Vietnam - Hans Gerlach - E-Book

Vietnam E-Book

Hans Gerlach

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Beschreibung

Susanna Bingemer und Hans Gerlach haben Vietnam besucht und sich in das Land verliebt. Die kulinarische Vielfalt ist begeisternd, die Landschaft beeindruckend und die Menschen sind liebenswert und gastfreundlich. Sie haben die köstlich frischen Gerichte der Garküchen probiert, die Ursprünge und Variationen der Frühlings- und Glücksrollen erkundet und die karamellig schmeckenden Tontopfgerichte genossen. Sie berichten über die berühmte Kaiserküche aus Hue, die vegetarische Küche der buddhistischen Mönche und fanden heraus, was man mit der knallig pinkfarbenen Drachenfrucht anstellen kann. Beraten von dem Ethnologen Dr. Tien Huu, der lange in München ein vietnamesisches Restaurant betrieben hat, hat Hans Gerlach die besten Rezepte des Landes zusammengestellt. Die Reportagen von Susanna Bingemer vermitteln einen authentischen Einblick in Traditionen, Feste, das alltägliche Leben und die Kultur des Landes.

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Seitenzahl: 300

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VietnamEssen ist Frieden

Bäuerinnen mit Kegelhüten, die in dampfende Felder Reis pflanzen; Geschäftsleute im Anzug; kahl geschorene Mönche; Beamte in militärgrünen Uniformen; Jugendliche in Jeans. Elegante Hotels im Kolonialstil und Hütten auf dem Wasser; Heere von Hondafahrern und Wasserbüffel, die langsam die Erde pflügen – das alles ist Vietnam. Der Küstenstaat am Südchinesischen Meer ist ein Land großer Kontraste, ein Land, das noch sehr alten Traditionen verbunden ist, sich dennoch mit Enthusiasmus in den Fortschritt wagt.

Das macht es heute zu einer der spannendsten Regionen Asiens.

Lange Zeit haben viele Vietnam nur mit Krieg in Verbindung gebracht. Kein Wunder: Allein in der jüngeren Geschichte war das südostasiatische Land 30 lange Jahre im Kriegszustand – gegen die Kolonialmacht Frankreich, später gegen die Amerikaner. Nach Kriegsende war das Land vom Rest der Welt praktisch isoliert. Bis vor wenigen Jahren, seit der kommunistische Staat einen Kurs der vor allem wirtschaftlichen »Erneuerung« fährt, bei dem er sich mehr und mehr dem Ausland öffnet. Jetzt erhebt sich Vietnam wie Phoenix aus der Asche. Was dabei hilft: Die Vietnamesen sind kein nachtragendes Volk. Fast alle wollen einen Neubeginn mit den Feinden von damals. Und über die Hälfte der Bevölkerung ist so jung, dass sie den Vietnamkrieg nur aus Geschichtsbüchern kennt. Erst seit einigen Jahren für den breiten Tourismus zugänglich, boomt Vietnam inzwischen im doppelten Sinn – als neues asiatisches Wirtschaftswunder und als faszinierendes Reiseland mit einmaligen Kulturschätzen, aufregenden Landschaften, liebenswerten Menschen und einer einzigartigen Küche.

Diese Schulmädchen kennen den Vietnamkrieg nur aus dem Geschichtsbuch.

Essen ist hohe Lebenskunst

Essen ist in Vietnam wesentlich mehr als die reine Nahrungsaufnahme. »Es ist eine hohe Lebenskunst«, so der vietnamesische Ethnologe Tien Huu. Essen sichert zugleich Überleben und Fortpflanzung. Man isst, um zu leben und bleibt dabei auch in Verbindung mit den verstorbenen Ahnen, die in der Religiosität der Vietnamesen eine große Rolle spielen. So erklären sich auch die vielen Speisenopfer bei der Ahnenverehrung auf dem Hausaltar. Die Bedeutung des Essens liegt in der vietnamesischen Geschichte begründet, die über Jahrtausende von Kriegen, Dürre und Überschwemmungen bestimmt war. Not macht bekanntlich erfinderisch, und so lernten die Vietnamesen aus wenigen Zutaten in kurzer Zeit das Bestmögliche zu zaubern. Glück – so ein Sprichwort – heißt für einen vietnamesischen Bauern, sich satt essen zu können.

Nicht nur das Essen selbst, sondern auch die Art und Weise, wie gegessen wird, hat in Vietnam einen symbolischen Sinn. Im Gegensatz zu westlichen Küchen kommen bei einem vietnamesischen Mahl alle Speisen gleichzeitig auf den Tisch. Alle, die an der Mahlzeit teilnehmen, bedienen sich aus denselben Schüsseln, tunken ihr Essen in denselben Dip. So wird aus dem Essen ein Akt der Gemeinschaft und gegenseitigen Sympathie – nur wer sich mag, isst aus derselben Schüssel. Besondere Bedeutung kommt dabei auch den Essstäbchen zu: Wer mit ihnen isst, muss langsam essen, sich Zeit nehmen, seine ganze Aufmerksamkeit der Mahlzeit schenken.

Wer mit Stäbchen isst, zerschneidet das Essen nicht grob, sondern zupft vorsichtig Fleisch- oder Gemüsestücke vom gemeinsamen Teller und schiebt die besten Stücke dem anderen zu. In Vietnam sagt man: »Wer mit Schale und Essstäbchen umzugehen versteht, versteht auch mit Worten umzugehen«.

Reis, Kräuter und Fischsauce

Die drei Grundpfeiler der vietnamesischen Küche sind Reis, die Fischsauce nuoc mam und frische Kräuter. Reis ist wie in allen asiatischen Ländern Grundnahrungsmittel. In Vietnam aber wird er oft weiterverarbeitet zu dicken Reisnudeln oder Reispapier. Mit Reispapier wickelt man Fleisch- oder Gemüsehappen ein zu den für Vietnam so typischen Reispapierrollen. Die wiederum gibt es roh als Glücksrollen (goi cuon), gedämpft als Mandarinrollen (banh cuon) oder frittiert als die klassischen Frühlingsröllchen (cha gio oder nem). Diese Röllchen sind sehr beliebt, oft werden zwei oder drei Sorten als Vorspeisen gereicht. Frische Kräuter unterscheiden die Küche Vietnams von den anderen Küchen Südostasiens. In Vietnam wächst eine einzigartige Vielfalt an uns unbekannten Kräutern. Den Dritten im Bunde, die Fischsauce nuoc mam, verwendet man eigentlich immer – zum Kochen, als Marinade, Dressing oder Dip, ähnlich wie Sojasauce in anderen Küchen Asiens.

