Volle Pulle Kreisliga - der ganz normale Wahnsinn - Thomas Bentler - E-Book

Volle Pulle Kreisliga - der ganz normale Wahnsinn E-Book

Thomas Bentler

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  • Herausgeber: Lektora
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Auf den Kreisliga-Plätzen gibt es sie wie Sand am Meer: das Talent, das eigentlich hätte höher spielen müssen, den Knipser, der die eigene Hälfte nur aus Erzählungen kennt, den Schönspieler, der regelmäßig die neuesten Playstation-Tricks ausprobiert, und den Umfunktionierten, der sich selbst als Dreh- und Angelpunkt sieht, vom Trainer aber in die Verteidigung gesteckt wurde und seitdem oft traurig ist. Am Spielfeldrand ist es genauso spannend: Trainer auf 180, die mit Kippe auf dem Zahn ihre Jungs zusammenfalten, schwerfällige Betreuer, die mit Eisspray bewaffnet Schürfwunden bis in die untersten Hautschichten befeuern, weißhaarige Schiedsrichter, deren Bewegungsradius sich höchstens auf den Mittelkreis beschränkt, und rüstige Rentner, nach deren Aussagen früher alles besser war. Sie und viele andere gehören zum wunderbaren Kosmos des Amateurfußballs und machen ihn so verdammt besonders, schließlich jagen nicht ohne Grund an jedem verdammten Wochenende hunderttausende Fußballvirtuosen auf Asche, Kunstrasen, Rasen oder Wiese dem Ball hinterher. Und damit nicht genug, parallel dazu ziehen sich genauso viele Leute die teils atemberaubenden, teils aber auch äußerst überschaubaren Darbietungen von Bahnschranke, Staubsauger, Chancentod & Co. als Zuschauer am Spielfeldrand rein oder sorgen im Hintergrund dafür, dass der Laden läuft. "Volle Pulle Kreisliga" widmet sich schonungslos ehrlich und gnadenlos direkt der kunterbunten Welt des Amateurfußballs. Es durchleuchtet nicht nur all seine Protagonisten, sondern wirft auch einen Blick auf verschiedenste Szenerien wie zum Beispiel das Training, den Spieltag oder die Saisonvorbereitung. Dabei jederzeit mit im Gepäck: eine große Portion Humor.

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Seitenzahl: 217

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Thomas Bentler

Volle Pulle Kreisliga –der ganz normale Wahnsinn!

Amateurfußball, wie er leibt und lebt.Ein Erfahrungsbericht …

Erste Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

Copyright 2016 by

Lektora GmbH

Karlstraße 56

33098 Paderborn

Tel.: 05251 6886809

Fax: 05251 6886815

www.lektora.de

Covermotiv: Olivier Kleine

Covermontage: Olivier Kleine

Illustrationen: Larissa Göhn

Lektorat: Lektora GmbH

Layout Inhalt: Olivier Kleine

ISBN: 978-3-95461-088-4

Inhalt

Kapitel 1: Das Drehbuch

Kapitel 2: In den Hauptrollen

2.1: Auf dem Platz

Der Torhüter:

Der Libero:

Der Manndecker:

Der Innenverteidiger:

Der Außenverteidiger:

Der äußere Mittelfeldspieler:

Der zentrale defensive Mittelfeldspieler:

Der zentrale offensive Mittelfeldspieler:

Der Stürmer:

2.2: Neben dem Platz

Die Reservespieler:

Die Verletzten:

Die Verhinderten:

Der Trainer:

Der Co-Trainer:

Der Betreuer:

Der Torwarttrainer:

Die / der Physio:

Kapitel 3: Die besten Nebenrollen

3.1: Die Macher

Der Präsident / 1. Vorsitzende:

Der Fußballobmann:

Der Jugendwart:

Der Mäzen:

3.2: Die Malocher

Der Platzkassierer:

Die Verkäuferin / der Verkäufer:

Der Platzwart:

Die Senioren:

3.3: Die Schiedsrichterin / der Schiedsrichter

Kapitel 4: Die Special Guests

4.1: Der Kapitän

4.2: Der Besondere

4.3: Die Spielerfrau

Kapitel 5: Die Statisten

5.1: Die Zuschauer

5.2: Die Vereinsmitglieder

Kapitel 6: Die Drehorte

6.1: Der Sportplatz

6.2: Die Kabine

6.3: Die Vereinskneipe

Kapitel 7: Die Szenerie I (Monat für Monat, Woche für Woche)

7.1: Spieltag

Vor dem Spiel:

Die erste Halbzeit:

Halbzeitpause:

Die zweite Halbzeit:

Nach dem Spiel:

7.2: Training

Vor dem Training:

