Vorbereitung auf das nächste Leben - Atticus Lish - E-Book

Vorbereitung auf das nächste Leben E-Book

Atticus Lish

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Beschreibung

Die uigurische Kriegswaise Zou Lei hat es allein und mittellos bis in die USA geschafft. Illegal eingewandert und stets auf der Hut vor den Behörden, schlägt sie sich in New York mit Küchenjobs durch. Der Soldat Brad Skinner ist gerade zum dritten Mal aus dem Irak zurückgekehrt. Traumatisiert und arbeitslos begegnet er eines Tages Zou Lei, und eine Liebe zwischen Verzweiflung und Hoffnung beginnt. Auf der Suche nach Gemeinsamkeit und Halt durchstreifen sie die Stadt, treiben Fitness bis an den Rand der Erschöpfung. Doch inmitten der vielen Kulturen, der Heimatlosen und Überlebenskünstler, der Reichen und Armen, der Verrohung und Versöhnung braut sich ein Unheil zusammen, das sie für immer auseinander zu reißen droht. Atemlos begleitet der Leser im mal harten, mal weichen Wechsel von Licht und Schatten die Liebenden durch die Straßen New Yorks und wird sie nie mehr vergessen. Atticus Lish hat den großen Roman über die verletzte Seele Amerikas geschrieben - eine Geschichte über Liebe und Krieg, über Urbanität und über das Leben an den Rändern der Gesellschaft.

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Atticus Lish

Vorbereitung auf das nächste Leben

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Michael Kellner

 

 

 

Für Beth, in diesem Leben und im nächsten

Teil I

Kapitel 1

Sie kam durch Archer, Bridgeport, Nanuet, hatte in Jeans und Denimjacke entlang der 95 gearbeitet, trug eine Plastiktüte und Badelatschen, hatte eine Telefonnummer bei sich und wartete benommen in einer Unterführung, die Kartoffelchipstüte war längst leer.

Sie sammelten sie oben am Highway bei einem schlichten weißen Schuppen ein, ein Schild der Army-Navy, alte Reifen, die zum Schaukeln in den Bäumen hingen. Ein Minivan mit einem Affenkönig auf dem Armaturenbrett hielt an und sie stieg ein. Die Männer brachten sie zum Motel 8 und steckten sie in ein Zimmer mit einem halben Dutzend Frauen aus Fujian und einem Liter Orangenlimo. Die ganze Nacht über hörte sie die Lastwagen ankommen und lauschte dem Summen der Klimaanlage.

Man gab ihr eine Bluse mit Firmenlogo und eine Schirmmütze, die nach verdampftem Fett rochen. Alle sagten ihr, Du musst schnell sein, Bossie beobachtet dich. Keine von ihnen verstand den Dialekt der anderen, also sprachen sie stattdessen Englisch. Am ersten Tag rutschte sie mit ihren verschlissenen Turnschuhen auf dem schmierigen Boden aus. Sie ließ eine Bestellung fallen, die Nudeln hüpften herum wie Würmer, und in dieser Nacht lag sie mit zusammengebissenen Zähnen im Bett und starrte die Wand an.

Die Amerikaner parkten draußen, ließen ihre Pick-ups in der Sonne laufen, kamen in Tanktops und Bandanas langsam hereingeschlendert. Sie lehnten sich mit dem Ellbogen auf den Tresen, deuteten mit dicken Fingern auf die Karte und sagten, Das hier. Die Schwarzen kamen herein und hatten in der Hand, was sie ausgeben wollten, das Kleingeld und die zusammengeknüllten Dollars.

Gibbs bei euch dafür so Flügel? Sachma, wassich dafür kriech.

Sie wusste, was okay hieß. Wenn sie auf die Karte zeigten, hatte sie keine Probleme. In Nanuet wollten sie All-you-can-eat. Das verstand sie. Sie wollten mehr hiervon und mehr davon. Okay. Sie wusste, dass sie schnell sein und etwas holen musste, arbeiten, weil sie arbeiten musste, jeden Tag vierzehn Stunden arbeiten, zehn oder elf Tage lang, bis sie einen ›Rauchertag‹ bekamen, wie der Boss das nannte; alles war besser, als den Abfall auf der Mülldeponie südlich des Flusses zu durchwühlen.

Im Motel ließen sie den Fernseher laufen, um Englisch zu lernen. Sie kauerten sich auf den Teppich, bewegten den Mund im blauen Leuchten, schauten auf die Gänge der Lebensmittelmärkte und auf die schnellen Autos. Sagten, Unglaublich. Heute Dienstag auf Fox. Ein grausiger Tag im Irak. Sie beobachteten glotzende Soldaten und Funkantennen, die an den Lehmhäusern der Wüste vorbeifuhren, in denen sie gewohnt hatte.

Kamel, sie deutete mit dem Finger. Das Tier, sehr gut.

Zu schwierig, sagten sie. Kann man nicht behalten. Kopf ist Holzbrett.

Jemand gähnte.

Musst ihn das ganze Leben trainieren.

Wenn sie abends ihre Arbeit beendet hatten, gingen sie über den Parkplatz zu dem einzigen verbliebenen Auto; der Minivan wartete schon, um sie zurück ins Hotel zu bringen. Sie gaben dem Fahrer sein abgepacktes Essen und er stellte es auf eine aufgeschlagene Zeitung, deren Seiten von Hongkong berichteten. Auf dem Heimweg sah sie zu, wie die Nacht am Fenster vorbeifegte, die dunklen Waldgebiete und das Schiefergrau von Straße und Himmel. Der Mann hatte eine Goldkette und eine Greencard und fuhr mit ausgeschalteten Scheinwerfern, auf der Hut vor den Cops.

Die Frauen kamen aus Fest oder Ursprung, Vier Begegnungen, Verbundene Berge und Redlichkeit bewundert. Sie sagte, sie komme von südlich des Flusses.

Aber du kommst irgendwo anders her, meinten sie.

Ich bin Chinesin, wie ihr.

Du siehst anders aus.

In der Sonne konnte man erkennen, dass Zou Leis Haar braun und nicht schwarz war. Es war auch nicht glatt. Ihre Nase hatte einen kleinen Höcker; sibirische Augen.

Unser China ist ein großes Land, sagte sie.

Du klingst wie die aus dem Norden.

Sie ist eine Minderheit, sagte eine der Frauen.

Das bedeutet nichts. Es gibt Volksterrasse, Friedvoller Fluss, Stiller See, Südwende, Baumwollzaun, Zhangpu, Friedvolle Annäherung, Swatow, Allgemeine Gelassenheit, Vorsprung, Samyap, Jung-can, Ewiger Friede, Drei Länder, Gleich-neben-den-Zhangs und noch ein paar Hundert Dialekte. Welchen willst du lernen?

Zou Lei überlegte einen Augenblick. Wie sage ich, Der Himmel ist hoch? Sie lächelte und deutete an die fleckige Decke. Der Himmel ist hoch und die Erde ist groß.

Einige von ihnen nickten, ein paar lächelten und entblößten schlechte Zähne. Ganz richtig, ganz richtig, und eine der Frauen seufzte.

Stattdessen lernte sie, eine Bestellung aufzunehmen. Dass die Glückskekse in der Schachtel unter dem Jahr-der-Ziege-Kalender und dem kleinen Plastikschrein lagen. Die Servietten, Strohhalme und Essstäbchen lagen nebeneinander auf der Ablage. Gib jedem eine Plastikgabel, egal wofür. Wenn Kunde kommt, fragst du ihn, was er will haben. Dann brüllst du Bestellung nach hinten: Huhn-Brokk, Rind-Brokk, Rind-Schoten, Dreifach-Dampf, damit schnell geht.

Niemand musste ihr beibringen, wie man wischt und den Müll rausbringt und bei einem Sack voll Grünzeug alles nicht Essbare abzuschneiden. Sie sahen, dass sie hart arbeitete. Das meiste, was die anderen machten, kannte sie schon. Hockte sich vor die Badewanne, um ihre Kleidung zu waschen, wrang sie mit ihren rissigen, bäuerlichen, blaurot angelaufenen Händen aus. Hängte sie auf die Stange des Duschvorhangs neben die tropfende Wäsche der anderen, die nassen, paillettenbesetzten Jeans und verblassten Comicfiguren.

Am Tresen legte sie ein Stück Karton in eine Tüte, heftete die Verschlüsse eines Styroporbehälters zusammen und stellte ihn auf den Karton. Stapelte die anderen darauf. Heftete eine Speisekarte an die Tüte und schob sie über die Theke hinweg einem mageren Burschen mit langen blonden Haaren und einer Baseballmütze zu. Er bestellte eines der Extras und sagte, Du wirst immer besser. Ich hab’s gestoppt.

Der Boss sagte, die Frauen brauchten jemanden, der auf ihr Wohlergehen achtete, eine große Schwester, die ihm Bericht erstattete. Er gab ihnen einen Spruch zum Auswendiglernen – es ist keine Frage der Zeit, es ist eine Frage des Geldes. Er wollte, dass sie ihn so häufig und so schnell wie möglich vor sich hin sagten.

Und was heißt das?, fragte sie.

Das hat nichts zu bedeuten. Man weiß nicht, was das bedeutet.

Eine der Frauen war psychisch labil, sie schwieg tagelang und erzählte ihnen dann, dass die Polizei in Guangxi sie zu einer Abtreibung gezwungen hatte.

