Wanja und die wilden Hunde - Maike Maja Nowak - E-Book
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Wanja und die wilden Hunde E-Book

Maike Maja Nowak

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  • Herausgeber: Mosaik
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Außergewöhnliche Lektüre für alle, die mehr verstehen wollen von Hunden und Menschen

Das russische Dorf Lipowka, benannt nach den Linden, die hier überall stehen, kann man nur auf dem Wasser erreichen – auf einer Bootsfahrt durch den Wald. Abgeschnitten von der Welt lebt Maja dort mit den Bauern ein einfaches Leben – an ihrer Seite der wilde Hund Wanja. In wunderbaren Bildern und Geschichten erzählt sie vom Leben in einer Welt, in der die Zeit stillzustehen scheint, in der Mensch und Tier sich gegenseitig helfen zu überleben. Nach und nach kommen weitere Hunde dazu, Wanja führt das Rudel – und Maja beobachtet und beginnt immer mehr, sich einzufühlen. Die „Natur des Hundes“ wird dabei ganz anders und neu definiert. Ein spannendes Buch, das die Einfachheit und Natürlichkeit einer anderen Lebenswelt erfahrbar macht.

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Seitenzahl: 361

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Maike Maja Nowak

Wanja

und die wilden Hunde

Mein Leben in fünf Jahreszeiten

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.Originalausgabe Februar 2012© Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenCovergestaltung: Eisele Grafik DesignCoverfotos: knut koops photography, BerlinRedaktion: Manuela KnetschSatz: Uhl + Massopust, AalenMK · Herstellung ICH ISBN 978-3-641-06900-1V004

www.mosaik-goldmann.de

Für Viktor

und meine russischen Hunde

Vorwort

Dies sollte ein Buch werden über ein Rudel von zehn russischen Hunden und wie diese – mit nur geringem menschlichem Einfluss auf ihr Verhalten – ihrer Natur entsprechend zusammenlebten.

Ein Buch über sechsundachtzig russische Bauern, die im hohen Alter und abgeschnitten vom Rest der Welt in einem Dorf wohnen – und welche Formen sie fanden, um dort gemeinsam zu überleben.

Ich wollte das Buch mit leichter Hand schreiben, so leicht, wie meine Erinnerungen an das Hunderudel und das russische Dorf gewesen waren, die ich seit vielen Jahren in mir getragen und bei Bedarf hervorgeholt hatte wie eine Sauerstoffmaske bei Smog.

Als ich zu schreiben begann, mit leichter Hand und großer Freude, begegneten mir plötzlich Gespenster, mit denen ich nicht (mehr) gerechnet hatte. Ich schob sie beiseite, denn meiner Meinung nach gehörten sie nicht in ein Buch über Hunde und Bauern.

Doch sie kamen wieder.

Ich vermutete, ihr Auftauchen hinge mit meinem Umzug in ein Haus am Waldrand zusammen und damit, dass ich mich noch fremd fühlte an diesem Ort.

Ich kaufte mir für den Garten eine kleine mongolische Jurte aus Filz, die wunderbar nach Schafwolle roch und in der mich wieder jenes Gefühl von Einfachheit und Natürlichkeit überkam, das mich an den Schauplatz des Buches erinnerte. Tatsächlich gelang es mir in dieser »Höhle« mit dem Schreiben fortzufahren.

Dann begann es zu regnen. Tage. Wochen. Die Jurte faulte. Meine Schreibhöhle stank und musste abgebaut werden. Ich fühlte mich obdachlos – auf emotionaler Ebene. Ich versuchte, in meinem neuen Haus weiterzuschreiben. Die Gespenster kamen verstärkt zu Besuch. Erinnerungsfetzen. Bilder. Gefühle, die mich wie aus dem Nichts überfielen.

Nach zwei Wochen begann ich, die inzwischen getrocknete Jurte wieder aufzubauen. Kurze Zeit später lebten Fliegenvölker darin, die ihre Eier im Filz ablegten. Ich sprühte meine Höhle mit Gift ein. Nach einer Woche wagte ich es wieder, die Jurte zu betreten, und schrieb weiter.

Ein Unglücksfall geschah. Ein Unglücksfall mit Todesfolge.

Der Verlust meines Gefährten sprengte etwas in mir. Meine Fassade, mein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle, gingen zu Bruch. Erst jetzt begann ich, MEIN Buch zu schreiben. Die Gespenster, die mich aufsuchten, fanden nun Platz darin. Als ich anfing, ihnen die Hand zu reichen, wurden sie freundlicher und ließen auch alles andere mit in das Buch hinein – Unbeschwertheit, Freude, Fülle, Humor und Liebe. So ist es nun nicht nur eine Geschichte über Hunde und Bauern geworden, sondern auch ein Buch darüber, wie diese mich zurück ins Leben brachten.

Das Buch ist aufgebaut nach fünf Jahreszeiten. Ich habe mich dafür entschieden, weil mein ganzes Leben nach diesem Muster verlief. Immer wieder begann, lebte, verging und endete etwas, um Neuem Platz zu machen, das überhaupt erst auf dem Boden des Alten entstehen konnte. Es wäre mir ganz unmöglich gewesen, mit einem Winter zu enden, denn nur der Glaube an die Wiederkehr des Frühlings lässt mich leben.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Eintauchen in eine Einfachheit, die das Kostbarste war, was ich in meinem Leben erfahren durfte.

Ihre Maike Maja Nowak

Prolog – Wie ich nach Lipowka kam

Für viele Menschen in Ostdeutschland und Russland diente das Genre des Liedermachens dem emotionalen und geistigen Überleben. Die Säle waren voll, und oft musste ich Doppelvorstellungen geben, weil niemand ohne Karten nach Hause ging.

Meine Zeit als Liedermacherin begann 1981 mit den »Kieselsteinen«, meiner ersten Gruppe, setzte sich fort in einem Duoprogramm mit Norbert Bischoff und dann in Soloprogrammen, bei denen ich von dem Pianisten Rolf Hammermüller begleitet wurde oder mich selbst auf der Gitarre begleitete. Nach der Wende gab es ein letztes Aufleben mit meiner Gruppe »Herzsprünge«. Als wir darüber zu sprechen begannen, was dem Publikum gefallen könnte (in der Hoffnung, wir könnten so dem einsetzenden Publikumsschwund entgegenwirken), wusste ich, dass es vorbei war. In diesem Beruf war es für mich immer darum gegangen, Menschen einen ganz neuen Blickwinkel auf bekannte Dinge anzubieten, und nicht darum, mir zu überlegen, was ihnen gefallen könnte.

Durch die Belanglosigkeit des Überflusses, der plötzlich herrschte, und das Ausbleiben neuer Herausforderungen gelangte ich 1990 schließlich an einen emotionalen Tiefpunkt.

In dieser Phase meines Lebens erzählte mir eine Bekannte von zwei Russinnen, die ein außergewöhnliches Konzert geben sollten. So beschloss ich, zu diesem Konzert zu gehen, nicht ahnend, dass dieser Abend mein Leben verändern würde.

