Warum Demokratie Parteien braucht - Eva Maltschnig - E-Book

Warum Demokratie Parteien braucht E-Book

Eva Maltschnig

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Beschreibung

Politische Parteien waren schon mal in besserer Form. Korruptionsskandale und Ideenlosigkeit verstärken aktuell die Politiker/-innen- und Politikverachtung, die zwischen Stammtischdunst und Leitartikeln längst zu Hause ist. Sind Parteien überhaupt noch zu retten? Denn Parteipolitik tut sich doch heutzutage wirklich niemand mehr freiwillig an. Alte Leute und korrupte Politiker/-innen, die sich selbst zu wichtig nehmen und keine Ahnung vom echten Leben haben - das verbirgt sich der Legende nach hinter den Mauern der Parteilokale. Klar hat diese Legende einen wahren Kern, und darum fühlt sich momentan niemand mehr von irgendwem vertreten. Die in der Sektion 8 am Wiener Alsergrund engagierte Autorin zeigt die andere Seite und damit die Chancen der Demokratie auf. Denn es gibt sie: Pirat(inn)en, rebellische Rote und Grüne. Die tun sich das an, sie engagieren sich mit Parteien, in Parteien, für Parteien, gerade weil sie sich schlecht vertreten fühlen und etwas verändern wollen. Wer sie als blauäugige Gutmenschen abqualifiziert, soll hier eines Besseren belehrt werden. Dass ihr Bemühen Früchte trägt, beweisen aktuelle Beispiele. Und dringend nötig ist es obendrein, denn gute Parteien sind eine Voraussetzung für funktionierende Demokratien.

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Eva Maltschnig

WARUM DEMOKRATIE PARTEIEN BRAUCHT

Eva Maltschnig

WARUM DEMOKRATIE PARTEIEN BRAUCHT

Czernin Verlag, Wien

Maltschnig, Eva: Warum Demokratie Parteien braucht / Eva Maltschnig Wien: Czernin Verlag 2012 ISBN: 978-3-7076-0434-4

© 2012 Czernin Verlags GmbH, Wien Lektorat: Barbara Blaha Umschlaggestaltung: sensomatic Produktion: www.nakadake.at ISBN E-Book: 978-3-7076-0434-4 ISBN Print: 978-3-7076-0433-7

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien

Einleitung: Parteiarbeit – ein seltsames Interesse

Warum sollte man sich in einer politischen Partei engagieren? Das Bekenntnis, man verbringe seine Freizeit damit, Hochglanzbroschüren des Spitzenkandidaten am Hauptplatz zu verteilen, löst Kopfschütteln und Stirnrunzeln aus im Freundeskreis. Man könne doch auch ehrenamtlich in der Flüchtlingsberatung arbeiten, Essen auf Rädern ausfahren oder junge Menschen im Fußball trainieren. Doch stattdessen macht man sich die Finger in einem dubiosen Geschäft schmutzig. Dass man sich für Politik interessiere, sei ja noch akzeptabel. Aber Parteien sind das, was unter den dreckigen Fingernägeln des politischen Systems zu finden ist: Sie betonieren, bereichern sich, stellen Partikularinteressen vor das allgemeine Wohl, lügen, ihre Funktionärsriegen sind so eitel wie inkompetent – diese Liste an Vorwürfen ließe sich noch lange fortführen. Und als ganz normaler Mensch mache man sich freiwillig zum Teil dieser Bande? Das können Parteien oft auch nicht ganz glauben. Neue Leute möchten doch bestimmt Unruhe in die Strukturen bringen, die Macht an sich reißen und mit ihrer Unerfahrenheit alles kaputtmachen, was in jahrzehntelangen Routinen tief in der Organisation verankert wurde. So freuen sich Parteien selten über frischen Wind, sondern stehen Menschen, die Parteiarbeit anders organisieren möchten, nicht besonders offen gegenüber. Darum muss man sich in beide Richtungen rechtfertigen, wenn man sich von diesen Klischees nicht davon abhalten lässt, einen Teil seiner Freizeit in Parteiarbeit zu stecken – gegenüber der Öffentlichkeit, und gegenüber jenen, die bereits in Parteien aktiv sind.

Warum sollte in einer Demokratie das Engagement in Parteien seltsam anmuten und der Rechtfertigung bedürfen? Schließlich übernehmen Parteien immer noch eine zentrale Rolle im demokratischen System. Will man politisch etwas verändern, ist es ja logisch, sich dort einzubringen. Der Vorwurf, dass Engagement in Parteien immer ein korruptes System unterstütze, das eigentlich abgeschafft werden müsste, mutet antidemokratisch an. Denn wer die Funktionen, die Parteien momentan übernehmen, in einem unbestimmten »Nachher« ausfüllen soll, wird von den Kritikern und Kritikerinnen der Parteien beharrlich verschwiegen. Wer wählt dann politisches Führungspersonal aus? Wer versucht, politische Herausforderungen mit einem wertebezogenen Weltbild zu bearbeiten? Wer vermittelt zwischen Bevölkerung und Politik? Die »klügsten Köpfe«? Und wer soll diese Akteure legitimieren, wählt die jemand?