Als es kalt wurde, rückten ein paar von ihnen zum Schlafen zusammen. Sie kauerten sich vor den kleinen Heizofen, während ihre nasse Kleidung in der Dusche hing, alle waren krank, husteten und spuckten in den Papierkorb.

Im Fernsehen sah sie Mädchen, die Lastwagen fuhren, boxten und in der Hitze Marathon liefen. Wenn Lieferungen kamen, rannte sie hinaus und trug die Reissäcke auf der Schulter. Die Frauen waren dagegen und sagten, Überlass das den Männern, dem Koch und seinem Cousin. Zou Lei ließ sie wissen, dass sie gerne die Beine bewegte. Nachts machte sie Sit-ups. Sie nahm eine Zeitung aus dem Lieferwagen mit und las die Anzeigen für Jobs in anderen Bundesstaaten.

Sie fuhr nach Riverhead und arbeitete dort den Rest des Winters, wohnte in einem La-Quinta-Inn mit einer Gruppe von Frauen, die Drei Lichter und ein ländliches Mandarin sprachen. Sie hatten eine Kochplatte, die sie sich teilten.

Amerika ist ein gutes Land, sagte eine ältere Frau. Wir sind mit einem Fangschiff über das Meer. Die Meerpolizei fing uns und hat uns auf einer Insel bei San Francisco eingesperrt. Ich war auf der Reise sehr krank und das hat mir das Leben gerettet. Die anderen dreißig mussten wieder zurück nach Hause, aber ich nicht. Das war Glück. Mein Cousin hat für mich Asyl beantragt. Ein paar dieser anderen Schwestern sind schon mal ausgewiesen worden. Sie kamen zwar zurück, aber aus einmal wird zweimal, aus zweimal wird dreimal. Sie sind nach Yucatán gegangen, der Halbinsel hinter der Grenze von Arizona. Das ist schon hart, natürlich. Das ist die Wüste, nichts für Menschen wie uns, Flussmenschen. In meinem Dorf wird Hühnerhirse gesprochen. Wir sind fünfzig Kilometer von Alter Acker und die verstehen kein Wort von dem, was wir sagen.

Sie verbrachte ein Jahr in Archer und ein halbes in Riverhead. Die Schweinegrippesaison war vorbei und die »World News« brachte Geschichten über den Krieg gegen den Terror und wie schwierig es war, eine Greencard zu bekommen. Sie blätterte weiter und sah das Schwarz-Weiß-Foto eines nackten Gefangenen, der mit einem Sandsack über dem Kopf auf dem Boden lag. Sie blätterte noch einmal um und betrachtete aufmerksam die Wörter: Bau, Näherin, Restaurant, Schönheit, Bezahlung nach Können.

Sie fuhr nach Nanuet, bekam wieder eine Bluse und wieder eine Schirmmütze. Die Frauen wohnten in einem aufgebockten Wohnwagen, Schlackenbeton auf Kiefernnadeln, und hängten die Wäsche auf eine Leine. An ihrem ›Rauchertag‹ lief sie hoch zur Shoppingmall, rannte über den Highway, sprang über den Betonteiler des Mittelstreifens und schaute sich die Sneakers Made in China in den Schaufenstern an.

Der Boss trug einen Jade-Armreif und fuhr einen verdreckten Astrovan. Er ließ ihn von Zou Lei waschen, hinten, wo es Laderampen und Müllcontainer gab, einen Zaun und dann Wälder. Sie arbeitete mit dem Wasserschlauch, starrte an den Müllcontainern vorbei und stellte sich vor, durch die Wälder zu laufen.

Im Jahr darauf war sie in einem anderen Bundesstaat in einem Motelzimmer mit acht Frauen, die selbst in ihrem eigenen Dialekt eine Art Code sprachen. Als sie fragte, aus welchem Dorf sie komme, antwortete eine, Zimtbaum. Die anderen sagten, Warum verrätst du einer Fremden unsere Geheimnisse?

Sie hatten eine große Schwester, die entschied, wann sie fernsehen durften. Wenn jemand klopfte, war es verboten, die Tür zu öffnen, bevor Sophia kam und es erlaubte.

Schließlich begriff Zou Lei, dass in der Geheimsprache der Frauen ›Segelboot‹ für Geld stand, das sie zurück nach China schickte. ›Schrei‹ bedeutete Telefon, ›Krähe‹ war ein illegaler Fremder und ›Andy‹ die Polizei.

Ein Mann mit einer verspiegelten Sonnenbrille und einem Drachen auf dem Handgelenk brachte ihnen einen Packen Binden. Der Boss würde Musik lieben. »Everything I do, I do it for you«. Kennt ihr den Song?

Als Sophia einmal nicht da war, ließ Zou Lei das Dienstmädchen ins Zimmer und fragte sie nach ihrem Job und woher sie komme.

Honduras, sagte das Dienstmädchen, das ein tätowiertes Kreuz auf der Hand hatte. Sie waren ungefähr gleich alt.

Zou Lei lief ins Badezimmer und kam mit den nassen Handtüchern zurück, die sie in den Wäschekorb warf. Das Mädchen aus Honduras lächelte und sagte Gracias.

Wie ist dein Job, bringt er Geld?, fragte Zou Lei.

Nein, nicht viel Geld. Poquito Geld. Du haben Arbeitspapier?

Rate mal, sagte Zou Lei. Glaubst du?

Nein. Beide lachten.

Maria brachte ihr einen Handschlag bei. Zou Lei zeigte ihr die Anzeige in der »Sing Tao«, in der es darum ging, dass man eine Sozialversicherungsnummer kaufen konnte.

Sie klopfte an eine Stahltür und fand einen Job, bei dem sie acht Stunden am Tag Kupplungsscheiben in Kartons verpackte. So leicht hatte sie noch nie Geld verdient: neun Dollar die Stunde abzüglich Steuern. Mittags aß sie Reis und Truthahn aus ihrer mitgebrachten Tupper-Dose, während die Amerikaner in Dickies und Bandanas am Verpflegungswagen Schlange standen. Sie trug ihr Geld ständig bei sich, um die Hüfte gebunden, ihr Handy, den gefälschten Ausweis, alles, was sie nicht verlieren durfte.

 

Eines Tages mitten im Herbst ging sie in eine Bodega, und als sie herauskam, wurde sie geschnappt.

Ganz ruhig. Hast du irgendwas in den Taschen? Irgendwas Scharfes? Schon okay. Ganz ruhig. Ein Hispano in einem Footballtrikot hob ihre Arme und schaute an ihr vorbei, als er die Taschen nach außen kehrte. Er löste die Bauchtasche, die sie um die Hüften trug, und gab sie einem Typen, dessen Pistole nur halb von seinem Sweatshirt verdeckt wurde. Sie hatte in der Bodega gerade ihren Scheck eingelöst und behielt die Tasche fest im Blick. Brauchst du einen Übersetzer? Ich spüre, wie dein Herz klopft. Calmate. Tranquillo, okay? Sprechen Spanisch? Woher kommst du – Chinita? Chinesisch?

Warum ich nicht weggerannt bin?

Sie durchsuchten ihre Kleidung und nahmen das Geld an sich, fesselten ihre Hände mit Kabelbinder und steckten sie in einen Transporter zu einem Salvadorianer. Es dauerte den ganzen Nachmittag. Hey, Mama, so schüchtern? Es gab Menschen aus Fujian, Kambodschaner, Männer aus Guatemala. Sie kam in eine Glaszelle mit Zementfußboden und einer Sitzbank aus Edelstahl, taghell von Leuchtstoffröhren beleuchtet, die ganze Nacht lang kamen und gingen die Mädchen, bis sie an der Reihe war. Sie rieb sich die Striemen an den Handgelenken, die die Fesseln hinterlassen hatten.

Ein weißes Mädchen mit verlaufener Mascara auf den Wangen sagte, Wehe, diese Nigger lassen mich zum Geburtstag meines Jungen nicht raus.

Mitten in der Nacht wurde sie geholt. Durch die Spiegelungen im Glas sah sie, wie ein Amerikaner mit Schnurrbart sie anschaute. Die Gegensprechanlage sprang an. He, du. Aufstehen. Sie tat, was ihr befohlen wurde. Die Tür öffnete sich. Er gab ihr mit dem Finger ein Zeichen. Sie verließ die Zelle. Alle Korridore im Gefängnis waren dunkel, und sie wusste nicht, was sie vorhatten. Es war niemand zu sehen außer dem Vollzugsbeamten und, weiter vorne, einer Gestalt, die mit gesenktem Kopf und einer merkwürdigen, entsagungsvollen Geduld den Boden wischte, als wäre sie gar nicht vorhanden, und dann begriff sie, dass das ein Häftling war.

Nimm einen. Der Vollzugsbeamte zeigte auf einen Wäschekorb mit verschlissenen orangefarbenen Overalls. Sie musste ihn erst fragen, wo sie sich umziehen konnte. Sie schloss sich im Klo ein und war zumindest einen Augenblick lang allein, allein mit dem Waschbecken, dem Spiegel, dem Porzellanklo, den Fliesen. Aus einem Radio kam Autowerbung. Sie beeilte sich, die Jeans auszuziehen, vermied den Blick in den Spiegel, zog den Overall über, entdeckte, dass er ärmellos war, und zog den Reißverschluss hoch. Hastete hinaus, die Arme kälter als der Rest des Körpers, hielt dem Vollzugsbeamten die Jeans wie ein Geschenk entgegen. Er griff danach.