Die Namen der Dichter, deren Texte die Künstlerinnen Vera Ewuschkina und Lena Frolowa vertont hatten, waren mir allesamt bekannt: Anna Achmatowa, Ossip Mandelstam und Boris Pasternak. Allein einen Namen, der an diesem Abend immer wieder gefallen war, konnte ich nicht zuordnen: Marina Zwetajewa.

Später sollte ich erfahren, dass auch Vera und Lena erst einige Jahre zuvor in Berührung mit dieser Dichterin gekommen waren, die sowohl unter Stalin als auch unter dem kommunistischen Regime »nicht erwünscht« gewesen war. Erst mit Gorbatschow hatte Zwetajewa die Würdigung und Anerkennung erfahren, die ihr für ihre große sprachliche Begabung und ihre mutig gewählten Themen zustanden.

Seitdem lieben die Russen Zwetajewa mit einer Hingabe, die ich in Deutschland im Zusammenhang mit einem Dichter so nicht kenne. Zu Beginn meines Aufenthaltes in Moskau stand einmal im Bus ein russischer Arbeiter in blauem Overall auf und rezitierte ein Gedicht von ihr, woraufhin die Mitfahrenden begeistert applaudierten. Um fünf Uhr morgens wurden in Moskauer Radiosendern Gedichte rezitiert, abends im Fernsehen ebenso. Man stelle sich so etwas in der deutschen Medienlandschaft vor! Auch bei Zusammenkünften unter Freunden durfte das Rezitieren von Gedichten nie fehlen. Gedichte waren zu dieser Zeit in Russland noch »Brot für die Seele«.

In der Nacht nach dem Konzert der beiden russischen Künstlerinnen entdeckte ich zu Hause in meinem Fach für ungelesene Bücher einen Gedichtband von Marina Zwetajewa – in der deutschen Übersetzung von Elke Erb. Dunkel erinnerte ich mich, dass mir Ende der Achtzigerjahre mein damaliger Lebensgefährte dieses Buch mit den Worten geschenkt hatte: »Ich glaube, ihr seid euch ähnlich.« Nun stand ich auf meiner kleinen Lesetreppe und begann in den deutschen Nachdichtungen zu blättern.

Ich weiß nicht, wann ich mich auf die Treppe setzte. Morgens um 4:30 Uhr hörte ich die Vögel zwitschern. Ich hatte das Buch ausgelesen und ein emotionales Zuhause gefunden.

Zwetajewa gab mir die Worte, die ich in meiner damaligen Lebenssituation niemals gefunden hätte. Das künstlerische Wort unterscheidet sich von Tagebucheinträgen ja gerade durch seine besondere Reflexion. Dazu braucht es Abstand.

Mit der westdeutschen Mentalität verband mich bis zu diesem Zeitpunkt nichts, einfach deswegen, weil ich im Osten aufgewachsen war und immer dort gelebt hatte. Während meine neue Westberliner Freundin Anna ihre Ansichten und ihre Art zu leben behalten konnte, musste ich – wie jeder Ostdeutsche – erst ein Gefühl für das Neue, mir Unvertraute entwickeln und mein altes Leben irgendwie mit diesem vereinen. Eine künstlerische Sicht auf das Neue wäre mir deshalb in keiner Weise möglich gewesen, mir mangelte es einfach an der dazu nötigen Distanz. Ich war eine Liedermacherin, der plötzlich die Worte fehlten. Zwetajewa jedoch hatte sie. Ihre nuancierte Form der Trauer, die nie ins Selbstmitleid abgleitet, ihre Kraft zu lieben, ihr Ausdruck von Schmerz, ihr Aufbegehren, ihr Mut und ihre Unbestechlichkeit halfen mir.

Noch am selben Morgen setzte ich mich mit meiner Gitarre vor ein kleines Aufnahmegerät und vertonte eines ihrer Gedichte, das mir sofort nahegegangen war:

Du kannst die Glut der Sonne schwächen,

Lässt mich in deiner Hand Sterne sehn!

Ach, plötzlich bei dir einzubrechen,

Ein Windstoß, wenn die Türen offen stehn!

Um stammelnd meine Scheu zu zeigen,

Um hilfesuchend zu erröten: sieh!

Um aufzuschluchzen und zu schweigen,

Wie in der Kindheit, als man mir verzieh.1

(2. Juli 1916)

Um 6:30 Uhr stand ich mit meinem fertigen Lied vor der Tür des Mannes, der mir das Buch geschenkt hatte und mit dem mich noch immer eine tiefe Freundschaft verband. Als Nachtmensch und Langschläfer augenscheinlich nicht sehr glücklich über die frühe Störung, öffnete er mir die Tür.

»Ich habe Zwetajewa entdeckt!«, rief ich voll Adrenalin.

Er wuschelte sich durch die Haare und sagte gähnend: »Das wird ja auch Zeit.«

Einen Tag später beschloss ich, Russisch zu lernen, um Zwetajewa im Original vertonen zu können. Mein Schulrussisch lag zu diesem Zeitpunkt bereits sechzehn Jahre zurück, und ich konnte mich an gerade einmal fünf Vokabeln erinnern – »Guten Tag«, »Auf Wiedersehen«, »Ferien«, »Bitte«, »Danke«. Es blieben drei Wege: Theorie-Russisch an der Volkshochschule, Theorie-Intensivkurs in einer Sprachenschule oder Praxis-Russisch in Russland.

Eine Woche später ging ich nach Russland.

Der Mann, der mir das Buch einst schenkte, hatte mir den Kontakt zu seinen besten Freunden in Moskau gegeben. Diese besorgten mir eine Neubauwohnung zur Miete (in Dollar) am Prjeobrazhenskaja plostshad’. Wie ich später erfuhr, heißt dies übersetzt »Platz der Verklärung«. Ich bin noch heute erstaunt, wie gut mein damaliger Zustand zum Namen dieses Ortes passte. So blickte ich nach meiner Ankunft im Winter 1990 auf einen tiefverschneiten Platz vor meinem Fenster im zwölften Stock und sah Kindern beim Rodeln von einem kleinen Hügel zu. Mich durchfuhr ein seltsam erregendes Gefühl des Fremdseins. Vielleicht fühlen Kinder so, wenn ihnen die Bezeichnung für etwas noch fehlt.

Stellen Sie sich vor, Sie sehen einen Gegenstand, können ihn aber nicht benennen. Sie werden ihn genau betrachten. Seine Farbe. Seine Form. Sein Material. Seine Besonderheit. Sobald Sie aber seinen Namen und seine Funktion erfahren, ist dieser unverbrauchte Blick verschwunden.

Da auch mir die russischen Begriffe für »Kinder«, »Schnee«, »Straße«, »Bäume«, »Hügel«, »Schlitten«, »Freudenschreie« fehlten, hatte ich das Gefühl, etwas ganz Neues zu erleben.