Fremde Einflüsse

Seine geographische Lage hat Vietnam zur Drehscheibe verschiedener Kulturen gemacht. Und die vietnamesische Küche ist ein Musterbeispiel für die Fähigkeit der Vietnamesen, fremde Einflüsse aufzunehmen, ohne dabei ihre eigene Identität zu verlieren – sondern im Gegenteil die eigene Kultur damit zu bereichern. Natürlich haben tausend Jahre Fremdherrschaft durch die Chinesen auf die Kochkunst der Vietnamesen eingewirkt, doch ein eigener Stil blieb erhalten.

Und auch die Grande Cuisine Frankreichs verfeinerte die traditionelle Küche Vietnams – damals, als einheimische Köche Gouverneuren und reichen Gourmets auftischen mussten. Die Franzosen brachten beispielsweise den Dill in das ohnehin schon kräuterreiche Land. Anbau und Verwendung europäischer Gemüsesorten wie Artischocken und Spargel ist ihnen ebenso zu verdanken, nicht zu vergessen Baguette und Kaffee.

Vietnamesisches Essen unterscheidet sich aber nicht nur durch französische Elemente von der Küche der Nachbarländer: Es ist weniger scharf, viel differenzierter gewürzt. Das lässt sich auch auf indische Einflüsse zurückführen – durch die Khmer, die noch vor den Vietnamesen das Mekong-Delta besiedelt hatten, und vor allem durch die Cham, die mehr als 1400 Jahre über Teile Mittel- und Südvietnams herrschten, bis sie von den Vietnamesen unterworfen wurden. Beim Besuch einer privaten Universität in Saigon machte uns der Direktor, ein Japanologe, darauf aufmerksam, dass schon im Namen »Indochina« für Vietnam und die Nachbarländer Laos und Kambodscha deutlich wird, welche Kulturen auf Vietnam und seine Küche eingewirkt haben.

Im Norden: nicht nur pho bo

So wie das Land aus drei Regionen besteht – Norden, Mitte, Süden –, gibt es auch drei kulinarische Traditionen. Im Norden ist der chinesische Einfluss am stärksten. Pfannengerührte und geschmorte Gerichte, Reisbrei und Suppen sind in dieser kühleren und trockeneren Gegend besonders beliebt. Da hier nicht so viele Gewürze und Kräuter wachsen, sind die Speisen auch nur mit wenigen Zutaten gewürzt. Im Winter versammelt man sich gern um ein auf dem Tisch stehendes Holzkohleöfchen, um beim berühmten Feuertopf lau Fleisch- und Gemüsestücke in einer Brühe zu garen. Das bekannteste nordvietnamesische Gericht ist aber sicher die berühmte pho bo, Nudelsuppe mit Rindfleisch, die sich mittlerweile zum Nationalgericht gemausert hat.

Die Frau hat gut lachen: Ihre Garküche ist gut besucht. Heute gibt es in Vietnam wieder genug zu essen für alle.

Im Zentrum: kaiserliche Raffinesse

In Zentralvietnam, eigentlich die ärmste Region Vietnams, erreichte die offizielle Küche in der Gegend um die Kaiserstadt Hue einen hohen Grad an Raffinesse. Die Kunst des Essens wurde als wesentlicher Bestandteil der feinen Lebensart angesehen. Besondere Aufmerksamkeit widmete man dem Garnieren und der Präsentation der Speisen, die den kaiserlichen Gaumen erfreuen sollten. Bekannt sind die in wilde Betelblätter gewickelten Rindfleischröllchen bo la lot oder auch banh beo, gedämpfter Reismehlpudding mit gehackten Shrimps.

Im Süden: exotische Vielfalt

Die Küche des Südens ist differenzierter als die des Nordens. Die Speisen werden mit vielen Gewürzen gleichzeitig aromatisiert, sind salziger, süßer oder saurer als Gerichte aus dem Norden und Zentralvietnam. Auf den fruchtbaren Böden gedeihen exotische Früchte und Gemüse in bester Qualität. Bekanntes Gericht ist banh xeo, ein Reismehlpfannkuchen mit Fleisch oder Krabben, zu dem – das ist auch bei anderen Speisen oft der Fall – rohe Sojabohnensprossen gereicht werden. Tatsächlich werden Südvietnamesen von ihren Landsleuten manchmal leicht abfällig gia genannt, Sojabohnensprossenesser.

Umgekehrt haben Nordvietnamesen den Spitznamen rau muong, Wasserspinatesser. Im Süden zieht man das schnelle Pfannenrühren und Sautieren dem Frittieren und langsamen Schmoren vor. Eine Ausnahme sind die im Tontopf geschmorten Fleisch- oder Fischgerichte in Karamellsauce, eine Spezialität aus dem Mekong-Delta. Dort, wo große Kokospalmenplantagen das Bild prägen, spielen natürlich auch Kokosnüsse eine tragende Rolle in der Küche. Man verwendet ihr Wasser, ihre Milch und Kokosspäne zum Kochen. Es gibt sogar kräftig gewürzte Curries wie in Thailand oder Kambodscha. Der französische Einfluss zeigt sich am deutlichsten in der Verwendung von Spargel, Kartoffeln und Tomaten, die aber auf vietnamesische Art zubereitet werden. Aus dem Süden kommt außerdem der typisch vietnamesische Brauch, bei Tisch Stückchen von gebratenen oder gegrillten Speisen mit rohem Gemüse und Kräutern in ein Salatblatt oder Reispapier zu wickeln. Dieses Päckchen wird dann in eine scharfe Sauce getunkt.

Die vietnamesische Küche ist raffiniert, komplex und reichhaltig. Seit einigen Jahren knüpfen die Köche Vietnams wieder an diese Tradition an.

Aufgrund der jahrzehntelangen Kriegswirtschaft sah es nämlich lange eher dürftig in den Kochtöpfen der Vietnamesen aus. 1975 hatte die kommunistische Regierung zudem fast alle Restaurants des Landes schließen lassen in ihrem Kampf gegen die »Dekadenz« der alten Bourgeoisie. Diese Zeiten haben sich Gott sei Dank gründlich geändert. Private Restaurants schießen wie Pilze aus dem Boden. Hatten wir 1998 während unserer ersten Vietnam-Reise unsere kulinarischen Aha-Erlebnisse noch vornehmlich an den kleinen Garküchen, gerieten wir fünf Jahre später auch beim Besuch etlicher Restaurants – vor allem in Saigon – ins Schwärmen.

Vietnam – das war für uns Liebe auf den ersten Blick und die vietnamesische Küche gehört für uns zu den besten der Welt. Dieses Land ist wie geschaffen dafür, es auf kulinarischem Weg zu erfahren – hier dreht sich fast alles ums Essen.

Das spiegelt sich auch in der Sprache wider: Das sino-vietnamesische Zeichen für »essen« setzt sich aus den Zeichen für »Mund« und »Frieden« zusammen. Frieden und Essen. Beides bekommt Vietnam wirklich gut.