Dann nahm er sie am Ellbogen und ging mit ihr in die Anlage hinein. Sein pures Gewicht drückte die Schuhe in den gewachsten Boden, während ihre Badelatschen eilig neben ihm herklatschten. Das Radio konnte sie inzwischen nicht mehr hören. Es gab keine Lampen, aber ein tierischer Geruch breitete sich aus. Sie kamen an ein breites schwarzes Fenster, und der Vollzugsbeamte hielt inne. Er schloss eine Tür auf. Dahinter lag ein großer schwarzer Raum. Er schob sie am Ellbogen hinein. Es schien eine große Basketballhalle zu sein. Sie konnte gerade so die nummerierten Zellen auf dem Betonfußboden erkennen. Wandte sich um und fragte, was sie tun solle. Die da. Siebzehn, sagte er und schloss die Tür hinter sich ab. Sie spürte, dass er ging. Sie hielt ihre Decke umklammert, blinzelte, erkannte ihr Ziel und ging darauf zu. Darüber gab es eine zweite Ebene. Hinter der schweren, mit Schiffsfarbe gestrichenen Tür ertastete sie mit den Händen etwas Metallenes. Ein Etagenbett. Sie legte sich hin. Die Augen gewöhnten sich an das Dunkel. Sie erkannte Graffiti auf den Betonziegeln. Stand wieder auf und zog die Tür zu. Die rastete nicht ein. Sie legte sich hin, schloss die Augen und lauschte.

 

Ich steh das durch, sagte sie sich, als die Lichter angingen und sie erkannte, wo sie war – das stählerne Ding an der Wand eine Toilette. In China wären die Umstände schlechter gewesen.

Sie verließ die Zelle und sah, wie die anderen herausschlurften, fett und mit aufgeschwemmten Gesichtern voller Akne, feindselig, die Afros nach allen Seiten abstehend. Wie sie den Picknicktisch mitten in der Halle in Beschlag nahmen, um die Treppen herumschwirrten, zum Fenster gingen und wieder zurück. Sie fummelten einander an den Haaren herum. Eine dicke Schwarze furzte und sagte, Habt ihr’s gehört? Es gab Bäuerinnen mit indianischem Blut und Kreuzen auf den Händen, die unter sich blieben. Es war deutlich zu sehen, wer bei einer Illegalen-Razzia aufgeflogen war. Es war offensichtlich, wer sie war. Wie alle Migranten blieb sie für sich.

Der Vollzugsbeamte kam und ließ eine Hilfskraft mit einem Essenswagen herein. Alle standen auf. Sie hielt sich abseits und ließ die Schwarzen und die Amerikaner vor. Als sie ihr Tablett bekam, ging sie damit in ihre Zelle, aß die Fleischwurst und das Käsesandwich und versuchte krampfhaft, nicht auf die Toilette zu schauen.

Den ganzen Tag über ging sie zum Fenster in der großen Halle und wieder zurück, bis die Lichter in der Anlage ausgingen.

Sie war vielleicht zwei oder drei Tage dort, als sie bemerkte, dass sie sich nicht mehr sicher war, ob es zwei oder drei waren. Beides schien möglich, aber es hätten sogar auch mehr sein können. Sie versuchte, die Tage zu zählen, aber sie konnte sie nicht voneinander unterscheiden. Es gab keine Uhren. Sie dachte kurz daran, einen Kalender zu führen, aber sie hatte nichts zum Schreiben. Sie hatten nichts anderes als sich selbst, sie und die anderen Frauen in dieser lauten, schmutzigen Halle.

Sie versuchte, mit einer Frau zu sprechen, einer Weißen mit gebrochener Nase, und fragte, ob sie eine Möglichkeit hätten, fernzusehen.

Fernsehen? Na klar haben wir einen Fernseher. Da drüben beim Wellnesspool.

Alles, was sie fand, war ein Münzfernsprecher vor dem Fenster. Die Karte eines Kautionsvermittlers klebte darauf, mit einer gebührenfreien 800er-Nummer. Sie hatte schon jemanden beim Telefonieren beobachtet. Nachdem sie die Nummer gewählt hatte und die Verbindung hergestellt war, sagte eine Stimme: Silvio. Sie gab sich alle Mühe, ihm zu erklären, wer sie war. Er fragte sie, von wo aus sie anrief, aber nicht einmal das konnte sie sagen. Auch gut, kein Problem, er konnte herumtelefonieren. Es konnten nur zwei Orte sein, wenn man sie in Bridgeport geschnappt hatte. Weißt du, was man dir vorwirft? Nein? Ist ja nur eine Vermutung, aber es gibt da jetzt so was, wenn man, um es mal so zu sagen, unbemerkt ins Land kommt, dann kommt Kaution für dich nicht infrage. Das ist der Patriot Act. Er wiederholte es noch mal. Sie nickte. Ja. Das weiß ich.

Hast du jemanden, der für dich Kaution stellen kann?

Nein, sagte sie. Bin nur ich in diesem Land. Wenn ich raus bin, ich für dich arbeiten kann, wenn du mich rauskriegst, versuchte sie krampfhaft zu erklären. Ich ehrlich. Ich alles bezahlen. Sie hielt den Hörer fest umklammert und beugte den Kopf über die Sprechmuschel.

Oh, sagte er. Das bezweifele ich nicht. Aber wenn das so ist, dann kann ich wohl nichts für dich tun.

Sie lauschte.

So ist das nun mal.

Er musste auflegen.

Um den Mut nicht zu verlieren, ging sie an der Wand auf und ab und zählte die Schritte.

Sie fing an, nach jedem dritten Schritt einen langen, tiefen Ausfallschritt zu machen, und zählte mit. Hinter ihr erhob sich Geschrei, aber sie glaubte, das habe nichts mit ihr zu tun. Sie war überrascht, dass jemand vom Picknicktisch aufstand und auf sie zukam. Sie wich aus. Die Frau folgte ihr und wurde lauter. Jetzt brüllte sie sie wirklich an und alle schauten zu ihnen herüber. Sie schrien auf sie ein, sie sollte aufhören damit. Mach das bloß nicht hier drin. Ich mein das ernst. Sie machte keine Ausfallschritte mehr. Das Gebrüll hörte auf. Man konnte hören, wie die Person, die sie angebrüllt hatte, schwer atmete.

’dammte Affenarschluder, tun so, als könnten sie kein Englisch.

Etwas beunruhigte sie, aber sie verbannte es aus ihren Gedanken. Niemand sagte ihr irgendwas. Es gab keine Anwälte. In der folgenden Nacht träumte sie, dass ihr Vater ins Gefängnis kommen würde, klein, gebräunt, stark, in Uniform, schweigend. Die Amerikaner gehorchten ihm. Er suchte sie unter all den anderen heraus und sie mussten sie gehen lassen. Der Traum wiederholte sich in einer zweiten Version, dieses Mal hatte er beim Betreten des Zuchthauses einen schrecklichen Fehler gemacht und kam nun nicht mehr hinaus. Verunsichert saß sie auf ihrem Bett.

Sie sah, wie eine Frau, die entlassen wurde, auf der anderen Seite der Scheibe vorbeiging, wie sie mit ausgestrecktem Arm tänzelte, wie sie dem Vollzugsbeamten zur anderen Seite der Anlage folgte, wo man ihr die Kleider zurückgeben und sie hinaus auf die winterlichen Straßen entlassen würde.

Zou Lei aß ein Fleischwurst-Sandwich und machte in ihrer Zelle neben der Toilette Kniebeugen.

 

Sie mussten sich in einer Reihe aufstellen, um mit einer Sozialarbeiterin zu sprechen, die sie fragte, ob sie STD habe. Der Begriff wurde erklärt. Geschlechtskrankheiten. Sie glaubte, es gehe um Aids. Nein, antwortete sie.

Bist du schwanger?

Sie schüttelte den Kopf.

Weißt du, welcher Tag heute ist?

Sie schüttelte den Kopf.

Es ist Dienstag. Sprichst du Englisch?

Sie nickte, dann schüttelte sie den Kopf.

Bist du Mitglied in einer Gang?

Sie wusste es nicht. Nein.

Sie sagte, sie wolle wissen, ob sie irgendwann einen Anwalt sprechen könnte. Niemand hatte ihr gesagt, was ihr vorgeworfen wurde oder auf welcher Grundlage man sie festhielt. Als sie zu fragen versuchte, was mit ihr passieren würde, befahl ihr ein Vollzugsbeamter, sich zu verziehen und auf die andere Seite der Halle zu gehen.

Die Latinas hatten eine eigene Gang namens Niña Malas, die sie schützte. Und was für eine bist du?, wollte die weiße Frau mit den strähnigen Haaren wissen. Irgendjemand sagte, Al-Qaida. Ich bin Chinesin, sagte Zou Lei. Sie feuchtete ihre Haare im Waschbecken an und band sie zurück, um anders auszusehen.

Sie mochte es nicht, in ihrer Zelle zu trainieren. Wenn sie alleine war, spielte ihr Kopf verrückt und das Innere stülpte sich nach außen. Sie verlor sich in Gedanken, und wenn sie wieder zu sich kam, waren Stunden vergangen. Einmal wanderten ihre Gedanken zu der Kupplungsscheibenfabrik, in der sie gearbeitet hatte, und sie sah die anderen dort schuften und über dieses und jenes sprechen. Sie sagten, Erinnert ihr euch noch an dieses Mädchen? Was ist wohl mit ihm passiert? Und ihr war klar, dass sie über sie sprachen. In ihren Gedanken war es ein Tag mit blauem Himmel und sie konnte den Asphalt riechen und die Felder und den Verpflegungswagen.