Ich traf Vera wieder, die Künstlerin, auf deren Konzert ich in Berlin gewesen war. Sie sollte in Russland der wichtigste Mensch für mich werden. Nach kurzer Zeit stellte Vera mich ihrer Freundin Elena (Lena) Kamburowa vor, der damals beliebtesten Sängerin Russlands. Lena wiederum war befreundet mit Bulat Okudschawa (gest. 1997), zu diesem Zeitpunkt der bekannteste Liedermacher Russlands. Über diese Künstler – Vera, Lena und Bulat – fand ich nun schnell Zugang zur Bühne.

Sie unterstützten meine ersten Vertonungen der Originalgedichte Zwetajewas. Ein Dolmetscher übersetzte sie mir nicht nur Wort für Wort, sondern klärte mich auch über die poetische Bedeutung der Begriffe auf, die im Russischen häufig eine andere ist als im Deutschen. So verwendet Zwetajewa das Wort Schnee sehr oft, um Unberührtheit oder einen Neuanfang zu kennzeichnen, während es im Deutschen eher mit (Gefühls-)Kälte assoziiert wird.

Ich begann, Zwetajewas Poesie in Musik zu kleiden wie eine Architektin, die Statik, Schönheit, Verwendung, Zusammenhänge und Lebensgefühl vereinen muss. Zwetajewa war selbst bereits eine Musikerin mit Worten gewesen. Der Klang ihrer Gedichte ist so selbstverständlich vorgegeben, dass ich die Harmonien auf der Gitarre und meinen Gesang nur noch darüberlegen musste wie einen Mantel.

In ihrem Gedicht »Rasluka« (»Abschied«) zum Beispiel, in dem der Abschied wie eine Person vor ihr auftaucht, beginnt sie mit langsamen, ruhigen Versen und Tönen. Von Strophe zu Strophe schleichen sich kürzere, dumpfere, schärfere Laute ein, zum Schluss eskaliert das Ganze in einem Dauerzischen von Worten und geht in einem Schluchzen unter, als Zwetajewa begreift, dass dieser Abschied nicht vor ihr steht, sondern in ihr selbst ist. Der Begriff Rasluka hämmert zwischen den Worten einen Rhythmus, der sich immer mehr verdichtet. Dieses Gedicht lässt mir bis heute das Mark gefrieren und das Herz brennen.

Ich begann auch, Zwetajewas Leben zu studieren. Ich reiste an Orte, an denen sie einmal gewohnt hatte, besuchte immer wieder das Zwetajewa-Museum in Moskau und verschlang Literatur über sie.

Vor meinem ersten Konzert in Russland hatte ich einen Traum: Während ich singe, entdecke ich plötzlich Zwetajewa mit verschränkten Armen im Publikum. Ich starre sie an wie das Kaninchen die Schlange und rechne mit dem Schlimmsten. Zwetajewa senkt mit sehr ernstem Blick den Kopf und nickt dreimal bedächtig. Ihre Arme bleiben dabei verschränkt.

Ich erzählte Vera von dem Traum. Sie schlug mir mit der Hand begeistert auf die Schulter und rief: »Wenn Zwetajewa genickt hat, dann wird dein Konzert gut.«

Obwohl ich eine ungläubige Ostdeutsche war, sollte sie recht behalten. Die russischen Konzertbesucher billigten meine Form, mit ihrer Dichterin umzugehen. Von nun an gab ich Konzerte in Russland. Zwischendurch bat Vera mich regelmäßig, doch einmal mit ihr in ein Dorf zu kommen, das nach ihren Worten ihr »Wunschzuhause« darstellte. Sie hatte auf abenteuerlichen Wegen dorthin gefunden und drei Jahre zuvor ein Haus in dem Dorf gekauft. »Meine Familie lebt dort«, sagte sie vorwurfsvoll, als ich wieder einmal ablehnte.

Vera ist ein Waisenkind und bei ihrer Großmutter aufgewachsen, die starb, als Vera sechs Jahre alt war. Die Babuschkas (Großmütter) des neuen Dorfes seien nun Familienersatz für sie. Und es lebten, wie sie mir erzählte, bis auf ein paar wenige Djeduschkas (Großväter), nur Großmütter im Dorf, das insgesamt sechsundachtzig Einwohner zählt.

Eine Strategie von Vera bestand darin, mir immer wieder Fotos des Dorfes zu präsentieren. Dass diese gut gemeinte Methode bei mir genau den gegenteiligen Effekt hervorrief, entging ihr vollkommen. »Das ist mein Haus«, sagte sie und zeigte mir eine winzige Blockhütte. »Ein Zimmer«, fügte sie stolz hinzu, was mich erheiterte, denn ein Haus mit weniger als einem Zimmer habe ich noch nie gesehen.

Ich schwankte zwischen Rührung und Panik vor dem, was mir eventuell bevorstand. Veras Stolz und die Liebe, mit der sie von diesem Dorf sprach, sowie ihre Zuneigung zu den Großmüttern bewegten und befremdeten mich zugleich. Ich liebte einen Ort weder so sehr, dass ich in dieser Weise von ihm sprechen konnte, noch hatte ich je eine Großmutter um mich gehabt. Alte Menschen kannte ich nur vom Sehen, Berührungen mit ihnen waren mir nicht vertraut. Für mich war Veras Dorf vor allem ein Ort mit Menschen, von denen der jüngste fünfundsechzig und der älteste hundertdrei Jahre alt war, wie sie mir erzählt hatte. Ein Dorf, von dem ich den Rückweg nach Moskau allein niemals finden würde, wenn ich von dort wieder wegwollte. Und ich spürte bereits jetzt einen starken Fluchtinstinkt.

Die alten Frauen auf den Fotos blickten ernst in die Kamera. Sie hatten die Arme vor der Brust verschränkt und ihre Gesichter glichen Gesetzbüchern. Jede Falte war ein mir unbekannter Paragraph. In den Zäunen um die Häuser war alles verbaut, was seinen Zweck erfüllte – Eisengitter, Stöcke, Latten und Bretter. Die Holzhäuser standen schief in der Landschaft wie sinkende Schiffe. Offenbar waren sie den Gezeiten des Sandbodens ausgeliefert.

Auf einem anderen Foto versuchte ein rotnasiger Djeduschka, auf dem Bock eines Pferdefuhrwerks die Balance zu halten. Mit einer Hand hielt er sich am Wagen fest, mit der anderen schlug er mit den Zügeln auf ein klapperdürres schwarzes Pferd ein. Das Fuhrwerk hatte Holzräder und war damit tief in den Sand eingesunken.

Ich war ratlos. Was sollte ich an einem solchen Ort? Ich, eine bewegte Leipziger Stadtpflanze. Eine quirlige Wahl-Berlinerin. Eine betriebsame Moskau-Erforscherin. In der Stille. Mit alten Menschen. Ohne »was los« drumherum.

Ich hatte Angst.