Feinster Sand und malerische Lotusblüten, so weit das Auge reicht: Weißer See bei Mui Ne an der Südostküste.

Hier herrscht immer Hochbetrieb: Der Markt von Binh Tay ist der größte Saigons.

Essen hat für Vietnamesen eine große Bedeutung – natürlich auch beim Spiel der Kinder.

SüdvietnamLand im Aufbruch

Dampfende Garküchen reihen sich in den Straßen Saigons aneinander. An jeder Ecke brodelt und duftet es in der quirligen Handelsmetropole. Im fruchtbaren Mekong-Delta dagegen mit seinem Netzwerk aus Flüssen und Kanälen bestimmt das Wasser das Leben. Hier ist die Reiskammer des Landes.

Streetfood,Sojasprossen und Kokosnüsse

Dampf steht in der Luft. In der Garküche neben der Hauptpost in Ho Chi Minh City drängen sich vietnamesische Angestellte auf Plastikstühlchen um niedrige Tische sowie eine Gruppe Schülerinnen in ao dais, der eng anliegenden vietnamesischen Nationaltracht aus Seide. Sie tragen sie in Weiß als Schuluniform. Es ist Mittagszeit. Alle schlürfen in Windeseile Nudelsuppe – die Suppenschale dicht an den Lippen.

Ho Chi Minh City. Die Einheimischen sagen immer noch Saigon. Erst 1975 wurde die Stadt offiziell umbenannt – und trägt nun als einzige Großstadt den Namen eines Kochs. Staatsgründer Ho Chi Minh hat als junger Mann in Paris eine Zeit lang für den großen Koch Auguste Escoffier gearbeitet, bevor er sich aufschwang, den Kapitalismus zu bekämpfen.

Ein Muss bei öffentlichen Festen: Plakate mit Ho Chi Minhs Konterfei.

Saigon – das Paris des Ostens

Die Metropole im Süden ist die größte Stadt Vietnams und gilt als Boom-Town. Kapitalismus prallt auf Kommunismus, hier ist Doi moi – zu deutsch »Erneuerung«, die vietnamesische Perestroika – am deutlichsten spürbar. An jeder Ecke Baustellen – alte Häuser werden renoviert, Hotels hochgezogen. Wolkenkratzer wie das Saigon Trade Center mit 145 Metern sind Symbole für den wirtschaftlichen Erfolg. Quirlige Geschäftigkeit und ohrenbetäubender Verkehrslärm bestimmen die Atmosphäre. Zement, Eisenstangen, zu Ballen verschnürte Gänse, alles wird auf Rädern, Cyclos oder Mopeds transportiert. Zwischen eifrig kochenden Streetfood-Verkäuferinnen, stoischen Schuhputzern und Kindern mit Bauchladen hasten Geschäftsleute, das Handy immer am Ohr. Aus bunten Läden plärrt Musik aus Lautsprechern auf die Straße. An kleinen Ständen verkaufen alte Frauen Zuckerrohrsaft. Cyclofahrer dösen im Schatten auf ihren Rädern, beim Anblick eines Touristen erwachen sie blitzschnell aus ihrer Lethargie, bieten eine Stadtrundfahrt an. »One hour, one dollar«. Wir gehen lieber zu Fuß – besonders in Saigon wurde der motorisierte Verkehr in den vergangenen Jahren immer chaotischer. Eine Cyclo-Fahrt erscheint uns halsbrecherisch.

Cyclos sind typisch für Vietnam: Der Name leitet sich von der französischen Bezeichnung für Rikscha ab. Erste Exemplare wurden während der französischen Kolonialherrschaft vor etwa 100 Jahren importiert. In den engen Gassen waren sie lange Zeit das wichtigste Transportmittel.

Gab es Ende der 80er Jahre noch viele Tausend Cyclofahrer in Saigon, sind es heute nur noch wenige Hundert. Im immer dichter werdenden Verkehr Saigons wurden die langsamen Cyclos zum Hindernis, inzwischen sind sehr viele Straßen für sie gesperrt. Von den etwa sieben Millionen Einwohnern Saigons fahren heute allein drei Millionen Moped.

Sai gon bedeutet »Wald aus Kapok-Bäumen« – die Khmer benannten die Gegend einst nach asiatischen Baumriesen, die am Ufer des Saigon-Flusses wuchsen. 1859 eroberten die Franzosen Saigon und machten aus der Siedlung eine Stadt, später die Hauptstadt des französischen Kolonialgebietes Cochinchina – man nannte sie das »Paris des Ostens«. Es war die Zeit der französischen Plantagenbesitzer, der Opium rauchenden Kolonialisten und der eleganten Caféhäuser. Die Franzosen ließen prächtige Bauten errichten, von denen viele noch heute mit ihrem kolonialen Charme das Stadtbild prägen wie das ehemalige Rathaus, die Kathedrale Notre Dame oder die wunderschönen »Grand Hôtels«.

Nicht nur französische, auch chinesische Einflüsse prägen Saigon. Der älteste erhaltene Teil der Stadt ist das chinesische Viertel Cholon (»großer Markt«) im Südwesten. Hier betreiben aus Südchina geflüchtete Chinesen und ihre Nachfahren seit 300 Jahren Handel – auf Bürgersteigen, Märkten und in den unzähligen engen Gassen.

Es geht bunt und lebhaft zu, 24 Stunden am Tag.

Man geht hierher, um einzukaufen. Der Binh Tay-Markt zum Beispiel ist der größte der Stadt, zudem ein Großmarkt, bei dem sich viele kleine Händler mit Waren eindecken. In Cholon stehen außerdem die meisten der mehr als 180 Pagoden und Tempel Saigons. Eine der schönsten Pagoden ist die Thien Hau-Pagode. Bei ihrem Besuch lässt man Lärm und Hektik der Großstadt hinter sich, taucht in eine Welt der Stille, Räucherstäbchen und eigentümlichen Gottheiten ein.

Das Cyclo war lange Zeit das wichtigste Transportmittel. Heute weicht es mehr und mehr dem Moped. In den großen Städten bieten Cyclofahrer noch Stadtrundfahrten für Touristen an – wie hier vor Saigons französischer Kathedrale.

Büsten von »Onkel Ho« – wie Vietnamesen ihren Landesvater nennen – sind ein beliebtes Souvenir und stehen nicht nur in öffentlichen Gebäuden.

Belebte Straße in Ho Chi Minh City. Die Bewohner nennen ihre Stadt heute wie damals: Saigon.