Ein paar Latina-Mädchen fragten, Alles klar? Hey, du da, alles klar? Und anstatt sie zu ignorieren, starrte sie zurück und sagte, Ich hab gar nichts klar. Sie tat so, als würde sie durch sie hindurchsehen, aber sie hatte Angst. Die Angst war mal stärker, mal schwächer, wie ein Funksignal. Wenn sie ausblieb, wurde sie wieder krank. Sie ging zum Telefon, nahm den Hörer ab und lauschte dem Freizeichen, starrte durch das Fenster und wartete darauf, dass jemand vorbeiging. Es war dieser abgeschottete Raum, der sie krank machte. Ich halte das einfach nicht aus, dachte sie. Manchmal liefen Vollzugsbeamte in ihren grünen Uniformen vorbei. Manchmal schaute einer der Kapos herein, einen gewissen Ausdruck im ziegenbärtigen Gesicht, weil mal wieder eine der Frauen vom Picknicktisch aufgesprungen und zum Fenster gerannt und dagegengehämmert und wild gestikuliert hatte.

Ihre Augen schmerzten vor Einsamkeit. Wenn sie die Lider schloss, rannen Tränen über ihr Gesicht.

Später an diesem künstlichen Tag stand sie bei den anderen, die sich an der Treppe versammelt und um eine lässig wirkende junge Frau geschart hatten, die alles, was sie sagte, mit einem Faustschlag in die Hand unterstrich. Zou Lei ging so nahe heran, wie sie konnte, und versuchte zuzuhören. Die Frau sagte, dass sie dreißig Jahre für bewaffneten Raubüberfall bekommen hatte.

Er hatte die Waffe und ich stand nur daneben.

Ninety-Nine Problems.

Aber echt. Er hat lebenslänglich.

Du bleibst hier? Das war Zou Lei.

Die anderen schauten erst sie an, dann die Komplizin ohne Waffe, um zu sehen, wie sie reagierte.

Ob ich hierbleibe? Nein, die bringen mich ins Staatsgefängnis.

Kurz darauf erhob sie sich von der Stufe, als würde sie sich über ein paar Kinder ärgern, und sonderte sich ab. Zou Lei ging zu ihr und fragte sie, was sie schon die ganze Zeit fragen wollte.

Dich abschieben?, sagte die Frau. Keine Ahnung. Vielleicht schaffen sie deinen Arsch nach Ucasville.

 

Schließlich bekam Zou Lei eine Antwort: Niemand weiß, was mit dir passieren wird. Du kriegst vielleicht ein Jahr.

Zou Lei war plötzlich höchst konzentriert. Ein Jahr und dann?

Ein Jahr und dann entscheiden sie, was sie mit dir machen.

Okay, sagte sie. Und was sie können mit mir machen?

Genau das isses. Bei deinem Status können sie alles mit dir machen, alles, was sie wollen.

Ich kann mein Leben hier drinbleiben?

Einen ziemlichen Teil. Siehe Gitmo.

Aber das war längst nicht alles, wie Zou Lei erfuhr. Das ist erst der Anfang. Jeder Vollzugsbeamte kann dich am Arm nehmen und mit dir einen langen Spaziergang zur anderen Seite des Gefängnisses machen. Er bringt dich zur Wäscherei, die voller männlicher Hilfskräfte ist, und sagt, Das hier ist eure neue Kollegin. Wie wär’s, wenn ich sie hierlasse? Er wird gerade so lange warten, bis dir das Blut in den Adern gefroren ist. War nur ein Scherz. Hast dir in die Hose geschissen? Nachsehen? Und dann marschiert er mit dir zurück zum Frauenflügel. Auf dem Weg wird er sagen, Schätze, du möchtest jetzt ganz artig sein. Er kann dich auch in der Toilette einsperren und sich erst später mit dir beschäftigen. Wenn du dich wehrst, dann hat er das Recht, dich wie einen Mann zu behandeln, über dich herzufallen, deinen Kopf auf den Boden zu knallen, den Elektroschocker auf deinen Rücken zu drücken, während du wegkriechst, dich am Bein fortzuzerren, während du schreist, und das vor Kameras, die das in körnigem Schwarz-Weiß aufzeichnen; dich an ›Den Stuhl‹ zu fesseln, dir eine Spucktüte über den Kopf zu ziehen und dich dort zwölf Stunden lang zu lassen, während du um Wasser bettelst. Und die zwölf Stunden dauern so lange, wie es ihm Spaß macht. Dann sprichst du mit einer Sozialarbeiterin, die sich deine pflaumenschwarzen Augen ansieht und sagt, Warum legst du dich mit dem Personal an? Und dann schreibt sie ›asozial‹ auf das Formblatt. Zu was auch immer du verurteilt wirst, wenn du dann mal verurteilt wirst, sie werden noch etwas draufpacken, um ein noch größeres Stück deines Lebens abzugreifen. Du musst nichts anderes machen, als ihnen einen Grund zu liefern. Sie vergewaltigen dich so lange, bis du dich zu benehmen weißt, und selbst dann können sie dich jederzeit rannehmen, dich in der Wäscherei abliefern. Das machen sie mit den kleinen Indiofrauen aus den mexikanischen Gangs. Wenn du hinterher zu lange heulst, dann bekommst du Trazodon. Dann karren sie dich nach oben und fixieren dich auf einem Rollbett und lassen dich im Flur stehen.

Jeder, der bei den Razzien aufgegriffen wird, hat gegen den Patriot Act verstoßen. Und wenn man dich terroristischer Aktivitäten verdächtigt, dann wird es richtig interessant. Es gibt eine Zelle auf der oberen Ebene, aus der keine wieder herauskommt. Hatte sie das nur nicht mitbekommen?

***

Sie zeigten ihr, was in der Zelle auf der oberen Ebene, aus der keine wieder rauskam, vor sich ging. Die Zelle gehörte zu einem Projekt, einer langjährigen Strategie. Dort lag eine Frau in einem Etagenbett. Die Vollzugsbeamten überließen sie uns. Wir kümmerten uns um sie. Gleich nach 9/11 hatten sie sie mit 15 Kerlen in eine Zelle gesperrt. Sie war tatsächlich al-Qaida. Keine Ahnung, wie die einen hochgekriegt haben, hässlich, wie die ist. Schau sie dir an. Sie ist alt. Zou Lei schaute die Frau an. Es war nicht klar, ob sie noch atmete. Sie sagten, sie sei Libanesin und Mutter. Ihr Mann sei von New Haven aus zum Verhör nach Syrien geflogen worden. Getrocknete Fäkalien an den Wänden. Ihre Füße waren schwarz, die Haare hingen wirr über dem Gesicht, schon grau, schon weiß. Sie bewarfen sie mit nassem Klopapier. Gebrauchten Tampons. Eine junge Schwarze schrie auf sie ein. Igitt! Du stinkst fürchterlich, und rannte gackernd raus.

Zou Lei wollte gehen.

Angst?, fragte eine Insassin. Kann ich dir nicht verdenken.

 

In der Wüstenstadt im Nordwesten, dort, wo sie aufgewachsen war, hatte sie immer wieder Männer unter den Setzlingen entlang der uralten Straße liegen sehen. Die Kuppel der Moschee überragte die Lehmziegelhäuser. Die Männer lagen auf der Straße, mit dem Gesicht nach unten im Rinnstein, von der Sonne verbrannt, die Sandalen ein paar Schritte entfernt. Die Straße führte bergauf zur Moschee, und als sie noch ein kleines Mädchen war, das noch nie von Heroin gehört hatte, glaubte sie, die Männer wollten den Hügel hoch zur Moschee und wären auf dem Weg müde geworden und hätten sich hingelegt, um zu schlafen.

Gott sei mit dir, sagte sie zu der Frau.

Kapitel 2

Wandte man sich um und schaute von der Moschee aus den Hügel hinab, sah man die Ausläufer der Stadt, die letzten Steine der Mauer, bevor sich das Geröll und der rote Sand der Wüste vor einem ausbreiteten. Das Land schien den schneebedeckten Berggipfeln am Horizont entgegenzustürmen. Die Ferne übte eine starke Anziehung aus, man wollte sich hineinstürzen und bis zu den Bergen fliegen, die in der glitzernden Luft überdeutlich hervortraten.

Bis in den Abendstunden der Ruf zum Gebet von der Moschee erklang, war das Einzige, was man hörte, das Geräusch des Windes.

Es war ruhig in den Plantagen. Ein Eselskarren rollte vorbei, klopp-klopp-klopp, auf dessen Bock ein sonnenverbrannter Mann die Zügel hielt und Melonen, Pfirsiche oder seine Töchter geladen hatte. In einigen Stadtteilen konnte man das Hämmern der Kesselflicker hören, und wenn man die Obstgärten gen Westen verließ, kam man zu den Steinhütten, in denen ein Feuer bullerte und ein Junge mit bloßem Oberkörper und einem weißen Käppchen am Blasebalg arbeitete, der aufschaute und einen angrinste, das Gesicht kohlrabenschwarz.

