert an mich, in einer eleganten, schwungvollen Handschrift. Ich öffnete ihn vorsichtig. Darin lag eine Karte – und eine einzelne, weiße Orchidee.

Auf der Karte stand nur ein Satz:

„Die Wahrheit ist wie eine Blume – sie wächst im Verborgenen.“

François pfiff durch die Zähne. „Das wird ja immer besser.“

Ich drehte die Karte um. Auf der Rückseite war ein Monogramm: E.L.

Ich sah François an. „Kennst du jemanden mit diesen Initialen?“

Er schüttelte den Kopf. „Nicht in unserem Kreis. Aber...“

Da klopfte es an der Tür. Ein uniformierter Kollege steckte den Kopf herein. „Commissaire, draußen wartet ein Herr auf Sie. Er sagt, er habe Informationen zum Fall Orchidee.“

Ich stand auf, steckte die Karte ein. „Wer ist es?“

„Er sagt, er heißt Monsieur Marteau.“

François grinste. „Unser Chef?“

Der Kollege schüttelte den Kopf. „Nein. Ein anderer. Ein... Orchideenzüchter.“

Ich sah François an. „Jetzt wird es seltsam.“

Wir folgten dem Kollegen in den Flur. Dort wartete ein Mann, etwa sechzig, mit wettergegerbtem Gesicht und einem Anzug, der bessere Tage gesehen hatte. In der Hand hielt er einen Karton mit – natürlich – weißen Orchideen.

„Commissaire Marquanteur?“, fragte er mit rauer Stimme. „Ich bin Eugène Marteau. Ich glaube, ich kann Ihnen helfen.“

Ich musterte ihn. „Sie kennen die Orchideen?“

Er nickte. „Ich züchte sie. Und die, die Sie gefunden haben, stammen aus meinem Gewächshaus.“

François hob die Augenbrauen. „Wie können Sie sich da so sicher sein?“

Marteau lächelte traurig. „Jede Züchtung ist einzigartig. Die Form der Blüten, der Duft. Und...“ Er zog eine Lupe aus der Tasche, zeigte auf die Orchidee in meinem Umschlag. „Sehen Sie hier? Ein winziger Schnitt am Stiel. Das ist mein Zeichen.“

Ich betrachtete die Blume. Tatsächlich, ein kaum sichtbarer Schnitt. „Wer hat sie gekauft?“

Marteau seufzte. „Ein Mann. Groß, schlank, dunkle Haare. Er trug Handschuhe. Bezahlt in bar. Er wollte einen Strauß – und einen einzelnen Stiel.“

François notierte. „Wann war das?“

„Gestern. Gegen Mittag.“

Ich bedankte mich, ließ mir die Adresse des Gewächshauses geben. Als wir zurück ins Büro gingen, sagte François leise: „Was, wenn der Täter uns eine Spur legen will?“

Ich nickte. „Oder eine falsche Fährte.“

Wir verbrachten den Nachmittag mit Recherchen. Die Kollegen fanden heraus, dass Lucien Favreau in den letzten Wochen mehrfach Drohbriefe erhalten hatte – alle anonym, alle mit einer weißen Orchidee versiegelt. Die Briefe waren verschwunden, niemand wusste, wo sie waren.

Am Abend saßen François und ich in der Kantine, tranken den letzten Kaffee des Tages. „Was meinst du, Pierre?“, fragte er. „Eine Botschaft? Ein Ritual? Oder ein persönlicher Rachefeldzug?“

Ich betrachtete die Orchidee auf meinem Schreibtisch. „Vielleicht alles zusammen. Aber eins weiß ich: In Marseille wächst nichts zufällig. Schon gar keine Orchideen.“

Und während draußen der Regen auf die Dächer trommelte, wusste ich, dass dies erst der Anfang war.

Kapitel 2

François und ich verbrachten den Rest jenes Tages in einem Zustand wachsender Unruhe. Es war, als hätte die weiße Orchidee, die jetzt auf meinem Schreibtisch lag, einen Schatten über unser Büro geworfen. Immer wieder fiel mein Blick auf die makellose Blüte, auf den winzigen Schnitt am Stiel – das Zeichen von Eugène Marteau, dem Orchideenzüchter, der wie ein Geist aus dem Nichts aufgetaucht war. Ich fragte mich, ob der Täter uns wirklich eine Spur hatte legen wollen, oder ob wir nur den ersten Schritt in ein Labyrinth gemacht hatten, dessen Ausgang wir noch nicht einmal erahnten.