Spuren des Krieges

Sehr lange Zeit haben mit kurzen Unterbrechungen nicht Vietnamesen, sondern Ausländer die Geschicke Saigons und damit Vietnams bestimmt – zuerst über 1000 Jahre die Chinesen, in der jüngeren Vergangenheit bis 1954 die Franzosen und schließlich bis 1975 die Amerikaner:

Nach dem ersten Indochinakrieg wurde das Land 1954 in Nord- und Südvietnam geteilt und Saigon die Hauptstadt Südvietnams. Die Unterstützung, die die Stadt durch die USA erfuhr, machte sich bald im Stadtbild bemerkbar: Für die amerikanischen Militärfahrzeuge mussten die Straßen verbreitert und viele alte Bäume gefällt werden. Unzählige Tanz- und Drogenbars zogen Straßenmädchen aus der Provinz und Abenteurer aus aller Welt an. Auch Berichterstatter kamen. Denn zu diesem Zeitpunkt rückte Saigon ins internationale Bewusstsein – als wichtiger Schauplatz des Vietnam-Kriegs. Diesem traurigen Kapitel der Stadt- und Landesgeschichte kann man heute noch nachspüren im Museum der Kriegsverbrechen, das noch vor wenigen Jahren Museum der amerikanischen Kriegsverbrechen hieß.

Damals schloss sich die südvietnamesische Regierung dem Kampf der Amerikaner gegen die Kommunisten Nordvietnams an. Die Kämpfer der nordvietnamesischen Guerilla – der Vietcong – waren zahlenmäßig und technisch der Supermacht stark unterlegen, doch mit großer Zähigkeit und Raffinesse gelang es ihnen, den Gegnern zu trotzen. Zeugnis dieses unglaublichen Überlebenswillens sind die berühmtberüchtigten Cu Chi-Tunnel etwa 35 km nordöstlich von Saigon.

Heute ein wichtiges Touristenziel mit Souvenirshops und Freiluftmuseum, war dieses 250 km lange Tunnelsystem damals Versteck der Partisanen. Ausgestattet mit Schlaf- und Versammlungsräumen, Küchen, Werkstätten und Krankenstationen, lebten die Partisanen über Monate in den engen Tunnels, ohne ans Tageslicht zu kommen – bis zu 16 000 Menschen sollen es gegen Kriegsende gewesen sein. Sogar Kinder wurden in dieser Zeit unter der Erde geboren. Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Saigon am 30. April 1975 flüchteten Zehntausende Hals über Kopf aus der Metropole. Die neuen Herrscher verboten bald privaten Handel, enteignete Ladenbesitzer wurden über Nacht zu besitzlosen »boat people« – Menschen, die dicht gedrängt auf kleinen Fischerbooten hofften, auf dem Seeweg in ein sicheres Land fliehen zu können. Viele dieser Menschen, denen die Flucht damals gelungen ist, kehren heute in ihr Land zurück, das sich vor allem durch die neue Politik des Doi Moi dem Ausland wieder geöffnet hat. Auch dank der Investitionen der Auslands-Vietnamesen boomt Saigon heute erneut.

Streetfood – Essen auf der Straße

»In Vietnam musst du das Essen nicht suchen, es sucht dich!«

In Vietnam findet das Leben – wie in den meisten asiatischen Ländern – auf der Straße statt. So ist es kein Wunder, dass auch auf der Strasse gekocht und gegessen wird. Davon abgesehen ist Snacken eine beliebte Freizeitbeschäftigung in ganz Südostasien. Und die Zubereitung von Streetfood eine hohe Kunst. Südostasien ist ein Imbiss-Paradies. Vietnamesische Hochburg in Sachen Qualität und Vielfalt ist sicherlich Saigon. Auf jedem Markt, an jeder Bushaltestelle und Bahnstation oder in der Nähe von belebten Bürogebäuden sieht man mobile Garküchen.

Zudem gibt es in allen größeren Stadtzentren Orte – oft ist es eine bestimmte Straße – an denen ausschließlich Essen angeboten wird und jeder weiß, wo sie sind.

In Saigon ist das vor allem der Ben Than-Markt, der bekannteste Markt der Stadt, mit seinem Uhrturm im Kolonialstil eines ihrer Wahrzeichen. Beim Spaziergang über den Markt schützen uns Schatten spendende Markisen vor der Sonne. Obst, Gemüse, Fleisch, Gewürze, in den Essensgassen duftet, dampft und brodelt es. Die Marktfrauen bieten fast alles koch- oder verzehrfertig an: Fische ausgenommen, Gemüse und Obst geschält und geschnitten – sozusagen Convenience-Produkte auf Vietnamesisch. Die meisten Vietnamesen haben nämlich keinen Kühlschrank, oftmals wenig Platz zum Kochen. Wenn sie die Lebensmittel so vorbereitet auf dem Markt kaufen können, genügen am heimischen Herd wenige Griffe, um das Gericht fertig zuzubereiten. Aus demselben Grund hat sich die Streetfood-Kultur entwickelt: Essen auf der Straße ist billig und gut und man braucht dafür keine Küche zu Hause.

Die Straßenköche spezialisieren sich auf ein einziges Gericht und ihre Zutaten beziehen sie ganz frisch vom Markt. Oft orientieren sie sich an klassischen Rezepten der ländlichen Küche so wie bei banh xeo, mit Fleisch oder Krabben gefüllte Reismehlpfannkuchen oder cha ca chien, frittierte Süßkartoffel-Fischbällchen. Auch Süßspeisen haben ihren Ursprung oft in ländlichen Regionen, so wie che dau do lanh, eine süße Suppe aus rote Bohnen, Tapiokanudeln und Kokosmilch aus dem Mekong-Delta. Daneben bereichern auch fremde Einflüsse die Straßenküche.

Vor einem der vielen Stände setzen wir uns auf die kleinkindertauglichen Plastikstühlchen und kaufen ein frisches Baguette, asiatisch belegt mit einer Art Pastete, Fischsauce, Salat und Ei. Baguette? Ja, denn als die Franzosen ihre Kolonie in Südostasien aufgaben, hinterließen sie viel von ihrem Lebensstil. Auch Kaffee wird in Vietnam mit den früher in Frankreich üblichen espressotassenkleinen Alufiltern serviert, durch die das aufgebrühte Getränk direkt in ein Glas rinnt. Mit gesüßter Kondensmilch und Eiswürfeln gönnen wir uns diese Köstlichkeit täglich.

Straßenküche ist immer mobil. In den sich rasant ausdehnenden Städten Asiens können sich die Straßenverkäufer, die für das Wohlbefinden von Millionen von Menschen so wichtig sind, neuen Gegebenheiten schnell anpassen.

Wenn sich ein Aktivitätszentrum – sei es touristischer oder wirtschaftlicher Art – verschiebt, ziehen auch die mobilen Garküchen dorthin.