Ihre Mutter erntete Wassermelonen in einer der Plantagen nahe am Graben der erst halb fertigen Straße. Es war so still, dass man die Fliegen hörte, das Rumpeln, mit dem eine Melone in den Karren rollte, das Quietschen der Karre, wenn sich der langohrige Esel bewegte. Die Frauen trugen Ohrringe bei der Arbeit, Blusen und mit Blumen bedruckte Kopftücher. Mittags beteten sie auf einem Teppich. Sie arbeiteten langsam in der staubtrockenen Hitze der Wüste, und ihr Schweiß verdunstete sofort. Immer wieder gingen sie zum Wasserhahn in der Lehmziegelmauer und tranken aus einem Blechnapf, und während sie dort alle tranken, hörte man sie gemeinsam lachen.

Die Stadt lag an einer Straße, die aus der Wüste kam und weiter nach Westen führte. Aus Aksu trafen Lastwagen ein und fuhren mit Schaffellen beladen wieder zurück. Sie erinnerte sich an den Geruch von Tieren und Kot und Holzfeuern, jeder breitete alles, was er zu verkaufen hatte, am Straßenrand aus, dachte an die rosa Plastiksandalen, die Mutter ihr gekauft hatte, an ihre schmutzigen Füße, an das Fußballspielen auf dem Lehmboden hinter dem Busbahnhof.

Wenn die Lastwagen einfuhren, rannte sie hinaus, um zu sehen, wer da ankam. Eines Tages würde er dabei sein, da war sie sich sicher – sie hoffte und betete –, ihre Mutter hatte es gesagt. So Gott wollte. Manchmal waren es lebende Schafe auf einem Pritschenwagen mit blauem Führerhaus. Manchmal kletterte ein Soldat oder ein Mongole in zerschlissenen Armeeklamotten oder Schlaghose heraus, hockte sich in den Halbschatten und aß Lammspieße, während Zou Lei herumlungerte und ihn beobachtete.

Kommst du von weit her?

Ein erwachsener Mann, der sie blinzelnd ignorierte. Manchmal grunzte, das fettige Kinn hob. Den Kopf schüttelte. Nickte. Die Fliegen verscheuchte oder sie gewähren ließ. Die Sonne brannte auf die Dächer der Lehmhäuser entlang der Straße, das einzige Menschenwerk hier, sonst gab es nichts als die unermessliche, gewaltige Weite.

 

Der Nordwesten war das Gebiet nomadischer Hirtenstämme, die die Landesgrenzen nicht anerkannten. Sie handelten mit Schafen und Pferden und hatten eine gemeinsame Sprache. In den Plantagen bauten sie Obst an. Das Wort für Mann war ›Adam‹. ›Alma‹ hieß Apfel. Seide, Jurte, Kamel und Khan wurden von den Usbeken und Uiguren gleich ausgesprochen. Tibetische Frauen wanderten von Qinghai herauf, um Decken und Silberschmuck zu verkaufen, trugen schwarze Cowboyhüte und Messer am Gürtel. Sie erlaubte niemandem, sie zu berühren. Die Vorfahren ihrer Mutter waren in Sibirien begraben.

Auch die Lieder waren die gleichen. Die Mädchen sangen sie und drehten sich, warfen Blicke über die Schultern, die Münzen tanzten um ihre Köpfe.

Das goldene Land reflektierte die Sonnenstrahlen und die schneebedeckten Berggipfel. Afghanistan in der flirrenden Luft – keine Wolken – Klänge der Schofarhörner –, ein wundersames Blau, das über diesem Teil der Erde erstrahlte. Der Gott ihrer Mutter schwebte über allem, sorgte dafür, dass die Ströme sich von den Schneegipfeln ergossen und die Weidegründe und Weinberge grün waren und die kasachischen Pferde weiden konnten!

In Gulja hatte die russische Architektur etwas Europäisches, weiße Säulen wie ein französisches Palais, und über den Spitzen der Koniferen sah man die leuchtende Kuppel der Moschee. Das Volk ihrer Mutter war aus der Steppe gekommen, bevor die Kollektivierung durch die Chinesen einsetzte, die aus dem Osten kamen.

Die Chinesen schlossen die Grenze. Sie bauten die Straßen aus und stellten zum Wohle aller rote Fahnen und große Reklametafeln auf. In der Provinz Altay legten sie Baumwollplantagen an. Die Nomaden wurden gezwungen, ihren Handel einzuschränken. Die Chinesen hatten beschlossen, dass die Nomaden jetzt Kleinbauern waren, als Baumwollpflücker arbeiten sollten. Alles für das Gemeinwohl. Wir sind eine große Familie. Zum Beweis konnten Nomadenfrauen geheiratet werden – für einhundert Dollar konnten sie sich von ihren Männern scheiden lassen und chinesische Männer heiraten. Die neuen Lautsprecher an den vorsintflutlichen Gebäuden der Wüstenstädte verkündeten, dass alle sehr glücklich würden. Es wird Lebensmittelkarten geben. Separatismus ist ein ernsthaftes Delikt.

 

Ein Konvoi durchquerte die Wüste. In seiner Mitte fuhr ein gewaltiger Tieflader, der Rohre für die Erdölleitung geladen hatte. Die anderen Fahrzeuge trugen Tarnfarben und Soldaten auf der Ladefläche. Der Konvoi war schnell unterwegs, zog eine Staubsäule hinter sich her und hielt auf die Siedlung zu, ohne abzubremsen. Die Leute, die an der Straße Brot und Wasser verkauften, traten den Rückzug an. Zou Lei war fünf Jahre alt und staunte, sie lief zur Straße und starrte die Soldaten an, die Stahlhelme trugen und auf den Lastwagen zusammengepfercht vorbeiröhrten.

Ein älteres Mädchen rannte zu ihr und zog Zou Lei von der Straße weg, hielt sie fest, bis der Konvoi vorüber war und der aufgewirbelte Staub sich auf sie gelegt hatte. Dann nahm sie sie bei der Hand und ging mit ihr hinüber zu einem der Lehmziegelhäuser, das mit grauen, verblichenen Wüstenhölzern gedeckt war.

Sie hat zu nah an der Straße gespielt und ich habe sie ausgeschimpft. Ein riesiger Laster ist vorbeigefahren.

Habe ich gehört, sagte Zou Leis Mutter. Sie stand an einem Tisch in der Tür, halb in der Sonne, und bereitete gezogene Nudeln zu. Die Sonne teilte den Tisch in Streifen. Sie knetete den Teig, befeuchtete ihn mit Wasser aus einem blauen Plastikbecher.

Das war der größte Lastwagen aller Zeiten. Und sie wollte zerquetscht werden.

Was heißt das?

Sie wollte da drauf. Sie rannte hin und wenn ich sie nicht festgehalten hätte, dann wäre sie unter die Räder gekommen.

Die Mutter starrte Zou Lei an.

Was hast du getan?, fragte sie Zou Lei. Zu dem Mädchen sagte sie, Hast du ihr einen Klaps gegeben?

Ich hab ihr einen Klaps aufs Bein gegeben.

Gib ihr auch noch einen von mir, ich schau zu. Nicht auf den Kopf, nur das Bein.

Das Mädchen schlug Zou Lei fest auf die verwaschene orangefarbene Hose.

Das muss aber mehr wehtun. Sonst macht ihr das überhaupt nichts aus.

Das Mädchen schlug Zou Lei hart auf das Gesäß. Sie stolperte zwei Schritte vorwärts, legte die Hand auf den Hintern, um sich zu schützen.

Mach das nie wieder!, sagte das Mädchen.

Hör auf sie!, sagte die Mutter.

Ich habe ihr erzählt, dass ihr Vater in der Steppe bei der Armee ist. Er war nicht auf dem Laster. Wenn er auf dem Laster gewesen wäre, dann wäre er heruntergekommen. Selbst wenn er im Dienst ist, hätte er seinen Offizier um Urlaub gebeten, damit er seine Familie sehen kann. Und selbst ohne Urlaub hätten sie ihn zumindest winken lassen, damit man ihn sieht. Zumindest das hätten sie ihm bei der Armee erlaubt, das Winken.

Die Mutter befeuchtete die Hände und fing an, den Teig zu einem Zopf zu drehen.

Warum spielst du nicht ein bisschen mit ihr? Oder sing etwas. Kannst du schon irgendwas singen?

Ich kann nicht singen, aber ein bisschen tanzen, sagte das Mädchen. Es bewegte die Hände, presste die Fingerspitzen aneinander, ließ die Gelenke kreisen, machte Wellenbewegungen mit den Händen.

Mehr kann ich nicht.

Sie versuchte, es Zou Lei beizubringen, aber die wollte nicht.

Spiel doch »Ich bin ein Wolf«, sagte Zou Lei.

Nachmittags, nachdem das Mädchen gegangen war, blieben sie alleine im Haus. Die Nudeln kochten, und Zou Leis Mutter ruhte sich auf den Teppichen aus. Zou Lei krabbelte zu ihr und spielte mit ihren Haaren. Die Mutter verscheuchte eine Fliege. Eine Zeit lang spielten sie Fantasiespiele, bei denen sie sich an den Händen hielten und die Mutter sagte, Wo ist das Brot und das Salz? Das ist in den Bergen. Das ist im Fluss. Das ist auf der Weide bei den Pferden.

Das Licht wurde gold-orange und die Hitze ließ nach. Ein weiterer Lastwagen ratterte vorbei und gemeinsam lauschten sie ihm hinterher. Ihre Mutter nahm die Nudeln heraus, damit sie abkühlen konnten, bevor sie sie mit einer grünen Paprika und einer Zwiebel aßen.