Während des Trainings:

Nach dem Training:

Kapitel 8: Szenerie II (Ab und zu mal …)

8.1: Erste Mannschaft vs. Zweite Mannschaft

8.2: Sommervorbereitung

8.3: Sportfest

8.4: Trainingslager

8.5: Wintervorbereitung

8.6: Nach der Saison

Kapitel 9: Die Schlussszene

Kapitel 10: Der Abspann

Kapitel 11: Das Bonusmaterial

Fakten, Fakten, Fakten …

Best of Strafenkatalog …

Gute Vorsätze

Kreisliga ist …

Kapitel 1: Das Drehbuch

Thema heute: Fußball in der Kreisliga. Beim DFB wird sie freundlich „die Basis“ genannt. Deutlicher ausgedrückt: „Ganz unten“, zumindest sportlich gesehen. Würde man eine Doku über den Kreisligafußball drehen, so gäbe es eine Menge Stoff dafür, denn auf Deutschlands Amateursportplätzen gibt es sie wie Sand am Meer: das Talent, das eigentlich hätte höher spielen müssen, den Knipser, der die eigene Hälfte nur aus Erzählungen kennt, den Schönspieler, der regelmäßig die neuesten Playstation-Tricks ausprobiert, und den Umfunktionierten, der sich selbst als Dreh- und Angelpunkt sieht, vom Trainer aber in die Verteidigung gesteckt wurde und seitdem oft traurig ist.

In den Nebenrollen: Trainer auf 180, die mit Kippe auf dem Zahn ihre Jungs zusammenfalten, schwerfällige Betreuer, die mit Eisspray bewaffnet Schürfwunden bis in die untersten Hautschichten befeuern, und weißhaarige Schiedsrichter, deren Bewegungsradius sich höchstens auf den Mittelkreis beschränkt. Dazu gibt es noch gierige Kassierer, die für das oft trostlose Gekicke doch tatsächlich noch Geld verlangen, durchgeschwitzte Grillgutbeauftragte am Bratwurstbratgerät und motivierte Thekenbedienstete, die sich selbst ebenfalls mal gern einen anzapfen. Kurz gesagt, all diejenigen, die zwar selbst nicht (mehr) kicken, aber trotzdem schwer in die ganze Sache involviert sind. Weil sie nicht loslassen wollen, oder können, und weil der Amateurfußball einfach viel zu viel Freude bereitet, um ihm den Rücken zu kehren. Und somit helfen sie weiterhin fleißig, um den Laden am Laufen zu halten.

Und selbstverständlich ist auch für Statisten gesorgt: rüstige Rentner, nach deren Aussagen früher alles besser war, Schönwetterzuschauer im T-Shirt, die oft nur auf eine Stadionwurst und ein Pils vorbeischauen, und Spielerfrauen, die an der Tankstellen-Werbebande entlangflanieren, als ob sie gerade einen PR-Termin auf dem roten Teppich in Paris, London oder New York hätten.

Sie alle gehören zum Kosmos des Amateurfußballs und machen ihn zu dem, was er ist: etwas Wunderbares, das so unendlich viel zu bieten hat. Denn eins ist doch sonnenklar und da gibt es zumindest bei den Eingefleischten keine zwei Meinungen: Fußball fetzt und das ganz besonders, wenn man mittendrin statt nur dabei ist – in welcher Funktion auch immer. Nicht ohne Grund jagen schließlich allein in Deutschland hunderttausende Fußballvirtuosen an jedem verdammten Wochenende dem runden Leder hinterher, egal ob auf Asche, Kunstrasen, Rasen oder Wiese, egal ob in der großen Stadt oder im beschaulichen Dörfchen, bei Sonne, Regen, Sturm und Schnee. Und nicht nur das: Parallel ziehen sich genauso viele Leute die teils atemberaubenden, teils äußerst überschaubaren Darbietungen von Bahnschranke, Staubsauger, Chancentod & Co. als Zuschauer am Spielfeldrand rein. Fußball bewegt die Menschen, im wahrsten Sinne des Wortes. Klingt komisch – ist aber so!

„Volle Pulle Kreisliga“ widmet sich der bunten Welt des Amateurfußballs und durchleuchtet nicht nur seine Protagonisten, sondern genauso das ganze Drumherum. Schonungslos ehrlich und gnadenlos direkt, aber auch nicht ganz ernst gemeint und jederzeit mit einem kleinen Augenzwinkern im Gepäck. Aus gutem Grund, denn eines soll dieses kleine Büchlein mit dem Kreisligasport gemeinsam haben: Es soll Spaß machen und alle begeistern, die irgendetwas mit ihm zu tun haben.