Am nächsten Morgen war ich schon früh im Präsidium. Die Luft in Marseille war schwer von Feuchtigkeit, und über den Dächern hing ein Dunst, der die Konturen der Stadt verschluckte. Ich brühte mir einen Kaffee und setzte mich an den Schreibtisch, die Akte Favreau vor mir ausgebreitet. François kam wenig später herein, die Haare noch feucht vom Duschen, ein Croissant in der Hand.

„Pierre, du bist ja schon fleißig wie eine Biene“, sagte er und ließ sich auf seinen Stuhl fallen.

„Ich habe schlecht geschlafen“, erwiderte ich. „Die Orchidee verfolgt mich.“

François biss in sein Croissant. „Ich habe geträumt, dass wir in einem Gewächshaus feststecken, und überall wachsen Orchideen, die uns beobachten.“

Ich musste grinsen. „Das ist immerhin besser als mein Traum. Bei mir war der Tote aus dem Orchestergraben plötzlich verschwunden, und an seiner Stelle lag ein Spiegel.“

François schüttelte sich. „Das klingt nach einer Botschaft.“

Ich nickte. „Vielleicht ist das genau das, was der Täter will. Dass wir uns selbst darin sehen.“

Bevor wir weiter spekulieren konnten, klopfte es an der Tür. Monsieur Marteau trat ein, den Aktenkoffer unter dem Arm, den Blick ernst.

„Messieurs, wir haben Neuigkeiten“, begann er ohne Umschweife. „Die Spurensicherung hat gestern Abend noch etwas gefunden. Im Orchestergraben, unter Favreaus Cellokasten.“

Er reichte mir einen Plastikbeutel. Darin lag ein zusammengefaltetes Blatt Papier, darauf ein einzelner Satz, mit einer altmodischen Schreibmaschine getippt:

„Musik ist die Blume des Schweigens.“

Darunter, wieder das Monogramm: E.L.

François runzelte die Stirn. „E.L. – immer noch kein Name, aber offenbar jemand, der Wert auf Poesie legt.“

Ich betrachtete das Papier. „Und eine Schreibmaschine. Das ist ungewöhnlich in Zeiten von Computern.“

Marteau nickte. „Wir haben den Kollegen gebeten, alle Schreibmaschinenhändler der letzten Jahre abzufragen. Aber das dauert. Inzwischen gibt es ein weiteres Problem.“ Er legte eine zweite Akte auf den Tisch. „Heute Nacht wurde in einem Hotel am Alten Hafen eine weitere Leiche gefunden. Wieder eine Orchidee, wieder ein Zettel mit einem Zitat. Und wieder keine Fingerabdrücke.“

François und ich sahen uns an. „Wer ist das Opfer?“, fragte ich.

„Ein gewisser Paul-Étienne Laroque. Musikjournalist. Er hatte gestern Abend eine Probe in der Oper besucht, angeblich, um einen Artikel zu schreiben.“

Ich blätterte durch die Akte. Laroque, 52, bekannt für seine scharfen Kritiken, besonders über die Oper und das Orchester. Kein Familienstand, keine Kinder. Ein Einzelgänger.

„Wie ist er gestorben?“, fragte François.

„Vergiftet“, sagte Marteau knapp. „Im Tee, den er auf sein Zimmer bestellt hatte, fanden die Kollegen Spuren von Digitalis. Der Zimmerservice erinnert sich an einen Anruf von einer Frau, die sich als seine Assistentin ausgab. Sie bestand darauf, dass der Tee mit Honig serviert wird.“

François runzelte die Stirn. „Digitalis – Fingerhut. Auch eine Blume.“

Ich nickte. „Der Täter hat eine Vorliebe für Symbolik.“

Marteau schob uns ein weiteres Beweisstück zu. Ein Zettel, wieder mit Schreibmaschine getippt:

„Wer die Wahrheit sät, wird den Tod ernten.“

Wieder das Monogramm E.L.