»Zehn Tage«, sagte Vera. »Mindestens zehn Tage, sonst lohnt es sich nicht.«

Als ich mich unserer Freundschaft zuliebe geschlagen gab, wurde es einfacher. »Zehn Tage gehen vorbei«, sprach ich mir Mut zu. »Mit meinen neunundzwanzig Jahren werde ich es als eine Art Lebenserfahrung nehmen.«

»Sterben werde ich sicher nicht«, lautete ein Satz, der ebenfalls Trost spendete.

An einem heißen Augusttag kauft Vera auf einem Rynok (Markt) Konfekt, Taschenlampen und Rasierer, Konserven, Kaffee, Kerzen und allerlei mehr. Mein Rucksack ist klein. Ich schnalle ihn mir vor die Brust. Auf dem Rücken habe ich ebenfalls eine Art Rucksack. Vera bat mich, die riesige unförmige Kugel zu tragen, sie gleicht derjenigen auf ihrem eigenen Rücken.

Mein Russisch ist zu dieser Zeit noch zu schlecht, um bereits alles verstehen zu können, aber zu gut, um nicht fatalerweise oft zu denken, ich hätte alles verstanden. So fühle ich mich nun von Veras Worten »Zug«, »Fluss«, »Dorf«, »Wald« und »nicht weit weg« bereits ausreichend informiert. Meiner Meinung nach fahren wir auf Veras Datscha in einen Vorort von Moskau. Dort erwartet uns das Dorf, das an einem Fluss am Waldrand liegt. Wenngleich sich diese Beschreibung für mich nach viel zu viel Natur anhört (ich atme ja sonst nur Bühnenluft und Zigarettenrauch), schwimme ich doch sehr gern und bin daher zumindest über die Existenz des Flusses froh.

Um 18 Uhr steigen wir in den Zug. Die Endstation sei weit entfernt, und so gebe es im Zug nur Liegeplätze, wie Vera mir erklärt. Wir reisen in einem offenen Liegewagen mit weiteren vierzig Reisenden. Ich deponiere meine Rucksackkugel auf der unteren Pritsche, dann hieven wir gemeinsam Veras Kugel in ein Regal über der oberen Pritsche. Vera ruft mir im Weggehen noch etwas zu, aber ich verstehe es nicht. Ich setze mich auf die untere Pritsche und behalte meinen kleinen Rucksack auf dem Schoß.

Nach kurzer Zeit kehrt Vera zurück, sie trägt Bettwäsche über dem Arm. Meine Augen weiten sich.

»Wofür?«, frage ich – vage hoffend, Vera möge mit ihrer Antwort meine Befürchtungen zerstreuen.

Stattdessen holt sie von der oberen Pritsche eine zusammengerollte Matratze, eine Decke und ein Kissen herunter. »Zum Schlafen«, sagt sie und gibt mir Bettwäsche.

»Aber wie weit ist es denn?«

»Nicht weit«, wiederholt sie noch einmal ihre frühere Aussage. »Wir sind bereits morgen früh um 5 Uhr da.«

Verdrossen und vor allem auch ängstlich, wo ich landen werde, beziehe ich mein Bett. Um uns herum wird zu Abend gegessen, es herrscht eine entspannte Stimmung, und nachdem der Nachbar uns Wodka angeboten hat, beginne ich mich in mein Schicksal zu fügen.

Plötzlich geht das Zugradio aus, und das Licht wird gelöscht.

»Oh, schon 22 Uhr«, sagt Vera.

»Was heißt das?«, frage ich.

»Wir haben kein Licht mehr«, antwortet sie.

»Aber wir müssen das Licht noch einmal anmachen, ich muss meine Kontaktlinsen herausnehmen.« Ich gerate in Panik. Meine Linsen sind nach jahrzehntelangem Brilletragen meine einzige kostbare Errungenschaft aus dem westlichen Deutschland. Ich hüte sie wie meinen Augapfel, denn in gewisser Weise sind sie ja genau das. Ich bin im Einsetzen und Herausnehmen jedoch noch so ungeübt, dass ich es – wenn weder die Linsen noch ich selbst Schaden nehmen sollen – nur vor einem Spiegel kann.

»Hier geht jetzt kein Licht mehr an«, sagt Vera. Tatsächlich findet sich nicht einmal eine kleine Leselampe. »Du kannst auf die Toilette gehen«, kommt ihr dann der rettende Einfall.

Vor der Toilette steht eine Schlange von ungefähr zehn Menschen. Viele von ihnen haben ein Zughandtuch um den Nacken gelegt und halten Zahnputzzeug in der Hand. Der Zug schlingert im Gleisbett hin und her und mit ihm unsere Schlange, die abwechselnd von einer Wandseite des Ganges auf die andere geworfen wird.

Als die Frau vor mir wieder aus der Toilette kommt, gehe ich hinein. Ich versuche instinktiv, nur den Vorderteil meiner Schuhe mit dem in Berührung zu bringen, was dort auf dem Boden schwimmt. Über dem Spiegel brennt eine Funzel, die zwar den nassen Untergrund sehr angenehm im Halbdunkel lässt, aber auch mein Vorhaben erschwert.

Ich starre in den milchigen Spiegel, konzentriere mich, ziehe mit einer Hand das untere und mit der anderen das obere Lid vom Augapfel und will mit zwei Fingern vorsichtig die Linse greifen, als ich von einem Schlingern des Zuges zur Seite geworfen werde und mich gerade noch abfangen kann. Meine Schuhe berühren jetzt ganzflächig den Boden … Nach mehreren erfolglosen Versuchen gelingt es mir endlich, die Linse herauszunehmen und in ihren Behälter zu legen. Ich atme tief aus.

Es klopft.

»Minutotschku« (»eine Minute«), rufe ich, erschrocken darüber, wie lange ich offenbar schon den Verkehr aufhalte. Ich greife an mein anderes Auge, werde zur Seite geschleudert und spüre, wie die bereits erfasste Linse im letzten Moment zwischen meinen Fingern davonspringt.

Ins Niemandsland.

Ich sehe mit -8,0 Dioptrien nur noch große, nahe Dinge. Keine Details.

Es klopft mehrfach. Ich gerate in Panik.

»Minutotschku!«, rufe ich mit einem Flehen in der Stimme und bekomme einen Schweißausbruch. In meiner jetzigen Situation könnte ich nicht einmal zu meinem Platz zurückfinden. Ich muss die erste Linse wieder einsetzen, um die zweite zu suchen.

Es hämmert gegen die Tür. »Otkryvai! Dezhurnaja!« (»Aufmachen! Hier ist die Verantwortliche!«) In jedem Waggon gibt es eine zuständige Zugbegleiterin.

»Linza, Linza upala!!!« (»Linse, Linse heruntergefallen!!!«), rufe ich verzweifelt durch die Tür. Wie durch ein Wunder gelingt es mir, die erste Linse wieder auf das rechte Auge zu setzen. Mein Blick schweift eilig umher, um die verlorene Linse zu finden. Meine Hoffnung, dass sie im Waschbecken gelandet ist, erfüllt sich nicht.

Der Türverschluss dreht sich, und die Tür geht auf.

