Vom Stubendienst bis Afghanistan - Wolfgang Geist - E-Book

Vom Stubendienst bis Afghanistan E-Book

Wolfgang Geist

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Beschreibung

Der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags steht seit seiner Gründung in rationaler und emotionaler Auseinandersetzung mit Parlament und Öffentlichkeit. Wolfgang Geist untersucht in seiner Langzeitanalyse die wechselnde Stellung des Ausschusses im Bundestag und gegenüber dessen Fraktionen unter den sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. So wird deutlich, welche Rolle der Ausschuss – auch in seiner besonderen Tätigkeit als Untersuchungsausschuss – in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik spielte sowie welcher Bedeutung der personellen Zusammensetzung und einzelnen politischen Akteuren zukam. Gleichzeitig hinterfragt er das Schlagwort »Parlamentsarmee«.

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Wolfgang Geist

Vom Stubendienst bis Afghanistan

Der Verteidigungsausschuss in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags steht seit seiner Gründung in rationaler und emotionaler Auseinandersetzung mit Parlament und Öffentlichkeit. Wolfgang Geist untersucht in seiner Langzeitanalyse die wechselnde Stellung des Ausschusses im Bundestag und gegenüber dessen Fraktionen unter den sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. So wird deutlich, welche Rolle der Ausschuss – auch in seiner besonderen Tätigkeit als Untersuchungsausschuss – in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik spielte sowie welcher Bedeutung der personellen Zusammensetzung und einzelnen politischen Akteuren zukam. Gleichzeitig hinterfragt er das Schlagwort »Parlamentsarmee«.

Vita

Wolfgang Geist, Dr. phil., war Offizier der Bundeswehr; danach studierte der Diplompädagoge an der Universität Potsdam Religionswissenschaften, Jüdische Studien und Geschichte.

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

Inhalt

Impressum

Inhalt

Vorbemerkung

1.

Impulse

2.

Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Gegenstand der Untersuchung

Aufbau der Arbeit und methodologische Aspekte

Forschungsstand und Quellenlage

3.

Rahmenbedingungen für den Verteidigungsausschuss

Vorgaben des Grundgesetzes Westdeutschlands

Das Grundgesetz Deutschlands

Fazit

Der Deutsche Bundestag

Stellung und Aufgaben

Legislative und Exekutive in der Praxis

Medienentwicklung und Parlament

Das Dreieck Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

Die Wissenschaftlichen Dienste

Enquete-Kommissionen

Büro für Technikfolgeabschätzung beim Deutschen Bundestag

Außerparlamentarische Politikberatung

Fazit

Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Stellung und Anspruch

Besondere Änderungen der Geschäftsordnung

Fazit

Die Fraktionen

Die strukturelle Stellung

Die interne Machtstellung

Die Arbeitskreise und Arbeitsgruppen

Die Mitarbeiterstäbe

Die besondere Stellung der Fraktionen in der Parlamentspraxis

Fazit

Die Ausschüsse

Stellung und Tätigkeit

Die Ministerialbürokratie in den Ausschüssen

Die Ausschussvorsitzenden

Die Berichterstatter

Die Untersuchungsausschüsse

Besondere Nachbarausschüsse

Fazit

4.

Der Verteidigungsausschuss

Der Entstehungsprozess

1945–1949 – Kein Staat, kein Parlament, kein Ausschuss

Fazit

1949–1952 – Das wehrpolitisch unmündige Parlament

Fazit

1953 – Die tatsächliche Einrichtung des Ausschusses

Fazit

1954–1956 – Grundgesetzergänzungen und NATO-Beitritt

Fazit

Die Ausschussrolle ab dem 20.03.1956

Die rechtliche Stellung

Die übernommenen Aufgaben

Das erworbene Ansehen

Die Mitglieder des Verteidigungsausschusses

Fazit

1956–1990 – Die Ausschussrolle im Kalten Krieg

Wachsende gesamtpolitische Routine

Die Rolle in diesem Zeitabschnitt

Generelle Entwicklung

Die Rolle gegenüber der Regierung

Die Rolle am Beispiel Rüstungsentscheidungen

Die Rolle gegenüber der Fraktion

Die Tätigkeit als Untersuchungsausschuss

Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit

Die personelle Entwicklung

Westdeutsches Politikbewusstsein an der »Zeitenwende«

Fazit

Die Ausschussrolle in der Zeit der Wiedervereinigung

Gesellschaftliche Lage

Die Mitglieder des Verteidigungsausschusses

Die Aufgaben in der 12. und 13. Wahlperiode

Die Dominanz von Fraktion und Regierung

Fazit

Die Ausschussrolle in der Zeit der Nichtkriegskriege

Auf dem Weg in die Realität

Der Ablauf einer Sitzung des Verteidigungsausschusses

Das Parlamentsbeteiligungsgesetz

Das Aufgabenspektrum und die Stellung der Einsätze

Die Rückkehr der Landes- und Bündnisverteidigung

Das Amt des Wehrbeauftragten und die Einsätze

Der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss

Die Mitglieder des Verteidigungsausschusses

Fazit

5.

Die »langen Linien« in der Ausschussrolle 1953–2017

Zusammenfassende Interpretation

Anhang

Abkürzungen

Wahlperioden und Überschriften

Kommunikationspartner/-innen

Quellen

Literatur

Vorbemerkung

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit ist die Arbeit in der männlichen Anredeform erstellt, sofern nicht konkrete andersgeschlechtliche Personen angesprochen werden sollen. Diese Anredeform steht stellvertretend für andere geschlechtliche Identitätsansprüche. Ebenfalls zur besseren Lesbarkeit wird der Begriff »Verteidigungsausschuss« auch als Ersatz für die Bezeichnung des jeweiligen Zeitabschnittes für dieses Gremium genutzt, wenn die konkrete Bezeichnung von untergeordneter Bedeutung ist.

Das Enddatum der zeitlichen Betrachtung ist der 23.09.2017. Die Wahl zum 19. Deutschen Bundestag fand am 24.09.2017 statt.

Zahlen werden auch dann als Ziffern geschrieben, wenn dadurch der Sinnzusammenhang oder der Kern einer Aussage verdeutlicht wird.

Informationen aus vertraulich eingestuften und unveröffentlichten Ausschussprotokollen dürfen oftmals nicht als Zitate und nicht mit konkretem Sitzungsdatum angegeben, sondern nur generalisiert aufgeführt werden.

Kommunikationspartner/-innen zum Untersuchungsgegenstand werden mit Begegnungsterminen im Anhang aufgeführt, sofern dies Wünschen der Partner/Partnerinnen nicht widerspricht. Eine empirisch formal und einheitlich strukturierte Befragung ist aus Gründen der unterschiedlichen Kommunikationssituationen und der verschiedenen Bereitschaft der Partner/Partnerinnen nicht möglich gewesen. Der jeweilige Kern der Aussagen wird in der Arbeit wiedergegeben.

Wissenschaftlich nutzbare Lebensläufe bzw. biographische Daten von Abgeordneten sind auffindbar in:

Vierhaus Rudolf, Herbst Ludolf [Hrsg.], Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949–2002, München 2002;

Schindler Peter, Verwaltung des Deutschen Bundestages, Abteilung Wissenschaftliche Dienste/Referat Parlamentsgeschichtliche Dokumentation [Hrsg.], Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999, Gesamtausgabe in 3 Bänden, Berlin 1999;

Der Deutsche Bundestag [Hrsg.], Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, Berlin seit 1990, (DHB); https://www.bundestag.de/datenhandbuch; letzter Zugriff 06.12.2020.

Ferner wird vom Referat Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages jährlich eine überarbeitete offizielle Ausgabe von »Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag« herausgegeben, in dem die Lebensläufe der aktuellen Bundestagsabgeordneten nachlesbar sind.

Weitere Daten zu Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind abrufbar unter: Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin; http://www.bundestag.de/; letzter Zugriff 07.12.2020. Aussagen zu sonstigen Personen wurden deren persönlichen und institutionellen Aussagen in Veröffentlichungen entnommen.

1.Impulse

»Im Anschluss an die Verteidigungsausschuss-Sitzung am 4. März waren alle Ausschussmitglieder zum sicherheitspolitischen Gedankenaustausch bei Bundespräsident Joachim Gauck eingeladen. Die Runde fand statt im Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Präsidenten. Themen waren unter anderem die aktuellen Krisen, Deutschlands und Europas Rolle in der Welt, die Nachsteuerung der Bundeswehrreform und der Weißbuch-Prozess.«1 Der Bundespräsident, protokollarisch der höchste Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland2, hatte die Mitglieder des Verteidigungsausschusses in seinen Dienstsitz eingeladen.

»Der hohe Stellenwert unserer Streitkräfte und der Sicherheitspolitik im Deutschen Bundestag lässt sich schon daran ermessen, dass der Verteidigungsausschuss zu den wenigen Ausschüssen mit Verfassungsrang gehört.«3 Professor Dr. Lammert, protokollarisch die zweithöchste Person der Bundesrepublik Deutschland und Präsident des nationalen Parlaments, der bundesdeutschen Legislative, äußerte sich im Jahr 2015 zur Stellung des Verteidigungsausschusses.

»[…] brauchen wir redlicherweise eine flexible Reserve [für Afghanistan, d.A.] von 350 Soldaten. Was wir aber anders machen wollen – deshalb nennen wir das flexible Reserve –, ist, dass jede Verwendung aus dieser Reserve […] mit dem Verteidigungsausschuss besprochen wird.«4 Angela Merkel, protokollarisch die dritthöchste Person der Bundesrepublik Deutschland und Bundeskanzlerin der Bundesrepublik, Leiterin der bundesdeutschen Exekutive, informierte im Jahr 2010 die Presse über einen besonderen Teil der Rolle des Verteidigungsausschusses. Die höchsten Repräsentanten Deutschlands haben den Verteidigungsausschuss also besonders herausgehoben.

Zwischen 1997 und 2001 hat der Autor als Generalstabsoffizier und Referent für das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und das Auswärtige Amt (AA) an den Sitzungen des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages teilgenommen. Besonders aufgefallen sind dabei im Laufe der Zeit folgende Punkte: Viele Abgeordneten sprachen besonders intensiv über Details wie Schlafsäcke, Stiefel und Unterwäsche. Es beteiligten sich nur wenige Ausschussmitglieder regelmäßig an den Diskussionen. Es gab selten strategische, sicherheitspolitische und konzeptionelle Diskussionen. Daraus ergaben sich einige grundsätzliche Fragen für diese Arbeit: Welches Aufgabenspektrum hatte der Verteidigungsausschuss in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland und entwickelte sich dieses weiter? Welchen Handlungsspielraum hatte dieses Gremium im Parlament? War dieser Ausschuss ein eigenständiges Arbeitsgremium zur Problemlösung oder vorrangig ein Instrument der Parteien, Fraktionen, Regierungen in der politischen Auseinandersetzung? Welche Stellung hatte dieses Gremium im Kreis der Ausschüsse? Welche Fachkompetenz war in diesem Kreis vorhanden? Wurde der Verteidigungsausschuss vor allem als ein Profilierungsfeld einzelner interessierter Abgeordneter genutzt und war für die Mehrzahl der Mitglieder nur eine Pflichtaufgabe? Somit stellt sich zusammengefasst die grundsätzliche Frage: Welche Rolle spielte der Verteidigungsausschuss in der Sicherheitspolitik des Deutschen Bundestages in den rund 60 Jahren seines Bestehens?