Ich lehnte mich zurück. „Zwei Tote, beide mit Bezug zur Oper. Beide erhalten eine weiße Orchidee. Und beide bekommen eine Botschaft.“

François trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. „Wir haben einen Cellisten, der keine Feinde hatte, und einen Kritiker, der sich viele Feinde gemacht hat. Was verbindet sie?“

Ich blätterte in den Akten. „Beide waren gestern in der Oper. Beide waren bei der Probe für die neue Inszenierung von ‚La Traviata‘.“

Marteau nickte. „Genau. Und noch etwas: Laroque hatte gestern Abend ein Treffen mit dem Intendanten, Jean-Michel Duret. Offenbar wollte er ihn wegen einer alten Geschichte sprechen.“

„Welche Geschichte?“, fragte François.

Marteau zuckte die Schultern. „Das wissen wir noch nicht. Aber Duret ist heute früh verschwunden. Seine Frau sagt, er sei um sechs Uhr morgens gegangen, ohne ein Wort zu sagen. Sein Handy ist ausgeschaltet.“

Ich stand auf. „Das wird ja immer besser. Zwei Tote, ein verschwundener Intendant, und ein Täter, der uns mit Blumen und Zitaten füttert.“

François schob seinen Stuhl zurück. „Wir sollten mit dem Orchideenzüchter sprechen. Vielleicht weiß er mehr.“

Marteau nickte. „Ich habe ihn bereits angerufen. Er erwartet Sie in seinem Gewächshaus.“

François und ich machten uns auf den Weg. Das Gewächshaus von Eugène Marteau lag am Stadtrand, zwischen alten Olivenhainen und modernen Villen, die wie Fremdkörper in der Landschaft wirkten. Es war Zufall, dass dieser Monsieur Marteau denselben Nachnamen wie unser Chef trug. Aber so ist das eben. Wir fuhren im Schweigen, jeder von uns in Gedanken bei den beiden Opfern.

Das Gewächshaus war ein Paradies aus Glas und grünem Licht. Überall standen Töpfe mit Orchideen in allen Farben, aber die weißen dominierten. Eugène Marteau wartete auf uns, in einem abgewetzten Arbeitskittel, die Hände voller Erde.

„Commissaire, Monsieur Leroc“, begrüßte er uns. „Sie kommen wegen der Orchideen?“

Ich nickte. „Und wegen der Morde.“

Er führte uns durch die Reihen. „Ich habe die Polizei nie gebraucht. Aber jetzt...“ Er seufzte. „Die Sorte, die Sie gefunden haben, ist sehr selten. Ich habe sie vor zwanzig Jahren gezüchtet. Ich nenne sie ‚La Pureté‘ – die Reinheit.“

François betrachtete eine der Blüten. „Wer hat sie noch gekauft?“

Marteau überlegte. „In den letzten Monaten? Vielleicht drei oder vier Kunden. Aber nur einer hat einen Strauß und eine einzelne Blüte verlangt. Der Mann von gestern.“

„Können Sie ihn beschreiben?“, fragte ich.

Marteau nickte. „Groß, schlank, dunkle Haare. Er trug einen Mantel, obwohl es warm war. Und er hatte eine Narbe am Kinn.“

François notierte. „Hat er einen Namen genannt?“

„Nein. Er zahlte bar. Aber...“ Marteau zögerte. „Er roch nach Parfum. Ein schwerer, süßer Duft. Wie... Orchidee, aber mit etwas Bitterem.“

Ich erinnerte mich an Madame Vasseurs Aussage. „Könnten Sie das Parfum wiedererkennen?“

Marteau schüttelte den Kopf. „Ich bin kein Experte. Aber es war auffällig.“

Wir verabschiedeten uns, nahmen eine Liste der letzten Kunden mit. Draußen auf dem Parkplatz blieb ich stehen, betrachtete die Liste. „Drei Namen. Zwei Frauen, ein Mann. Der Mann ist ein gewisser Émile Laurent.“

François hob die Augenbrauen. „E.L.“

Ich nickte. „Das könnte unser Mann sein.“

Wir fuhren zur Adresse, ein unscheinbares Mietshaus im Viertel Saint-Loup. Die Nachbarin, eine ältere Dame mit scharfen Augen, öffnete die Tür.

