Von der Gorbimanie zur Putinphobie? - Julia Katharina Friedmann - E-Book

Von der Gorbimanie zur Putinphobie? E-Book

Julia Katharina Friedmann

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Beschreibung

„Moskau – fremd und geheimnisvoll, Türme aus rotem Gold, kalt wie das Eis …“ (Dschinghis Khan, Moskau) Die erste Zeile des bekannten Songs der Musikgruppe Dschinghis Khan bringt die deutsche Rezeption Russlands auf den Punkt. Aber nicht nur in Literatur, Musik und Film halten sich die Stereotype über den östlichen Nachbarn, auch in der deutschen Russlandberichterstattung haben sich gewisse Charakteristika manifestiert, die den Russlanddiskurs prägen. Dabei ist das russische Medienimage besonders in Bezug auf die aktuellen politischen Ereignisse nicht gerade positiv: Putin überschattet die mediale Rezeption und festigt das Bild des ‚wilden, barbarischen Ostens‘. Julia Friedmann zeigt in ihrem Buch den Wandel des Russlandimages im deutschen Mediendiskurs von Gorbatschow bis Putin anhand ausgewählter Printmedien auf, wobei sie neben dem russischen Medienimage auch den Einstellungswandel der deutschen Bevölkerung sowie die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge miteinbezieht. Der Fokus liegt auf der Erklärung der Ursachen und Folgen des politischen Medienimages von Russland, ohne dabei der aktuell sehr aufgeheizten Debatte über Parteinahme und propagandistische Meinungsmache nachzugeben. Von der Gorbimanie zur Putinphobie?? beschreibt nicht nur das mediale Bild der russischen bzw. sowjetischen Staatsoberhäupter, sondern befasst sich auch mit den generellen Problemen im deutschen Russlanddiskurs und den Hintergründen des ‚russophilen‘ oder ‚russophoben‘ Medienimages. Ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung des Russland-Diskurses.

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Teil I
1 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft
1.1 Definitionen
1.2 Mediensituation in Deutschland
1.3 Die Macht der Medien: die Vierte Gewalt
2 Zur Konstruktion von Fremdbildern
2.1 Stereotyp
2.2 Vorurteil
2.3 Feindbild
3 Fremdbilder und Medien
3.1 Das Russlandbild der Deutschen im Wandel
3.2 Die Rolle der Medien
Teil II
4 Das Medienbild im Wandel
4.1 Gorbačëv – Der traurige Held der Perestrojka Der Titel entstammt einer gleichnamigen Dokumentation des ZDF aus dem Jahr 2010 Mythos Gorbatschow – Der traurige Held der Perestroika (vgl. Lozo 2010).
4.2 Russenpräsident El′cin
4.3 Putins Personalunion – Vladimir I.
4.4 Medwer?
5 Kontinuität in der Russlandberichterstattung – Russkij Žanr
6 Ambivalente Berichterstattung
6.1 Die russische Realität
Exkurs: Russische Medienanalyse zum Deutschlandbild
6.2 Interpretation und Wertung
6.3 Das Problem mit der Doppelmoral
7 Manipulation der Medien durch Politik?
7.1 Parteinähe der Verlage
Teil III
8 Die (west-)deutsche (Sowjet-/)Russlandpolitik 1985–2012
8.1 1982–1998 (Kohl)
8.2 1998–2005 (Schröder)
8.3 Ab 2005 (Merkel)
9 Das Fremdbild der deutschen Gesellschaft
10 Mediale Interaktion
11 Ursachen und Folgen medialer Politisierung
Schlusswort
Literaturverzeichnis
Anhang
Zeitleiste