Die Schatten wurden länger, und durch die Lücken im Dach aus Treibholz konnte man den Himmel sehen. In der Türöffnung ging hinter den Bergen die Sonne unter, und die Strahlen legten sich auf die Gesichter, wanderten von Gipfel zu Gipfel und über die riesige blauschattige Wüstenschüssel.

Als ich noch Baumwolle gepflückt habe, hatten wir nichts als Suppe, sagte die Mutter. Das war vor dir. Dein Vater trug dich noch in seinem Federsäckchen herum. Er fragte, ob ich dich gerne haben wollte. Ich sagte Ja, und er gab dich mir. Komm her und nimm ein Stück – die Mutter hatte Pfirsiche, die sie an der Straße gepflückt hatte –, das müssen wir erst abwischen. Iss keinen Sand. Setz dich mal hierher. Er wird bald nach Hause kommen, so Gott will. Jetzt erzähl ich dir mal etwas Schönes. Ich will dir erzählen, warum du glücklich sein sollst. Willst du es hören? Also, hör zu.

Wusstest du, dass es einen Ort gibt, wo es besser ist als überall sonst? Also, ich erzähl dir davon. Erst mal, er ist da draußen, jenseits der ganzen Banditen und Wölfe. Es ist ein ziemlich langer Weg bis dahin, man muss mindestens drei Monate reiten oder sogar länger. Die Funktionäre erzählen niemandem davon, weil sie ihn für sich selbst haben wollen. Trotzdem wissen die Leute, dass es ihn gibt. Denn, hör mal, dort sind alle glücklich. Warum auch nicht, sie machen das ganze Leben nichts anderes als feiern und singen. Niemand muss auf etwas verzichten. Alle haben, was sie brauchen. Alle besitzen Schuhe, Kleidung, eine hübsche Mütze. Gottes Segen liegt auf diesem Ort in einem grünen Tal, das von Bergen und Flüssen geschützt wird. Die Herden grasen und die Trauben reifen in den Weinbergen, und im Sommer reiten sie hoch in den Lärchenwald, wo es kühl ist. Sie jagen, so viel sie wollen, und dann reiten sie zurück nach unten, wo die Sonne auf das grüne Gras scheint. Man muss nur die Hände ausstrecken und schon sind sie voller Brombeeren. Die Luft ist erfüllt vom Zwitschern der Finken in den Bäumen. Alle bekommen Joghurt, Sahne, Milch, Brot und Fleisch – so viel das Herz begehrt. Das Feuer singt, das Fett brutzelt und die Topfdeckel klappern. Eine ganze Ziege zu braten ist dort nichts Besonderes. Dazu muss man nicht reich sein. Jeder bekommt das, was er will. Man muss nichts anderes sagen als, Ich möchte Brot!, und schon hüpft das Brot aus dem Ofen. So geht das mit dem Essen dort.

Die Frauen sind so schön wie der Mond und so leuchtend wie die Sonne, wie es sprichwörtlich heißt – die Wangen rot wie Äpfel und die Stirn hell wie Milch. Arm in Arm gehen Schwester und Cousine Blumen pflücken, während die Männer ihnen sehnsüchtig hinterherblicken und sie wie Nachtigallen lachen hören. Die Männer können einfach nicht aufhören, sie anzuhimmeln und um sie zu werben. Ein Mädchen muss nur ihren Kamm fallen lassen und schon schlagen sich zwanzig Männer darum, ihn aufzuheben. Wenn sie gähnt, werfen die Männer Schatten für sie und rufen nach dem Wind, der Kühle bringen soll: Hierher, eine Brise! Und wenn sie fragt, wer die Kartoffeln für das Abendessen der Mutter schält, während sie ruht, werden die Männer sich mit dem Kartoffelschälen überschlagen.

Während des Essens erklingt Musik und es gibt Tanz und Gesänge, an denen sich alle erfreuen. Den ganzen Tag lang halten die Männer Wettkämpfe ab, Reiten, Laufen und Ringen. Gutes Aussehen und Mut können aus jedem dieser Männer einen Prinzen machen. Sie galoppieren hin und her über die Steppe, die Menschen stehen auf und jubeln wie aus einem Munde. Die Steppe ist erfüllt von ihrem Hurrageschrei. Stell dir diesen großartigen Klang aus Tausenden unserer Kehlen mal vor, wie er um die ganze Welt hallt. Überall an den grünen Berghängen lässt er gelbe und rote Mohnblumen erblühen und die Flüsse überlaufen von Bewunderung und von den schmelzenden Wassern der Schneegipfel.

Wenn ein Funktionär kommt und Steuern fordert, dann sagt man, Nächste Woche!, und er nimmt das für bare Münze und schreibt es so in sein Buch. Und wenn nicht, dann deutet man auf ein Haar auf dem Kopf und sagt, Nicht einmal das werde ich dir geben!, und er wird gehen und wissen, dass er seinen Meister gefunden hat. Die Tore der Gefängnisse werden aufspringen und die Gefangenen herauskommen und singen und danken und zurück zu ihren Familien gehen.

Im Dunkeln streichelte die Mutter Zou Leis Gesicht.

Bist du wach?

Sie war wach. Sie konnten die Sterne durch das Dach hindurch sehen, aber einander sehen konnten sie nicht. Nachts schienen die Teppiche verschwunden, der Boden, auf dem sie schliefen. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass sie an einem Abgrund lagen und es nicht schlau war, sich zu bewegen, bevor die Sonne aufging und die Erde zurückbrachte. Nachts wachte Zou Lei manchmal auf und begriff, dass das Haus leer war, und dann hörte sie etwas und sah, wie ein Streifen Nachthimmel leuchtete. Ihre Mutter kam wieder herein, war nach draußen gegangen, weil sie dachte, das Geräusch eines an der Straße haltenden Lastwagens gehört zu haben.

Sie erzählte Zou Lei die Geschichte eines Mädchens, dessen Vater von einer Hexe geholt worden war, und nur durch eine Reise gen Westen konnten sie wieder zusammenkommen. Zou Leis Mutter verstellte sich, redete mit den Händen, beschrieb die lange Nase der Hexe, die wie eine Wurst aussah. Draußen wirbelte ein Sandsturm Wolken auf. Am Morgen fegten sie den Teppich, schüttelten den Sand aus den Haaren und gingen hinab zum Wasserhahn, um sich die Füße zu waschen, bevor sie auf dem Teppich beteten, die Hände vor dem Gesicht, die Augen der Mutter geschlossen, die Lippen in Bewegung.

Die Mutter erzählte, dass Schlaumarie sieben Maulbeersamen nahm, je einen, um in den sieben Wüsten, die sie durchwandern musste, zu überleben. Im Dunkeln sah Zou Lei die steinigen Hügel, die Schluchten und Höhlen, Orte wie auf dem Mond, wo die Flüsse austrockneten, Buschland, das nie enden wollte, die goldene Wüste. Räuber fanden Gefallen an ihr. Es gab eine Wüste aus Glas und eine aus Eisen, die Mutter gestikulierte. Schlaumarie verschliss ihre Schuhe. Es wurde eine siebenjährige Reise. Die Samen waren verbraucht, in der Schafsblase war kein Wasser mehr. Die Eisenwüste zerfetzte ihre Fußsohlen, bis das hellrote Blut kam und auf dem heißen Eisen verdampfte. Aber voller Vertrauen in Gott ging sie weiter, bis die Sonne sie erblinden ließ. Dem Tode nah spannte sie die Schafsblase zwischen den Knien auf, schuf so eine Trommel, sang, Jetzt bin ich ein Geist. Sie trommelte sieben Tage lang. Ein Vogel kam aus dem ach so blauen Himmel herab und breitete seinen Schatten über sie. Solange sie sang, war er bei ihr, rannte wie mit Siebenmeilenstiefeln über die Steppe. Sie erreichten einen Fluss mit reinem blauen Wasser und sie sprang hinein und als sie herauskam, konnte sie wieder sehen, und sie blickte auf das Fergana-Tal.

 

Ihr Vater kehrte nach Hause zurück – keiner hatte ihn kommen sehen –, sie hörten seine Stimme vor der Tür, und da war er – es war kaum zu glauben. Er nahm sie auf den Arm und drückte sie. Mama ließ den Korb fallen, Herr im Himmel! Sie zog ihn ins Haus. Er roch nach Benzin. Ich werde dir etwas kochen. Dem Himmel sei Dank. Sie packte seine Arme, wischte sich mit den schmutzigen, sonnengebräunten Fingern durch die Augen.

Nicht weinen. Geht uns nicht schlecht. Schau!, grinste er, holte Lebensmittelmarken aus der Tasche seines Armeehemdes und gab sie der Mutter. Mehl, Öl, Kartoffeln – für uns, nicht wahr?

Er schleppte seinen Sack ins Haus und Zou Lei betrachtete die Muskeln an seinem Unterarm.

Sie wuschen seine Sachen im Graben neben der Plantage. Zou Lei und ihre Mama wrangen das Wasser aus seiner nassen, dunkelgrünen Uniform.

Die Mutter gab ihr ein Messer und eine Kartoffel zum Schälen.