Ganz zu Ende gedacht ist der Tabula-rasa-Ruf gegenüber politischen Parteien sicher nicht. Man mag sie aber trotzdem nicht. Anderen Organisationen geht es da ähnlich: Wer begeistert sich schon für die Verwaltung? Und wer ist nicht schon einmal leidenschaftlich über »die Medien« hergezogen? Eine Eigenschaft verbindet diese Organisationen: Sie nehmen auf das Leben der Bevölkerung spürbaren Einfluss, ohne immer das zu tun, was die einzelnen betroffenen Personen wollen. Während die Auswirkung der Aktivität des Kinderfußballklubs oder des Essens auf Rädern nur für einen kleinen Kreis relevant sind, haben Medien, Verwaltung und Parteien ein weitaus größeres Machtvolumen: Durch Verordnungen und Gesetzesbeschlüsse, durch Arbeitsabläufe am Amt, durch Schwerpunktsetzung in der öffentlichen Debatte. Das kann für den Einzelnen auch unangenehm sein. Niemand zahlt gerne Gebühren, niemand lässt gerne sein Leben regulieren. Der empörte Aufschrei vieler Wiener und Wienerinnen bei der Ausdehnung der gebührenpflichtigen Parkzone demons-trierte diese Abneigung genauso wie die über lange Jahre heiß diskutierte EU-»Gurkenkrümmungsverordnung«1, die zum Symbol für die Fehlfunktion der Euro-Bürokratie wurde. So wird leidenschaftlich geschimpft, gerade bei Parteien sind sich viele schnell einig: Die tief greifende Krise kann nicht überwunden werden.

Aber eine Krise ist nicht dasselbe wie Unbeliebtheit. Das gilt es auseinanderzuhalten, wenn man genauer wissen möchte, wo es bei Parteien momentan hakt. Denn neben der grundsätzlichen Parteien-Ablehnung, die uns aus Leser/-innenbriefen, Leitartikeln oder Schimpftiraden in der U-Bahn entgegenschlägt, kann man auch viel über den aktuellen Zustand von Parteien heraushören. Berauschend ist der nicht. Die Politiker und Politikerinnen kommen mehrheitlich farblos und inhaltsarm daher, manche sind erschütternd korrupt. Vielleicht schaffen es Parteien noch, Unmut zu schüren, aber sie schaffen es kaum noch, die Bevölkerung für etwas zu begeistern. Meist erwarten sich Menschen, von Parteien enttäuscht zu werden, und oft erfüllt sich diese Ahnung. Irgendwie ist die Luft draußen, viele können sich gar nicht vorstellen, sich in Parteien zu engagieren. Weil aber Parteien ein wichtiger Teil unserer Demokratie sind, wächst sich das allgemeine Unwohlsein zur Mitbestimmungskrise aus.

Um dem demokratischen Grundprinzip gerecht zu werden, braucht es aber Organisationen, die gesetzliche Steuerungsprozesse übersetzen: Parteien. Sie sollen nicht nur erklären, was bestimmte rechtliche Änderungen bedeuten und wem sie nützen oder schaden, sondern auch in die umgekehrte Richtung für Verständnis sorgen: überlegen, ob die großen und kleinen Probleme der Bevölkerung politisch gelöst werden können. Zuverlässige Interessengruppen bilden, die auf Basis von Wertebündeln Wahlprogramme und Strategien erarbeiten und dafür gewählt werden können. Sie sollen über die Folgen ihres Handelns Bescheid wissen, langfristig denken und auch vor unpopulären Entscheidungen nicht zurückschrecken. Sie könnten trotzdem das Vertrauen der Bevölkerung genießen, weil sie glaubwürdig Politik betreiben: offen, transparent und nachvollziehbar. Nicht das freie Spiel der Kräfte am demokratischen Markt garantiert die Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen, sondern ihre parteiliche Organisierung. Wie zugänglich ist sie? Auf wen hört sie, wen motiviert sie, wen bildet sie, wer gestaltet sie, in wessen Interesse handelt sie? An diesen Fragen misst sich die Qualität einer Partei.