Ich stemme mich erschrocken dagegen und rufe, den Tritt fremder Füße auf meine Linse befürchtend: »Stopp! Linza! Stopp kaputt!«

Von der anderen Seite schiebt die Zugbegleiterin und sagt jetzt sehr energisch: »Davai otkryvai!« (»Sofort öffnen!«)

Ich gebe auf. Eine kräftige Uniformierte schiebt sich in die Toilette und schaut sich mit fragendem Blick um.

Ich deute verzweifelt auf den Boden und sage noch einmal in meinem Kinderrussisch: »Stopp! Linza! Stopp kaputt!«

Reisende stecken interessiert den Kopf herein. 1991 zählen Kontaktlinsen noch nicht zu den Dingen, die man in Russland kennen muss.

Ein junger Mann springt mir rettend zur Seite. Er scheint der Einzige zu sein, der versteht, worum es geht. Er formt mit Daumen und Zeigefinger einen kleinen Kreis und hält ihn sich ans Auge. Ich nicke heftig und rufe, »Da, da, da!« (»Ja, ja, ja!«) und zeige nach unten. Der junge Mann erklärt der Zugbegleiterin und den Reisenden, was eine Kontaktlinse ist. Er sagt, ich habe quasi meine »Brille« verloren, ein Glas, das ins Auge passe, wie er es plastisch beschreibt, woraufhin die Uniformierte sofort auf Zehenspitzen die Toilette verlässt und gemeinsam mit den Reisenden mit großen Augen auf die Entdeckung des unbekannten Dinges wartet.

Der junge Mann beugt sich vom Gang aus über den Boden des Toilettenraumes und zeigt mir alles, was ungefähr die Größe einer Linse hat. Im elften Gegenstand, bei dem ich zunächst verneine, erkenne ich plötzlich meine Linse, die sich farblich und von ihrer Dicke sehr verändert hat. Ich hebe sie hoch und verkünde den gespannt wartenden Zuschauern: »Das ist sie.« Ihre irritierten und leicht angewiderten Blicke zeigen deutlich, dass sie sich einen solchen Klumpen nicht ins Auge setzen würden. Zurück an meinem Platz muss auch ich auf meine Brille umsteigen.

Die Nacht verläuft in Anbetracht der vielen Mitreisenden erstaunlich ruhig. Mitunter erwache ich, weil wir in einem Bahnhof halten. Das Schnauben des Zuges klingt wie der Atem eines riesigen, friedlichen Tieres, in dessen Bauch ich sicher bin.

Als die Zugbegleiterin uns weckt, holt sie mich aus einem tiefen Schlaf. Der Zug spuckt uns in den kalten Morgennebel. Die Bahnhofsuhr über einem Bild von Lenin zeigt 5:13 Uhr.

Schlaftrunken und tiefgefroren stolpere ich hinter Vera her, die auf ein mir unbekanntes Ziel zusteuert. (Vera hat die Neigung, mich nur über das Allernötigste zu informieren und die Details für sich zu behalten, weil es oft zu mühsam ist, mir alles erklären zu wollen.) Sie klingelt an einem Haus gegenüber des Bahnhofs mit der Aufschrift »Klub«. Beinahe im selben Moment wird die Tür aufgerissen, und zwei kräftige Frauen stürmen laut und schnell redend auf uns zu. Wir werden umarmt, die Rucksackkugeln werden uns vom Rücken gerissen und der Blick auf einen langen Gang freigegeben.

Eine zierliche Frau mit wild gelocktem rotem Haar und energischem Gang kommt uns strahlend entgegen. Ihr Lachen enthüllt mehrere Goldzähne. Sie umarmt Vera, nimmt meine Hand in ihre Hände und sagt mit blitzenden Augen: »Tamara Nikolajewna! Ich leite den Klub.«

In einem Büro, das wie fast alle öffentlichen Räume in Russland eine Dimension hat, die dem spärlichen Inventar nicht angemessen ist, erwartet uns ein Tisch mit dampfenden Kartoffeln, Sauerkraut, Fleisch und Fisch. Es ist 5:30 Uhr. Seit ich erwachsen bin, erwacht mein Appetit erst gegen Mittag. Doch es hilft kein Protest. Entschuldigungen sind zwecklos. Bei Tamara wird gegessen!

Die Kartoffeln und das Fleisch liegen mir wie Blei im Magen. Ich bin müde. Im Niemandsland. Und ich weiß nicht, wann die Reise enden wird. »Vera, wann geht es weiter?«

»Bald«, lautet ihre Antwort – wie immer auf eine solche Frage.

Die Zeit vergeht. Ich versuche, dem Gespräch in der Runde zu folgen, und zücke meine derzeitige »Bibel«, das Wörterbuch. Mit freundlicher Geduld nehmen die Anwesenden (wie bisher alle Russen) hin, dass ich mich nur mit Aussagen am Gespräch beteilige, die gut zum vorletzten Thema gepasst hätten – wenn ich da bereits die Vokabeln gewusst hätte, die ich im Wörterbuch erst suchen musste.

»Was findet denn hier im Klub statt?«, versuche ich es mit einer Frage.

Tamaras Gesicht erglüht. »Wir sind das Herz der Stadt. Zu uns kommt Jung und Alt. Die Kinder lernen hier im Klub, Instrumente zu spielen und zu tanzen. Die Jugendlichen kommen hier in die Diskothek, die Erwachsenen in den Chor, zum Theaterspielen oder zu Konzerten. Und der Zirkus gastiert im Klub, wenn er in der Stadt ist«, fügt sie stolz hinzu.

Später werde ich erleben, dass Tamara in der 29 000 Einwohner zählenden Stadt bekannter ist als der Bürgermeister. Sie wird es sein, die zu jeder Zeit einen Fahrer auftreiben kann, wenn ich später nach einer Reise in Veras Dorf zurückkehren will. Steht kein Fahrer zur Verfügung, darf es auch einmal die Feuerwehr sein oder der Bürgermeister höchstpersönlich, der gerade in Tamaras Büro Tee trinkt, als ich auftauche. An diesem Tag jedoch ist es ein Mann, der Juri heißt und in einem blauen Overall den Raum betritt. Er spricht die erlösenden Worte: »Mädels, los geht’s.«

Wir steigen in einen alten Jeep. Juri schließt die Beifahrertür von außen und biegt ein Stück Draht davor, damit sie nicht wieder aufspringt.

Los geht’s. Über das Schlaglochpflaster der Stadt und durch Dörfer, die immer weniger besiedelt scheinen. Zwischen den Ortschaften fährt Juri in der Mitte der schmalen Landstraße, was mich besonders dann ängstigt, wenn uns ein anderes Auto ebenfalls mittig entgegenkommt. Im letzten Moment weichen die Autos sich schließlich doch noch aus, nur um unmittelbar danach wieder zur Straßenmitte zu wechseln. »Der Straßenbelag ist nur in der Mitte gut«, deute ich Veras wortreiche Erklärung auf meine entsetzten Blicke.

Eine Stunde später und vielleicht fünfzig Kilometer weiter biegt Juri auf einen Feldweg ab, dem wir jetzt holpernd über einige Kilometer folgen. Dann hält er an.