Straßenverkäufer sind sehr einfallsreich: Sie stellen sich mit ihren Ständen an Straßenabschnitte, von denen sie wissen, dass dort die Autofahrer vor oder nach der Arbeit im Stau stehen und Hunger haben.

Eine Variante der mobilen Küche sind Reiskuriere. Man könnte sie als Erfinder des Take-Away-Foods bezeichnen. Reiskuriere liefern auf dem Moped Mittagessen an ihre Kunden. Jeden Tag um fünf Uhr morgens beginnt ihr Arbeitstag auf den Märkten Saigons. Nach den Einkäufen bringen sie die Zutaten in ihre Garküche, wo ab halb sieben die Familie und meistens noch mehrere Helfer die Mittagessen vorbereiten. Die Gerichte bestehen aus Suppen, Reis, Gemüse und Fleisch und werden in großen Woks gekocht, portioniert und transportabel gemacht. Dann beginnt die halsbrecherische Fahrt. Beladen mit bis zu 100 Portionen stürzen sich die Reiskuriere in den chaotischen Straßenverkehr.

Praktisch: Erfrischungsgetränk aus der Plastiktüte. Bei Jung und Alt beliebt sind Eistee oder Zuckerrohrsaft.

Getrocknete Krabben, Früchte, Nüsse, aber auch Schuhe oder Rasierschaum – es gibt nichts, was es nicht gibt auf den Märkten der großen Städte. Und was nur Eingeweihte wissen: Die Betreiberinnen der Garküchen in Marktnähe kochen am besten, denn hier holen auch die Marktfrauen ihr Mittagessen.

Frühstücksstand mit Baguette und französischem Schmelzkäse – der Einfluss der ehemaligen Kolonialherren besonders auf die Küche Vietnams ist nicht zu übersehen.

Die meisten Vietnamesen essen lieber Nudelsuppe zum Frühstück.

Morgens sucht eine Köchin auf dem Markt das frischeste Gemüse aus (links). Eine mobile Garküche en miniature ist das Joch (rechts): Auf der einen Seite werden die Zutaten transportiert, auf der anderen Seite auf einem kleinen Feuer in einem Topf gekocht.

Ob Kindergartenkinder oder Büroangestellte – alle Vietnamesen essen gerne Suppe. Größere Stücke werden mit Stäbchen geangelt, die Brühe geschlürft oder gelöffelt.

Oft sind es Details, die die Blicke auf sich ziehen – wie hier die wunderbar gemusterten Klapptische, die an vielen Streetfood-Ständen aufgestellt sind.

Salat von Lotusstängeln

goi ngo sen

Zubereitungszeit: 20 Min.

Pro Portion ca.: 185 kcal

Zutaten für 4 Personen:

250 g Lotusstängel (s. Tipp)

150 g Gurke

1 Bund Polygonum

1/2 Bund Koriandergrün

2 Schalotten

5 EL Öl

100 g gegarte, geschälte Riesengarnelen

3 EL geröstete Erdnüsse (s. >)

Fisch-Dip (s. >) ohne Wasser, mit nur 2 EL Fischsauce

Von frischen Lotusstängeln ähnlich wie bei Rhabarber die Haut dünn abziehen, Stängel in 5 cm lange Stücke schneiden. Die Gurke schälen, halbieren, mit einem Teelöffel entkernen und in Streifen schneiden. Kräuter waschen, trockenschütteln und abzupfen.

Schalotten schälen und in Scheiben schneiden, im Öl in 10 Min. hellbraun und knusprig braten. Auf Küchenpapier legen. Riesengarnelen längs halbieren. Erdnüsse hacken.

Alle Salatzutaten miteinander und mit der Sauce mischen, in Schüsselchen verteilen und mit Erdnüssen bestreut servieren.

Tipp

Frische Lotusstängel gibt es auch in guten Asienläden oft nur auf Bestellung. Lotusstängel aus dem Glas werden kurz gewässert und dann abgespült.

Zum Pomelosalat gibt es viele Varianten: Sie können das Hähnchenfleisch durch marinierte und gegrillte Riesengarnelen ersetzen. Oder durch gekochtes gehacktes Krabbenfleisch.

Pomelosalat

goi buoi

Zubereitungszeit: 30 Min.

Pro Portion ca.: 180 kcal

Zutaten für 4 Personen:

1 Hähnchenbrustfilet (ca. 200 g)

2 Schalotten

1 EL Fischsauce, 1 EL Sojasauce

1 TL Zucker, 2 EL Öl

1 Pomelo

100 g Möhren, 100 g Gurke

1/2 Bund vietnamesische Minze oder asiatisches Basilikum (hellere Sorte)

3 EL geröstete Erdnüsse (s. >)

3 EL Fisch-Dip (s. >) mit 3 EL Wasser

Außerdem:

Bambusspieße zum Grillen (ersatzweise Holzspieße)

Bambusspieße in Wasser legen, damit sie später beim Grillen nicht verbrennen. Hähnchenfleisch in 2 cm große Würfel schneiden. Schalotten schälen und würfeln, mit Fischsauce, Sojasauce, Zucker und Öl mischen, Fleischwürfel hineinlegen.

Pomelo schälen, auch die weißen Trennhäute entfernen. Das Fruchtfleisch in Stücke zupfen. Möhren und Gurke schälen, die Möhren in streichholzdünne Streifen schneiden oder grob raspeln. Gurke halbieren und mit einem Teelöffel entkernen. Das Fruchtfleisch in dünne Streifen schneiden. Minze waschen und trockenschütteln, die Blättchen abzupfen und grob hacken. Erdnüsse hacken.

Fleischwürfel auf die Spieße stecken und auf dem Grill oder in einer Grillpfanne bei mittlerer Hitze 8–10 Min. grillen. Fleisch von den Spießen streifen.

Zutaten mischen, Fisch-Dip mit 3 EL Wasser anrühren, unter den Salat heben und mit Erdnüssen bestreuen. Am besten schmeckt der Salat, solange das Fleisch noch warm ist.

Auch Vietnamesen essen gerne Krautsalat – mit Erdnüssen, gebratenen Schalotten oder Koriander bestreut.

Krautsalat mit Huhn

goi ga bap cai

Zubereitungszeit: 20 Min.

Garzeit: 40 Min.

Ruhezeit: 30 Min.

Pro Portion ca.: 240 kcal

Zutaten für 4 Personen:

2 Hühnerkeulen (je 250 g), Salz

500 g Weißkohl

2 asiatische Frühlingszwiebeln

2 Limetten

1 rote Chilischote

1/2 Bund Polygonum

4 Stängel vietnamesische Minze

1–2 EL Öl

1 TL–1 EL Zucker, gestoßener Pfeffer

Die Hühnerkeulen in 1 l Salzwasser in 40 Min. weich kochen. Herausnehmen und abkühlen lassen, die Brühe für ein anderes Gericht verwenden. Hühnerbeine häuten, das Fleisch von den Knochen schneiden und zerzupfen.