„Émile Laurent?“, fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf. „Der ist vor zwei Wochen ausgezogen. Hat alles in der Nacht gepackt. Seitdem ist die Wohnung leer.“

François zeigte ihr das Foto, das wir von Marteau bekommen hatten. Sie nickte. „Ja, das ist er. Aber...“ Sie zögerte. „In letzter Zeit war oft eine Frau bei ihm. Groß, blond, sehr elegant. Sie hatte immer einen weißen Schal um den Hals.“

Ich notierte es. „Wissen Sie, wie sie heißt?“

Die Nachbarin schüttelte den Kopf. „Nein. Aber sie fuhr einen silbernen Peugeot. Das Kennzeichen habe ich mir gemerkt, weil sie immer auf meinem Platz parkte.“ Sie diktierte uns die Nummer.

François grinste. „Manche Nachbarn sind Gold wert.“

Wir bedankten uns und fuhren zurück ins Präsidium. Dort wartete bereits ein Fax von der Spurensicherung: Auf dem Zettel, den man bei Laroque gefunden hatte, war ein Fingerabdruck – winzig, aber deutlich. Er gehörte zu einer Frau namens Elise Lefèvre, 34, Musiklehrerin, keine Vorstrafen.

Ich rief Marteau an. „Kennen Sie eine Elise Lefèvre?“

Er überlegte. „Nein. Aber... warten Sie. Vor drei Tagen hat eine Frau angerufen, wollte Orchideen bestellen. Für ein Konzert. Sie klang nervös.“

François und ich fuhren zur Adresse von Elise Lefèvre. Ein kleines Haus am Rande der Stadt, mit einem verwilderten Garten. Wir klingelten, aber niemand öffnete. Ich umrundete das Haus, sah durch ein Fenster. Im Wohnzimmer lag ein Strauß weißer Orchideen auf dem Tisch, daneben eine geöffnete Mappe mit Notenblättern.

François trat die Tür ein. Das Haus war leer, aber auf dem Tisch lag ein Brief, adressiert an „E.L.“ – wieder diese Initialen.

Ich las den Brief. Es war eine Entschuldigung, voller Reue und Angst. Elise schrieb, dass sie „nicht mehr mitmachen“ könne, dass „die Schuld zu schwer“ sei. Sie bat „Émile“ um Verzeihung und kündigte an, „alles zu gestehen“.

François und ich sahen uns an. „Sie ist auf der Flucht“, sagte er leise.

Ich nickte. „Und sie hat Angst vor Émile Laurent.“

Wir durchsuchten das Haus, fanden im Schlafzimmer eine Schachtel mit alten Zeitungsausschnitten. Es waren Berichte über einen Unfall in der Oper vor zwanzig Jahren. Ein Bühnenarbeiter war damals ums Leben gekommen, angeblich durch Fahrlässigkeit. Der Name des Opfers: Lucien Lefèvre – Elises Vater.

François pfiff leise. „Das ist der Schlüssel. Ihr Vater starb in der Oper. Und jetzt sterben Menschen, die damals dabei waren.“

Ich blätterte weiter. Ein Foto zeigte den Intendanten Duret, den Cellisten Favreau, den Kritiker Laroque – und einen jungen Mann, der Émile Laurent sehr ähnlich sah.

„Das ist ein Rachefeldzug“, sagte ich. „Laurent und Elise glauben, dass ihr Vater damals geopfert wurde. Jetzt holen sie sich die Gerechtigkeit zurück.“

François nickte. „Und Duret ist der Nächste.“

Ich griff zum Handy, rief Marteau an. „Wir brauchen eine Fahndung nach Duret, Laurent und Elise Lefèvre. Und wir müssen die Oper absperren. Heute Abend ist Generalprobe.“

Marteau versprach, alles in die Wege zu leiten.