2.Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Gegenstand der Untersuchung

Mit dem Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 19.03.1956 wurde der »Ausschuß für Verteidigung« im Grundgesetz verankert und mit besonderen Rechten ausgestattet5. Der Verteidigungsausschuss arbeitete bis 2017 über rund 60 Jahren im Aufgabenspektrum der sogenannten »äußeren Sicherheit« im Rahmen des Deutschen Bundestages. Der besondere Aspekt des Betätigungsfeldes der Parlamentarier im Verteidigungsausschuss war auch die Befassung mit Themen, die direkt mit der Vorbereitung und Entscheidung über eine mögliche Anwendung massiver staatlicher Waffengewalt in Zusammenhang standen. Existenzielle Fragen für unsere Bevölkerung, Bevölkerungsteile, Einzelpersonen und Organisationen konnten damit verbunden sein. Dabei ging es nicht nur um theoretische Überlegungen am »grünen Tisch«. Die Abgeordneten mussten sich in ihrer Arbeit auch konkret und unmittelbar mit der Vorbereitung von Entscheidungen zu Leben und Tod von Menschen befassen. Der Verteidigungsausschuss, tätig im umfassenden Bereich der Sicherheitspolitik, stand dabei über mehr als sechs Jahrzehnte mit seinen Aktivitäten in rationaler und emotionaler Auseinandersetzung in Parlament und Öffentlichkeit.

Diese Arbeit möchte einen Beitrag zum Verständnis der Entwicklung der Rolle des Verteidigungsausschusses in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland leisten. Sie untersucht den Verteidigungsausschuss und interpretiert seine Entwicklung bis ins Jahr 2017 unter den Leitfragen:

Welche Rolle spielte er in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland?

Wie ist diese Rolle entstanden, was ist konstant geblieben und was hat sich grundlegend bis 2017 verändert?

In einer Art Längsschnitt sollen »die langen Linien«, die langfristigen Tendenzen und Auswirkungen aufgezeigt und interpretiert werden, nicht kurzfristig wirksame Einflüsse oder Facetten.

Der Begriff »Rolle des Verteidigungsausschusses« wird für diese Arbeit inhaltlich unter folgenden Fragestellungen genutzt:

Welchen Zweck hatte der Verteidigungsausschuss über die Jahrzehnte seines Bestehens?

Welche Möglichkeiten, Befugnisse und Grenzen wurden strukturell und organisatorisch vorgegeben, genutzt und verändert?

Welche Funktionen und Aufgaben wurden ihm wann und durch wen zugewiesen oder haben sich in der parlamentarischen Praxis herausgebildet?

Diese Arbeit ist weder als juristische noch politiktheoretische oder empirisch soziologische Betrachtung angelegt, sondern als historische Untersuchung. Ausdrücklich zu betonen ist, dass weder das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), noch die Bundeswehr im Zentrum der Untersuchung stehen, sondern der Verteidigungsausschuss in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschlands in einer Art Längsschnitt über ca. 60 Jahre.

Aufbau der Arbeit und methodologische Aspekte

Der Verteidigungsausschuss ist ein Teil des komplexen gesamtpolitischen Konstrukts der Bundesrepublik Deutschland. Die Interpretation der politischen Praxis und Aktivitäten des Verteidigungsausschusses, vor dem Hintergrund struktureller Vorgaben, stehen dabei im Mittelpunkt der Untersuchung seiner Rolle sowie deren Entwicklung. Dabei könnte eine momentane, auf Stichtage bezogene Untersuchung der Rolle des Verteidigungsausschusses nur verengt deskriptiv und schlaglichtartig Gegebenheiten aufzeigen, aber nicht ausreichend langfristig erklären und herleiten. Es würden bei jeder auf einen Zeitpunkt oder eine kurze Zeitphase beschränkte Betrachtung zu viele Fragen nach dem »Warum?« und »Warum so?« offenbleiben.

Die Auswahl der speziell untersuchten Aspekte erfolgte unter dem Blickwinkel eines möglichen besonderen Einflusses auf die Rolle des Verteidigungsausschusses. Interpretationen werden mit dem Mittel der exemplarischen Verdeutlichung aufgezeigt. Historische nationale und internationale politische Entwicklungen sind Rahmenbedingungen für ein abgewogenes Urteil zur Fragestellung und werden als bekannt vorausgesetzt. Es werden nur ausgewählte bekannte Fakten und Entwicklungen dargestellt, wenn sie für den speziellen Blickwinkel der Untersuchung in dieser Arbeit, der Rolle des Verteidigungsausschusses, von besonderer Bedeutung und für das Verständnis und die Argumentation wichtig sind. Institutionen außerhalb des unmittelbaren Bezugssystems Bundesparlament (z.B. Bundesregierung, Bundesrat, Verfassungsgericht) wurden betrachtet, aber nur insoweit dargestellt, als sie zum Verständnis für den Untersuchungsgegenstand notwendig sind. Gesellschaftliche Entwicklungen und emotionale Befindlichkeiten in Öffentlichkeit und Parlament sind ebenfalls zu beachten. Für das Verständnis der Kombination rationaler und emotionaler Gegebenheiten insbesondere der Arbeit der Mitglieder des Bundestages (MdB) ist die direkte Betrachtung ausgewählter Parlamentsdebatten hilfreich, da diese häufig Ergebnisse von Ausschusstätigkeiten waren.

Die Untersuchung konzentriert sich auf den zunächst westdeutschen, dann ab 1990 deutschen Verteidigungsausschuss. Ein Vergleich mit anderen Staaten müsste zur Erläuterung tief in das jeweilige Gesamtsystem und dessen Entwicklung eintauchen. Dies würde den Rahmen sprengen.6

Eine Interpretation des Verteidigungsausschusses muss zunächst den strukturellen Rahmen berücksichtigen, um Handlungsfreiheiten und -begrenzungen für die Arbeit der MdB erkennen zu können. Diese gesetzlichen sowie organisatorischen Grundlagen und Strukturen werden als Leitplanken für den Verteidigungsausschuss im hierarchisch geordneten »Top-Down«-Ansatz untersucht. Auf diese Weise können, trichterartig verengend, wesentliche Bedingungen für die Rolle des Verteidigungsausschusses in der Praxis erkannt werden. Andere Verfassungsorgane werden bei konkreter Notwendigkeit eingebracht. Ausgewählte Aspekte verschiedener Wissenschaftsfelder werden für die Untersuchung betrachtet und interpretiert unter dem Blickwinkel der Bedeutung für den Einfluss auf die praktische Rolle des Verteidigungsausschusses in verschiedenen Zeitabschnitten. Ebenfalls werden Hinweise auf Einflüsse, z.B. der Informationsverarbeitung und Öffentlichkeitsarbeit, gegeben, allerdings reduziert auf die direkte Bedeutung für die Fragestellung. Der Fokus liegt dabei auf der Funktion und dem Beitrag in der parlamentarischen Praxis, basierend auf strukturellen Vorgaben in der historischen Entwicklung.

In einem ersten Schritt werden wesentliche Einflussbereiche des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland behandelt und dies stets mit dem Bezug zum Verteidigungsausschuss. So geht die Betrachtung vom Grundgesetz (GG) aus und dann weiter zum Deutschen Bundestag. Wesentliche strukturelle Einflussgrößen des Parlaments7 werden themaorientiert untersucht und schließlich das Ausschusswesen und dessen Entwicklung bewertend dargestellt.

Mit diesem notwendigen Erkenntnisgerüst wird danach die Rolle des Verteidigungsausschusses anhand von Zeitepochen mit einem gemeinsamen und nahen gesamtpolitischen Hintergrund untersucht und die Entwicklung von den 1950er Jahren bis Mitte 2017 interpretiert. Von großer Bedeutung dabei ist der Beginn, die Entstehungsphase des Verteidigungsausschusses, da dort grundlegende Entscheidungen getroffen wurden und sich Praxisgewohnheiten herausgebildet und perpetuiert haben können bzw. als Referenzebene für Änderungen wichtig waren.

Insgesamt ist das politische Dreieck Verteidigungsausschuss – Bundestag – Bundesregierung das vorrangige Handlungs- und Einflussfeld. Es werden ausgewählte Aspekte bezüglich der Rolle des Verteidigungsausschusses exemplarisch untersucht und vertieft. Mittels diverser Quellen werden in unterschiedlichen Zeitphasen verschiedene Bereiche bearbeitet, die sich jeweils als besonders erhellend und exemplarisch erwiesen. Insgesamt werden Anspruch (strukturelle Vorgaben, parlamentarische Rahmen, übertragene und beanspruchte Aufgaben, also Rollenzuweisungen) und Wirklichkeit (Vorbereitung, Durchführung, Ergebnisse der Ausschussarbeit, maßgebliche Einflussfaktoren, Entscheidungshintergründe, übernommene Aufgaben, also Rollenrealitäten) betrachtet. Konstanten und Veränderungen dieser Rolle werden dabei herausgearbeitet und verdeutlicht.

Schließlich werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und auf langfristig bedeutsame Kernkonstanten und -veränderungen reduziert aufgeführt und interpretiert. Die Ergebnisse sollen eine generalisierende und Verständnis fördernde Interpretation der Rolle des Verteidigungsausschusses in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschlands über Jahrzehnte hinweg ermöglichen. Mit diesem Ansatz werden die Leitfragen untersucht. Bedeutende Erkenntnisse für die Interpretation der Rolle des Verteidigungsausschusses werden jeweils unter dem Punkt »Fazit« herausgehoben und in den Kernaussagen am Ende der Arbeit zusammengefasst.

Literatur wird insbesondere für Erläuterungen der politischen Rahmenlage genutzt. Die Auswahl der Ereignisse der gewählten Zeitphasen richtet sich nach deren erkennbaren langfristigeren Bedeutung für die Arbeit des Verteidigungsausschusses. Quellen kommen insbesondere als Zitate zu Wort, wenn sie neben inhaltlichen Aussagen auch für das Verständnis emotionaler Aspekte von Personen und Ausrichtungen von Institutionen »der Zeitphase« verdeutlichen. Persönliche Aussagen von Kommunikationspartnern des Autors ergänzen, vertiefen und relativieren Interpretationsmöglichkeiten. Diese Gespräche, oftmals Hintergrundgespräche »unter zwei« oder »unter drei«, sind besonders aufschlussreich, weil dabei häufig offen gesprochen wurde, auch über Defizite und Misserfolge – und nicht nur solche auf Seiten des politischen Konkurrenten.8 Wiederholt werden in der Arbeit bewusst namentliche Gesprächspools gebildet, einerseits, um Personengruppen aus gewissen Zeiträumen deutlich erkennbar zu machen, andererseits, um, wie von einigen Kommunikationspartnern gewünscht, eine genaue personelle Zuordnung von Aussagen zu vermeiden.