Taucht also ein in den ganz normalen Wahnsinn der unteren Ligen. Dabei habt ihr stets die Wahl, beispielsweise bei all den Protagonisten. Lest euch entweder alle Charaktere durch oder nur die, die euch interessieren. Lasst euch von diesem Buch berieseln, findet euch, euer Team und euren Verein in den Zeilen wieder, fühlt euch an Personen oder Momente erinnert, nickt zustimmend oder lacht euch einfach mal ordentlich einen ab. Steilvorlagen gibt es reichlich, von allen Personen rund um den Sportplatz bis hin zu alltäglichen Szenarien wie dem Spieltag als Festival der Emotionen, die Trainingsabende mit all ihren Hochs und Tiefs oder die vielerorts verhasste Sommervorbereitung. Alles wird thematisiert und munter auf die Schippe genommen. Wenn schon, dann richtig!

Dabei bleibt eines jedoch festzuhalten: Letztendlich ist jede geschriebene Zeile vor allem eines – die freche, aber stets liebevolle Hommage an den Amateurfußball mit all seinen Facetten. Eine der schönsten Nebensachen der Welt halt …

Viel Spaß beim Lesen!

Thomas Bentler

Kapitel 2: In den Hauptrollen

2.1: Auf dem Platz

Werktags arbeiten, am Wochenende schuften, und zwar auf dem Platz! Ganz egal in welcher Amateurliga aktive Fußballer unterwegs sind, eines haben fast alle aktiven Kickerinnen und Kicker gemeinsam: So schön das Drumherum auch ist, letztendlich betreiben sie diesen Sport, um selbst auf dem Platz zu stehen und hinter den Ball zu treten. Es ist doch ebenso saugeil, selbst und halbwegs fit am Spiel teilnehmen zu können und seinen Beitrag zu leisten. Und letztendlich kommen die Zuschauer ja nicht nur wegen Stadionwurst und Bierchen, sondern primär, um sich das Spiel anzusehen. Ganz klar, die aktiven Spieler sind die Hauptdarsteller in unserer kleinen Doku und werden aus diesem Grund zuerst vorgestellt. Schaut sie euch an:

Torhüter: echte Marken, weit weg von 08/15 und manchmal mit einem ordentlichen Dachschaden – behaupten jedenfalls Insider

DER TORHÜTER:

Der Torhüter, die letzte Instanz! Gleich zu Anfang ein echter Härtefall. Warum? Weil Keeper irgendwie ganz besondere Menschen sind. Ab und zu haben sie sogar ordentlich einen an der Waffel, behaupten jedenfalls Kenner. Tiefgehende Gründe gäbe es dafür durchaus: Für einige von ihnen lief es bereits zu Beginn ihrer „Karriere“ nicht nach Plan, denn sie wollten eigentlich gar nicht ins Tor, sondern viel lieber spektakulär als Feldspieler zelebrieren. Das Problem an der ganzen Sache: Entweder sie waren im Stile von Raupe Nimmersatt etwas moppelig oder fußballerisch einfach abgrundtief schlecht. Kinder sind da sehr ehrlich, es bedurfte keiner langen Diskussion, bevor sich die Mehrheit, genauer gesagt alle bis auf die betroffene Person selbst, dazu entschloss: „Der Dicke bzw. die Graupe muss ins Tor!“ Immerhin, besser in der Kiste stehen, als auf der Bank zu sitzen, wird sich damals der ein oder andere gedacht haben. Die Weichen für eine verheißungsvolle Zeit im Eckigen waren also gestellt und schließlich wurde sich dann mit der neuen und anfangs ungewohnten Position abgefunden. Erst im Laufe der Zeit wurden einem die Tücken und Nachteile der Torwartposition bewusst.

Im Training: Noch immer steht der Schlussmann regelmäßig allein auf dem Trainingsplatz, während die Feldspieler gemeinsam ihre Übungen absolvieren. Im allerschlimmsten Fall gibt es weder einen zweiten Torwart noch einen Torwarttrainer und so kann sich der Gute mehr oder weniger selbst bespaßen. Oder bei den Feldspielern mitmachen, was zwischendurch sicher mal okay ist, auf Dauer aber positionsspezifisch wenig Sinn hat.

Im Spiel: In einigen Partien steht der Goalie 89 Minuten blöd rum (was besonders bei schlechtem Wetter unangenehm ist) und muss dann in dieser einen Szene hellwach sein. „Wenn er rauskommt, muss er ihn haben!“ ist nur eine der Paradetatsachen, die dann folgerichtig vom fachkundigen Publikum festgestellt wird. Falls er jedoch siegessicher laut „Toooooorwaaaart“ ruft, den Ball aber dann doch nicht bekommt, schauen Mitspieler, Trainer und heimische Fans ganz schnell mal ungläubig drein. Noch schlimmer sind Patzer: Ein Flatterball durch die Arme und schon schallt das Wort „Fliegenfänger“ durch das weite Rund. Die Worte „War meiner …“ interessieren dann auch nicht. Die Lacher der gegnerischen Fans gibt’s gratis noch obendrauf.