Wir fuhren zurück ins Präsidium, bereiteten die Einsatzkräfte vor. Während ich die Befehle gab, fiel mein Blick wieder auf die Orchidee auf meinem Schreibtisch. Sie war noch immer makellos, aber ich wusste jetzt, dass sie ein Zeichen war – für Schuld, für Rache, für eine Wahrheit, die zu lange im Verborgenen gelegen hatte.

Und ich wusste, dass wir uns beeilen mussten. Denn in Marseille blühen die Blumen nicht lange, bevor sie verwelken.

Kapitel 3

Die Stadt Marseille lag an diesem Tag unter einer Glocke aus Schwüle und Erwartung. Die Sonne hatte sich hinter dichten Wolken versteckt, und der Wind, der vom Meer herüberwehte, brachte keine Abkühlung, sondern nur das Gefühl, dass etwas in der Luft lag. Ein Tag, an dem die Schatten länger waren als die Straßen, und die Menschen schneller gingen als sonst.

François und ich standen vor dem mächtigen, neoklassizistischen Portal der Oper, die wie ein gestrandetes Schiff am Alten Hafen thronte. Die Generalprobe zu „La Traviata“ sollte in wenigen Stunden beginnen, doch schon jetzt herrschte ein geschäftiges Treiben. Musiker kamen mit Instrumentenkoffern, Bühnenarbeiter schleppten Kulissen, und eine Gruppe von Sängern übte im Foyer letzte Einsätze. Über allem lag eine seltsame Nervosität, die sich nicht nur durch die jüngsten Todesfälle erklären ließ.

Wir hatten die Kollegen der uniformierten Polizei gebeten, die Zugänge zu sichern. Niemand sollte das Gebäude betreten oder verlassen, ohne dass wir es wussten. Im Inneren der Oper herrschte eine Mischung aus Angst und Trotz. Die Künstler waren entschlossen, die Aufführung nicht absagen zu lassen, als wollten sie dem Tod, der in den letzten Tagen durch ihre Reihen gestreift war, mit Musik begegnen.

François trug heute einen dunklen Anzug, der ihm einen Hauch von Eleganz verlieh, den er sonst gern hinter lockeren Sprüchen versteckte. Ich selbst hatte die Uniform gegen Zivil getauscht, um mich unauffälliger zwischen den Musikern bewegen zu können. Wir hatten beide unsere Dienstmarken griffbereit, denn wir wussten, dass wir sie noch brauchen würden.

Wir betraten das Foyer, wo uns sofort der süßliche Duft von Orchideen entgegenwehte. Auf einem Marmortisch stand ein frischer Strauß weißer Blüten – ein Geschenk eines anonymen Gönners, wie uns die Empfangsdame versicherte. Ich beugte mich über die Blumen, suchte nach dem winzigen Schnitt, den Eugène Marteau als sein Zeichen beschrieben hatte. Da war er: ein kaum sichtbarer Kerbe am Stiel.

„Er ist wieder hier“, murmelte ich. François nickte nur und blickte sich um.

Plötzlich trat ein Mann auf uns zu, den ich sofort erkannte: Commissaire Stéphane Caron, unser Kollege von der Kriminalpolizei, ein alter Freund, der schon in den schlimmsten Nächten von Marseille an meiner Seite gestanden hatte.

„Pierre, François – ich habe schon auf euch gewartet“, sagte er, seine Stimme leise, aber bestimmt. „Wir haben Duret gefunden.“

„Wo?“, fragte François.

„Im Fundus. Er ist am Leben, aber...“ Stéphane zögerte. „Ihr solltet selbst mit ihm sprechen.“

Wir folgten ihm durch einen Irrgarten aus Gängen, vorbei an Garderoben, Requisitenkammern und Probenräumen, bis wir schließlich vor einer schweren Tür standen. Stéphane klopfte, öffnete, und wir traten ein.

Der Intendant Jean-Michel Duret saß auf einem alten Ledersessel, das Gesicht bleich, die Hände zitternd. Neben ihm stand eine Thermoskanne, aus der er sich Tee einschenkte. Als er uns sah, versuchte er sich zu einem Lächeln zu zwingen, das jedoch wie eine Grimasse wirkte.