Vorwort

Russland isteinLand der Widersprüche. Die meisten Deutschen assoziieren mit Russland den Kommunismus oder autokratische Verhältnisse. Während die allgemeinen Vorstellungen zu Russland und der Sowjetunionanscheinendverschwimmen, scheint besonders die mediale Rezeptiondesletzten Staatsoberhauptsder UdSSRunddesderzeitigen Präsidenten der Russischen Föderation zu divergieren.[1]Das Ereignis derdeutschen Wiedervereinigung und das Ende des Kalten Krieges durch den Zerfall der UdSSR wurden vor allem in Deutschland in direkte Verbindung mit Gorbačëv gebracht, der durch die Schlagwörter der späten 1980er-Jahre– Perestrojka und Glasnost′ –eine neue Ära im Weltgeschehen einleiten sollte. Nachdem zu Beginn der 1990er-Jahre der ‚Eiserne Vorhang‘ gefallen war und die bipolare Teilung der Welt aufgelöst sein sollte, zeigen sich seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts erneut ‚polarisierende‘ Tendenzen im medialen Russlanddiskurs. Gerade in letzter Zeit und besonders in Bezug auf die Ereignisse in der Ukraine werden die publizistischen Stimmenzu Russlanddeutlich negativer. Gleichzeitig wird jedoch auch zunehmend Kritik laut, die den deutschen Medien und der Russlandberichterstattung provokative Meinungsmache und proamerikanische Gefolgschaft vorwirft. So wurde ‚Lügenpresse‘ im letzten JahrzumUnwort des Jahresgekürt, was das wachsende Misstrauen in die öffentlichen Kommunikationsapparate verdeutlicht.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einstellungswandel im Mediendiskurs von Gorbačëv (ab 1985) bis Putin (bis zum Beginnseiner dritten Amtszeit 2012). Dabei liegt der Fokus auf demallgemeinen Medienbild über die ehemalige UdSSR und die Russische Föderation (RF).[2]Ferner sollder Fragenachgegangen werden, inwiefern die Medien durch die Politik manipuliert werden können und inwieweit sich dies auf die deutsche Gesellschaft auswirken kann. Nicht nur kulturell und historisch ist die Geschichte beider Länder miteinander verbunden. Auch in Bezug auf die internationale Politik und die Wirtschaft zeugt das deutsche (mediale) Interesse von der Bedeutung des östlichenLandes. Russland bildet in der deutschen Medienberichterstattung geradezu eine Konstante. Viele dergrößtenAuslandsbüros der deutschen Nachrichten- und Presseagenturen befinden sich in Russland. Dabei scheint die Berichterstattung überwiegend politisch geprägt zu sein, weshalbim Folgendenbesonders auf das politische Medienbild geachtet wird.

Die Grundlagen dieserinterdisziplinärenArbeit bilden Bereiche der Kommunikations- und der Medienwissenschaften.Aus diesem Grund erfolgt zu Beginn eine kurze Einführung in die verschiedenenwissenschaftlichen Forschungsdisziplinen,diefür die Analyse von Relevanz sind. Dabei sind neben der Konstruktion und Entwicklung des deutschen Russlandbilds auch die Theorien der medialen Manipulation von Bedeutung. Im zweiten Teil soll auf die mediale Darstellung von Gorbačëv (1985) bis Medvedev (2012) chronologisch eingegangen werden. Danach folgt eine inhaltliche Medienanalyse in Bezug auf die Unterschiede und Kontinuitäten der deutschen Russlandberichterstattung unter besonderer Berücksichtigung der russischen (sowjetischen) Realität und der (manipulativen) Einflussfaktoren. Im letzten Teil sollen die gegenseitigen Wechselwirkungen von Medien, Politik und Gesellschaft in Hinblick auf die mediale Beeinflussung beschrieben werden. Dazu dienen im Vorfeld kurze Analysen über die deutsche Russlandpolitik und das Russlandbild (bzw. Sowjetunionbild) der deutschen Gesellschaft.

Die folgende Arbeit beschränkt sich primär auf Printmedien. Dazu dienen bereits vorhandene Analysen überregionaler Zeitungen und Magazine. Währendschoneinige Studien zur Genese des allgemeinen Russlandbildes in der deutschen Gesellschaftvorhanden sind, ist der Forschungsstand in Bezug auf die deutsche Medienberichterstattung über Russland und die ehemalige UdSSR weniger umfangreich. SeitMitte der 2000er-Jahre undbesonders mitdemAusbruch der Krimkrise haben sich jedoch mehrere Untersuchungen zu Russland im deutschen Mediendiskurs angeschlossen.

Gavrilovauntersuchte 2005 die Darstellung der Sowjetunion und Russlands zwischen 1985 und 1999 inderBILD,derWELT,derSüddeutschen Zeitung (SZ) undderFrankfurter Rundschau (FR).Danilioukbefasste sich 2006 mit dem Russlandbild auf linguistischer Ebene in STERN und SPIEGEL in den Jahren 1961, 1989 und 2003. Auf die Darstellung 1999 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) undimSPIEGEL beschränkte sichCrudopf. Für die Amtsperiode Putins ist die Analyse vonZykova(2014) entscheidend. Sie untersuchte die Artikel zu Russlandim21. Jahrhundert in mehreren Printmedien, unter besonderer Berücksichtigung von FAZ und SPIEGEL. In einer weiteren Studie 2012 von AhrensundWeisswurden die politischen Editorials von FAZ und SZ zwischen 2001 und 2008 analysiert. Mit diesem Zeitraum befasst sich auch die Untersuchung vonMakulkina2013, die sich jedoch inSPIEGEL, STERN, FOCUS Magazin und WELT auf das metaphorische Bild nach der konzeptuellen Metapherntheorie von Lakoff und Johnson beschränkte.Vjačeslavovnaanalysierte 2012 die verwendeten Metaphern im Zuge der russischen und amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2008 in ZEIT, WELT, SPIEGEL, STERN, Berliner Morgenpost, FAZ, FOCUS, FR, SZ, Berliner Zeitung (BZ), Neues Deutschland (ND) und Freie Presse (FP).Merkur′evaundKostinabezogen sich 2012 in 40 Artikeln verschiedener Zeitungen im deutschsprachigen Raum auf die Darstellungen der einzelnen Präsidenten der RF. Die Studien und Analysen befassen sich zwar nicht alle mit denselben Medientiteln, was jedoch für diese Arbeit nicht entscheidend ist. Auf Unterschiede in den einzelnen Formaten wird an gegebenerStelle eingegangen.