Machen wir uns nichts vor, zum Keeper muss man geboren sein. Glücklicherweise sind dies aber sehr viele und diese Personen machen das Ganze aus tiefster Überzeugung. Für sie gibt es nichts Geileres, als zwischen den Pfosten zu stehen und Bälle zu parieren. Wie damals Titan-Kahn übergreifen, Glanzparaden hinlegen und saustarke Sensations-reflexe an den Tag legen, was gibt es Schöneres? Dabei nehmen sie in Kauf, auch mal bei einer Flanke zu spät zu kommen oder am Ball vorbeizusegeln. Das ist Berufsrisiko und hält keinen vom Versuch ab, Woche für Woche sein Tor zu vernageln.

Einige Schlaufüchse haben sich jedoch nicht ganz ohne Hintergedanken für die Torwartposition entschieden. Jeder weiß schließlich, dass der Job des Panthers sogar den ein oder anderen kleinen Vorteil mit sich bringt: Torhüter in einem Team gibt es schließlich nicht wie Sand am Meer, besonders nicht in der Kreisliga. Während andere sich also um den Platz in der Startelf streiten, hat der Torwart so gut wie immer das Monopol und ist über den Zeitraum einer ganzen Saison so gut wie gesetzt. Und nicht nur das, seine Position ist sogar so wichtig, dass Spiele umgehend verlegt werden, falls er an einem Termin nicht kann. Das Fehlen von zwei bis drei Feldspielern könnte eventuell verkraftet werden, das des Torwarts definitiv nicht.

Darüber hinaus ist das Torwartspiel äußerst vielfältig, besonders der erlaubte Einsatz von Händen und Armen macht die Position spannend und bietet eine zusätzliche Möglichkeit, Fehler der Füße zu kaschieren.

Abstoß: Wenn er feste schießen kann, darf er auch mal selber ran – hoch und weit bringt schließlich Sicherheit.

Wurden die Keeper früher noch ausschließlich für das Sauberhalten ihres Tores abgestellt, so werden sie heute selbst im Amateurbereich kontinuierlich in das Spiel eingebunden, zum Beispiel als mitspielender Torwart, der wie Manuel Neuer bei der Weltmeisterschaft 2014 gegnerische Bälle abfängt oder weggrätscht. Und im eigenen Ballbesitz wird der Torhüter dabei immer gefragter, unter anderem als zusätzliche Anspielstation im Spielaufbau. Musste der Ball früher noch vom Libero oder einem anderen Feldspieler, der besonders feste schießen kann, ins Spiel gebracht werden, so darf heutzutage in einigen Vereinen sogar der Schnapper die Aufgabe der Spieleröffnung übernehmen. Wenn sich die Möglichkeit bietet, dann kurz, ansonsten lang und schmutzig. Lang natürlich nur, wenn er zusätzlich weit kommt.

Beim Blick auf den Torhüter können wir abschließend sagen: Selbst wenn die Gefahr besteht, dass er mal danebengreift, so überwiegen in Summe doch die Möglichkeiten, in denen er zum absoluten Hero avancieren kann und den Sieg oder zumindest ein Unentschieden festhält. Sonderlob vom Trainer und Erwähnung im Zeitungsbericht inklusive. Kurz gesagt: Torhüter haben alle Chancen, auf sich aufmerksam zu machen, ob nun positiv oder negativ, alles ist möglich. Und so schweben sie oft in einer Welt zwischen Genie und Wahnsinn, jederzeit hart an der Kante zwischen Matchwinner und Vollhorst …

DER LIBERO:

Wie beim Torwart bereits erwähnt, hat dieser einen Teil des Aufgabenbereiches vom Libero übernommen. Nicht zuletzt dadurch ist der letzte Mann eine aussterbende Gattung, die sich langsam, aber sicher in der Kreisliga gleichfalls auf dem Rückzug befindet. Die Viererkette hat daran einen großen Anteil. Vor einigen Jahren im Amateurbereich noch undenkbar, hält sie mittlerweile in immer mehr Vereinen Einzug, zumindest auf der Taktiktafel. Was dagegen auf dem Feld fabriziert wird, ist vielmals alles, nur keine Viererkette. Aber egal, Fakt ist, dass permanent Liberos in den Aufstellungen verschwinden. Sehr zum Leidwesen der Spieler, die sich am liebsten zehn Meter hinter der Abwehr tummeln und zwischendurch einfach mal ihre Ruhe haben wollen. Fernab vom umkämpften Mittelfeld ist es sehr nett und es kann ohne großartigen Stress eine ruhige Kugel geschoben werden: Im Ballbesitz diese ohne großartigen Gegnerdruck stilvoll nach vorn spielen und dabei unheimlich gut aussehen. In der Abwehr zu lang gespielte Bälle unter Beifall routinemäßig abzulaufen oder total abgeklärt bei jedem tiefen Ball des Gegners die Hand heben und mit aller Selbstverständlichkeit überzeugend „Abseits“ zu rufen – all das sind überaus lässige Aktionen, die jeder waschechte Libero unheimlich gut draufhat.