So, sagte ihr sonnenverbrannter chinesischer Papa und zeigte ihr, wie man die Schale in einer einzigen langen Spirale abschälte. Ein Stück weiter weg grub er mit seinem Armeespaten ein Loch und schlachtete eine Ziege. Hol mir von Mama eine Schüssel. Er hängte das violette, gekalkte Fleisch so hoch wie möglich hinter das Haus – arbeitete ununterbrochen, sogar im Urlaub, eine Zigarette zwischen den Lippen, und das Salz trocknete auf seinem Hemd.

Es war Sommer am Rand der Taklamakan-Wüste. Die Nacht kühlte den Tee im Kessel. Tagsüber war der Himmel klar, was die fernen Berge mit den nie abschmelzenden Schneekappen näher erscheinen ließ. Die Geschwindigkeit, mit der alles verdunstete, ließ die Wüste weniger heiß erscheinen. Nachmittags saßen die Erwachsenen auf Holzhockern vor der Tür und tranken den Tee vom Vortag. Ein Wind kam auf, wirbelte Staubschleier hoch, die sich die Straße entlangbewegten wie verkleidete Riesen.

Zou Lei rannte vom Spielen nach Hause. Es geht richtig los!

Sieht so aus.

Ihr Vater nahm seinen Hocker. Komm. Sie gingen ins Haus und sie half ihm, die Tür zu schließen.

Ein echter Tunichtgut, der Sturm, sagte ihre Mutter und lachte.

Die Tür klapperte und ihr Vater schob einen Tisch davor, aber sie klapperte weiter. In der blautrüben Dämmerung peitschte der Sandsturm gegen das Haus. Sie zündeten die Laterne an und gingen zum Essen in eine Ecke des Hauses, durch die der Wind nicht fegte. Ihre Mutter brach das Brot in drei Stücke.

Iss, damit du groß und stark wirst.

Das Brot war warm. Zou Lei lehnte sich an den sonnengebräunten Arm ihres Vaters.

In der Armee sagen wir, Nie der Letzte sein. Den Letzten beißen die Hunde.

Bist du der Letzte?, fragte die Mutter ihn.

Ich? Nein. Was glaubst du denn.

Ich weiß nicht. Ich dachte nur an einen Ehemann, den die Hunde beißen.

Deine Mama denkt gern.

Ja, ich denke gern. Ich denke die ganze Zeit nach.

Ich denke nicht so viel nach.

Oh, du wärst auch der erste Mann, der nachdenkt.

Nein, ich befolge Befehle.

Oh, da bist du auch der Erste deiner Art!

Die Tür klapperte jetzt nicht mehr. Es wurde spät. Die Laterne leuchtete rot durch den herabhängenden Vorhang. Ihr Vater sah mit seinem Bürstenschnitt und den muskulösen Gliedern wie ein Tiger aus, erzählte ihnen von seiner Arbeit. In den Bergen war es öde und fremd, es gab einen kleinen Bergsee. Sein Regiment hatte Lager aufgeschlagen, dort, wo der Gelbe Fluss entspringt. Wir haben Gewehre, aber auch Spaten. Die Arbeit an der Pipeline ist wie Bergbau, und obwohl es gefährlich ist, sind wir mit dem Herzen dabei, weil wir wollen, dass es mit unserem Land vorangeht. Ein Kasache wollte ihm sein Pferd geben und damit einen Streit um den Viehbestand schlichten, aber ihr Vater war Soldat und konnte es nicht annehmen. Wir sind hier, um den Menschen zu dienen. Er weiß nicht, dass er zu uns gehört, aber das tut er. Alle gehören zum Volk. Dann kam er mit seiner Tochter in einem hübschen Kleid an, und alle Männer lachten, weil mir das peinlich war. War sie sehr schön?, fragte Zou Lei. Ihr Vater hob sie auf den Schoß und sie hörte seine Stimme tief aus der Brust. Die Mutter lag halb auf der Seite und hörte ihm zu, die Blumen auf ihrem Kleid wurden zu Vögeln des Teppichs, auf dem sie lag.

 

In klatschenden rosafarbenen Sandalen ging sie mit ihm joggen – bis er umdrehte und den Hügel hinab wieder zurücklief, er wollte ihr etwas beibringen. Das Land erstreckte sich weit über den Parkplatz hinaus, auf dem die Busse ankamen.

Ihr Vater balancierte auf den zwei parallelen Stangen, schwang die Beine, hielt sie gerade ausgestreckt, stemmte sich auf und ab. Sprang ab. Sie erinnerte sich an den Klang der Stiefel. Alles, was er tat, war einfach und richtig. Er klopfte die Hände ab und half ihr auf die Stangen.

Er hob sie hoch. Sein sonnenverbranntes Gesicht, der Bürstenhaarschnitt, der Zigarettenrauch, sein Schweiß, der von der Wüste getrocknet wurde – auf dem Brustbein ein Fleck aus weißen Salzkristallen. Eine ihrer rosafarbenen Sandalen fiel hinunter. Sie schaute nach unten auf ihren wippenden schmutzigen Fuß. Schau nicht nach unten, sagte er und griff nach ihr. Sie hatte Angst, aber mit seiner Hilfe konnte sie sich halten. Ihr Kopftuch fiel hinunter. Benutz deine Arme. Er hob sie hoch und runter – sie stemmte mit. Ha!, lachte sie. Du hast es geschafft. Er half ihr herunter. Sie klammerte sich an Papa, weil sie nicht mit dem nackten Fuß auf den heißen Beton kommen wollte. Er schob die Sandale auf den schmutzigen kleinen Fuß. Guter Soldat, sagte er. Dann nahm er ihr Kopftuch vom Boden.

Es geht voran, sagte er. Stück für Stück. Die Hände der Mutter waren mehlbestäubt, sie buk Brot in dem Lehmofen, den er ganz alleine vor dem Haus hochgezogen hatte.

Melonen, Pfirsiche, Äpfel, Mandeln, Datteln. Im Schatten warteten Uiguren, warteten auf Arbeit, warteten auf einen Schluck Wasser. Über den Dächern ragten die Minarette auf. Von der Fernstraße blies ein heißer Wind herüber. Zou Lei blinzelte. Sie hatte eine Plastiktüte mit Brot bei sich. Der Bus fuhr ein und die Staubwolke verzog sich. Von der Sonne verbrannte Frauen mit Kopftüchern kletterten heraus, das Geld in der Hand. Wie viel für Brot? Zou Lei ließ Teile eines Dollars in ihre Tasche gleiten.

Sie sah, wie rote Banner über die mittelalterliche Straße gespannt wurden. Die Armee fuhr durch den Ort, und die Kinder, die barfuß hinterherliefen, kamen wieder zurück, als sie fort war. Chinesische Kader mit Brille, Arbeitermütze und schwarzen Plastikschuhen nahmen mit hinter dem Rücken verschränkten Armen in der Wüste Haltung an und wurden von anderen Männern fotografiert, die genauso aussahen und überhaupt nicht wie ihr Vater; es war der Beweis dafür, dass sie hier gewesen waren, Erfolg gehabt hatten.

Aus den Lautsprechern erklangen Parolen, Bekämpft jeden Rückschritt!, gefolgt von Triumphmärschen. Sie sah zu, wie um Vieh gestritten wurde. Ein Mann schlug seinen Nachbarn nieder und warf ein Schaf auf einen Laster und die anderen Schafe sprangen blökend hinterher. Über der Straße hing der Geruch von Holzfeuern und Lammspießen. Ihr lief das Wasser im Munde zusammen. Beim Fußballspiel gingen die Sandalen kaputt und ihre Mutter schlug sie.

Russland ist in diese Richtung, zeigte ihr Vater an. Und hier sind die muslimischen Länder. In der anderen Richtung liegt China. Er zündete eine Zigarette an. Die russischen Soldaten sind gut, sie haben eine moderne Ausrüstung. Wir sind hier, um die Grenze vor den Russen zu schützen. Die Muslime sind rückständig. Sie geben keine guten Soldaten ab, weil sie zu eigensinnig sind. Mitten im Krieg beschließen sie vielleicht, nach Hause zu gehen und sich um ihre Herden zu kümmern. Amerika hat die beste Ausrüstung, ist das reichste Land. In Amerika hat ein Soldat ein Auto. Hier hat nur ein General ein Auto. Unsere Ausrüstung ist mittelmäßig und nicht besonders modern. Was wir haben, sind die vielen Menschen. Die Zustände verbessern sich nur langsam. Wenn man gewinnen will, muss alles im Gleichgewicht sein. Wie beim Ringen. Bin ich zu schwach, besiegst du mich. Bin ich zu stark, besiege ich mich selbst. Man muss die Mitte halten. Und China ist die Mitte. In dreißig, vierzig Jahren werden wir in der Lage sein, Amerika oder Russland zu besiegen.

Busse brachten Uiguren aus dem Westen und einige aus dem Fergana-Tal. Ein Friseur stellte einen Stuhl an den Straßenrand. Zou Lei beobachtete, wie die blanke Rasierklinge über die Hinterköpfe der Männer glitt, das Haar in Büscheln fiel und von einer aufkommenden Brise in den Rinnstein geweht wurde. Die Männer saßen im Kreis. Sie hoben die sonnengebräunten Arme und hielten ihr Münzen hin. Ihr seid aus dem Land, in dem Milch und Honig fließen, sagte Zou Lei. Sie trugen Mützen, waren bartlos, glotzten, aßen das Brot ihrer Mutter. Wer hat dir das erzählt? Wir pflücken Baumwolle in Fergana. Sie zwingen uns. Jetzt geh und sag das deiner Mutter.