TeilI

1Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft

Die Kommunikationswissenschaft ist eine empirische Sozialwissenschaft, die sich mit den verschiedenen Vorgängen der Kommunikation befasst(Maletzke1998, 17).Die interdisziplinäre Wissenschaft kann in mehrere Teildisziplinen unterteilt werden.[3]Der Status der Medienwissenschaft als eigenständige Disziplin istdahingegennicht ganz geklärt(Schmidt2002, 53).Sie befasst sich im Allgemeinen mit der Darstellungsweise der Medien. Als Teilgebiete geltendieMedientheorie,dieMedienanalyse unddieMediengeschichte.Da der Kerngegenstand beider Disziplinen identisch ist, giltdie Medienwissenschaft auch als „Bezeichnung in der Tradition der Kultur- und Literaturwissenschaften,Kommunikationswissenschaftin der der Sozialwissenschaften“(Dittmar2011, 5).In den Medienwissenschaften stehen häufig die öffentliche Kommunikation und damit die Massenmedien, mit psychologischen undrechtlichen Aspektenim Vordergrund. Die Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich demgegenüber mit der Kommunikation und der (medialen) Wirkung.Diese Arbeit befasst sich zu weiten Teilen mit der Medieninhaltsforschung,in diesem Sinne auch mit den verschiedenen Darstellungsweisen und dem Unterschied von Realität und Bericht, sowie mit derMedienwirkungsforschung.[4]

1.1Definitionen

Massenmedien

Medien (Plural von lat.medium‚Mitte‘) „ist ein Sammelbegriff für alle audiovisuellen Mittel und Verfahren zur Verbreitung von Informationen, Bildern, Nachrichten etc. Zu den Massen-M. zählen insbesondere die Presse (Zeitungen, Zeitschriften), der Rundfunk (Hörfunk, Fernsehen) und das Internet“ (Schubert;Klein2011, 190).Die GrenzederMassenmedienzu anderen Medienliegt im technischen Fortschritt begründet.Ferner ist bei den Massenmedien das Kriterium der Nichtfiktionaliät entscheidend.(Eckoldt2007, 46ff.)Neben ihrer Mittlerfunktion und der Unterhaltungsfunktion sollen sie der Stabilisierung der Gesellschaft dienen, „indem sie die von der Mehrheit vertretenen Werte und Normen, Verhaltensmaßregeln usw. kommunizieren und damit die von der Gesellschaft geteilten Werte in Erinnerung halten“ (Dittmar2011, 126).Massenmedien sinddemnachein Mittel der Kommunikation,umein großes Publikumzuerreichen.

Medienpolitik

„M. bezeichnet politische Aktivitäten und Maßnahmen der Gesetzgeber (Bund, EU), die auf die Beeinflussung und Steuerung sowohl der technischen, ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen als auch des laufenden Betriebs der Massenmedien zielen.“(Schubert; Klein2011, 190)Dabei soll die regionale Vielfalt gewährleistet sein.(ebd.)

Mediensinddie Voraussetzung zur Schaffung von ÖffentlichkeitundzurVermittlung und Wahrnehmung von Wirklichkeit(Sarcinelli2011, 33).DiePolitik hat zwar eine Steuerungsfunktion, um u.a. Meinungsfreiheit zu sichern, bedarf aber auch der Medien,um sich selbst öffentlich darzustellen.Die Medienpolitik beinhaltet also nicht die Politisierungvon öffentlichen Medien, sondernderenGestaltung und Organisation. Um den Einfluss der Politik auf die Medien zu verringern, führten Debatten über das‚Adenauer-Fernsehen‘und den‚Rot-Funk‘in den 1960/70er-Jahrenzu einer „Forderung vor allem der Unionsparteien nach einer Zulassung privater Rundfunkbetreiber“(ebd., 34)undfolglichzurdualen Rundfunklandschaft.[5]Begründet wird dies durch dasRecht der Meinungsfreiheit (Art.5GGAbs. 1–3) (ebd., 37).

Meinungs- und Pressefreiheit

Das Recht der Meinungsfreiheit ist im Grundgesetz verankertund äußert sichu.a. in Form von Pressefreiheit. Die Presse ist Ausdruck und Wahrung der demokratischen Grundrechte und dient als politisches Instrument der Bevölkerung. „In den demokratischen Staaten gilt die P.-Freiheit als wichtiger Bestandteil der Meinungsfreiheit (sog.‚Vierte Gewalt‘) und wird allgemein als Gradmesser für den Entwicklungsstand der Demokratie und der Menschenrechte in einem Land betrachtet.“(Schubert; Klein2011, 237f.) Wenn viele Medien zusammengeführt werden, was auch in Deutschland anzutreffenist,wirddieseFreiheit stark gefährdet(ebd.).Im europäischen Vergleich lag Deutschland 2009auf Platz 18 im Ranking der Pressefreiheit(Thomass2010, 76).