Gegen den Ball routinemäßig – mit dem Ball in Bruder-Leichtfuß-Manier

Ab und an geht er bei Ballbesitz sogar selbst in den Angriffsmodus über, nämlich wenn sich seiner Meinung nach keiner anbietet oder die Offensivbemühungen seiner Kollegen lahmen. „Mehr Angebote!!!“. Kommen die nicht, sucht die Vernunft das Abenteuer, der Libero schnappt sich den Ball und startet in Bruder-Leichtfuß-Manier mit raumüberbrückenden Schritten und ohne Absicherung ein verrücktes Dribbling nach vorn. „Alles muss man selber machen!“ Aber wer kann, der kann.

Hält er sich während des laufenden Spiels in Summe jedoch vorrangig in der eigenen Hälfte auf, ist er zumindest bei eigenen Standardsituationen ein häufig gesehener Gast in des Gegners Hälfte. Entweder um das Leder höchstpersönlich wegzumachen oder um den ruhenden Ball bosshaft in die Gefahrenzone zu spielen. Fluffig reingechippt, mit Effet oder volles Mett, er hat für jede Situation den passenden Ball parat.

Was er neben Abwehrarbeit und Offensivbemühungen oftmals einzustreuen versucht, sind Kommandos und neunmalkluge Phrasen. „Wir müssen vorne auch mal einen machen“ ist nur einer von vielen Sprüchen auf seiner nimmermüden Schallplatte. Gelegentlich hat er hinten drin schlichtweg Langeweile, warum dann nicht mal ein paar schlaue Weisheiten rausposaunen? Das ist natürlich nur glaubwürdig, solange er selbst seinen Job macht und nicht patzt, was als letzter Mann vor dem Torwart alles andere als ideal ist. Einerseits weil es Sekunden später im eigenen Gehäuse klingeln kann, anderseits – wer nimmt sich schon schlaue Sprüche von Leuten an, die es selbst nicht besser hinbekommen?

Die Metamorphose des Libero-Körpers: vom Waschbrett- zum Waschbärbauch

Viele Liberos bekleiden diese Position erfahrungsgemäß erst im Spätherbst ihres Spielerdaseins. Im Laufe der Jahre sind sie peu à peu von ganz vorn bis nach ganz hinten durchgerutscht. Und das nicht ohne Grund: die Muskelmasse ist gesunken, der Fettanteil dagegen gestiegen, das Waschbrett ist sozusagen zum Waschbärbauch mutiert. Warum bloß ein Sixpack, wenn es ein ganzes Fass zu verteilen gibt? Er ist nicht mehr der Schnellste und Fitteste, die schwingende Fettschürze, die Plauze, der Wanst, die Wampe oder wie das Wohlstandsbäuchlein auch heißen mag, es macht ihn nicht unbedingt leistungsfähiger.

Aber nicht nur sein BMI kann dem Libero das Leben schwermachen, nach einer langen Laufbahn sind bestimmte andere Körperregionen anfälliger als früher, Wehwehchen während und besonders nach dem Sport nehmen permanent zu. Um diesen vorzubeugen oder sie in einem erträglichen Rahmen zu halten, lässt er die Karriere hinten drin ausklingen. Und das ist unser Stichwort: Weitere Infos zur Liberoposition lassen wir an dieser Stelle mangels Perspektive ebenfalls ausklingen. Selbst wenn er immer mal wieder rausgekramt wird, irgendwann wird man ihn nur noch aus Erzählungen kennen, unaufhörlich nagt der Zahn der Zeit an ihm …

DER MANNDECKER:

Noch so einer, dessen Tage bald gezählt sein dürften. Manndecker zu sein, kann für Personen, die nicht so viel nachdenken möchten und eher gegen den Ball statt mit ihm spielen, eine relativ reizvolle Aufgabe sein. Das Anforderungsprofil ist klar: Den Gegenspieler ausschalten, ihm die Lust am Fußball neben und ihn nicht zum Zug kommen lassen. Niemals.