Forschungsstand und Quellenlage

Die Rolle des Verteidigungsausschusses ist im Gesamtfeld der Arbeit des Deutschen Bundestages zu untersuchen. Ergebnisse und Auswirkungen inhaltlicher Praxis der Arbeit des Ausschusses stehen im Mittelpunkt, nicht kleinteilige formale Arbeitsorganisationen und Abläufe. Folglich sind Drucksachen und Protokolle von Plenardebatten des Deutschen Bundestages9 als Ausfluss auch der Ausschusstätigkeit grundlegend und zentral für das Verständnis. Nachlässe von Vorsitzenden und Mitgliedern des Verteidigungsausschusses geben Einblicke in Arbeitsweise, zentrale Themen und Details der Ausschusstätigkeit. Diese Quellen sind ein Fundament der Untersuchung. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung unterstützen die Erkenntnis politischer Absichten der Exekutive.10

Insbesondere für die Gesamtbetrachtung der fachspezifischen Arbeit eines Gremiums sind übergreifende politische Zielsetzungen zu berücksichtigen. Für die Untersuchung historischer Fakten des Bundesparlamentes sind die aufeinander aufbauenden, zusammenfassenden, wissenschaftlichen Arbeiten der Verwaltung des Deutschen Bundestages sehr bedeutend.11 Für die »Leitplanken« haben sich flankierend u.a. die Arbeiten von Klemens Schrenk / Markus Söldner, Wolfgang Ismayr, Heinz Rausch, Wolfgang Zeh und Hermann Borgs-Maciejewski / Alfred Drescher sowie Elisabeth Noelle / Erich Peter Neumann als sehr hilfreich erwiesen.12

Der Ende des 20. Jahrhunderts intensiver beginnende und insbesondere im 21. Jahrhundert zunehmend umfassend interpretierte Ansatz dieser Politikfelder macht den Umfang der Quellen und Veröffentlichungen sich gegen unendlich erweiternd. Selbst bei Ausschluss der für die erfolgreiche Bearbeitung des Gesamtbereiches wichtigen sozialen, soziologischen, ökologischen, demografischen und entwicklungskooperativen Beiträge, um nur einige Bausteine zu erwähnen, ist der Gesamtkomplex insgesamt noch zu umfangreich, um umfassend aufgeführt werden zu können.

Einen grundlegenden ersten einleitenden Zugang, mit der übergreifenden Annäherungsmöglichkeit an dieses weite politische Feld, kann das »Handbuch zur deutschen Außenpolitik«13 geben. Dort wird schlaglichtartig mittels verschiedener Beiträge das breite Spektrum der Außenpolitik, insbesondere mit deutschem Bezug und Blickwinkel, aufgezeigt, von Konzepten und Rahmenbedingungen bis hin zu Institutionen und Akteuren. Deutlich wird Sicherheitspolitik als ein wichtiger Baustein der Außenpolitik genannt, aber eben nur als einer von vielen. Auch die Verflechtung deutscher Sicherheitspolitik mit der Europäischen Union (EU) wird umfassend bearbeitet.14 Der Abschnitt »Ausprägungen moderner Außenpolitik« weist einleitend auf die enge Beziehung von Krieg und Diplomatie hin.15 Im Weiteren wird die Dominanz des politischen Werkzeugs Diplomatie gegenüber Militär hergeleitet. Diese Darstellung wurde auch in der Kommunikation mit MdB als Realität übereinstimmend bestätigt.16 Aus der Fülle von Publikationen zur Geschichte der Bundesrepublik ist exemplarisch Eckart Conze zu nennen, dessen Buch »Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart« eine auch sicherheitspolitische Gesamtdarstellung anbietet.17 Bei den Arbeiten im Umfeld des Verteidigungsausschusses sind insbesondere folgende Veröffentlichungen zu Teilbereichen des Untersuchungsgegenstandes von Bedeutung: Heribert Schatz hat 1970 den parlamentarischen Entscheidungsprozess in der verteidigungspolitischen Willensbildung im Deutschen Bundestag der 1960er Jahre beschrieben.18 Friedrich Schäfer, promovierter Jurist und 21 Jahre Bundestagsabgeordneter der SPD, hat 1982 eine Darstellung der Aufgaben und Arbeitsweise des Bundestages aus der Binnensicht als Abgeordneter veröffentlicht.19 Die Fraktionen im Deutschen Bundestag hat Suzanne Schüttemeyer für die Zeitspanne 1949–1997 untersucht und deren Bedeutung für die Arbeit des Parlaments, aber auch der Parteien, herausgearbeitet.20

Einzelne Aspekte im direkten Arbeitsbereich des Verteidigungsausschusses (z.B. das Parlamentsbeteiligungsgesetz21, der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss22) sind politisch, politikwissenschaftlich und juristisch intensiv und vielschichtig unter speziellen Blickwinkeln als Einzelbausteine bearbeitet und diskutiert worden. In einer juristischen Arbeit wurde der Verteidigungsausschuss als Kontrollorgan von Hans-Joachim Berg23 1982 untersucht. Historische und insbesondere verfassungsrechtliche Grundlagen standen dabei im Mittelpunkt in der Zeitspanne vor 1980.

Das Segment »Parlamentsbeteiligungsgesetz« und dessen verfahrensrechtliche Ausgestaltung ist mit Blick auf die Ebene des gesamten Deutschen Bundestages von Andreas Gilch24 2005 bearbeitet worden. Stefan Jungbauer schrieb 2012 zur Rolle des gesamten Deutschen Bundestages, fokussiert auf das spezielle Segment Auslandseinsätze der Bundeswehr.25 Alexander Mätzig hat in seiner Veröffentlichung 2004 Entscheidungsprozesse im Verteidigungsausschuss, mit Schwerpunkt der Wahlperiode 1994–1998, untersucht.26 Christoph Muhler hat mit Stand 2016 zur Bundeswehr und deren Transformation im Politikfeld Außenpolitik gearbeitet.27 Volker Pilz hat 2008 (mit Stand 2005) zum Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des gesamten Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik veröffentlicht.28 Diese Arbeiten bieten in ihren Teilaspekten viele Anknüpfungspunkte. Um diese herum haben sich zahlreiche Schriften als hilfreich erwiesen, teilweise auch nur in Einzelfacetten.29

Als Quellen werden das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)30, Bundesgesetze, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Dokumente der gemeinsamen Verfassungskommission und Grundlagendokumente des Deutschen Bundestages (z.B. Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, GOBT31) genutzt. Hinzu kommen Schriftstücke verschiedener Ausschüsse und Gremien ebenso wie offizielle ministerielle Grundsatzpapiere. Insbesondere Protokolle und Tagesordnungen von Sitzungen und Parlamentsdebatten des Deutschen Bundestages sowie Kabinettssitzungen und Drucksachen von Ausschüssen seit 1949 geben einerseits wichtige Sachinformationen zu Aufgabenstellungen an den Verteidigungsausschuss und zeigen vor allem Ergebnisse seiner Arbeit. Andererseits sind sie für das »Sich-Hinein-Denken« in die spezielle Lage in dem jeweiligen Zeitabschnitt hilfreich. Sie geben wichtige Einblicke in Zeitströmungen politischen Denkens sowie in die emotionale Befasstheit sowie Befindlichkeiten von Abgeordneten und Bevölkerung.

Das Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP), Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., St. Augustin, stellt zu mehreren herausragenden Personen des Verteidigungsausschusses und des BMVg umfangreiche Materialien zur Verfügung, insbesondere auch Nachlässe. Seit 2008 ist das Archiv des Deutschen Bundestags für »Externe« grundsätzlich zugänglich.32 Protokolle der generell nicht öffentlichen Sitzungen des Verteidigungsausschusses sind derzeit umfassend aus den 1950er Jahren öffentlich einsehbar und zitierbar.33 Weitere Protokolle werden gemäß der »Unter zwei«-Regelung verwendet. Sie können zusammen mit Aussagen von Zeitzeugen Konstanten und Entwicklungen aufzeigen.34 Zunehmend wurden jedoch auch in diesem Ausschuss gemäß der Vorgaben der GOBT keine detaillierten Gesprächs- oder Wortprotokolle, sondern Stichwort- und Ergebnisprotokolle angefertigt.35 Für die Interpretation der Rolle des Verteidigungsausschusses sind jedoch Tagesordnungen des Ausschusses aufschlussreich, da sie einen guten Einblick in die inhaltliche Ebene der übertragenen Aufgaben und die Besprechungspunkte der Sitzungen geben. Ferner zeigen sie Einflüsse aus dem Parlament und im Gegenzug Auswirkungen auf den Deutschen Bundestag insbesondere durch Berichte und Beschlussempfehlungen auf. Die Beschlussempfehlungen und Berichte des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss stehen insgesamt zur Verfügung. Ein Großteil der Dokumente des Bundestages, phasenweise auch Kabinettsprotokolle sowie Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages werden, teilweise ausschließlich digital, als offizielle Quellen zur Verfügung gestellt.36

Der Verteidigungsausschuss stellt seit Jahren ebenfalls sowohl zu seinem Selbstverständnis als auch als Beleg seiner Arbeit Dokumente und Stellungnahmen als offizielle Verlautbarung vor allem digital zur Verfügung.37

Sitzungsprotokolle des ebenfalls nicht öffentlich tagenden Auswärtigen Ausschusses konnten für einige Zeitabschnitte eingesehen werden und wurden ebenso wie Tagesordnungen dieses Ausschusses genutzt.38 Die Fraktionen der im Bundestag seit den 1980er Jahren vertretenen Parteien haben ihre Geschäftsordnungen/Arbeitsordnungen39 und weitere interne Papiere zur Verfügung gestellt. Veröffentlichungen von MdB zur Arbeit des Verteidigungsausschusses wurden als individuelle Meinungsäußerungen ergänzend herangezogen.

Für grundlegende rechtliche Aspekte wurden zum Grundgesetz insbesondere der umfassende Mitarbeiterkommentar der Richter Dieter Umbach und Thomas Clemens genutzt40, ebenso ein Werk des ehemaligen Richters des Bundesverfassungsgerichts Konrad Hesse41. Weitere Erläuterungen brachte das aus fünf Bänden bestehende Gesamtwerk des Landesverfassungsrichters Klaus Stern »Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland«.42 Besonders zu nennen ist der von Theodor Maunz und Günter Dürig begründete und durch viele Neufassungen ergänzte Grundgesetzkommentar.43 Zum Parlamentsrecht wurden insbesondere die Arbeiten von Norbert Achterberg44, Hans-Peter Schneider und Christian Zeh45 selektiv herangezogen. Die Arbeit von Wolfgang Martens aus dem Jahr 1961 zeigt die rechtliche Auseinandersetzung um die Wehrverfassung. Besonders wertvoll ist diese Arbeit, weil sie, bei aller juristischen »Trockenheit«, aus der zeitgenössischen Perspektive einen Einblick in den emotionalen Hintergrund der damaligen rechtlichen Auseinandersetzung spüren lässt.46

Allerdings liegen die in der politischen Praxis wichtigen Hintergrundgespräche nicht verschriftlicht vor. Sie stellen einen Unschärfeaspekt in der Annäherung an den Sachverhalt dar. Zwar kann man einer Rechtsansicht »Quid non est in actis non est in mundo« folgen. Dennoch sind persönliche Meinungsäußerungen als ergänzende Mosaiksteine bedeutend. Auch aus diesem Grund habe ich mehr als 100 Gespräche, Diskussionen, Befragungen unter anderem mit Politikern geführt, auch mit Mitgliedern des Verteidigungsausschusses verschiedener Wahlperioden. Diplomaten gaben Einblicke aus dem Bereich des Auswärtigen Amtes. Weitere Kommunikationspartner waren Professoren, Wissenschaftler, wissenschaftliche Mitarbeiter von MdB, Vertreter von Stiftungen, Akademien, »Think Tanks« sowie Journalisten und eine leitende Mitarbeiterin eines Rüstungsunternehmens.47 Aussagen von langjährigen Mitgliedern des Parlaments und des Verteidigungsausschusses sind zur Ergänzung offizieller Dokumente zur Abrundung wertvoll. Kommunikationspartner waren auch Regierungsvertreter, von Ministern bis zu Abteilungsleitern (und vergleichbarer Ebene) der Ministerialbürokratie sowie ein mehrjährige Sekretär des Verteidigungsausschusses. Diese Gespräche, Interviews, Diskussionen, Notizen, schriftliche Hinweise und Antworten helfen, den »Grauschleier vor der Realität« der Ausschussarbeit etwas durchsichtiger zu machen und zusätzliche Erkenntnisse und Hinweise zu erlangen. Selbstverständlich sind dies subjektiv gefärbte Aussagen und entsprechend zu behandeln und möglichst durch andere Quellen zu überprüfen. Ferner wurden persönliche Aufzeichnungen über Hintergrundgespräche mit o.g. Personenkreis aus meiner beruflichen Tätigkeit im Zeitraum 1995–2013 verwendet.