Veröffentlichte Meinung und öffentliche Meinung

Öffentliche Meinung kann als Bezeichnung für „1) die empirisch erhobene Meinung oder Einstellung der Öffentlichkeit (Bevölkerung) und2) die in der Presse und anderen Medien publizierte Sichtweise der Einstellung etc. in der Gesellschaft“ (Schubert; Klein2011, 212[Herv. i. O.])gelten.Die öffentliche Meinung ist aber nicht die reine Summe individueller Meinungen, sondern „beziehtihre Kraft vielmehr aus der Wirkung von Ansichten als herrschende Meinung. Zur herrschenden Meinung werden Ansichten von (meist bedeutenden) Akteuren zu gesellschaftlich relevanten Fragen, wenn diese Ansichtenihren Niederschlag in den Medien und in der öffentlichen Diskussion finden“ (Furchert1997, 25).Vereinfacht ausgedrückt istdie öffentliche Meinungdie vorherrschende Meinungeiner Gesellschaftin Bezug auföffentliche Fragen.

Demgegenüber steht die veröffentlichte Meinung, also jegliche Meinung, die veröffentlicht wird.Die veröffentlichte Meinung ist nur einer geringen Anzahl an Menschen mit Zugang zu den Medien möglich (Merten;Westerbarkey1994, 190).Wenn diese sich in vielen Bereichen mit der öffentlichen Meinung deckt,sokanndies die allgemeine Wahrnehmung zunehmend prägen(Schulz2008,121).Dadurch kann sie die Meinungsbildung der Bevölkerung stark beeinflussen (Röper1994, 535).Wie die veröffentlichte Meinung,die nur einenAusschnittder Realität wiedergibt, ist auch „jede Darstellung öffentlicher Meinung mit Vorsicht zu sehen, da sie immer eine vereinfachende ausschnitthafte Reduktion darstellt, deren quantitative Breite undqualitative Tiefe zu prüfen ist“ (Dittmar2011, 110).

1.2Mediensituationin Deutschland

Die Massenmedien nehmen in der heutigen Gesellschaft einen bedeutenden Stellenwert ein. Im Durchschnitt übernahm das Fernsehen im Jahr 2014mit 240 min./Tagden erstenPlatzbei der Mediennutzung, gefolgt von Hörfunk (192), Internet (111), Zeitung (23), Tonträgern (27), Büchern (22) und Zeitschriften (6). Im Alterssegment der 14-bis29-Jährigen überwog das Internet, gefolgt von Hörfunk und Fernsehen.[6]

Bei den Printmedien ist die BILD-Zeitungalsbundesweite, täglich erscheinende Boulevardzeitung im Vergleichzu anderen überregionalen Tageszeitungendie auflagenstärkste Kaufzeitung. Die BILD ist Teil des Axel-Springer-Verlags, der nicht nurAnteileanPrintmedien, sondern auchanFernsehsendernhält.(Kek2015, 233)Nach der BILD folgt dieSZals zweitstärkste Tageszeitung, führt jedoch die Liste der Abonnement-Zeitungen an.DieFAZist die drittstärkste Tages- und die zweitstärkste Abonnement-Zeitung,gemessen an den verkauften Exemplaren.ZurAxel-Springer-SEgehört u.a.die Abonnement-Zeitung WELT.Die ZEITunter dem Dachverlag Gruner+Jahrist in dieserReihe die einzige Wochenzeitung. Die wöchentlichen Nachrichtenmagazine werden vomSPIEGELdes übergeordneten Verlags Gruner+Jahr angeführt. Ihm folgt derSTERNdes gleichen Verlags. An dritter Stelle steht derFOCUS.[7]Im Fernsehen überwiegen die Marktanteile der privaten Sender leicht gegenüberdenender öffentlich-rechtlichen Sender.[8]

Leitmedien

AlsLeitmedien können sowohl Mediengattungen als auch einzelne Medientitel bezeichnet werden.Im Allgemeinensind Leitmediensolche Medien, die einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung einer Gesellschaft ausübenkönnen und bevorzugt der Informationsbeschaffung dienen. So ist das Fernsehen die Mediengattung mit dem meisten Einfluss.Zu den führenden Medientiteln derPrintmedien zählenSPIEGEL, FAZ,ZEITund SZ. Diese werden nicht nur vonder Gesellschaft, sondern auch von Journalisten und Politikern bevorzugt gelesen. (Wilke1999, 318f.) FAZ und SZ werden–auch aufgrund ihrer gegensätzlichen Ausrichtung–als Vertreter breiter Teile der Gesellschaft angesehen(Ahrens; Weiss2012, 155).