Der Worstcase nach 90 Minuten: 3 Gegentore und 10 Kilometer auf dem Tacho – aber trotzdem kaum einen Ball gesehen

Dazu wird dem Stürmer quer über den Platz nachgelaufen, notfalls bis auf das Klo, hat der Coach schließlich so befohlen. Der Manndecker spielt seine Rolle nicht nur, nein, er lebt sie und hat sich in sie hineingefressen wie ein räudiger Straßenköter in ein Stück Fleisch. Von genervten Stürmern muss sich der Beschattende immer wieder die Frage gefallen lassen, ob er ein Passfoto haben wolle, was er aber kategorisch ablehnt. Die Verfolgerei ist nicht einfach, besonders bei einem Gegenspieler, der beim TV Jahn als Langstreckenläufer deutlich besser aufgehoben wäre und sich lediglich in der Gesichtsfarbe von einem afrikanischen Laufwunder unterscheidet. Im schlimmsten Fall hat der Verteidiger nach dem Spiel über zehn Kilometer auf dem Tacho, aber so gut wie keinen Ball gesehen, stattdessen nur die Hacken des imaginären Kenianers, davon aber reichlich. So kommt es vor, dass es im Spiel oft mal nicht so richtig läuft. Dann wird der Gegner wenigstens genervt, Möglichkeiten für ein paar kleine Gemeinheiten gibt es schließlich genug.

Und wenn es nur ein paar derbe Worte über seine Mutter oder diverse Tiernamen sind. Wirklich interessant wird es aber erst, wenn es dann doch mal zu einem echten Zweikampf kommt: Showdown, 1 gegen 1, Auge in Auge, es gibt kein Vor und kein Zurück mehr, der Zweikampf muss und will geführt werden! Ausgangssituation: Der Stürmer hat den Ball, er ist torhungrig und kommt mit Vollgas angerannt. Der Manndecker ist dagegen wild entschlossen, den Offensivspieler mit aller Gewalt zu stoppen, koste es, was es wolle. Dabei wendet er die goldene Regel an: Nur einer kann vorbei, entweder der Gegenspieler oder der Ball, NIEMALS beide gemeinsam. Und so gibt es in dieser Situation genau sechs Möglichkeiten:

Möglichkeit 1: Foul und der Schiedsrichter pfeift einen Freistoß oder sogar Elfmeter.

Möglichkeit 2: Foul, der Stürmer bleibt jedoch im Ballbesitz, also Vorteil.

Möglichkeit 3: Foul, dabei wechselt der Ballbesitz zum Manndecker, der Schiedsrichter lässt weiterlaufen.

Möglichkeit 4: Der Manndecker führt einen fairen Zweikampf und belohnt sich mit dem Ballbesitz.

Möglichkeit 5: Der Stürmer vertändelt einfach den Ball oder spielt den Fehlpass.

Möglichkeit 6: Der Stürmer schafft es doch irgendwie samt Ball am Verteidiger vorbei.

Die Folgen der einzelnen Möglichkeiten im Überblick:

Bei Möglichkeit 1: Kann als Glück im Unglück bezeichnet werden, wenigstens gibt es (noch) kein Gegentor. Blöd, wenn die anschließende Standardsituation dann jedoch reingeht.

Bei Möglichkeit 2: Hier ist alles wie immer, der Gegenspieler läuft weiter und der Manndecker wie Hein Blöd hinterher.

Bei Möglichkeit 3: War gar nichts! Internationale Härte.

Bei Möglichkeit 4: Großartig, Szenenapplaus ist vorprogrammiert.

Möglichkeit 5: Auch nicht schlecht.

Möglichkeit 6: Keine Option, sie ist die denkbar schlechteste aller Möglichkeiten für den Verteidiger, Stress mit dem Trainer, Anschiss der Teamkameraden und Häme der Zuschauer sind vorprogrammiert.

Bei Ballbesitz diesen schnell wegkloppen, egal wohin. Und niemals mit nach vorn gehen! Die gegnerische Hälfte ist tabu

Kommt der Manndecker, egal wie, in den Ballbesitz, geht die Aktion weiter, irgendwas muss schließlich mit dem Ball passieren. Bevor wir jetzt aber unnötig Erwartungen wecken, treten wir schnell auf die Euphoriebremse. Im Zeitalter der Manndeckung ist der Ballbesitz nämlich recht unspektakulär. Meist wird das runde Leder nach dem Gewinn schnellstmöglich weggekloppt, wohin ist erstmal egal, Hauptsache weg damit, Stumpf ist Trumpf! Manche Abwehrrecken machen dies, weil sie mit dem Ball ohnehin nicht viel anfangen können, eher grobmotorisch veranlagt sind und sich in der gegnerischen Hälfte fürchterlich unwohl fühlen. Aus diesem Grund wird sie konsequent gemieden, selbst wenn der Gegenspieler Rot bekommen hat.