„Commissaire Marquanteur, Monsieur Leroc... ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Ich setzte mich ihm gegenüber, François blieb stehen. „Sie sind heute früh verschwunden, Monsieur Duret. Ihre Frau hat sich Sorgen gemacht.“

Duret nickte. „Ich... ich musste nachdenken. Über all das, was passiert ist. Favreau, Laroque... und jetzt diese Briefe, diese Orchideen...“

„Sie haben selbst einen erhalten?“, fragte François.

Duret griff in die Innentasche seines Sakkos, zog einen Umschlag hervor und reichte ihn mir. Ich öffnete ihn vorsichtig. Darin lag eine einzelne weiße Orchidee und ein Zettel, getippt auf derselben Schreibmaschine wie die anderen Botschaften:

„Wer schweigt, macht sich schuldig.“

Wieder das Monogramm E.L.

Ich sah Duret an. „Was wissen Sie über Émile Laurent?“

Er zuckte zusammen, als hätte ihn jemand geohrfeigt. „Laurent... ich habe ihn seit Jahren nicht gesehen. Er war Bühnenarbeiter, damals, vor zwanzig Jahren. Ein stiller, fleißiger Junge. Und Elise... sie war noch ein Kind.“

François trat näher. „Was ist damals wirklich passiert, Monsieur Duret?“

Duret starrte auf seine Hände. „Es war ein Unfall. Offiziell zumindest. Lucien Lefèvre, Elises Vater, war ein erfahrener Techniker. Er kannte jede Schraube in diesem Haus. An jenem Abend... es gab eine Panne mit dem Gegengewicht der Bühnenrampe. Lefèvre wollte sie selbst reparieren, obwohl er wusste, dass es gefährlich war. Er stürzte ab. Die Polizei untersuchte den Fall, aber...“

„Aber?“, hakte ich nach.

Duret sah mich an, seine Augen glänzten feucht. „Es gab Gerüchte, dass jemand an der Mechanik manipuliert hatte. Aber wir konnten es nie beweisen. Laurent war damals der letzte, der mit Lefèvre gesprochen hatte. Er war verstört, zog sich zurück. Kurz darauf verschwand er.“

„Und Elise?“, fragte François.

„Sie war am Boden zerstört. Ihre Mutter zog mit ihr nach Nizza. Ich habe nie wieder etwas von ihnen gehört.“

Ich legte die Orchidee auf den Tisch. „Jemand glaubt, dass damals ein Verbrechen vertuscht wurde. Und jetzt werden die Beteiligten bestraft.“

Duret schüttelte den Kopf. „Ich habe nichts vertuscht! Ich... ich wollte nur, dass die Oper weitermachen kann. Wir haben so viele Schicksalsschläge erlebt. Aber das hier...“ Er verstummte, Tränen liefen über sein Gesicht.

Ich stand auf, legte ihm die Hand auf die Schulter. „Sie sind in Gefahr, Monsieur Duret. Wir werden Sie nicht aus den Augen lassen.“

François nickte. „Wir stellen einen Kollegen vor Ihre Garderobe. Sie gehen heute Abend nicht allein nach Hause.“

Duret nickte dankbar, wir verließen den Fundus. Im Gang blieb ich stehen, atmete tief durch. „Das Netz zieht sich zu. Laurent und Elise sind irgendwo hier. Sie werden heute zuschlagen.“

François blickte auf die Uhr. „Noch zwei Stunden bis zur Generalprobe. Wir sollten mit Marteau sprechen. Vielleicht hat er noch etwas herausgefunden.“

Wir verließen die Oper, fuhren zum Gewächshaus. Eugène Marteau erwartete uns bereits, diesmal mit einem jungen Mann an seiner Seite, den er uns als seinen Neffen Pierre-Louis vorstellte.

„Commissaire, ich habe nachgedacht“, begann Marteau. „Die Frau, die mich anrief, um Orchideen zu bestellen – ich glaube, sie war nervös, weil sie nicht wollte, dass jemand ihre Stimme erkennt. Sie hat einen leichten Akzent, vielleicht aus dem Norden.“

Ich nickte. „Elise Lefèvre ist in Nizza aufgewachsen. Das könnte passen.“

Pierre-Louis, der Neffe, meldete sich zu Wort. „Ich habe gestern einen Mann gesehen, der sich vor dem Gewächshaus herumtrieb. Er hat mich beobachtet, ist aber verschwunden, als ich ihn ansprach.“

„Könnten Sie ihn beschreiben?“, fragte François.