3.Rahmenbedingungen für den Verteidigungsausschuss

Vorgaben des Grundgesetzes Westdeutschlands

Das »Grundgesetz« (GG) war seit 1949 in Westdeutschland und seit 1990 in Deutschland das grundlegende staatliche Dokument.48 Im Artikel (Art.) 79 waren hohe Hürden für Änderungen des Grundgesetzes festgelegt.49 Für den Verteidigungsausschuss hatten zunächst insbesondere zwei Änderungsgesetze in der 2. Wahlperiode (WP) (1953–1957) überragende Bedeutung. Sie sind allgemein als Einführung der »Wehrgesetzgebung« und »Wehrverfassung« bekannt. Die vierte Änderung, das Ergänzungsgesetz zum Grundgesetz vom 26.03.195450 (»1. Wehrergänzung«), war eine Konsequenz der in Zusammenhang mit den sogenannten »Pariser Verträgen«51 geplanten militärischen Rüstung der Bundesrepublik. Der Art. 73 Nr. 1 wurde durch eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Verteidigungsangelegenheiten einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung erweitert. Das siebte Ergänzungsgesetz vom 19.03.1956 (»2. Wehrergänzung«) war Folge des Beitritts der Bundesrepublik zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag (NATO) vom 24.05.1955. Es wurde dabei durch Einfügung des Art. 45 a (1) »Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und einen Ausschuß für Verteidigung«52 die formale Verankerung und Legitimation des später als Verteidigungsausschuss bezeichneten Gremiums geschaffen.53Diese Änderungen des Grundgesetzes bildeten die Grundlage für eine parlamentarische Begleitung der Aufstellung und des Aufbaus der Bundeswehr auf der Basis weiterer parlamentarischer Gesetzgebung.54

1968 war der zu diesem Zeitpunkt parlamentarisch etablierte Verteidigungsausschuss inhaltlich betroffen von der in Politik und Öffentlichkeit ebenso rational wie emotional umstrittenen siebzehnten Änderung des Grundgesetzes, die als »Notstandsgesetzgebung« bekannt geworden ist. Darin wurden Regelungen erlassen, die den Ausnahmezustand sowie den Verteidigungs-, Spannungs- und Katastrophenfall ordneten.55 28 Artikel des GG waren direkt betroffen.56 Konkrete Änderungen für den Verteidigungsausschuss wurden dabei nicht angeregt oder gefordert.57 Mit dieser Änderung wurde auch erstmals der Begriff »Fraktion« in die westdeutsche Verfassung aufgenommen.58 1969 wurde vom Bundestag das Instrument »Enquete-Kommission« geschaffen, um Entscheidungen über politisch und sachlich komplexe Themen in Kooperation mit nicht dem Parlament angehörigen Experten vorzubereiten. 1971 (6. WP) bis 1976 (7. WP) befasste sich eine Enquete-Kommission mit Verfassungsreformen. Im Schlussbericht nahmen Empfehlungen zu parlamentarischen Kontrollrechten einen breiten Raum ein.59 So wurden viele Vorschläge zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen erarbeitet, eine auch für den Verteidigungsausschuss wichtige Thematik.60 Erst 2001 (14. WP) wurden mit dem »Parlamentarischen Untersuchungsausschussgesetz« (PUAG) detaillierte Regelungen getroffen.61

Insgesamt stellte das GG nach der Einsetzung des Verteidigungsausschusses durch das siebte Änderungsgesetz 1956 in 28 folgenden Änderungen bis zur Wiedervereinigung 1990 keinerlei Forderungen an diesen Ausschuss. Vor dem Einigungsvertrag 1990 hat das GG fast sieben Jahre keine Änderung mehr erfahren62. Dies bedeutet nicht, dass es nun vollkommen war. Es hat sich aber insgesamt für geeignet erwiesen als dauerhafte staatliche Grundlage, als »Verfassung«, des ab 1990 souveränen und wiedervereinten deutschen Volkes.63 Der sogenannte »Einigungsvertrag« 199064 gilt als 36. Änderungsgesetz des Grundgesetzes.

Das Grundgesetz Deutschlands

Nicht nur ein Kern, sondern die umfassende Substanz des Grundgesetzes ist ab dem 03.10.1990 in dieser sicherheitspolitischen Phase der Umwälzungen erhalten geblieben.65 Mit der fortgesetzten Gültigkeit des Grundgesetzes gab es daher zunächst auch keinen zwingenden Grund zum Bruch mit den bisherigen grundsätzlichen Anforderungen an das deutsche Parlament und seine Subsysteme. Der Umsetzungsapparat des Parlaments, die eingespielte Bürokratie der größer gewordenen Bundesrepublik, musste und konnte nach bisherigen Regeln weiterarbeiten. Er kann auch als ein wichtiger Halt und Stabilisator für das parlamentarische Handeln in einer insgesamt neuen Gesamtlage angesehen werden.

Die im »Einigungsvertrag« vom 31.08.199066 empfohlene Befassung mit möglichen Änderungen oder Ergänzungen des Grundgesetzes führte am 28.11.1991 (12. WP) zur Einsetzung der »Gemeinsame Verfassungskommission«67 aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates. Unter den Parteien war umstritten, ob das Grundgesetz lediglich revidiert werden oder ob eine neue gesamtdeutsche Verfassung erarbeitet werden sollde. Die Kommission legte nach rund zwei Jahren im November 1993 auf 167 Seiten einen Abschlussbericht68 vor. In diesem wurden teilweise sehr detaillierte Vorschläge präsentiert und diskutiert.69 Eckwerte für ein Untersuchungsausschussgesetz wurden ebenfalls erarbeitet. Im Kapitel 8 des Abschlussberichts »Bundeswehreinsätze, Rüstung, Wehrdienst, Kriegsdienstverweigerung« erklärte die Kommission: »Die Gemeinsame Verfassungskommission spricht zu diesem Beratungsgegenstand keine Empfehlungen aus«.70 Sie begründete dies in diesem Dokument direkt anschließend mit der fehlenden notwendigen Zweidrittelmehrheit für auch nur einen einzigen Vorschlag zur Aufnahme in den Kommissionsbericht. Grundlegende politische Differenzen bezüglich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von militärischen Beteiligungen des nun souveränen Deutschlands jenseits der NATO- und WEU-Verteidigungsverpflichtungen durch das Grundgesetz wurden als Begründung angegeben.71 Grundlagen der Sicherheitspolitik waren entlang der jeweiligen Parteilinie strittig, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Sacharbeit des Verteidigungsausschusses.

Das Bundesverfassungsgericht klärte 1994 die grundlegende »Einsatzfrage« allgemein mit der Entscheidung zu einem speziellen Fall. Einsätze bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland waren demnach verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Zugleich verlangte das Gericht: »Das Grundgesetz verpflichtet die Bundesregierung, für einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte die – grundsätzlich vorherige – konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen«.72

Gestärkt wurde somit die Stellung der Legislative gegenüber der Exekutive, der die Streitkräfte zugeordnet waren. Damit wurde der Bundestag insgesamt (und indirekt der Verteidigungsausschuss im Besonderen) durch das Grundgesetz in die Pflicht genommen. Die Festlegung durch das Gericht wurde als Beweis für die politische Forderung nach größerem Einfluss des Deutschen Bundestags auf die Entscheidung über Einsätze der deutschen Streitkräfte gewertet. Dies führte zu der inzwischen allgemein bekannten und verfestigten Bezeichnung der Bundeswehr als »Parlamentsarmee«.

Bemerkenswert ist, dass nach diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch weitere 43 Entscheidungen über bewaffnete Einsätze der Bundeswehr beschlossen wurden, bevor 2005 (rund 11 Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts) das Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland in Kraft trat.73

Der Verteidigungsausschuss erfuhr infolge des Urteils keine neuen formalen Anpassungen seiner Arbeit. Erst zwei Jahre nach dem »Einigungsvertrag«, wurde die nächste Grundgesetzänderung (zur Luftverkehrsverwaltung)74 beschlossen. Nach dem 38. Änderungsgesetz zum Grundgesetz 1992 (»Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft«) folgten bis 2002 dreizehn weitere. Dabei wurde mit dem 48. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes im Jahr 2000 der freiwillige Dienst von Frauen mit der Waffe in der Bundeswehr ermöglicht.75 Diese Änderung hatte ihren Ausgangspunkt weder in der Bundesregierung, noch im Bundestag oder Bundesrat, sondern in der erfolgreichen Klage einer deutschen Frau 1996 beim Europäischen Gerichtshof (EUGH).76 Dessen Urteil setzte Deutschland um. Diese Grundgesetzänderung basierte folglich nicht auf innerdeutschen politischen bzw. sicherheitspolitischen Überlegungen oder Initiativen eines Ausschusses.