Vor uns liegt ein breiter Fluss. Juri lädt unser Gepäck ab und Vera sagt: »Wsjo.« (»Das war’s.«) Nachdem wir Juri bezahlt haben und er losgefahren ist, blicke ich mich um. Felder und Heidelandschaft soweit das Auge reicht. Vor uns der Fluss, dahinter wieder Heide.

Ich habe nur kurz Zeit zur Muße, denn mit den riesigen Mückenschwärmen, die sich auf uns stürzen, seit wir das Auto verlassen haben, habe ich so nicht gerechnet. Ich schlage um mich, auf mich und schreie: »Weg da, lasst das!«

Vera grinst. Ich bin wütend. Schließlich hätte sie mich vorher informieren können, dass es sich hier um ein Mückenparadies handelt. Dann hätte ich während meines letzten Besuches in Deutschland Mückenspray gekauft.

Nach dem hysterischen Anfall fällt mir auf, dass weit und breit kein Dorf zu sehen ist. Kein Haus, kein Mensch, nur Landschaft. Mein Stresspegel steigt bei dieser Entdeckung erneut.

Vera deutet auf meine Rucksackkugel: »Pozhaluista, dai.« (»Bitte, gib her.«)

Ich traue meinen Augen kaum, als sie ein Gummiding daraus hervorzieht, und hege sofort einen Verdacht, der mir die Knie weich werden lässt.

Der Verdacht bestätigt sich. Ein Schlauchboot liegt vor mir.

»Scho takoje« (»Was soll das?«), frage ich.

»Nu, tscherez reku« (»Na, über den Fluss«), erwidert Vera erstaunt und deutet auf die gegenüberliegende Seite. An ihrem Blick erkenne ich, dass sie der Ansicht ist, mich bestens informiert zu haben – was sie sicher auch tat, denn das Wort Reka (Fluss) fiel während ihrer Wegbeschreibungen sehr häufig. »Za rekoi derewnja« (»hinter dem Fluss Dorf«), sagt sie in meinem eigenen Kinderrussisch, damit ich es besser verstehe.

Ich fasse es nicht.

Unter Heerscharen von Mücken blasen wir zu zweit das Schlauchboot auf. Eine Aufblashilfe, die man mit dem Fuß bedienen kann, befindet sich nicht in Veras Besitz. Wir pusten und müssen danach immer wieder nach Luft ringen, weil uns schwindlig wird. Ich habe aufgehört, mich gegen die Mücken zu wehren. Da mein gesamter Körper vor Stichen brennt, spüre ich die neu Hinzukommenden kaum noch.

Nachdem das Schlauchboot halb aufgeblasen ist, stecke ich den Stöpsel in mein Ventil und sage: »Das reicht.«

Vera drückt versuchsweise in den noch weichen Rand und schüttelt, weiter blasend, den Kopf.

»Wir können doch hinüberschwimmen«, sage ich. »Und nur das Gepäck transportieren. Dazu reicht der Luftdruck.« (Vermutlich klingt es in meinem Russisch eher wie: »Wir schwimmen. Nur Gepäck auf, reicht.«)

»Aber so habe ich das noch nie gemacht«, antwortet Vera. Tatsächlich lässt sie sich jedoch schnell von meiner Idee begeistern, da auch sie mittlerweile völlig zerstochen ist.

Wir lassen das Schlauchboot zu Wasser, legen das Gepäck hinein, ziehen uns blitzschnell nackt aus und stürzen uns in die Fluten, um uns vor den Mücken in Sicherheit zu bringen. In der Hitze des Sommertages ist die Kühle des Wassers herrlich und Balsam für das Jucken der Mückenstiche. Wir stoßen das Schlauchboot vor uns her und werden von der starken Strömung abgetrieben, während wir versuchen, geradeaus zu schwimmen.

Meine Nerven beruhigen sich. Ich fühle mich unter dieser neuen Herausforderung plötzlich hellwach und in Stimmung für weitere Abenteuer. Ich lache Vera gut gelaunt an und sie lacht ebenfalls – überrascht von meinem Stimmungswechsel.

Am anderen Ufer schlüpfen wir flink und nass in unsere Sachen. Ich greife mir eines der Schlauchbootventile und ziehe am Stöpsel, um die Luft herauszulassen.

»Nein, nein. Es kommt noch ein Fluss!«, ruft Vera, reißt mir den Stöpsel aus der Hand und steckt ihn wieder hinein.

»Wann?«, frage ich.

Sie hebt die Schultern und antwortet: »In ungefähr drei Stunden.«

Das ist zu viel für mich. Es ist der Moment, an dem ich mein Verlangen, die Kontrolle zu behalten, aufgebe. Mein Rucksack hängt leer und zusammengefallen auf meinem Rücken. Wir tragen das Schlauchboot in der Mitte. Grashüpfer eskortieren uns und springen bei jedem unserer Schritte in die Höhe, die Sonne scheint, wir laufen durch eine völlig unberührte Landschaft.

Vera erzählt mir von der inzwischen zugewachsenen Straße und von den kaputten Brücken, die in den Flüssen liegen. »Vor der Perestroika konnten alle von der Arbeit in der Kolchose leben. Nach deren Schließung mussten die jungen Leute weggehen, um zu überleben.«

»Aber wie gelangen denn die Bauern ohne Straße und Brücken aus dem Dorf in die nächste Stadt?«, frage ich verwundert.

»Niemand will dort weg«, erwidert Vera.

Ich kann mir in diesem Moment nicht vorstellen, aus einem Dorf nie wieder wegzuwollen. »Aber wie können denn ihre Kinder und Enkelkinder zu Besuch kommen?«, frage ich.

»Im Winter, wenn die Flüsse zugefroren sind, kommen sie mit dem Auto, feiern zusammen ins neue Jahr und nehmen Kartoffeln und Eingemachtes mit zurück. Für den Rest des Jahres sind die Alten auf sich allein gestellt.« Ich hatte bislang nicht gewusst, dass es in Russland Orte gibt, die vom Rest der Welt abgeschnitten sind.

Wir wechseln die Seiten und unser Gepäck, und ich nehme Veras Kugelrucksack auf den Rücken. Seltsamerweise ist mein Unmut über diese Reise seit der Zugfahrt verflogen und seit der Flussüberquerung auch meine Ungeduld verschwunden. Ich genieße das gleichmäßige Schlurfen der Grashalme unter dem Schlauchboot, den Geruch der Dürre, der mich an heiße Kindersommer erinnert, und die absolute Stille, verbunden mit dem Gefühl, allein auf der Welt zu sein. Ich bewundere Veras Orientierungssinn. Sie findet sich in einer wilden Landschaft zurecht, die etwa 18 Kilometer lang keinen einzigen Weg aufweist.

Hinter einem kleinen Hügel erscheint der zweite Fluss. Ganz anders als der erste liegt er ruhig und geheimnisvoll glänzend vor uns. Er nimmt uns ohne Strömung auf, und wir schwimmen mühelos auf die andere Seite, wo bereits ein paar Häuserdächer zu erkennen sind. Am Ufer angekommen überkommt mich plötzlich ein Gefühl von Glück, ohne dass ich einen Grund dafür nennen könnte.