Politische Linie derPrintmedien

Eine definitive politische Linie in denPrintmedien festzumachen istaufgrund derindividuellen Ansichten einzelner Autoren undderTatsache, dass sich auch die redaktionelle Haltung ändern kann, nicht einfach zu belegen.Es kann jedochfestgehaltenwerden,dass derSTERN, derSPIEGEL, die SZ, die FR und dieZEITeher dem links-liberalenSpektrumangehören, derFOCUS, dieFAZ,dieWELTund die BILD eher dem konservativ-rechtenSpektrum, wobei beiLetzterer der durch Sensationalismus bedingte Charakter eines Boulevardmagazins überwiegt.[9]

1.3Die Macht der Medien:dieVierte Gewalt

Den Medien wird immerhäufiger eine gezielteManipulation vorgeworfen.Im Folgenden sollendie Einflüsse der Publizistik dargelegtunddieser These kurz nachgegangen werden.

Kommerzialisierung in den Medien–das Propagandamodell

Das Propagandamodell ist ein von NoamChomskyund EdwardHermaninManufacturing Consent: the Political Economy of the Mass Mediaentwickeltes medientheoretisches Modell zur Verdeutlichung der Beeinträchtigung der (US-amerikanischen) Massenmedien.Im Zentrum ihrer Aussage steht, dass die Medien von diversen Gruppen in der Gesellschaft unterstützt und demnach auch kontrolliert werden.Die Beeinflussung verläuft indirekt über zahlreiche Faktoren wie Personal- und NachrichtenauswahloderauchdurchIndoktrinierungder Leitgedanken.Diese Einflussfaktorengebe es auch bei privaten Mediensowiein Staaten ohne offizielle Zensur, jedochweniger offensichtlich.Kritik an der elitären Führungsschicht könne dennoch in einem gewissen Maßegeäußert werden, was den Anschein einer freien Medienlandschaft erwecke.Eines der größten Problemeseider ständige Konkurrenzkampf und die finanzielle Abhängigkeit der Medien von ihrem Produkt, was die allgemeine Kritik an Gesellschaft und Regierung wie auch den Einstieg neuer Mediengruppen begrenze. Diese unterschiedlichen Besitz- und Machtverhältnisse der Medienunternehmen wirken sich auf die Gestaltung der Medien aus. DasPropagandamodell wurde zwarim Hinblick aufdie US-amerikanische Medienlandschaftentwickelt,diesich in einigen Punkten von der deutschen unterscheidet, jedoch lassen sich die meisten Elementeauf vieleeuropäischeStaaten übertragen.DasModellumfasstinsgesamtfünf Komponenten(Herman;Chomsky2002, 2ff.):

1.thesize, concentrated ownership, owner wealth, and profit orientation of the dominant mass-media firms

In Deutschland wirdseit 1997die Sicherung der Meinungsvielfalt(im privat-rechtlichen Bereich)von derKommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (Kek) übernommen.In Deutschland, ebenso wie in den USA, handelt es sich um einehochkonzentrierteMedienlandschaft, wobei noch weiter zwischen horizontaler (stärkste Ausprägung ist die Monopolstellung) und vertikaler Konzentration (Integration verschiedener Wertschöpfungsstufen) unterschieden werden kann. (Kek2015, 17ff.)

Die Bertelsmann AG ist einer der größten internationalen Medienkonzerne mit einem Umsatzerlös von mehr als 16 Mrd.€im Jahr 2013.Dermultimediale Konzerngliedert sich inmehrereUnternehmensbereiche(RTL Group, Gruner+Jahr, Penguin Random House, Arvato, Be Printers).(ebd., 76ff.).DieAxel-Springer-SE ist ebenfalls ein multimedialer Konzern, der zwar vornehmlich Printmedien bedient, namentlich BILD und WELT, jedoch auch Anteile am Nachrichtenprogramm N24 hält(ebd., 187).Der Axel-Springer-Verlag führte 2014die Gruppe der zehn größten Verlagsgruppenan. Die Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung/Die Rheinpfalz, Ludwigshafen/SüdwestPresse, Ulm (SZ)lagdahinter. Die VerlagsgruppeFAZübernahmdenzehntenPlatz(im Vorjahr noch an vorletzter Stelle). (As&s2014, 49f.) Der Straßenverkaufszeitungsmarkt ist im Vergleich zu anderenZeitungsmärktenam höchsten konzentriert. Dabei hältdieAxel-Springer-SE fast 80%.Bei den Tagesszeitungen machen die zehn auflagenstärkstenVerlage59,3% aus, die fünfauflagenstärkstenAbonnement-Zeitungen erreichen 36% des Marktanteils. Dabei lässt sich eine Tendenz zur horizontalen Konzentration bei den Zeitungen beobachten. (Kek2015,193ff.)Die starke Konzentrationerschwert die Markteintrittschancen für neue Akteure und reduziert dieBestehenden auf einen elitären Ausschnitt.