Nach 1990 standen die Bundesregierungen und Parlamente auf Bundes- und Landesebene innen- wie außenpolitisch vor massiven Veränderungen. Innenpolitisch waren ihre Bemühungen auf den Aufbau Gesamtdeutschlands mit dem Schwerpunkt »neue Bundesländer« und »Umsetzung der Einheit« ausgerichtet. Außenpolitisch war die Bedrohung aus dem Osten real reduziert und gefühlt verschwunden, auch für viele MdB des Deutschen Bundestages.77

Die »Balkankriege« der 1990er Jahre brachten dieses Gedankengebäude ebenfalls nicht zum Einsturz. Die Terrorangriffe vom 11.09.2001 in den USA (»9/11«) führten zur erstmaligen Auslösung des »NATO-Artikel-V-Falls«, der kollektiven Verteidigung des Bündnisses. Bundeskanzler Schröder verkündete öffentlich die uneingeschränkte Solidarität Deutschlands mit den USA im Bundestag.78

Diese sicherheitspolitischen Herausforderungen benötigten nach Ansicht der »rot-grünen« Regierung keine grundgesetzlichen Konsequenzen. Andere Dinge erhielten Vorrang: Das 49. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 26. November 200179 befasste sich mit der Regelung der Unterstellung der Leiter von Mittelbehörden, das 50. Gesetz80 führte den Tierschutz als Staatsziel ein. In der anschließenden zweiten Schröder/Fischer-Koalitionsregierung (2002–2005, 15. WP) gab es keine Grundgesetzänderung. Das 53. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 08.12.2008 (16. WP, 2005–2009, CDU/CSU-SPD-Regierung) regelte die verfassungsrechtliche Umsetzung der direkten Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente gegenüber Organen der EU aus dem Lissabon-Vertrag.81 Für die Arbeit des Verteidigungsausschusses änderte sich dadurch nach Aussagen langjähriger Mitglieder inhaltlich nichts.82

Keine der 55 weiteren Änderungen des Grundgesetzes bis Mitte 2017 hatte unmittelbare verschriftlichte Konsequenzen für den Verteidigungsausschuss. Ferner zielte keiner der mehr als 200 im Deutschen Bundestag eingebrachten Entwürfe zur Änderung des Grundgesetzes, die nicht in Kraft getreten sind, auf den Verteidigungsausschuss.83

Fazit

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland war das von den Westalliierten 1949 gebilligte »verfassungsrechtliche« Organisationsstatut des neu zu bildenden westdeutschen Staates. Deutsches Militär war zunächst undenkbar. Ein parlamentarisches Konstrukt, das sich mit deutschen Streitkräften befassen sollte, war somit unnötig. Die Festlegung der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Verteidigungsangelegenheiten einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung (Grundgesetz, Art. 73) verhinderte militärische Bundesländerkontingente und war grundlegend für die spätere Entwicklung der Bundeswehr und des Verteidigungsausschusses.

Mit der politischen Weltlage (z.B. Vertiefung des Kalten Krieges, Korea-Krieg 1950–1953) änderte sich die politische Grundlinie bzgl. militärischer Abstinenz Westdeutschlands bei den Westalliierten. Das westdeutsche Parlament traf in seiner 2. WP (1953–1957) auf der Grundlage westalliierter Anregungen und Billigung die Entscheidung zur Bewaffnung Westdeutschlands und zu einer Wehrverfassung. In der offiziellen Website des Deutschen Bundestages 2019 wurde diese Wahlperiode bezeichnenderweise überschrieben mit »Zurück auf die Weltbühne«84. Der Deutsche Bundestag sah die Notwendigkeit, seinen Einfluss auf das Ergebnis dieses bedeutenden und heftig umstrittenen Regierungsentschlusses zu stärken. Der »Ausschuß für Verteidigung« wurde daher im Grundgesetz verankert. Er wurde als »Pflichtausschuss« eingerichtet und hatte dadurch eine herausgehobene Stellung im Kreis dieser Gremien.85 Es wurden allerdings grundgesetzlich keine konkreten inhaltlichen Forderungen an den Verteidigungsausschuss gestellt.86 Es wurden auch später keine konkreten parlamentarischen Bestrebungen zur Veränderung des festgelegten Status des schließlich in »Verteidigungsausschuss« umbenannten Gremiums unternommen.

Die Klärung der »Einsatzfrage« der Bundeswehr durch das Bundesverfassungsgericht 1994 stärkte einerseits die Handlungsfreiheit der Regierung, andererseits die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages und damit auch des Verteidigungsausschusses.

Insgesamt hat der Verteidigungsausschuss nach Ansicht der frei gewählten Parlamentsgremien des Deutschen Bundestages und der 17 Bundesregierungen in rund 60 Jahren zwischen 1956 und 2017 ohne grundgesetzlichen Änderungsbedarf funktioniert. Dies ist einerseits bemerkenswert, da sich gesamtpolitisch, aber insbesondere auch sicherheits- und verteidigungspolitisch in dieser Zeitspanne große Änderungen ereignet haben. Andererseits wurde mit der umfangsmäßig nur kurzen grundgesetzlichen Fixierung des Gremiums im Grundgesetz den nachgeordneten Ebenen ein großes Gestaltungsfeld eröffnet, ohne die zentrale Vorgabe ändern zu müssen. In der Umsetzungs- und Gestaltungsaufgabe wies das Grundgesetz dem Deutschen Bundestag einen wesentlichen Handlungsteil zu.

Der Deutsche Bundestag

Stellung und Aufgaben

Die höchsten Staats- und Verfassungsorgane auf Bundesebene87 ordneten ihre Aufgaben selbst, unterlagen keiner Aufsicht eines anderen Organs und waren an keine Weisungen gebunden.88 Der (zunächst westdeutsche) Deutsche Bundestag war das einzige Verfassungsorgan auf Bundesebene, das direkt vom Volk gewählt wurde. Es war somit besonders demokratisch legitimiert. Als eines der Hauptmerkmale des häufig sogenannten »parlamentarischen Regierungssystems« war nicht nur, dass das Parlament den Bundeskanzler wählte, sondern ihn auch durch ein Misstrauensvotum stürzen konnte. Ferner hatte es die finale Entscheidungskompetenz über Gesetze und Haushalt.89

Die Aufgaben und Befugnisse des Bundestages waren im Grundgesetz nicht zentral ausgeführt. Sie waren auch daher Gegenstand vielfältiger Fachliteratur.90 In der offiziellen Selbstdarstellung des Deutschen Bundestages wurde festgestellt: »Die wichtigsten Aufgaben des Bundestages sind die Gesetzgebung und die Kontrolle der Regierungsarbeit«.91 Für die Ziele dieser Arbeit kann knapp zusammenfassend gesagt werden, dass die »Gesamtaufgabe demokratischer Gesamtleitung, Willensbildung und Kontrolle, deren Wahrnehmung Sache des Bundestages ist«.92 Die Rolle des Verteidigungsausschusses in der deutschen Sicherheitspolitik war somit im Kern abhängig von Ableitungen und Umsetzungen dieser Aufgabenzuschreibung durch das Parlament.

Legislative und Exekutive in der Praxis

Im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland war seit 1949 die Bundesregierung von der Zustimmung der Mehrheit des Parlamentes abhängig. Das bedeutete, dass das Parlament politisch nicht als einheitliches und geschlossenes Staatsorgan der Regierung gegenüberstand. Im Gegenteil, mehrheitlich stand das Parlament auf Seiten der Regierung. Der Bundestag war mit der Kanzlerwahl in seinen politischen Funktionen geteilt in die regierungstragende Mehrheit und die oppositionelle Minderheit. Die theoretische Trennung und Gegenüberstellung zwischen Legislative (Parlament) und Exekutive (Regierung) wurde somit in der politischen Praxis nicht trennscharf umgesetzt.

Ein zentrales politisches Gestaltungselement der bundesrepublikanischen Demokratie war die Gesetzgebung. Der Deutsche Bundestag war dabei das Entscheidungsorgan der gesamtstaatlichen Ebene, auch wenn andere Staatsorgane häufig beteiligt waren (z.B. Bundesrat93). Zur Vorbereitung der Entscheidungen des Plenums hatte das Parlament rasch den Weg der Arbeitsteilung und fachlichen Spezialisierung beschritten und Ausschüsse damit beauftragt. Deren Arbeit war für eine sach- und fachgerechte Gesetzgebung durch das Gesamtparlament in der Praxis unabdingbar geworden. Die Ausschüsse arbeiteten somit auch unmittelbar für die Regierung, bzw. kamen ihre Arbeitsergebnisse unmittelbar der Regierung zugute.94

Die parlamentarische Kontrolle konnte als präventive und begleitende bezeichnet werden. In der Vorbereitung der Gesetzgebung war sie offensichtlich. Die regierungstragende Mehrheit kontrollierte diese durch Gespräche mit »den eigenen Regierungsleuten« und durch rechtzeitige und nicht-öffentliche Verhinderung von Fehlern. Sie nahm somit Einfluss auf die Regierung und regierte folglich mit. Gleichzeitig versuchte sie Regierungshandeln als erfolgreich nach außen darzustellen. Die Kontrolle durch die Opposition dagegen war grundsätzlich kritischer ausgerichtet. Sie wollte bessere Alternativen aufzeigen und suchte insbesondere die Öffentlichkeit zur Unterstützung. Die Vorgabe des Grundgesetzes, dass der Deutsche Bundestag grundsätzlich öffentlich verhandelte95, unterstützte generell die Chancen zur Information und Gewinnung der Bevölkerung. Dies war ein wichtiger Baustein im System der parlamentarischen Präsentation und auch Kontrolle geworden, mit zunehmender medialer Vielfalt und Dauerpräsenz noch deutlich vermehrt.

Der unterschiedliche Ansatz zwischen Regierungsmehrheit und Oppositionsminderheit war politische Parlamentsrealität und eine gelebte Variante der formalen Gewaltenteilungstheorie zwischen Parlament und Regierung auf Bundesebene.96 Hinzu kam, dass die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland nach der Anfangsphase in den 1950er Jahren fast durchgehend von einer Koalition aus mindestens zwei Parteien getragen wurden.97 Dies erforderte umfangreiche Abstimmungstätigkeit. Die internen und externen Kommunikationsprozesse förderten einerseits die parlamentarische und öffentliche Kontrolle, begünstigten andererseits die Verlagerung von Diskussionen, Entscheidungs- und Kompromissfindungen in informelle Gremien und Runden.98 Diese Realität wurde auch in die Ausschüsse übertragen.

Die Koordinierungsanforderungen in Regierung und Opposition verstärkten sich mit dem Einzug von »Die GRÜNEN« 1983 (10. WP) sowie der »PDS/LL« 1990 (12. WP) in den Deutschen Bundestag. Nach Aussagen von MdB sei dabei jeweils auch ein gewisser Bruch im gewachsenen »parlamentarischen Vertrauen« der Abgeordneten untereinander sowie Risse im gemeinsamen demokratisches Fundament der Parlamentarier zu spüren gewesen. Dies habe sich in größerer persönlicher Distanz und Betonung von formalen Abläufen gezeigt.99

Medienentwicklung und Parlament

Für die Zielsetzung dieser Arbeit ist ein kurzer Blick auf den potenziellen Einfluss der Medien auf die Rolle des Verteidigungsausschusses ausreichend. Details werden in den einzelnen Zeitabschnitten angesprochen. Die Bedeutung der Medien und deren Entwicklung für den Politikbetrieb ist Allgemeinwissen und die diesbezügliche Literatur grenzenlos. Die Wertigkeit für Parteien wird auch an den intensiven juristischen Auseinandersetzungen im Hinblick auf Verfassungskompetenzen der Regierung, Grundrechte der Presse sowie der einzelnen Bürger bzgl. offizieller Öffentlichkeitsarbeit deutlich.100 Politische Akteure mussten permanent und immer wieder um die Aufmerksamkeit und Gunst der Öffentlichkeit, der Wähler werben. Schneller eine Information, eine Meinung an die Zielgruppe zu bringen als die Konkurrenten war permanente Bestrebung aller Parteien.101

Die mediale Evolution, ja Revolution, im Alltag in Deutschland, gewann seit den 1990er Jahren exponentiell an Schwung. Sie forderte nach der deutschen Wiedervereinigung die politischen Akteure in dem strukturell fast unverändert aus der Westbundesrepublik übernommenen Politikbetrieb der Bundesebene stark heraus. Insbesondere die zunehmende Verfügbarkeit und Nutzung des Internets und seiner ständig wachsenden und sich verändernden Subsysteme durch den Großteil der Bevölkerung brach die Informations- und Interpretationsdominanz offizieller Stellen und weniger öffentlicher Medien.102