Wir sind in Lipowka.

Neugierig laufe ich mit Vera durch den tiefen, hellen Sand des Dorfes und bestaune die alten Holzhäuser mit ihren bunten Verzierungen, die ich so bisher nur aus russischen Märchenfilmen kannte. Wir treffen eine Babuschka, die freundlich grüßt, in ihr Haus läuft und mit einem Eierkuchen und Tomaten wieder herauskommt. Beides drückt sie Vera in die Hand. Sie spricht in einem mir unbekannten Dialekt, den ich leider nicht verstehe.

Veras Haus ist aus großen runden Stämmen gebaut. Innen duftet es angenehm nach Holz. Es gibt nur ein Bett, in das wir, todmüde von der Reise, fallen. Die Matratze ist mit Heu gefüllt. Ich schlafe fast augenblicklich ein.

Inmitten eines Traumes vernehme ich das Klappern von Blech. Ich schlage die Augen auf und sehe Vera mit einem Wasserträger, an dessen Enden je ein Eimer hängt, ins Zimmer kommen. Sie verschwindet hinter einem Vorhang neben dem Bett, und ich höre das Geräusch von fließendem Wasser, das in einen Behälter gegossen wird. Ich schlage den Vorhang zur Seite und schaue in einen kleinen Raum, der offensichtlich als Küche genutzt wird. Vera füllt das Wasser in einen großen Zuber und in einen kleinen Plastikbehälter über einem winzigen Waschbecken, unter dem wiederum ein Eimer steht. Dann drückt sie von unten gegen einen Stab, der aus dem Plastikbehälter hervorschaut, und Wasser läuft heraus. Geschickt wäscht sie sich die Hände, indem sie mit dem Handrücken den Stab gedrückt hält und die andere Hand gegen die Handfläche reibt.

Das benutzte Wasser läuft durch das Waschbecken in den Eimer, der darunter steht.

»Bleib ruhig noch liegen, ich mache dir Tee«, ruft Vera mir zu, als sie sieht, dass sich der Vorhang bewegt.

Ich fühle mich seltsam erfrischt und unternehmungslustig und sage: »Bitte später. Ich möchte erst ein wenig spazieren gehen und das Dorf anschauen.«

»Aber allein kannst du nicht loslaufen, du findest dich nicht zurecht«, wendet Vera ein.

»Kein Problem«, entgegne ich. Mein Abenteuergeist ist erwacht.

Ich ziehe mir die Schuhe aus und laufe barfuß die Sandwege entlang. Es ist wie in Kindertagen, nur schöner, weil ich selbst entscheiden darf, was ich tun will. Die alten Bäuerinnen, die ich treffe, tragen Kopftücher und blicken mich verwundert an, wenn ich sie grüße. Mitunter rufen sie mir etwas zu, was ich nicht verstehe. Ich hebe dann entschuldigend meine Schultern und lächle. Es kann ein angenehmes Gefühl sein, nichts zu verstehen und einen plausiblen Grund dafür zu haben. Wenn man nichts versteht, kann man auch nicht zur Verantwortung für etwas gezogen werden.

Ich spiele das Spiel, das ich immer spiele, wenn ich auf Tournee bin: Welches Haus ist mein Haus? Da ich keine Vorstellung davon habe, wie ein Haus aussehen müsste, um meines zu sein, nehme ich dafür andere Häuser als Anregung. Nicht immer handelt es sich bei meinen Favoriten um die schönsten Exemplare, aber sie alle haben etwas, was sie für mich zu etwas Besonderem macht.

Hier in Lipowka gewinnt ein Haus an einer Weggabelung. Es liegt ungefähr fünfzig Meter vom Hauptweg nach hinten versetzt, so steht es allein und ist doch mit den anderen verbunden. An ihm ist nichts Außergewöhnliches, außer einem bestimmten Gefühl, das es in mir auslöst. Es gibt schönere Häuser mit frischerem Anstrich und von besserer Bauweise, dieses jedoch übt eine Anziehungskraft auf mich aus, die ich nicht erklären kann.

Zurück bei Vera höre ich mich sagen: »Hat hier gerade jemand ein Haus zu verkaufen?«

Vera blickt mich überrascht an. »Gefällt dir mein Dorf?«, fragt sie strahlend.

Ich nicke.

Zwei Stunden später kommt Vera mit dem Nachbarn herein.

»Er hat ein Haus zu verkaufen, das heißt, eigentlich seine Schwester aus Rjasan. Ihre Mutter ist vor Kurzem verstorben, und jetzt steht das Haus leer.«

Ich laufe den beiden hinterher und versuche mich darauf zu konzentrieren, dass ich gestern noch nicht einmal hierher, geschweige denn hier leben wollte. Was mache ich nur?, frage ich mich immer wieder.

Bis zu dem Augenblick, in dem der Bauer vor dem Haus stehen bleibt, das ich zuvor ausgewählt hatte. Das muss Schicksal sein, denke ich.

Mein Haus in Lipowka

Es dauert vierzehn Tage, bis das Haus gekauft ist, meine Sachen in Moskau gepackt sind und mein Leben in Lipowka beginnt.

1 Aus dem Russischen von Waldemar Dege, zitiert nach Marina Zwetajewa: Ausgewählte Werke. Bd.1: Lyrik. Hrsg. Edel Mirowa-Florin. Verlag Volk und Welt, Berlin 1989, S. 47.

Frühling

Wanja

Es ist ein seltsames Gefühl, mit einem Ruderboot durch den Wald zu fahren. Im Frühjahr, wenn die Flüsse durch den Schneetau überströmen, ist die Überflutung so groß, dass ein Durchkommen bis zu dem Dörfchen Lipowka nur mit dem Boot gelingt.

Ein zahnloser Bauer vom Festland, dem Nachbardorf Demuschkina, stellt mir seine Fahrkünste samt Kahn für Dollar und Wodka zur Verfügung. Er watet mit hohen Stiefeln zum schaukelnden Boot, und sein Begleiter, ein rotblonder Recke, der einem russischen Heldenepos entsprungen scheint, hebt mich ohne Ansprache in die Höhe, um mir nasse Füße zu ersparen. Ich liege in den Armen des Hünen und komme mir federleicht vor. Ich betrachte seinen prächtigen Schnauzbart über mir und fühle mich sehr beschützt.

Die Sonne scheint, und eine insgesamt lichthelle Stimmung liegt über diesem Frühlingstag.

Nach der Bootsfahrt über die Felder verzaubert mich der einmalige Anblick des überfluteten Waldes. Es geht nur noch langsam voran. Ich genieße es, in einem Boot durch den Wald geschifft zu werden. Das glaubt mir niemand!, denke ich. Doch dieser Gedanke kam mir in Lipowka bereits so oft, dass er eher ein zuverlässiger Begleiter geworden ist als eine Ausnahme. Der Recke läuft oft außerhalb des Bootes und prüft mit einem Stock die Tiefe des Wassers. Er ist unser Waldlotse. In seiner brusthohen Gummikleidung wirkt er zwischen den Bäumen wie ein verwunschenes reptilartiges Wesen.