Andere dreschen den Ball aus einem anderen Grund weg und dieser ist der Hammer schlechthin: Anstatt sich nach dem Abspiel wieder als Anspielstation andienen und den Angriff mitzugestalten, indem sie sich wieder anbieten oder Räume öffnen, beenden sie ihren Lauf überfallartig, gucken, wo ihr Gegenspieler steht, um sich diesem dann gleich wieder zu widmen. Wir merken an dieser Stelle noch einmal an: Obwohl das eigene Team im Ballbesitz ist!!! Warum einige Experten so etwas machen, wird wohl niemals vollständig geklärt werden. Eventuell liegt es an mangelnder Kondition und sie müssen sich schleunigst ausruhen. Zudem wird so ein Verhalten im Verein oftmals von Generation zu Generation weitervererbt, gerade wenn die Jugendtrainer selbst Defensivmonster waren. Oder die Angst spielt ebenso hier eine Rolle, denn so bescheuert wie dieser Move auch ist, so hat er doch einen kleinen Vorteil: der Manndecker ist umgehend wieder hart am Mann, wenn die Mitspieler den Ball verlieren.

Wie auch immer, bei näherer Betrachtung werden selbst die Taktiklaien unter uns erkennen, dass dieses Prinzip mehr Nach- als Vorteile hat. Und deshalb ist der Manndecker nicht mehr sonderlich zeitgemäß und wird ab sofort ignoriert …

DER INNENVERTEIDIGER:

Nun aber zurück in die Zukunft: Schon mal gemerkt? Zwar nicht in jedem Team, aber in sehr vielen, gibt es einen bestimmten Spielernamen. Die Rede ist vom „Langen“. Er ist so groß, dass er aus der Dachrinne saufen könnte, rein von der Körperlänge her wäre er beim Basketball definitiv besser aufgehoben. Aber er kickt halt lieber und so hat er seinen Platz im Kreisligafußball verdient und gefunden.

Grotesk: ein Typ wie ein Baum mit der Spielweise einer Axt

Oft, wirklich sehr oft, findet sich der Lange in der Innenverteidigung wieder, aus irgendeinem Grund scheint er für diese Position prädestiniert. Somit ist es keine Seltenheit, dass hinten in der Mitte ein oder sogar zwei Leuchttürme stehen, die alle anderen drumherum miniaturhaft aussehen lassen. Aber warum ist das so, aus welchem Grund spielen die meisten Langen der Kreisligawelt vermehrt in der Abwehr? Nun ja, zweifelsohne ist es nicht verkehrt, in der Verteidigung über körperlich robuste und kopfballstarke Hünen zu verfügen. Am Boden: Wenn sie sich mit der unbändigen Kraft einer Planierraupe in den Zweikampf werfen, ihren Gegenspieler ganz locker abkochen oder notfalls auch runtergehen, um den Ball abzuräumen oder, wenn dieser bereits gespielt ist, um wenigstens den Gegenspieler wegzurasieren. In der Luft: Wenn sie sich mit Anlauf in den siebten Stock katapultieren und dort, wo die Luft schon merklich dünner wird, den hoch reingeschlagenen Ball aus der Bewegung wegköpfen, egal wohin.

Dies gelingt aber nicht immer, denn Kicker, die früher Manndecker waren und irgendwann zum Innenverteidiger umgeschult wurden, fallen gelegentlich noch in alte Muster zurück. Dann lassen sie sich aus der Kette nach hinten fallen, machen diese damit fast unbrauchbar und heben zu allem Überfluss noch das Abseits auf. Oder sie kehren spontan zur Manndeckung zurück, was in einigen Momenten auch nicht besonders von Vorteil ist.

Die Aufgaben beschränken sich aber nicht nur auf die Defensive, besonders im Spielaufbau ist der Lange ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es darum geht, den Ball nach vorn zu transportieren. Für die Bewegungslegastheniker unter den Innenverteidigern ist das gar nicht so leicht: Klar, den Abstoß übernehmen, wenn der Keeper nicht kann, ist kein Thema. Aber der moderne Abwehrrecke muss genauso in den Niederungen der Kreisliga über ein einigermaßen vernünftiges Passspiel verfügen, wenn er nicht gleich nach der Spieleröffnung wieder in den Verteidigungsmodus umschalten will. Was, man ahnt es kaum, vielen dann aber leider doch schnell passiert.