Weißkohl in sehr feine Streifen schneiden oder hobeln. Frühlingszwiebeln putzen, waschen und fein schneiden. Die Limetten auspressen. Chili waschen und längs halbieren, sehr scharfe Schote entkernen, milde Sorte mit den Kernen fein hacken. Polygonum und Minze waschen und die Blätter abzupfen, grob hacken.

Alle Zutaten mischen, 1–2 EL Öl zugeben und mit Zucker, Salz und Pfeffer würzen. Den Salat leicht drücken, damit der Kohl gut durchziehen kann, mindestens 30 Min. ruhen lassen.

Die reife Papayaist eine Frucht, unreif wird sie in Vietnam jedoch als Gemüse eingestuft. In Deutschland sollten Sie den Papayasalat nicht mit einer unreifen, gewöhnlichen Papaya aus dem Supermarkt zubereiten, sondern mit einer so genannten Gemüsepapaya aus dem Asienladen – die ist außen grün, innen fast weiß und hat weiße Kerne. Im Süden Vietnams liebt man den Grüne-Papaya-Salat eher scharf, im Rest des Landes bevorzugt man mildere Varianten.

Grüne-Papaya-Salat

goi du du

Zubereitungszeit: 30 Min.

Marinierzeit: 30 Min.

Pro Portion ca.: 425 kcal

Zutaten für 4 Personen:

500 g grüne Papaya, 100 g Möhre

1–2 Chilischoten

3 EL geröstete Erdnüsse (s. >)

3 EL Limettensaft

6 EL vietnamesische Fischsauce, 3 EL Zucker

250 g Rinderrücken ohne Fett und Sehnen (beim Fleischer in 4 mm dicke Scheiben schneiden lassen)

1 Msp. 5-Gewürze-Pulver

1 TL Chilipaste oder Chilisauce für Suppen

1/2 Bund Koriandergrün

1/2 Bund Grünes Perillakraut oder Polygonum

4 EL Öl, Pfeffer, Salz

Papaya und Möhre schälen und fein raspeln. Chili längs halbieren und entkernen, in feine Streifen schneiden. Erdnüsse hacken.

Papaya und Möhre mit Limettensaft, 4 EL Fischsauce, 2 EL Zucker und Chili mischen. Ziehen lassen.

Rindfleischscheiben in 2 cm breite Streifen schneiden. Mit 2 EL Fischsauce, 1 EL Zucker, 5-Gewürze-Pulver und Chilipaste oder -sauce 30 Min. marinieren.

Kräuter waschen und grob zerzupfen. Fleisch aus der Marinade nehmen und trockentupfen. Öl in einer beschichteten Pfanne erhitzen und das Fleisch darin bei starker Hitze 3 Min. braten, einmal wenden.

Fleisch mit Papaya und Möhre mischen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit Erdnüssen und Kräutern bestreut servieren.

Variante: Papayasalat mit Entenbrust

Eine Variante aus Nord-Vietnam: Entenbrustfilet in Salzwasser 45 Min. bei schwacher Hitze kochen, dann abkühlen lassen. Wie oben marinieren und in 2–3 EL Öl bei ganz schwacher Hitze auf der Hautseite 10 Min. knusprig braten. In dünne Scheiben schneiden, mit dem Salat mischen. Mit Reisessig statt Limettensaft anmachen.

Blickpunkt FilmDer Duft der grünen Papaya

Die grüne Papaya erinnert immer an die Welt der Frau mit ihren häuslichen Verrichtungen und Verhaltensweisen. Der Duft der grünen Papaya ist für mich eine Kindheitserinnerung an die Gesten der Mutter.

Tranh Anh Hung

Bis vor einigen Jahren dachten viele beim Stichwort Vietnam an den Krieg der USA gegen das Land in Südostasien. Einen großen Teil zu dieser Sichtweise beigetragen haben sicher die so genannten »Vietnam-Filme«, in denen fast ausnahmslos aus amerikanischer Sicht der grauenhafte Krieg geschildert wurde. Selbst in den besseren Filmen dieses Genres wie »Apokalypse Now«, »Full Metal Jacket« oder »Platoon« steht nur das Leid der US-Soldaten in Vietnam bzw. der heimgekehrten Vietnam-»Veteranen« im Mittelpunkt. Vietnamesen bleiben meistens gesichtslos, das Land erscheint unwirklich und gefährlich. Dabei gerät zur Nebensache, dass all diese Filme in Thailand oder auf den Philippinen gedreht wurden.

Erst 1991 drehte ein ausländisches Team auf vietnamesischem Boden »Der Liebhaber« nach dem autobiographischen Roman der französischen Schriftstellerin Marguerite Duras. Im gleichen Jahr entstand »Indochine« mit Catherine Deneuve, ebenfalls ein Liebesfilm des französischen Indochina der 30er Jahre.

Beide Filme haben dazu beigetragen, das Bild Vietnams im Westen zu erweitern. Man sieht schöne Landschaften und ein wenig vom Alltag in Vietnam – allerdings wieder kaum aus vietnamesischer Sicht. Hauptpersonen sind Franzosen.

Beide Filme wurden auch von Frankreich produziert, das als erstes Land seine vormalige Kolonie als Drehort entdeckt hat. Dabei erwies sich als hilfreich, dass der Sozialismus vieles konserviert hatte: Man tauschte nur die Plastikstühle gegen Korbsessel aus, nahm die Mopeds von der Straße und fertig war das stilechte Kolonialambiente.

Der erste Film, der ausschließlich eine vietnamesische Geschichte erzählt, wurde wiederum in einem Pariser Studio gedreht: »Der Duft der grünen Papaya« von Tran Anh Hung. Der im französischen Exil lebende Vietnamese schuf 1993 einen poetischen Film über das Leben einer Dienerin im Saigon der 50er Jahre, in dem er den Krieg nur andeutet und in dem keine Ausländer vorkommen. Dem Regisseur ging es vor allem um die Stellung der vietnamesischen Frau, die von Knechtschaft geprägt ist.

Nostalgischer Blick zurück

Bezeichnenderweise handelt dieser Film, der im Westen als erster authentisches vietnamesisches Leben zeigt (und übrigens in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde), sehr oft vom Essen: Man sieht, wie die Dienerin Wasserspinat und andere typischen Zutaten verarbeitet.

Auch der Filmtitel zeigt die Verbundenheit der vietnamesischen Kultur mit dem Essen. »In reifem Zustand ist die Papaya eine Frucht«, erklärt Tran Anh Hung seinen Filmtitel. »Solange sie grün ist, wird sie als Gemüse angesehen. Daher wird der Papayabaum immer im Gemüsegarten hinter der Küche angepflanzt. Er darf auf keinen Fall im Ziergarten stehen. Die grüne Papaya wird dem Mann zum Verzehr bereit auf einem Teller serviert. Gepflückt, gewaschen, geschält und zubereitet wird sie dagegen von der Frau«.