2.advertisingas the primary income source of the mass media

Werbung durch die Anzeigekundenunterstützt die Medien und bedingt sie auf gleiche Weise. Somit binden sich die Medien an die Wirtschaft. 2013 erzielten Tageszeitungen rund 2917,70 Mio.€Nettowerbeeinnahmen, Publikumszeitschriften 1235,00Mio. €und Wochen-/Sonntagszeitungen 175,6Mio.€. Außer bei den Fachzeitschriften ist dabei jedoch ein stetiger Rückgang zu den Vorjahren zuerkennen.Dagegen hat dasFernsehen einen Anstieg auf 4125,13 Mio.€zu verbuchen.[10]WelchenEinflussAnzeigekunden habenkönnen,zeigenfolgendeBeispiele:1985 kündigte der US-amerikanische Konzern Gulf&Western Industries dem Fernsehsender WNET seine finanzielle Unterstützung,nachdem dieser die DokumentationHungry for Profitsendete, bei dem es um die Profitgier multinationaler Konzerne in derDrittenWelt ging. Der Dokumentation wurde eine antiamerikanische Haltungunddem Sender WNET das Hintergehen von Freundenvorgeworfen. (Herman; Chomsky2002, 17) 2001 berichtete die SZ äußerst kritisch überden Pilotenstreik derLufthansa, woraufhin die Fluglinie angeblich die Zeitungsabonnements kürzen wollte(Drpr2002).

3.thereliance of the media on information provided by government, business, and‘experts‘funded and approved by these primary sources and agents of power

Aufgrund von Zeit- und Investitionsmanagement werden weniger eigene Reporterausgesandt. Daherdienenspezielle Programme (Pressekonferenzen) oder andere Zeitungen als Quellen,dieallerdingsschon vorgefiltert wurden.(Herman; Chomsky2002, 18f.)Dazu kommtdie Expertenproblematik: Die Medien neigen dazu,ihre Thesen mit mehr oder minder ausführlichen Expertenberichten und Interviews zu untermauern. Dabei werden oft Fachlaien herangezogen und als Experten dargestellt. (Dittmar2011, 124f.)

4.‘flak‘as a means of disciplining the media

Dasflakbezeichnet eine negative Antwort auf in den Medien veröffentlichte Artikel oder Aussagenin Form von Briefen, Anrufen, Reden, Beschwerden etc.(Herman;Chomsky2002, 26).Aufgrund des bestehenden Drucks durchLeserbriefe oder öffentlichgeäußerte Meinungen, Vorwürfeetc. können Medien zu einer Revisiongezwungen werden.

5.‘anticommunism‘as a national religion and control mechanism

DerAntikommunismus wich nachdemEnde des Kalten Krieges der herrschenden Ideologieseit Beginn des 21. Jahrhunderts, dem Antiterrorismus(Dittmar2011, 127).Dadurchkannesauch in den Medienzu einervereinfachtenSchematisierungundDenunzierung kommen.

***

Das Propagandamodell vonHermanund Chomskylässt sichauf die deutsche Medienlandschaft anwenden.Nach diesem Modell wird in den Medien ein von der Öffentlichkeit akzeptierter und als demokratisch angesehener Konsens einer führenden Elite geschaffen. Die Gegenseite der verbreiteten Stimmung in der Gesellschaft muss dabei immer genau belegt werden, während der Mainstream keinergenauen Bestätigung bedarf.Das Propagandamodellist jedoch keine Verschwörungstheorie über zentrale Manipulation. Vielmehr soll es der ErklärungdespolitischenWandelsunddermarktwirtschaftlichen Faktoren in den Medien dienen.Festzuhalten ist, dass die mediale Gewinnorientierung und das Konkurrenzdenken der Medienkonzerne die gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu einem gefährlichen Mittel der Manipulation werden lassen.

Selektion der Nachrichten

Wie bereits erwähnt,ist die Kommerzialisierung der Medien und die Privatisierung des Pressewesens ein entscheidender Faktorbei derUntersuchung des medialen Machtpotenzials. Um sich auf demMarkt behaupten zu können, müssen die Massenmedien eigene Schwerpunkte bilden und sich von anderen abheben. Dieskannaufdie Themenauswahloderauf das Publikum beschränkt sein. Die Aufmerksamkeitdes Medienkonsumentenist dabei der notwendige Katalysator für Kaufentscheidungen.

Bei der Nachrichtenselektion durchlaufen dieNachrichtenereignisse einen Filter. Sie müssen gewisse Kriterien erfüllen,diesich an der gewünschten potenziellen Aufmerksamkeit des Rezipienten orientieren. Diese Nachrichtenwerte bestehen ausmehrerenNachrichtenfaktoren. Je mehr dieser Faktoren eine Nachricht besitzt, desto höheristder Nachrichtenwert. Hier sollen zweiSchemata zur Nachrichtenwert-Theoriegenügen.