Vor allem die sogenannten »social media« erhöhten die Verfügbarkeit digitaler politischer Informationen und ermöglichten die aktive Beteiligung jedes Einzelnen der Bevölkerung, aber auch deren Beeinflussungsmöglichkeiten enorm. Die »social media« entwickelten sich sowohl zu einer gewissen Kampagnenorganisation (z.B. Umweltaktivitäten) als auch einer Art Kontroll- und Aufklärungsinstitution bis in persönliche Belange von Politikern (z.B. Plagiatsuntersuchungen). Insgesamt kann mit der technologischen Weiterentwicklung des Internets von der Aufwertung des Publikums, der Bevölkerung, im Vergleich zu herkömmlichen Medien gesprochen werden.103

Die Kommerzialisierung der Massenmedien und die schneller werdende Verfügbarkeit von Informationen veranlassten auch Parteien zu einem an Marketingbedingungen orientierten Verhalten. Dabei ging es dann wieder sowohl um Informationsüberlegenheit als auch um Meinungsdominanz. Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung war für die Regierung und die sie tragende parlamentarische Mehrheit, insbesondere aber auch für die Opposition, herausfordernder geworden. Dies kreierte einerseits eigene neue und vermehrte Aktivitäten der Parteien in der Informationsübermittlung und der Vermittlung der politischen Intentionen, bot aber andererseits auch neue Möglichkeiten für Minderheiten und Einzelpersonen, auf sich und die eigenen Meinungen aufmerksam zu machen. Dabei wurden viele Elemente des Unterhaltungsbetriebs angenommen und schufen die Grundlage für die Bezeichnung »Politainment«.104 Dies hatte Einfluss auf die Rolle der Ausschüsse in der Praxis. Zum einen konnte die permanente Weiterentwicklung der Medien die Aufgaben eines Ausschusses unterstützen, z.B. in der Fachinformationsgewinnung, zum anderen die Nutzung des Gremiums für parteipolitische Zielsetzungen fördern.

Der Verteidigungsausschuss hatte als »geschlossener Ausschuss« mit Vertraulichkeitsnotwendigkeit einerseits den Vorteil, nicht unmittelbar in der detaillierten und raschen Reaktionsverpflichtung gegenüber den Medien bzgl. seiner Sitzungen zu stehen. Das konnte, bei aller interner parlamentarischen Vorsicht, eine etwas offenere Gesprächssituation in den Sitzungen ermöglichen, ohne sofort befürchten zu müssen, in Medien zitiert zu werden. Andererseits waren die Restriktionen für den Öffentlichkeitsdrang der MdB und das »Echtzeitinteresse« der Medien hinderlich.

Mit offiziellen Verlautbarungen und Informationen versuchte auch der Verteidigungsausschuss die Öffentlichkeit über das Internet zu erreichen,105 hatte jedoch dabei häufig ein deutliches Aktualitätsdefizit in der auf Unverzüglichkeit, »breaking news«, Detailtiefe und schnelles Statement ausgerichteten modernen Medienlandschaft.

Das Dreieck Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

Neben internen Gegebenheiten sowie der unmittelbaren und speziellen Beziehung zur Bundesregierung hatte der Deutsche Bundestag insbesondere in der Aufgabe »Gesetzgebung« eine grundgesetzlich vorgegebene Sonderbeziehung zu den anderen Verfassungsorganen Bundesregierung und Bundesrat106. Dies kann als Abhängigkeit, zumindest aber als stets zu berücksichtigende Größe bezeichnet werden. Die Parteien, welche nach einer Bundestagswahl die Regierung bildeten, dominierten zugleich den Bundestag. Zu den beschriebenen notwendigen Abstimmungsprozessen auf der Koalitionsebene kamen in der bundesdeutschen föderativen Struktur notwendigerweise häufig intensive Gespräche mit den Bundesländern hinzu.

Der Bundesrat, dessen Zustimmung zu vielen Gesetzen notwendig war, vertrat die Zielsetzung der Länderregierungen, nicht zuerst der Länderparlamente. Diese Länderregierungen hatten den jeweiligen Unterstützungsapparat der Regierungsbürokratie zur Vertretung ihrer Interessen verfügbar. Die Oppositionsparteien im Bundestag konnten insbesondere durch Landesregierungen, über politische Tauschgeschäfte sowie durch intensive Öffentlichkeitsarbeit Einfluss auf die Gesetzgebung gewinnen.107 Diese Diskussionen begannen oft auch weit im Vorfeld von konkreten Gesetzesentwürfen und zogen sich hin bis zur Abstimmung des Bundestages über eine finale Version – und der vorher zu organisierenden häufig notwendigen folgenden Zustimmung des Bundesrates. Hier galt in der Regel das, was der frühere Bundesverteidigungsminister und Fraktionsvorsitzende der SPD, Dr. Peter Struck, einmal als »Erstes Strucksches Gesetz« bezeichnete: »Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist.«108 Diese Gesamtsituation wirkte sich insgesamt auf die Ausschussarbeit der Parlamentarier aus.109

In dem insbesondere gesetzgeberischen Beziehungsgeflecht, in dem Spannungsverhältnis von unterschiedlichen Blickwinkeln und Schwerpunktsetzungen dieser drei Verfassungsorgane, hatten sowohl die Vertreter der Bundesregierung, als auch des Bundesrates, eine fachliche Kompetenzdominanz gegenüber dem Deutschen Bundestag. Diesem standen die umfassenden Ministerialbürokratien der verschiedenen Ebenen, die Instrumente des sachbezogenen Expertenapparates, die eingesetzten Beiräte110, die Kommissionen111 und die Forschungseinrichtungen der Ressorts112 zur Unterstützung in geringerem Umfang bzw. nicht zur Verfügung. Dies galt insbesondere für die parlamentarische Opposition, die nicht über die gleichen informellen Zugänge in diese Expertengremien wie die Regierungsparteien verfügte. So hatten die Ausschussmitglieder der Regierungsfraktionen einen Informationsvorsprung gegenüber Ausschussmitgliedern der Oppositionsseite.113 Daher strebte das Bundesparlament schon frühzeitig den Aufbau einer gewissen fachlichen (Gegen-) Kompetenz an.

Die Wissenschaftlichen Dienste

Anfang der 1950er Jahre begann der Aufbau einer Bundestagsbücherei zur Unterstützung der Arbeit der Bundestagsabgeordneten. 1964 wurde ein fachspezifischer Dokumentationsdienst neben Bibliothek, Archiv und Gesetzesdokumentation eingerichtet. 1970 entstand schließlich die Hauptabteilung »Wissenschaftlicher Dienst« mit mehreren Fachbereichen innerhalb der Bundestagsverwaltung und wurde im Lauf der Jahre wiederholt umgegliedert und ausgebaut.114 Ziel des Dienstes war, als Einrichtung des Wissensmanagements ausschließlich den Abgeordneten und Gremien, somit auch den Ausschüssen, zur Verfügung zu stehen. Es sollte damit insgesamt die Diskussions- und Entscheidungsfähigkeit des einzelnen Abgeordneten und der parlamentarischen Gremien gestärkt und die Abhängigkeit von Informationen aus der Ministerialbürokratie reduziert werden.115 Die Arbeiten sollten auf strikt wissenschaftlicher Grundlage tätig sein und keine parteipolitisch orientierten Aussagen machen. Die als »Abteilung W« in der Verwaltung des Deutschen Bundestages bezeichnete Gesamtinstitution hatte 2006 einen Umfang von 272 Mitarbeitern erreicht, davon ein Drittel mit akademischem Werdegang.116

Enquete-Kommissionen

1969 wurde die Enquete-Kommission als mögliches Gremium des Deutschen Bundestages in die GOBT aufgenommen.117 Sie war ein vom Deutschen Bundestag einsetzbares Gremium zur Bearbeitung von übergreifenden und umfangreichen Problemstellungen. Die Mitglieder der Kommission wurden im Einvernehmen der Fraktionen benannt und vom Präsidenten berufen. Das Besondere war die Zusammensetzung der Kommission aus MdB und Sachverständigen als gleichberechtigte Mitglieder. Ihr Bericht sollte dem Parlament so rechtzeitig vorgelegt werden, dass dieses noch in derselben Wahlperiode darüber diskutieren konnte.118

Büro für Technikfolgeabschätzung beim Deutschen Bundestag

1990 wurde das »Büro für Technikfolgeabschätzung beim Deutschen Bundestag« (TAB) als Pilotprojekt und 1993 als ständige Beratungseinrichtung des Deutschen Bundestages eingerichtet. Zielsetzung war die Etablierung einer Beratungsinstitution für den Bundestag in Fragen der Technikbewertung und möglicher Technikfolgen, um insbesondere ebenfalls das Informationsgefälle zwischen Regierung und Parlament zu reduzieren. Das TAB führte selbst keine Forschungen durch, sondern vergab Forschungsanteile an externe Institutionen, bewertete die Ergebnisse und erstellte eigene finale Berichte an das Parlament.119

Außerparlamentarische Politikberatung

In der Bundesrepublik entwickelten sich über die Jahrzehnte zunehmend »Think Tanks«, Agenturen und Institutionen zur wissenschaftlichen Beratung oder wurden gezielt eingerichtet. So wurden beispielsweise 1955 die überparteiliche Einrichtung »Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V.« (DGAP)120 sowie im Bereich der Sicherheitspolitik 1962 die »Stiftung Wissenschaft und Politik« (SWP) auf private Initiative hin gegründet.121 Der SWP trat 1965 die Bundesrepublik auf Beschluss des Bundestages als Gesellschafter bei.122 Die Bandbreite der Beratungseinrichtungen zielte dabei von Sachanalyse, Faktenbereitstellung und Kontrolle bis hin zu Legitimation von Politik.123

Insbesondere im Politikbetrieb einer der Öffentlichkeit verpflichteten Staatsstruktur kam der vermeintlich rationalen Legitimation politischer Entscheidungen mit kollektiver Bindungswirkung besonders große Bedeutung zu.124 Politiker waren bemüht, sich das grundsätzliche Vertrauen der Gesellschaft in die vermeintlich objektive und unparteiliche Wissenschaft zunutze zu machen. Die Spanne der Zielsetzungen reichte somit von dem Streben nach qualitativer Steigerung der Politik in Richtung auch auf Wissensherrschaft (Epistokratie) bis hin zu schlichter Feigenblattfunktion für eigenes politisches Handeln.125

Die Literatur zur Politikberatung und deren Bewertung ist vielfältig und kontrovers. Sie umfasst das gesamte Spektrum von »Verwissenschaftlichung der Politik« bis »Politisierung der Wissenschaft« sowie des »Dienens und Andienens«.126 Dabei spielte »politische Public Relations« als Kommunikation, die auf eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung abzielte, durchaus eine zunehmend bedeutende Rolle und gewann mit der expandierenden gesamtgesellschaftlichen Medienverfügbarkeit an Bedeutung.127