Das moderne Vietnam

Da Vietnam keine eigene Filmvergangenheit von Bedeutung hatte, war für Tran Anh Hung »Der Duft der grünen Papaya« ein nostalgischer Blick zurück, der Versuch, sich »eine nationale Filmvergangenheit zu schaffen« – um anschließend Filme über das moderne Vietnam machen zu können.

In dem 1995 in Vietnam gedrehten Gangsterpoem »Cyclo« zeigt Tran das hektische, lärmende Saigon von heute. Im Jahr 2000 schließlich setzt er diesem gewalttätigen und pessimistischen Film mit »Ein Sommer in Hanoi« eine Familiengeschichte aus dem beschaulichen Hanoi entgegen. Tatsächlich markieren diese beiden Filme die beiden extremen Seite der modernen vietnamesischen Gesellschaft. Hier die kriminellen Auswüchse, der Kampf ums nackte Überleben nach der marktwirtschaftlichen Öffnung. Dort das sehnsüchtige Festklammern an alten, Geborgenheit verheißenden Strukturen.

Nur beides zusammen, so Tran, vermittelt Außenstehenden einen richtigen Eindruck vom Leben in Vietnam.

Vietnamesische Mortadella

gio lua

Zubereitungszeit: 1 Std.

Garzeit: 45 Min.

Insgesamt ca.: 1475 kcal

Zutaten für 1 Mortadella:

750 g sehr frisches, mageres Schweinefleisch (Oberschale oder Rücken)

Salz

100 g grüner Speck am Stück

2 EL vietnamesische Fischsauce

schwarzer Pfeffer

1 Bananenblatt

Das Fleisch 2 cm groß würfeln, kräftig salzen und 15 Min. ins Gefrierfach stellen. Währenddessen den Speck in einem kleinen Topf mit Salzwasser 10 Min. kochen, dann abkühlen lassen und in kleine Würfel schneiden.

Das Fleisch im Blitzhacker fein pürieren. Mit Fischsauce und 1/2 TL Pfeffer würzen, den Speck untermischen.

Das Bananenblatt waschen, abtrocknen und quer halbieren. Die Fleischfarce so an eine Blatthälfte legen, dass eine ca. 12 cm dicke und 15–20 cm lange Wurst entsteht. Fest einrollen und das Blatt an den Enden umschlagen. In die zweite Blatthälfte (die Fasern müssen parallel zur Wurst verlaufen, damit sich das Paket gut verschnüren lässt, ohne dass das Blatt reißt) einrollen und mit Küchengarn fest zubinden. Die Wurst in einem großen Topf mit kochendem Salzwasser legen, bei schwacher Hitze 45 Min. kochen. Aus dem Wasser nehmen und auskühlen lassen.

Mortadella auspacken und in Scheiben schneiden. Als kleine Vorspeise mit marinierten (s. >) oder gedünsteten Frühlingszwiebeln servieren oder für die Füllung von Sandwiches oder Glücksrollen verwenden. Die Wurst hält sich im Kühlschrank ein paar Tage.

Vietnamesische Sandwiches werden auch mit Leberwurst, Butter oder Mayonnaise bestrichen. Ebenso wird der Belag oft variiert, z. B. mit gegrilltem Fleisch und anderen eingelegten Gemüsen.

Vietnamesische Sandwiches

banh mi

Zubereitungszeit: 35 Min.

Pro Stück ca.: 375 kcal

Zutaten für 4 Sandwiches:

200 g Hähnchenbrustfilet oder Schweinefleisch aus der Schulter

2 Knoblauchzehen, 2 EL Öl

1 TL 5-Gewürze-Pulver

1/2 TL Chiliflocken, 2 TL Zucker

100 g Schweinehackfleisch

1 EL vietnamesische Fischsauce

200 g Gurke

1/2 Bund Koriandergrün

1 milde große Chilischote

4 vietnamesische Baguettes (s. >, oder 4 Baguettebrötchen)

200 g vietnamesische Mortadella (s. links; ersatzweise italienische Mortadella) in dünnen Scheiben

100 g eingelegte Möhren und Rettich (s. >)

Salz, Pfeffer

Das Fleisch in wenig Salzwasser 30 Min. kochen, abkühlen lassen und in Scheiben schneiden.

Knoblauch schälen und fein hacken. 2 EL Öl erhitzen, Knoblauch, 5-Gewürze-Pulver, Chiliflocken und Zucker darin ca. 10 Sek. rösten. Das Hackfleisch 4–5 Min. braten, dabei mit Stäbchen umrühren. Mit 1 El Fischsauce abschmecken, vom Herd nehmen.

Die Gurke schälen, längs vierteln, entkernen und in Scheiben schneiden. Koriander waschen, trockenschütteln und abzupfen, Chili in dünne Ringe schneiden.

Baguettes auf-, aber nicht durchschneiden und mit Hackfleisch bestreichen. Fleisch, Gurke, Koriander, Chili, Mortadella sowie eingelegtes Gemüse darauf verteilen, mit etwas Salz und Pfeffer würzen.

Rindfleischsalat ist eine echte vietnamesisch-französische Koproduktion: Die Franzosen brachten Rindfleisch, Brunnenkresse und das dazu servierte Baguette ins Land, die Vietnamesen steuerten ihre Zubereitungsmethode mit Austernsauce, Limetten und asiatischem Basilikum bei.

Der vietnamesische Name bo luc lac kommt von dem Geräusch, das das in der Pfanne springende Rindfleisch macht: luc lac, luc lac ...

Scharfer Rindfleischsalat

bo luc lac

Zubereitungszeit: 20 Min.

Pro Portion ca.: 225 kcal

Zutaten für 4 Personen:

400 g Rinderrücken ohne Fett und Sehnen

1 EL Austernsauce, 2 EL Sojasauce

1 Knoblauchzehe

2–3 Vogelaugen-Chilischoten (kleine, scharfe Chilis)

1 EL Zucker, Salz

2 EL Limettensaft

1 kleine rote Zwiebel

400 g frische Ananas

1 Bund Brunnenkresse

1 Bund asiatisches Basilikum

3 EL Öl

Rinderrücken in 1 cm dicke Scheiben, diese in 2 cm große Quadrate schneiden, in einer Schüssel mit Austernsauce und Sojasauce mischen. Knoblauch schälen und in Scheiben schneiden.

Chilis putzen und klein schneiden. Mit Zucker und 1/2 TL Salz im Mörser zerstoßen, in einer großen Schüssel mit 2 EL Limettensaft mischen.