Abb. 1 Journalistische Nachrichtenfaktoren (CSOKLICH 1996, 51)

Abb. 1verdeutlicht, dass das Interesse größer und effektiver ist, wenn die Nachricht eine physische (geographische oder tatsächliche) oder psychische Nähe konzipiert. Wenn dies nicht der Fall ist,müssen andere Faktoren greifen. Wichtig dabei ist, dass möglichst viele Emotionen beim Rezipientenerwecktwerden,wie Angst, Freude oder auch feindliche Gefühle, da sie die stärksteAufmerksamkeit erzeugen. BeiAbb. 2kanndie Macht der Aufmerksamkeit durch zwei grundlegende Prinzipienerreicht werden:Eine Nachricht hat demnach einen besonderen Wert, wenn sie neuoder informativ für das Publikumist.

Abb.2Nachrichtenauswahl (Schwiesau; Ohler2003, 54)

Medienwirkungsforschung

Den Medien wird oft angelastet,die Gesellschaft zu manipulieren. Jedoch geht vonder Gesellschaftauch einegewisseMacht aus–durch ihre Akzeptanz des Dargestellten. Die Medien schaffen ein Programm, das auf das Publikum zugeschnitten ist.Berghaushat dazu die Wirkungen der Massenmedien im sozialen Kontext dargestellt, wobeidassoziale Umfeldübereine besondere Wirkungsmachtverfügt(Abb. 3): Die Medienbildendemnach nichtdenHauptmanipulationsmechanismus.

Abb. 3 Wirkungen von Massenmedien im sozialen Kontext – die Hierarchie von stärkeren zu schwächeren Wirkungen (BERGHAUS 2007, 46)

Die erste Stufedes Modellsbesteht aus demsozialenUmfeld unddenMassenmedien. Dabeihatdas soziale Umfeldmehr Gewichtung, daeserst die Bedingungen zur Mediennutzung schafft und die Art und Weise wie auch die Häufigkeit dieser bestimmt. Eine Gefahr kann bei einem Mangel an sozialer Einbettung bestehen, woraufhin sich die Massenmedien an erste Stelleschiebenund somit „auch sozial schädliche Wirkung auslösen“(Berghaus2007, 47)können. Diezweite Stufe besteht aus Medium undMedieninhalt. Das Medium bedingt die Rezeption (nachMcluhansAussageThe Medium is the message)und folglich auch den Inhalt. So leben wir heute in einer Fernsehgesellschaft,wobei dieAuswirkungen des Internetsbereitszu spürensind. „Kurz: Die Verbreitung eines Mediums prägt die Gesellschaft und den Einzelnen, egal ob nun jeder das Medium nutzt oder nicht.“ (ebd., 48)

Auf der dritten Stufe konkurrieren Themen/Informationen (informierend und kognitiv) und Meinungen/Einstellungen (überredend und persuasiv). Dem, was hier in der Hierarchie einen untergeordneten Platz einnimmt, werde meist das größte Interesse in der Wissenschaft und der Öffentlichkeit eingeräumt. Themen und Informationen können jedoch viel mehr beeinflussen, als es oft von Meinungen und Einstellungen angenommen wird. Die Medien in ihrer ganzen Fülle lenken „die gesellschaftliche Aufmerksamkeit und schaffen einen gemeinsamen Wissenshintergrund, auf den sich sämtliche Gesellschaftsmitglieder beziehen können“ (ebd.). So kann sich eine häufige mediale Thematisierung in Politik und Wirtschaft wie auch in der Gesellschaft niederschlagen, wie das Beispiel des Klimawandels zeige.[11]Die Meinungen und Einstellungen können je nach individuellem sozialem Umfeld von jedem auf eine andere Weise interpretiert werden. Sie „bilden sich im sozialen Umfeld bzw. in der direkten Kommunikation und werden in die Massenmedien hineinprojiziert“ (ebd., 49).

„Die Macht der Medien ist also Informationsmacht und Aufmerksamkeitslenkungsmacht oder auch–Kehrseite der Medaille–Fehlinformationsmacht und Verschweigungsmacht. Sie ist jedoch nicht Meinungsmanipulationsmacht.“(ebd.)Durch Fokussierung und Selektion beeinflussen die Medienunsere Weltwahrnehmung, was sich auf die Handlungsweiseauswirkenkann, z.B. auf eine erhöhte Spendenbereitschaft für das Ereignis A, während Ereignis B nahezuunentdeckt bleibt.[12]Negative Aspekteund Ängste sind dabei besonders starke Faktoren, welche die Medienwirkung beeinflussen.[13](ebd.)

Der Begriff derManipulation istehernegativ konnotiert und beschreibt eine bewusste und gezielte Beeinflussung. Das PropagandamodellvonHermanundChomskyund die Bedeutung des sozialenUmfeldsin derMedienwirkungsforschung zeigen, dass es sichzumeistvielmehrum eine (mehr oder minderunbewusste) Lenkung handelt.