Zusätzlich zum Spielaufbau kann der Innenverteidiger ganz vorn sehr wertvoll für seine Mannschaft sein. Erfahrungsgemäß geht der lange Lulatsch bei allen Ecken und jedem halbwegs interessanten Freistoß mit, entweder um sich hochzuschrauben und das Objekt der Begierde zu versenken oder einfach um im 16er etwas Theater zu machen und für Unruhe zu sorgen. So einen Kleiderschrank verteidigt schließlich niemand gern.

Das Notfallrezept bei Rückstand kurz vor Schluss: immer hoch rein, im Idealfall direkt auf die Birne des Langen!

Was sich außerdem gelegentlich beobachten lässt: Liegt das Team kurz vor Schluss mit einem Tor zurück, wird fleißig Harakiri gespielt. Der Innenverteidiger bemüht sich, entweder nach Aufforderung vom Coach oder auf eigene Faust, in die gegnerische Hälfte und irrlichtert, dort angekommen, ab sofort als Stürmer rum. Eins ist klar, Verwirrung ist damit vorprogrammiert. Der Gegner weiß ihn nicht so recht zuzuordnen, wer soll sich um ihn kümmern? Darüber hinaus macht er teilweise äußerst unorthodoxe und lethargische Bewegungen, so ganz anders als der normale Offensivspieler. Eine schwierige Situation für das verteidigende Team, aber auch für die eigene Elf ist die Situation nicht alltäglich. Wurde eventuell vorher noch versucht, flach in die Tiefe zu spielen, kann dies nun verworfen werden, denn manch einem Innenverteidiger springt der Ball bei der Annahme so weit weg, dass das Ganze fast schon als Schuss durchgehen könnte. Scharfe Pässe genau in den Lauf sind auch so eine Sache, um diese Bälle zu verarbeiten, fehlen ihm schlichtweg Tempo und Technik. Und jemanden ausspielen, das kann der Innenverteidiger schon mal gar nicht. Tore mit seiner Beteiligung fallen demnach fast nur nach langen Bällen, die stumpf vorne reingeschlagen wurden, oder nach unübersichtlichen Situationen im Strafraum, bei denen im Nachhinein keiner mehr weiß, wie das passieren konnte.

Fassen wir also zusammen: Der Innenverteidiger macht hinten im Normalfall einen grundsoliden Job. In der gegnerischen Hälfte dagegen kann er zwar eine Hilfe sein, muss aber nicht. Trotzdem würden wir ihn jederzeit wieder vorne reinschicken. Und wenn es nur ist, um etwas schmunzeln zu können …

DER AUSSENVERTEIDIGER:

Auf der einen Seite spielt der einzige Linksfuß im Team, er hat seinen Stammplatz genauso sicher wie der Torwart. Für die andere Seite kommen theoretisch mehrere Personen in Frage, vorausgesetzt, sie besitzen Siebenmeilenstiefel und sind schnell wie ein Windhund. Einen gemeinsamen Nachteil auf die Geschwindigkeit bezogen haben sie aber leider alle, denn ihr Schnellsein funktioniert nur ohne Ball. Und so ist das Aufgabenprofil des Kreisliga-Außenverteidigers in der Stellenbeschreibung eindeutig: Der Aufenthaltsort ist vorrangig rechts oder links hinten und permanent an der Linie klebend. Natürlich auf der Seite, wo er auch seinen starken Fuß hat. Ein Linksfuß hinten rechts oder umgekehrt? Davon wird dringend abgeraten, da dies viel zu gefährlich für das eigene Team wäre. Also spielt jeder Außenverteidiger strikt auf „seiner Seite“ und marschiert, wie an einer Schnur gezogen, die Auslinie hoch und runter, um sowohl die Gegenspieler als auch den Untergrund zu beackern. Apropos Auslinie: Diese verlässt er in der Regel höchst selten, über die Gründe dafür lässt sich nur mutmaßen. Vielleicht gibt ihm die weiße Begrenzung und die damit verbundene räumliche Begrenzung einfach ein Stück weit Sicherheit, mehrere Handlungsalternativen überfordern den ein oder anderen schließlich. Und so gibt es im Leben des gemeinen Außenverteidigers weniger „nach links“ und „nach rechts“, sondern vielmehr „nach hinten“ und „nach vorn“. Vor – zurück, vor – zurück, vor – zurück, das kriegt jeder hin, selbst wenn er nicht die hellste Kerze am Weihnachtsbaum ist. Darüber hinaus bietet die Auslinie weitere Vorteile, die Wasserkiste ist zum Beispiel nicht weit und mit den Ersatzspielern kann auch mal kurz gequatscht werden.

Wenn gar nichts mehr geht, kommt die halbhoch eingesetzte Fluggrätsche zum Einsatz!