„Groß, schlank, dunkle Haare, Narbe am Kinn. Er trug einen alten Mantel, obwohl es warm war.“

Ich zeigte ihm das Foto von Émile Laurent. Pierre-Louis nickte sofort. „Das ist er.“

Ich bedankte mich, notierte mir die Uhrzeit. „Wenn Laurent hier war, wollte er vielleicht wissen, ob Sie etwas gemerkt haben. Oder er wollte Sie einschüchtern.“

Marteau schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Angst. Aber ich werde in den nächsten Tagen vorsichtiger sein.“

Wir verabschiedeten uns, fuhren zurück zur Oper. Die Zeit drängte. Im Wagen rief ich die Kollegen von der Fahndung an, gab ihnen die Beschreibung von Laurent und Elise, bat sie, alle Hotels, Pensionen und Mietwohnungen im Umkreis zu überprüfen.

François blickte aus dem Fenster. „Meinst du, sie sind noch in Marseille?“

Ich nickte. „Sie haben noch nicht bekommen, was sie wollen. Die Generalprobe ist der perfekte Moment für einen letzten Akt.“

Zurück in der Oper herrschte jetzt eine gespannte Stille. Die Musiker saßen auf ihren Plätzen, stimmten die Instrumente, die Sänger probten leise. Überall standen Polizisten, die unauffällig das Publikum und die Künstler beobachteten.

Ich ging zu Madame Vasseur, der Geigerin, die Favreau gefunden hatte. Sie saß allein in einer Ecke, das Gesicht blass, die Hände nervös.

„Madame Vasseur, darf ich Sie etwas fragen?“, begann ich.

Sie nickte. „Natürlich, Commissaire.“

„Kannten Sie Émile Laurent?“

Sie überlegte. „Ja, aber nur flüchtig. Er war still, höflich. Immer freundlich zu den Musikern. Aber nach dem Unfall... er war wie ausgewechselt. Ich glaube, er hat sich die Schuld gegeben.“

„Und Elise?“

„Ein liebes Kind. Sie war oft bei den Proben, saß im Zuschauerraum und hörte zu. Nach dem Tod ihres Vaters hat sie nie wieder eine Oper betreten.“

Ich bedankte mich, ging weiter. In der Garderobe der Sänger herrschte Aufregung. Eine junge Sopranistin kam auf mich zu, Tränen in den Augen.

„Commissaire, ich habe Angst. Jemand hat mir eine Orchidee in mein Fach gelegt. Ohne Karte, ohne Namen.“

Ich nahm die Blume, untersuchte sie. Wieder der Schnitt am Stiel.

„Bleiben Sie heute Abend in Ihrer Garderobe, bis wir Sie holen“, sagte ich. Sie nickte dankbar.

François kam zu mir, winkte mich beiseite. „Pierre, wir haben etwas. Die Kollegen haben Elise Lefèvre gesehen – in einem kleinen Hotel am Hafen. Sie hat heute früh ausgecheckt, aber das Zimmer war voller Notenblätter und Zeitungsartikel über die Oper.“

Ich nickte. „Sie ist hier. Sie wird heute zuschlagen.“

Wir gingen zurück in den Zuschauerraum, setzten uns in die letzte Reihe. Die Generalprobe begann. Die Musik von Verdi erfüllte den Saal, die Stimmen der Sänger stiegen auf wie Gebete. Doch ich konnte mich nicht entspannen. Ich beobachtete jede Bewegung, jede Geste, suchte nach einem Zeichen.

Plötzlich, während der berühmten Arie „Addio del passato“, fiel das Licht aus. Ein Aufschrei ging durch den Saal. Die Musiker verstummten, die Sänger hielten inne. Sekunden später ging das Notlicht an.

Ich sprang auf, rannte zur Bühne. Dort lag der Dirigent, bewusstlos, neben ihm eine weiße Orchidee.