Das besonders Reizvolle an wissenschaftlicher Beratung war die Suggestion einer rein rationalen Grundlage und Unparteilichkeit von Entscheidungen. Die Erkenntnis, dass insbesondere in gesellschaftspolitischen Fragen wissenschaftliche Analysen zu gegensätzlichen Ergebnissen führen können, verminderte das Streben nach »neutralen Sachargumenten« keineswegs.128 Im Zuge der zunehmenden medialen Möglichkeiten des schnellen und interaktiven Einwirkens auf die Bevölkerung und umgekehrt auch auf »die Politik« wurde die »Schlacht der Wissenschaft« unverzichtbarer Teil der politischen Auseinandersetzung und Einflussnahme. Mitarbeiter von MdB äußerten übereinstimmend die Rechercheaufgabe für die Ausschussarbeit auch in der Kommunikation mit Beratungseinrichtungen als eine ihrer wichtigen Aufgaben.129 Die Politikberatung war für Mitglieder der Exekutive durch die wachsende Medienvielfalt und Digitalisierung der Gesellschaft zunehmend interessant und konnte den vielen politischen Beratungseinrichtungen auch finanziell ansprechende Vergütungen einbringen.130 Dabei war die Exekutive dem Parlament gegenüber überlegen. Die Fraktionen, Parteien und ihre parteinahen Stiftungen mit wissenschaftlichen Zielsetzungen konnten daher diese insbesondere finanzielle Dominanz der Exekutive kapazitätsbezogen im Kampf um Machterhalt und Machterwerb nicht brechen: »Die Ausgaben der Bundesregierung für Berater, Gutachten und Expertenkommissionen beliefen sich im Fünfjahreszeitraum von 1999 bis einschließlich 2003 auf 168,8 Mio. Euro.«131 Die Gesamtsumme stieg auf ca. eine Milliarde Euro im Zeitraum 2009–2013 (17. WP).132

Die kontinuierliche Kritik des Bundesrechnungshofes sowie die immer wieder auch in der Öffentlichkeit geführten Diskussionen um kostenträchtige Beraterverträge für Regierungen und Ressorts zeigten das Streben nach Beratungs- und Informationsüberlegenheit der Exekutivvertreter und -organe gegenüber Parlamenten.133 Die unterschiedlichen Einrichtungen stellten sich gerne freiwillig zur Verfügung, auch zur Imageförderung.134

Fazit

Das Grundgesetz hatte den Deutschen Bundestag in eine zentrale politische Position gestellt. Als einziges Verfassungsorgan vom Volk gewählt, war er entscheidend an der Regierungsbildung beteiligt und konnte die Regierung stürzen. Dies hatte eine gegenseitige Abhängigkeit von Regierung und parlamentarischer Mehrheit zur Folge. Die föderale Struktur verdichtete die verschränkte parlamentarische Regierungsweise und die Kontrollfunktion des Bundesparlaments gegenüber der Bundesregierung.135 Positiv ausgedrückt kann man auch von einer »Symbiose« sprechen. Dies galt insbesondere für die Regierungsparteien, die sowohl die Regierung umfassend und das Parlament mehrheitlich dominierten. Die beiden Organe Parlament und Regierung standen sich nicht scharf getrennt im Sinne der reinen Lehre der Gewaltenteilung gegenüber, sondern waren eng verflochten und die Regierung war von den sie tragenden Parlamentsparteien, den Fraktionen, abhängig. Die Regierung war jedoch kein Auftragnehmer des Parlaments, sondern hatte eine starke Lenkungskapazität gegenüber dem Deutschen Bundestag über ihre parlamentarische Mehrheit.136 Diese Beziehung der beiden Staatsorgane hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Stellung und Rolle der dem Parlament nachgeordneten oder diesem zuarbeitenden Gremien. Ein wichtiger Baustein in der Zusammenarbeit bzw. Auseinandersetzung zwischen Regierung und Parlament war die generelle Wissens- und Informationsdominanz auf Seiten der Regierung.137 Insbesondere die enorm gewachsene allgemeine Verfügbarkeit medialer Angebote eröffnete eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit und stärkte damit auch die Kontrollaufgabe des Parlaments und seiner Gremien. Andererseits erhöhte sie den Reiz und die Chance zur parteipolitischen Nutzung der Gremien des Parlaments.138 Das Grundgesetz beauftragte den Bundestag mit der Umsetzung seiner Auflagen in die Praxis kurz und knapp: »Er gibt sich eine Geschäftsordnung.« (GG Art. 40 Abs. 1)

Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Stellung und Anspruch

Mit dieser Vorgabe durch das Grundgesetz kam der »Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages«139 (GOBT) große Bedeutung zu. Sie wurde mit der Festlegung in unserer Verfassung einerseits zwingend notwendig und bedurfte andererseits keiner weiteren gesetzlichen Grundlage. Die kurze Aussage des Grundgesetzes bedeutete auch, dass das Parlament weitgehend frei in der Ausgestaltung seiner Geschäftsordnung war.

Die GOBT war die Arbeits- und Verfahrensordnung für die Durchführung der Arbeit des Deutschen Bundestages.140 Sie war jedoch nur intern für das Parlament von Bedeutung und hatte keine Außen- und Bindungswirkung, weder für Bürger noch Verfassungsorgane (z.B. Mitglieder der Bundesregierung).141 Die GOBT war für eine Wahlperiode gültig. Eine generelle Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages bedurfte der einfachen Mehrheit des Parlaments.142

Zur Regelung der Struktur und Arbeitsweise des Parlaments galt seit einem Bundestagsbeschluss von 1949 zunächst die angepasste Geschäftsordnung des ehemaligen Reichstages. Der Deutsche Bundestag gab sich mit Wirkung vom 01.01.1952 eine erste Geschäftsordnung.143

Besondere Änderungen der Geschäftsordnung

Für den Verteidigungsausschuss sind folgende Änderungen der GOBT von besonderer Bedeutung: Im Januar 1965 wurde »Der Wehrbeauftragte des Bundestages« einschließlich dessen Wahl und Behandlung seiner Berichte eingefügt.144 Mit Änderung vom 18.06.1969 wurde unter »Aufgaben der Ausschüsse«145 klargestellt, dass diese nur zu ihnen überwiesenen Gegenständen dem Bundestag Beschlüsse empfehlen konnten. Festgelegt wurde aber ebenso, dass Ausschüsse sich mit allen Gegenständen ihres Geschäftsbereiches befassen konnten. Das Gesamtparlament »schützte« sich somit vor einer Fülle von Beschlussempfehlungen zu jeglichen Themen aus allen Ausschüssen. Gleichzeitig erweiterte das Gesamtparlament die Befassungsmöglichkeit der Ausschüsse intern mit fachnahen Themen. Das stärkte die initiative Kontrollmöglichkeit durch die Ausschüsse.

Eine umfassend neue Geschäftsordnung setzte der Bundestag zum 01.10.1980 in Kraft.146 Dabei ist die Erweiterung des Kapitels »Ausschüsse« mit der Regelung von Pflichten und Rechten der Ausschussvorsitzenden zu erwähnen sowie die Einführung des Begriffs »Fraktion«.147 Bis zur Wiedervereinigung 1990 wurde diese Geschäftsordnung dreimal umfassend angepasst. In der letzten Änderung (wirksam ab 01.01.1990) vor der Wiedervereinigung wurde gefordert, dass jedes Mitglied des Bundestages grundsätzlich einem Ausschuss angehören sollte. Dies hatte einerseits zur Folge, dass vermehrt »fachfremde« Abgeordnete Mitglieder in den verschiedenen Ausschüssen waren, andererseits wurde dadurch die Vielfältigkeit der Perspektiven auf die Facharbeit erweitert. Zur Unterstützung der Ausschussmitglieder wurde die Teilnahme je eines Fraktionsmitarbeiters bei den Sitzungen zugelassen. Dies konnte zahlenmäßig nicht die in den Sitzungen präsenten Unterstützungskapazitäten auf Seiten der ministeriellen Regierungsvertretung kompensieren.148 Ferner wurde festgelegt, dass den Mitgliedern eines Ausschusses die Tagesordnung in der Regel drei Tage vor der Sitzung zugeleitet werden sollte.149 Dies wirft ein Licht auf die bisherige parlamentarische Praxis. Man tritt den Ausschussvorsitzenden nicht zu nahe, wenn man auch taktisches Verhalten sowie Streben nach Informationsvorsprung und Wissensüberlegenheit bei möglichst kurzfristiger Übermittlung der Tagesordnung annimmt.

In der ersten Wahlperiode nach der Wiedervereinigung Deutschlands (12. WP, 1990–1994) wurde keine Änderung der GOBT beschlossen.150 Das geeinte Volk und seine parlamentarischen Vertreter waren in konträren Staats- und Gesellschaftssystemen sozialisiert worden. Möglicherweise wurde die kontinuierliche Weiterarbeit in gewohnten Bahnen n als ein stabilisierender Faktor in der umfassend neuen politischen Lage Deutschlands angesehen. Bis 2002 gab es danach acht Änderungen der Geschäftsordnung. Mit Bekanntmachung vom 16.12.1994 wurde der »Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union« aufgenommen.151 1997 wurde in einer Änderung festgelegt, dass die Überweisung von Gesetzesentwürfen nach der ersten Lesung im Bundestag generell an nur einen Ausschuss zu erfolgen hatte, auf jeden Fall aber ein federführender Ausschuss festzulegen war, dem gegebenenfalls andere zuarbeiten sollten.152 Zwischen 2002 und 2017 wurden vierzehn Änderungen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages wirksam, die jedoch keinen direkten oder engen Bezug zum Verteidigungsausschuss hatten.

Fazit

Das Grundgesetz forderte eine Geschäftsordnung für den Deutschen Bundestag und ließ in der Umsetzung einen großen Gestaltungsspielraum. Im Mittelpunkt der GOBT stand die Organisation, nicht das Personal. Der gewählte organisatorische Ansatz stellte die Fraktionen als zentrale Organisationselemente für Arbeitsteilung und Spezialisierung in den Mittelpunkt.153 Mit der 1969 eingefügten Erlaubnis zur selbstständigen Befassung mit Fragen aus dem jeweiligen Geschäftsbereich wurde die Handlungsfreiheit der Ausschüsse deutlich vergrößert und die Kontrollfunktion des Parlaments gestärkt. Dem Verteidigungsausschuss wurden auch von der GOBT nie an ihn alleine direkt gerichtete Vorgaben gemacht. Er funktionierte folglich im organisatorischen Gesamtsystem der »Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages«.

Die Fraktionen154

Die strukturelle Stellung

Der Begriff »Fraktion« wurde im Grundgesetz nur an einer Stelle erwähnt. Es wurde dort in keiner Weise deren Stellung im Gesamtsystem des Parlaments erläutert.155 Fraktionen gewannen ihre Stellung durch die Geschäftsordnung, die sich das Parlament selbst gab. Dort war festgelegt, dass sie durch Mitglieder des Bundestages gebildet wurden, die der gleichen Partei angehörten, bzw. einer politischen Richtung.156

Die Fraktionen waren die handlungsfähigen Steuerungselemente, welche die Funktionalität des gesamten Parlaments vorbereitend realisierten. Sie entschieden z.B. wesentlich über die Zusammensetzung des Ältestenrates und die Überweisung von Vorlagen an einen federführenden Ausschuss und die diesem zuarbeitenden.157 Ferner wurde durch dieses Gremium die Aufteilung des Vorsitzes und des stellvertretenden Vorsitzes in den Ausschüssen auf die Fraktionen herbeigeführt.158 Inhaltlich erarbeiteten die Fraktionen Grundlinien zu politischen Themen, bündelten politische Ansätze und organisierten den Entscheidungsprozess des Deutschen Bundestages arbeitsteilig. Sie bestimmten so Entscheidungen, insbesondere auch bzgl. der Gesetzgebung, maßgeblich mit.159

Die politische Arbeit wurde nicht um den einzelnen Abgeordneten des Deutschen Bundestages herum organisiert, sondern die »Fraktion als politische Partei im Parlament« stand im Mittelpunkt.160 Den Fraktionen kam so eine herausgehobene Stellung zu.