Folgen zunehmender Medialisierung–dieZweiteRealität

Die Medien in all ihren verschiedenen Ausprägungen sollen in erster Linie den Informationszweck erfüllen, doch „spätestens seit dem Golfkrieg von 1991 hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass die Massenmedien eher wirklichkeitskonstruierenden als wirklichkeitsspiegelnden Charakter haben“ (Eckoldt2007, 9).Das Prinzip derAktualität einer Nachrichtentscheidetüber dessen Inhalt:„Erstes Handlungsprinzip der Massenmedien ist die Selbsterhaltung als Selbsterzeugung. Wirklichkeit als solche ist dafür nicht wichtig und wirdnur unter stark limitierten Bedingungen zugelassen.“ (ebd.)

Die Nichtfiktionalität der Massenmedien bedeutetnicht unbedingt, dass es sich umeine objektive Berichterstattunghandelt. Durch die Selektion von Informationenentstehteine zweite Realität, die Medienrealität. (ebd., 57) Medien bilden ihre eigene Wirklichkeit, „eine transzendentale Illusion, im Sinne dessen, was durch oder für sie als Realität erscheint“ (ebd., 54).Sowirdin jedem Falle über die Realität berichtet, jedochnuraufgrund des „hochelaborierte[n]System[s]von Selektoren“ (ebd.).Die Selektion der Nachrichtenverdeutlicht den schmalen Ausschnitt der Wirklichkeit, der in den MedienseinenNiederschlag findet. Dabei sind die schlechten Nachrichten dieBesten. Deutlichwurde diesbei den Anschlägen am11. September2001, dadieseinaußergewöhnliches, emotionalesund zugleich prägendes Ereigniswar. (ebd., 56)Vergleichbar damitwäreauch der Fall der UdSSR und dessen Bedeutung für Deutschland.

2ZurKonstruktion von Fremdbildern

Fremdbilder sind jegliche Bilder, die wirvoneinemIndividuum odereineranderen Gruppe, z. B. einer anderenNationhaben. Im Folgenden sollen nun einige wichtige Begriffe der Sozialwissenschaftnäher erläutert werden.

2.1Stereotyp

Der Begriff Stereotyp (griech.stereos‚fest‘ undtypos‚Form‘) entstammt der Drucktechnik und wurde von WalterLippmann1922 in seinem BuchPublicOpinionin den Diskurs der Humanwissenschaften eingeführt. Der Grund fürdieBildungvonStereotypenliegt meist in dem Bedürfnis der Vereinfachung und individuellen Ordnung in einer komplexen Welt begründet (ebd.2004, 52).

Stereotype sind positive oder negative, oft stark emotional bedingte Werturteile (Hahn2008, XIII).Sie werden auf Menschen oder Gruppen, teilweise auch auf Institutionen, angewandt und können „unterschiedlich definiert sein […]: rassisch, ethnisch, national, sozial, politisch, religiös oder konfessionell, beruflich usw.“ (ebd.2002, 20).Die Entstehung von Stereotypenkannauf zwei Ebenen erfolgen: Bei der sozialen Genese handelt es sich „um eine partielle oder völlige Übernahme eines Zeichensystems“ über die Einflüsse des sozialen Umfelds (öffentliche und private Medien sowie Propaganda), während bei der historischen Genese die Stereotype„als sprachliche oder bildliche Formeln“ über Generationen weitergegeben werden(ebd. 2008, XIII).„Es gibt die These, daß [sic!] Krisenzeiten besonders stereotypenproduzierend bzw. stereotypogen seien.“(ebd.)Ferner weisen Stereotype eine empirische Resistenz auf, was bedeutet, dass sie rational-argumentativ nicht widerlegt werden können. Einfache Begegnungen zweier Gruppenkönnen dahernicht wirklich zu einem konstruktiven Abbau des Schubladendenkens beitragen. Abweichungen des klassifizierten Konstrukts und Gegenbeispiele werden als Ausnahmen dargestellt. Stereotype sindallerdingsleicht veränderbar, d. h. sie passen sich an das Umfeld an,bleibenjedoch im Kern gleich. (ebd., XIV)Je nach Kontext könnendemnachunterschiedliche Merkmale hervorgehoben werden.

Stereotype können weiter in Heterostereotype (‚Fremdbild‘–outgroup) unterteilt werden,diein einer konträren Beziehung zu den Autostereotypen (‚Selbstbild‘–ingroup) stehen. „Oft ist im Heterostereotyp schon das Autostereotyp enthalten, auch ohne daß letzteres[sic!]direkt genannt wird.“ (Hahn2008, XVI) Dies begründet die Ähnlichkeit von Stereotypen einer Nation über unterschiedliche Nationen. So dient die Stereotypenforschung auch derErforschung derSelbstbildkonstruktion:DasStereotypgibt wenig über die Wahrheitpreis undenthältkeinen großen informativen Gehalt über die andere Gruppe,sagt jedochviel über die eigenen Einstellungenaus. (ebd., XVI)