Wie weit kannst du laufen, Papa?, fragte sie ihren Vater.

Rennen oder joggen?, sagte er. Das ist ein Unterschied.

Na ja, zu diesen Bergen.

Rennen nicht, aber du meinst, ob ich dahin zu Fuß gehen kann?

Kannst du das? Kann das irgendjemand?

Ich glaube schon. Mit Zielstrebigkeit, ja. Und genug Wasser.

Das Jahrzehnt endete und plötzlich waren die Straßen voller Menschen. Ihre Nachbarn verschwanden. Alani kam nicht mehr zur Schule. Fußball war jetzt fundamentalistisch, also spielten sie keinen Fußball mehr. Sie warfen Bälle in den Basketballkorb. Ihr Vater wurde einberufen und verließ sie.

***

Nimm das, sagte die Mutter und drückte ihr den Pilau in die Hände, damit sie ihn vor das Haus zu ihrer Kundschaft brachte.

In den Hintergassen versuchten die Jungs, einander im Ringkampf zu besiegen. Tyson, brüllten sie. Die Lehmziegel trugen arabische Graffiti. Ich bin Rambo!

Ein Mädchen bewarf sie mit Steinen. Deine Mutter ist mit einem dreckigen Schweinefresser verheiratet.

Aus Gilgit kamen Lastwagenfahrer und erzählten, was sie gesehen hatten. Sie bestellten kalte Nudeln und Bier. Ein Mann aus Karamay biss den Kronkorken mit den Zähnen ab. Schmuggler wurden dort geköpft. Opiumpaste, versteckt in Brotöfen. Meistens. Hier steckten sie einen nur in den Gulag, sonst nichts. Bandenmitglieder und Separatisten. Stell dir mal vor, fünf Jahre lang kein Wort reden zu dürfen. Hast du die Ölbohrungen in der Wüste nicht gesehen? Ich habe gesehen, wie die dort eine Röhre hingeschleppt haben, groß genug, um darin zu wohnen. Drumherum hat die Armee ihr Lager aufgeschlagen. Die haben da alles, was sie wollen. Mädchen aus den Dörfern. Es gibt ein Zelt für sie und einen Arzt, damit sie gesund bleiben.

Sie brachte ihnen mehr Bier nach draußen. Ein Sandsturm zog auf und sie gingen ins Haus und setzten sich auf die Teppiche. Sie verlangten Joghurt und Wodka. Sie riefen nach ihrer Mutter.

Wie alt ist sie?

Geh in die Küche und bleib dort.

Als sie eine Nachricht vom Regiment bekamen, warteten sie von 11:20 Uhr bis 14:40 Uhr in der Sonne. Das war die offizielle Ruhezeit für die Angestellten des Postamtes, in der die Chinesin und ihre Kolleginnen mit Käppis hinter einem vergitterten Schalter Teigtäschchen aßen, sich Luft zufächelten und plauderten. Ihre Mutter saß auf dem Kantstein und hielt den Kopf in den Händen. Als der Schalter öffnete, gingen sie hinein. Die Frau im Käppi sagte, die Nachricht bedeute, dass irgendein Mitglied des Regiments gestorben sei.

Aber es steht noch nicht mal ein Name drauf. Vielleicht ist er es nicht.

Vielleicht nicht. Es ist der Name von dem, den du im Regiment hast, kreischte die Frau. Wenn du jemand anderen im Regiment hast, dann ist es der.

Ihre Mutter schrie auf.

Die Benachrichtigung müsse gestempelt werden, wurde ihnen gesagt.

Wo bekomme ich den Stempel?

Die Frau riss ihr das Papier aus der Hand, knallte ihren Stempel drauf und nahm es an sich.

Warum gibst du es mir nicht zurück?, sagte die Mutter und heulte auf.

Was kannst du schon damit anfangen?

Aber ihre Mutter schlug gegen das Gitter und rüttelte an den Stäben, bis die Frau es ihr zurückgab. Auf der Straße sagte ihnen jemand, dass sie zu einem bestimmten Amt gehen mussten. Keiner sagte ihr, wie ihr Vater gestorben war. Die Busfahrt in die Provinzhauptstadt dauerte siebzehn Stunden. Dort fanden sie heraus, dass sie das Sterbegeld nur mit dieser Benachrichtigung bekamen, einen kleinen Stapel rosafarbener Geldscheine, die mit heroischen Profilen geschmückt waren, von denen einige zu ethnischen Minderheiten gehörten. Die Mutter rollte sie zusammen und steckte sie in den Strumpf, während Zou Lei den Kopf hängen ließ.

 

Inzwischen lebten sie in einer großen Stadt im Westen Chinas, die Fernfahrerkneipe vergessen, gescheitert, erfolglos, ihr Vater tot. Das Geld war schnell ausgegeben. Sie war fünfzehn, sie war sechzehn, sie war hungrig. Sie schrieb ihm. Sie schnitt sich die Haare wie er, der Erinnerung halber. Durch und durch ein Soldat. Keine Schule mehr. Keine Lebensmittelkarten mehr, wenn man sie nicht von Kindern kaufte, Waisen, die mit Haschisch dealten. Sie verkaufte Sachen auf einer Decke. Tonbandkassetten. Ein angelaufenes Horn von einer tadschikischen Hochzeit. Die Straße war von Lichtern gesäumt, damit der Markt auch nach Einbruch der Dunkelheit noch offen bleiben konnte. Man konnte die am Spieß gebratene Ziege von einem der Tische riechen. Es gab hier mehr Chinesen. Magst du Disco? Sie spielte Fußball, wann immer es ging. Clinton war Präsident der USA. Auf einem Müllacker hinter dem Markt hob sie ein abgebrochenes Messer auf und warf es soweit sie konnte.

 

Sie war siebzehn, von der Sonne verbrannt, die Wangen rot und die Gesichtshaut schälte sich. Sie waren alle von der Sonne verbrannt, spielten Fußball am äußersten Ende der Straße der Befreiung und ihre ausrangierte Armeekleidung war voller Staub. Tariq hatte den Ball und sie rannte in einem weiten Bogen auf ihn zu, als würde sie an einem sehr dünnen Seil hängen. Er schoss und sie schlug einen Haken, um den Ball zu erreichen. Sie war immer in Bewegung. Ihr Ellbogen landete in einem Gesicht und sie und der Junge kämpften um den Ball wie zwei ineinander verkeilte Gottesanbeterinnen. Unter der reinigenden, strahlenden Sonne der späten Wintertage. Alles roch nach Leder, leicht säuerlich, Holzkohlestaub und Dung. Hier war die Stadt zu Ende. Die Mauer war vierhundert Jahre alt und dahinter lag die Wüste.

Im schmalen Schatten eines Wacholderstrauchs saß eine verwahrloste Frau, ihr Baby auf dem Bordstein, ein winziger schmutziger Junge, der mit den Fingern zwischen den zerbröckelnden Sechskantsteinen grub und versuchte, einen davon hochzuheben, um einen Skorpion zu finden.

Die Straße begann im Nirgendwo, draußen in der Wüste, und war so breit, dass die Lastwagen vierspurig auf ihr fahren konnten. Jetzt dribbelte sie mit einem Ball darauf herum. Es wurde gebaut oder abgerissen und die Steine lagen in großen Haufen herum, riesige Stücke Beton, aus denen Eisenskelette herausragten, der Erde gezogene Zähne, ausgegraben im Dunst. An den Rändern bröckelte die Straße. Ein Highway führte darüber hinweg, ragte halb in den Himmel hinein. Ein riesiger Graben war mit Reifen gefüllt, zwischen denen ein Mann herumkletterte und das Profil begutachtete.

Es gab große, kahle Flächen, die sich bis zum geschäftigen Teil der Stadt hinzogen, dem Rummel gelb-brauner Busse, wo der Tunnel endete, die Straßenschilder in Uigur und Chinesisch. Migranten, die Arbeit suchten und schliefen, wo immer sie Schatten fanden. Zwischen den alten Lehmziegelhäusern stand das Gebäude für öffentliche Sicherheit, das gleichzeitig als Gefängnis diente und komplett gekachelt war, wie ein nach außen gedrehtes Badezimmer. Die Sonne funkelte von der Spitze des Minaretts einer Moschee, die die Baustellen überragte. Die Kuppel lag tiefer, aber man konnte sie erahnen, eine aufsteigende Blase.

Der nächste Umzug stand bevor, dieses Mal ins Binnenland, weil die Fabriken in Shenzhen immer Wanderarbeiter brauchten. Für die Uigurinnen gab es einen besonderen Anreiz. Sie würden auf eine Fruchtsaftplantage kommen, hieß es, aber nichts war so wie versprochen. Die Luftfeuchtigkeit der Ländereien südlich des Jangtse, wo nichts als Reis angebaut wurde, ließ sie erahnen, dass sie einen Fehler gemacht hatten. Eine Hitze, so anders als die der Wüste, an die sie gewöhnt waren. Überall Dunstschleier, kein Horizont, die öden Felder verschwammen in den Himmel hinein. In der Fabrik wurden Produkte aus Polyethylen hergestellt, ohne jede Sicherheitskleidung, von einem Mundschutz ganz zu schweigen. Und wenn man den Kopf hob, dann sorgte der taiwanesische Boss schon dafür, dass man ihn wieder senkte. Er musste einen auch nicht bezahlen. Man merkte, dass man ein illegaler Migrant im eigenen Land war. So groß war China.