Die interne Machtstellung

Die Führung der Fraktionen lag bei den Fraktionsvorständen.161 Alle Fraktionen billigten ihrem Fraktionsvorstand und insbesondere dem Vorsitzenden eine besonders starke Stellung zu. Von der Außendarstellung und den Finanzfragen bis hin zur Besetzung von Ausschüssen und auch der Disziplinierung der Mitglieder des Deutschen Bundestages (MdB) war über die Jahrzehnte hinweg der Fraktionsvorsitzende die Schlüsselperson, die vom Vorstand unterstützt wurde. Besonders deutlich wurde diese Dominanz in der inhaltlichen Ausrichtung aller wichtigen politischen Aktivitäten der Fraktionen auf diese Führungspersonen. Sie entschieden über die Rednerliste und deren Reihenfolge in Bundestagsdebatten, die Inhalte und auch über die in allen Fraktionen ähnlichen Maßnahmen bei drohendem abweichendem Abstimmungsverhalten einzelner Abgeordneter. Bei allen unterschiedlichen Versuchen mittels einer freundlichen verbalen Verpackung wurde die strukturell straffe einheitliche Ausrichtung auf den Fraktionsvorsitzenden in den Geschäftsordnungen/Arbeitsordnungen bei allen Fraktionen deutlich.162

Im Gegenzug bot die Fraktion den Abgeordneten einen sicheren Halt, insbesondere den neuen MdB und allen Parlamentariern die Basis für politischen Aufstieg. Sie stellte so etwas wie eine »umfassende parlamentarische Heimat«163 dar. Die Diskussion um die sogenannte »Fraktionsdisziplin« einerseits und die Aussage des Grundgesetzes im Art. 38 andererseits: »Die Abgeordneten […] sind […] an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen« wird hier nicht geführt. Die Auseinandersetzung im Bundestag konnte nur erfolgreich gestaltet werden, wenn die jeweilige Fraktion große Geschlossenheit zeigte.

In der Koordination der Bundestagsfraktion mit Landtagsfraktionen und Landesregierungen der eigenen Partei bzgl. der Haltung zu Sachkomplexen hatte der Vorsitzende der Bundestagsfraktion ebenfalls eine starke Stellung. Ziel dabei war es auch, durch eine ebenenübergreifende Position größere politische Wucht in den Bundestag tragen zu können.164 Dies macht insgesamt die starken Hierarchisierungsbestrebungen verständlich. Voraussetzung für erfolgreiche Außenvertretung war die fraktionsinterne Koordination der Interessen und Arbeit der Arbeitskreise und Arbeitsgruppen und deren Motivation zu produktiven sowie Erfolg versprechenden Ergebnissen im Sinne der Partei-/Fraktionslinie. In allen Fraktionen setzte daher der Vorstand die Arbeitskreisvorsitzenden ein. Ergebnisse der Sacharbeit dieser Gremien mussten bei allen Fraktionen dem Vorstand vorgelegt und von diesem gebilligt werden.

Die Arbeitskreise und Arbeitsgruppen

Für die fraktionsinternen Beratungen und Bearbeitungen von speziellen Sachthemen auch in der Vorbereitung von Ausschusssitzungen richteten die Fraktionen eigene Arbeitskreise und -gruppen als Hilfsgremien ein.165

Angehörige der Arbeitskreise waren die ordentlichen Mitglieder (und Stellvertreter) der jeweiligen Ausschüsse. Sie bildeten den Kern der spezifischen Sacharbeit. In Abhängigkeit von der Größe der Fraktion wurden Arbeitsgruppen innerhalb der Arbeitskreise gebildet, die Teilaufgaben des Gesamtspektrums bearbeiteten. Der Zuschnitt und die Bezeichnung der Arbeitskreise zeigten einerseits die Zuschreibung der inhaltlichen Nähe von Themen. Andererseits ist an den Änderungen der Bezeichnung der Arbeitskreise und -gruppen die Entwicklung der politischen Einstellungen innerhalb der Fraktionen über die Zeitachse hinweg zu erkennen. Dies gibt auch Einblicke in die Arbeit, die Stellung und Zielsetzung z.B. der Fraktionsdelegierten im Verteidigungsausschuss. Zur Verdeutlichung der für die Sacharbeit im Verteidigungsausschuss wichtigen gesamtpolitischen Strömungen in den Fraktionen wird bezüglich dieser Arbeitskreise deren gewählte Bezeichnungen und Weiterentwicklung aufgezeigt.

Die CDU/CSU-Fraktion beispielsweise entwickelte aus dem schon 1952 eingerichteten parteiinternen »Wehrpolitischer Arbeitskreis«166 den Arbeitskreis »Auswärtige und Verteidigungsfragen« (ab 2. WP, 1953–1957), diesen weiter zu »Auswärtige, gesamtdeutsche und Verteidigungsfragen« (ab 5. WP, 1965–1969), dann weiter zu »Auswärtige, gesamtdeutsche, Verteidigungs- und Entwicklungsfragen« (ab 6. WP) und zu »Außen-, Deutschland-, Verteidigungs-, Europa- und Entwicklungspolitik« (ab 7. WP, 1972–1976). Ab der 9. WP (1980–1983) hat die Fraktion diese Großarbeitskreise zugunsten mehrerer kleiner Arbeitsgruppen (z.B. »Verteidigung«) aufgegeben. Diese Gliederung hielt die CDU/CSU-Fraktion bis zum Ende des Untersuchungszeitraums (2017) bei. Deutlich wird so die Bedeutung der Thematik »Verteidigung« bei der CDU/CSU-Fraktion. Bernd Siebert (CDU), 2005–2009 Vorsitzender der Arbeitsgruppe »Verteidigung«, Obmann167 und verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion betonte die Bedeutung und das Ansehen dieses Arbeitskreises und bestätigte die anerkannte Stellung seiner Mitglieder in seiner Fraktion. Der Begriff Verteidigung sei in seiner Fraktion stets positiv besetzt gewesen.168

Die SPD richtete ab 1955 (2. WP) den Arbeitskreis »Sicherheitsfragen« ein und hat ab 1972 (7. WP) mehrere Arbeitskreise zu »Außen- und Sicherheitspolitik, Innerdeutsche Beziehungen, Europa- und Entwicklungspolitik« zusammengelegt. Ab Dezember 1990 (12. WP) wurden, ähnlich der CDU/CSU-Fraktion, die Großarbeitskreise zugunsten kleinerer und spezifischer ausgerichteter Arbeitsgruppen aufgegeben. Es wurde die Arbeitsgruppe »Sicherheitsfragen (Verteidigung)« gebildet, diese in der 13. WP (1994–1998) in »Verteidigung«, aber schon in der 14. WP in »Sicherheitsfragen« umbenannt. In der 16. WP (2005–2009) wurde die Bezeichnung »Verteidigung, Sicherheitsfragen« gewählt und in der 17. WP in »Sicherheits- und Verteidigungspolitik« geändert. Wahrscheinlich wurde die Notwendigkeit erkannt, sich konkret und speziell mit Verteidigung zu befassen, andererseits sollte wohl die »alte Parteiseele« der SPD in Bezug auf Militär, Streitkräfte nicht zu sehr strapaziert werden. Deutlich wird, wie sich dieses innerparteiliche Dilemma in der Namensgebung nach und nach wandelte bzw. anpasste. An der internen strukturellen Entwicklung der beiden großen Fraktionen mit ihrer personell unterlegten Option der Ausdifferenzierung in mehrere kleine Arbeitseinheiten wird erkennbar: Außen- und Sicherheitspolitik waren inhaltlich anderen Bereichen nahestehend. Dies erhöhte die Steuerungsaufgabe sowie die Einflussmöglichkeit der Fraktionsführung.

In der FDP-Bundestagsfraktion wurde in der 3. WP (1957–1961) der Arbeitskreis »Außenpolitik und Verteidigung« gebildet, zu »Außen-, Deutschland- und Sicherheitspolitik« (6. WP, 1969–1972) und dann ab der 9. WP (1980–1983) zu »Außen-, Deutschland-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik« weiterentwickelt. Ab der 10. WP wurde die Bezeichnung »Außen- und Sicherheitspolitik, Deutschland-, Europa- und Entwicklungspolitik« gewählt und nach der Wiedervereinigung 1990 zu »Außen-, Sicherheits-, Europa- und Entwicklungspolitik« angepasst. Ab der 15. WP (2002–2005) wurde diese in »Internationale Politik« geändert und bis 2013 beibehalten. Die FDP war in der 18. WP (2013–2017) nicht im Bundestag vertreten. Mit dieser internen Gliederung wies die FDP ebenfalls in die bei den beiden großen Fraktionen beschriebene Richtung der Verschränkung mehrerer Themenbereiche, die auf der Regierungsseite von getrennten Ministerien verantwortet wurden. Die Themenkomplexe konnten in der FDP, wie in anderen kleinen Fraktionen auch, oftmals aus zahlenmäßigen personellen Gründen nicht weiter unterteilt werden.

Die »Fraktion Bündnis 90/Die Grünen«169 bildete in der 10. WP (1983–1987) den Arbeitskreis »Abrüstung, Frieden, Internationales«, gaben diesen schon in der nächsten Wahlperiode zugunsten zweier Arbeitskreise »Außenpolitik Ost/West« und »Außenpolitik Nord/Süd« auf. In der 12. WP (1990–1994) wurde der Kreis »Außenpolitik, Menschenrechte, Abrüstung« gebildet und noch in derselben Wahlperiode in »Friedenspolitik, Ost/West, Sicherheits- und Entwicklungspolitik« umbenannt. In der 13. WP wurde der Arbeitskreis »Außenpolitik, Menschenrechte, Abrüstung« etabliert, in der 15. WP (2002–2005) in »Internationale Politik und Menschenrechte« geändert und bis 2013 beibehalten. Ab der 18. WP (2013–2017) wurde dann der Arbeitskreis »Außenpolitik und auswärtige Kulturpolitik, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Entwicklungspolitik, Verteidigung, Europa« geformt.

Bei den Grünen wird die ideologische Härte der parteiinternen Auseinandersetzungen in den häufigen begrifflichen Änderungen deutlich. Der Begriff »Verteidigung« wurde hartnäckig vermieden und erst ab 2013 unter vielen anderen Schlagworten (versteckt) mit aufgeführt. Der lange sicherheitspolitische Weg dieser Partei und ihrer Fraktion wird dabei deutlich. Insbesondere die Regierungsbeteiligung in der 14. und 15. WP hatte Auswirkungen auf die inhaltliche Vertretung im Verteidigungsausschuss. Winfried Nachtwei, ein fraktionsübergreifend anerkannter Experte in der Sicherheitspolitik aus den Reihen dieser Fraktion äußerte sich bezüglich der Verteidigungspolitik in seiner Fraktion: »Es war eine harte Arbeit mit wiederholten fraktionsinternen Auseinandersetzungen zu Militär im Allgemeinen und Bundeswehr im Speziellen.«170