Ich bin versunken in die Eindrücke dieser wundersamen Reise, als unweit von uns plötzlich ein Plätschern zu hören ist. Ich sehe einen großen Hundekopf mit Schlappohren über dem Wasser schwimmen.

»Was ist denn das für ein Hund? Wo kommt der denn her?«, frage ich erstaunt.

»Ähh!«, ruft der Zahnlose mit einer wegwerfenden Kopfbewegung. »Das ist so ein Köter aus dem Wald.«

»Aber er wird erfrieren im Eiswasser. Er weiß doch nicht, wann das nächste Ufer kommt. Wenn er noch weiterschwimmt, kommt er nicht mehr zurück.«

»Ähh! Das schadet dem gar nichts. Wer weiß, was er vorhat. Der kennt sich aus.«

Die Bootsfahrt, die Märchenhaftes zu versprechen schien, verwandelt sich für mich in einen Albtraum.

Angespannt und mit den schlimmsten Befürchtungen beobachte ich fortan den schwimmenden Hund und suche nach einer Rettungsmöglichkeit, falls das Tier unterzugehen droht. Immerhin haben wir noch viele Kilometer vor uns, und ich bin mir nicht sicher, ob auch der Hund das weiß.

Wanja im Eiswasser

Ein morscher, abgeknickter Ast hängt über uns von einem Baum und ich ziehe ihn im Vorbeifahren ins Boot. Der Recke sieht mich fragend an. Ich deponiere den langen Stock kommentarlos neben mir und schaue einfach geradeaus. Erklärungen wären hier ganz zwecklos. Tiere dienen den Bauern zum Überleben. Für eine artübergreifende Anteilnahme ist im täglichen Überlebenskampf dieser menschlichen Selbstversorger kein Platz. Ich lebe an einem Ort, an dem niemand Tiere aus emotionalen Gründen hält wie in den Städten. Alles hat seinen Platz.

Der Hund schwimmt unverdrossen in zwanzig Meter Entfernung neben uns, und auch nach einer Stunde zeigt er keine Zeichen von Müdigkeit. Er schwimmt ruhig und ohne Blickkontakt. Vor lauter Angst um das Tier bin ich trotz der Kälte völlig durchgeschwitzt und atme erst auf, als das Ufer nahe Lipowka in Sichtweite kommt.

Der Hund springt an Land einen kleinen Steilhang hinauf und schüttelt sich. Mein Mund bleibt offen stehen, so sprachlos bin ich über den Anblick dieses wunderbaren Tieres. Der Hund ist sehr groß, schneeweiß, mit schwarzen und rotbraunen Flecken. Er steht sehr aufrecht und wirkt zugleich fast träge in seiner Haltung. Er scheint alles im Blick zu haben, ohne jedoch selbst jemanden anzusehen.

Nichts an ihm deutet auf den Wunsch nach Nähe hin, und so unterdrücke ich mein eigenes Bedürfnis, zu ihm zu gehen und ihn zu berühren.

»So ein toller Hund«, entfährt es mir.

Er wendet kurz den Kopf und schaut mich eine hundertstel Sekunde lang an. Dann streckt er sich und legt sich in die Sonne. Ruhig liegt er da, seine Augen sind dabei fast geschlossen.

Eine sonderbare Begegnung, denke ich.

Mein Ziel vor Augen bezahle ich die Männer mit der Wodka-Währung, die sie sogleich verwenden, um sich für die Rückfahrt zu stärken, und gehe die verbleibenden vier Kilometer zu Fuß in das Dorf Lipowka, um Bauer Kolja mit dem Pferdewagen zu holen. Nach einem Monat Musiktournee habe ich bei der Rückkehr in mein Haus schweres Gepäck. Es sind Kerzen und Konserven dabei, Sachen für die Babuschkas und vieles mehr für die nächsten Monate, in denen Lipowka vom Rest der Welt abgeschnitten bleiben wird.

Als ich mit Kolja und dem Pferdewagen wieder an den Fluss komme, liegen beide Bootsmänner betrunken am Hang und schnarchen. Ich lade mein Gepäck auf und schaue mich noch einmal nach dem fremden Hund um. Er ist verschwunden.

Abends koche ich in meiner Küche ein Süppchen und blicke über die riesige Wiese vor meinem Haus zum Horizont. Mehr, als dass ich es sehe, spüre ich, dass irgendetwas nicht in das gewohnte Bild gehört. Als mein Blick sich für die Gegenwart schärft, erkenne ich im Abendlicht die Silhouette des fremden Hundes, der wie eine Statue auf dem Weg liegt.

Er scheint zu schlafen. Seine Augen sind geschlossen.

Ich bin völlig überrascht davon, dass dieses fremde Wesen mir gefolgt ist.

Gern würde ich zu ihm hinausgehen, doch mein Verantwortungsgefühl hindert mich daran. Ich verbringe viel Zeit in diesem Haus, bin aber auch viel unterwegs – zu den Konzerten, die ich als Liedermacherin gebe. Einen Hund zu halten ist da unmöglich. Wie könnte ich ihn jedes Mal zurücklassen?

Mit Wehmut muss ich an den Hund aus Portugal denken.

Es war gleich nach der Wende, und ich reiste mit einer Freundin aus Westberlin als Rucksacktouristin die Algarve entlang. Während einer Rast in einem kleinen Fischerdorf näherte sich uns ein großer Hund. Er blieb drei Meter von uns entfernt stehen und schaute mich an. Meine Freundin Anna, die mein Interesse an ihm bemerkte, rief:

»Nicht, lass ihn. Wir werden ihn sonst nicht mehr los!«

Ich blickte sie damals verwundert an, denn ich hatte nichts dagegen, von einem Hund begleitet zu werden. Im Gegenteil: Es würde mir guttun. Ich hätte gern selbst einen Hund gehabt, konnte aber durch meinen Beruf keinen halten.

»Na, du Großer«, sprach ich ihn an. Er kam sofort geduckt und mit unterwürfigen Schwanzwedlern zu mir und ließ sich neben mir nieder. Ich teilte meine Vesper mit ihm, und er legte seinen Kopf auf meine Beine.

In den nächsten Tagen folgte er uns. Dann jedoch mussten wir mit dem Zug in eine andere Stadt weiterreisen. Man kann in Portugal keinen nach Streuner aussehenden Hund im Zug mitnehmen. Außerdem hätte ich ihn aus seiner gewohnten Umgebung gerissen, nur um ihn dann in einer fremden Stadt zurückzulassen. Tatsächlich begriff ich erst an diesem Morgen die Folgen meiner Tat.

»Aber ich kann ihn doch nicht hierlassen, er vertraut mir doch«, sagte ich, worauf ein Disput zwischen mir und Anna folgte.