Die Zwiebel schälen, vierteln und fein schneiden. Ananas schälen, vierteln, den Strunk entfernen, Fruchtfleisch in Scheiben schneiden. Kräuter waschen, trockenschütteln, die Blättchen abzupfen.

Im Wok das Öl erhitzen. Knoblauch in die Pfanne geben, nach wenigen Sek. das Fleisch zugeben, unter Rühren 2–3 Min. braten. Fleisch mit allen anderen Zutaten in die Schüssel geben, vorsichtig mit der Sauce mischen. Dazu passt Baguette besonders gut.

Fischbällchen können Sie mit allen Fischsorten zubereiten, die helles, nicht zu festes Fleisch haben, neben Kabeljau z.B. Rotbarsch.

Kabeljau-Süßkartoffel-Fladen

cha ca chien

Zubereitungszeit: 45 Min.

Pro Portion ca.: 365 kcal

Zutaten für 4 Personen (ca. 16 Bällchen):

300 g orange Süßkartoffeln

Salz, 300 g Kabeljaufilet, Pfeffer

150 ml Kokosmilch (Dose)

1 Tomate (100 g)

1 Bund Koriandergrün

2 Eier

2–3 EL vietnamesische Fischsauce

50 g Reismehl, 6 EL Öl

Zum Anrichten:

Scharfe Zitronengras-Soja-Sauce (s. >) oder Ingwer-Limetten-Sauce (s. >)

Süßkartoffeln schälen, in 2–3 cm große Stücke schneiden und in Salzwasser in 15 Min. weich kochen. Abgießen, gut ausdampfen lassen und mit einer Gabel oder einem Kartoffelstampfer pürieren.

Fisch mit Salz und Pfeffer würzen und in einem kleinen Topf in der Kokosmilch bei schwacher Hitze 10 Min. garen. Tomate vierteln und ohne Stielansatz und Kerne klein würfeln. Koriander waschen, trockenschütteln, abzupfen und hacken.

Eier und Fischsauce verquirlen. Fisch aus der Kokosmilch nehmen (Kokosmilch wegwerfen), abtropfen lassen, mit einer Gabel zerpflücken und mit den Süßkartoffeln mischen. Koriander, Tomate und die Hälfte der Eiermischung zugeben, gründlich verkneten, abschmecken. Den Teig sofort verarbeiten, er wird sonst feucht.

Reismehl auf einen Teller streuen. In einer großen Pfanne 6 EL Öl erhitzen. Mit einem Esslöffel kleine Teigportionen abstechen, ins Mehl streifen und wenden, so dass abgeflachte Bällchen entstehen. Jedes Bällchen in die restliche Eiermischung tauchen und von ringsum in je 3–4 Min. goldbraun backen.

Fischbällchen mit Salat und Minze anrichten und mit Sauce servieren.

Jedes Reispapier wird einzeln mit verschiedenen Zutaten bestückt.

Erfordert etwas Übung: Reispapier mit Füllung straff aufrollen.

In sprudelndem Öl werden die Röllchen frittiert und mit frischen Kräutern, Salatblättern und natürlich einem Dip serviert.

FrühlingsrollenDer richtige Dreh

Die Frühlingsrolle steht für makro-mikrokosmische Energie: Ihre Form symbolisiert die Erde, die Füllung den Menschen, das kreisförmige Reisblatt den Himmel. Die Frühlingsrolle verkörpert die unzertrennliche Einheit zwischen Himmel, Erde und Mensch.

(Tien Huu)

Im Westen wird sie oft als das typisch vietnamesische Gericht angesehen: die Frühlingsrolle. Tatsächlich ist sie in Vietnam selbst nicht so wichtig wie das Nationalgericht pho bo, doch natürlich ist sie dort nicht von der Speisekarte wegzudenken. Zumal sie in vielen verschiedenen Formen auftritt. Im Gegensatz zur chinesischen Frühlingsrolle, die eine Weizenhülle hat, wird die vietnamesische in Reispapier gerollt. Noch eine Besonderheit: Man bereitet sie häufig erst am Tisch fertig zu.

Der nordvietnamesische Name nem verdrängt zunehmend das südvietnamesische cha gio und wird inzwischen sogar als Oberbegriff für Glücksrollen – goi cuon – verwendet.

Nem ran (auch nem Saigon) sind gefüllt mit Hackfleisch, Garnelen, Sojasprossen, Glasnudeln, Eigelb, Morcheln, Frühlingszwiebeln und Kräutern, die in hauchdünnes Reispapier eingeschlagen und knusprig frittiert werden. Vor dem Essen wickelt man diese Frühlingsrolle dann in ein Salatblatt, füllt je nach Geschmack mit Minze, Koriander, Gurken- und Möhrenscheiben,

Knoblauch, Chili, Sojasprossen, Sternfrucht oder grünen Bananen auf und tunkt die so präparierten Röllchen in einen Dip.

Glücksrollen

Bei den Glücksrollen, goi cuon, gerät der Do-it-yourself-Aspekt noch mehr in den Vordergrund:

Sie bestehen aus den gleichen Zutaten, werden aber nicht frittiert, sondern man wickelt sie am Tisch mit den gewünschten Zutaten selbst in die rohen Reispapierblätter ein. Statt Hackfleisch verwendet man bei Glücksrollen oft marinierte Streifen Schweinefleisch. Am besten schmecken goi cuon, wenn sie ganz straff aufgerollt werden – das erfordert allerdings etwas Übung. Als Dip reicht man in Vietnam oft eine Bohnensauce.

Ihren Namen verdankt die Frühlingsrolle wahrscheinlich dem chinesischen Neujahrsfest, das zugleich Frühlingsfest und als solches die größte und wichtigste Festivität im Jahreslauf ist. Traditionelles Essen während dieser Feier sind die feinen Rollen, die die im Frühjahr schlüpfenden Seidenraupen symbolisieren sollen.

Frühlingsrollen Saigon-Style

cha gio

Zubereitungszeit: 1 Std. 15 Min.

Pro Portion ca.: 490 kcal

Zutaten für 4 Personen (20 Stück):

2 EL Mu-Err-Pilze

50 g getrocknete Glasnudeln

200 g Hähnchenbrust

100 g rohe, geschälte Riesengarnelen

3 Frühlingszwiebeln

2 Knoblauchzehen

100 g Süßkartoffel (oder Möhre)

2 Eier, Salz, schwarzer Pfeffer

20–25 dünne vietnamesische Reispapierblätter (16 cm ø)

Öl zum Frittieren

Zum Anrichten:

1 kleiner Kopf Salat

1 Bund gemischte vietnamesische Kräuter (Minze, Polygonum, Basilikum)

Fisch-Dip (s. >) mit Möhre oder grüner Papaya