Die Interessen vieler gesellschaftlicher Gruppen aufzunehmen, daran scheitern Parteien heute oft. Konsequenterweise wird ihnen daher Partizipationsresistenz vorgeworfen, die einen artikulieren ihre Unzufriedenheit laut als »Wutbürger«, die anderen schweigend, indem sie sich aus dem politischen Prozess zurückziehen und einfach nicht mehr wählen gehen. Denn es ist nicht so leicht, in Parteien Gehör zu finden, ja, auch nur herauszufinden, wo überhaupt Entscheidungen getroffen werden. Große Teile der Bevölkerung verstehen die Parteien nicht mehr – und umgekehrt. So bröckelt heute die Brücke, die Parteien zwischen Politik und Bevölkerung schlagen sollen, mehr als früher. Der Göttinger Parteienforscher Franz Walter bezeichnet Parteien von heute als Kaderorganisationen ohne substanziellen Kader, deren Aufgabe sich auf die politische Personalauswahl und Selbstpräsentation beschränke.2 Posten werden im Tausch gegen Loyalität und Gefälligkeiten vergeben, Machterhalt ist das oberste Gebot. Und diese Strategie funktioniert für Parteien: Sie sichert Einfluss, oft unabhängig von Wahlergebnissen. Die Interaktion mit den Wählerinnen und Wählern übernehmen PR-Profis, wer das Sagen über die Personalpolitik hat, gibt in der Partei den Ton an. Wenn Kampagnen generalstabsmäßig in den nationalen Zentralen der Parteien geplant werden, die Macht- und Personalpolitik einer kleinen Elite überantwortet wird, dann trocknet die Organisation aus. Wozu würde denn Engagement an der Basis noch gebraucht, außer um gratis Hochglanzbroschüren zu verteilen? Auch auf den niedrigen Ebenen bricht somit der Verteilungskampf um die harte Währung »Posten« aus. Das ausgeklügelte Personal-Macht-Spiel, das in und um die Institution Staat so nützlich ist, überzeugt die Bevölkerung nicht, ja, oft nicht einmal mehr Mitglieder. Im Gegenteil: Die werden als »Zielgruppe« von den inhaltlichen und organisatorischen Debatten in Parteien entkoppelt. Was Parteien als überlebensnotwendig sehen, widert Wähler und Wählerinnen an – Postenschacher macht sich nicht gut in der öffentlichen Diskussion. Nicht, dass hier eine Lanze für ein parteibefreites öffentliches Leben gebrochen werden soll. Aber wenn das die wichtigste Aufgabe von Parteien wird, und alle anderen Ziele verkümmern, dann ist die Krise akut. Wie sind Parteien da hineingeraten?

Die Gesellschaft habe sich einfach verändert, wird meistens auf diese Frage geantwortet. Es gäbe nicht mehr so viele gemeinsame Interessen, auf Basis derer sich die Bevölkerung in Parteien organisieren würde. Sogenannte politische Milieus seien weniger wichtig geworden, und in der Postmoderne sei die individuelle Entfaltung des Menschen wichtiger als gemeinschaftliches Handeln. Daher bräuchten wir ja auch keine Parteien mehr, um dieses Handeln zu organisieren. Diese Hypothesen wurden in den 1980ern populär, es schien, als könne die Krücke Organisation endlich überwunden werden, man brauche keine Mittler mehr zwischen Person und Politik, die ultimative direkte Demokratie bahne sich an. Als dann auch noch das Internet, später diverse Social-Media-Revolutionen dazukamen, schien der Plan perfekt: Nieder mit den Hierarchien, reißt weg die Mauern, die uns von der Politik trennen!

Immer noch gibt es Parteien. Radikale, gemäßigte, alte, neue, große, kleine, sie alle kämpfen ständig mit ihren Pro-blemen. Mit den Piraten erfuhr das übliche Parteienspektrum seine jüngste Ergänzung. Gerade jene, die von den etablierten Parteien als unpolitische, hedonistische Internet-Yuppies bezeichnet wurden, haben sich für eine Parteigründung entschieden, um ihre Interessen zu artikulieren. Der »atomisierten Moderne«, oder wie die geflügelten Gesellschaftsbeschreibungen sonst noch lauten, folgt offenbar nicht das Ende der Parteien auf dem Fuß. Klar, die politische Bühne, auf der Parteien auftreten, hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert – wegen und trotz ihnen. Einige wichtige Entscheidungen werden nicht mehr in nationalen Parlamenten getroffen, sondern von Regierungschefs in internationalen Hinterzimmern, alle müssen vermeintlich das tun, was die Finanzmärkte beruhigt, und mit dem Internet erhöhte sich zwar die Geschwindigkeit politischer Kommunikation, aber nicht zwangsläufig der Informationsgrad der Wähler und Wählerinnen.

Aber Parteien sind solchen gesellschaftlichen Veränderungen nicht hilflos ausgeliefert. Einerseits bestimmen sie maßgeblich mit, in welche Richtung wir uns gemeinsam entwickeln. Wenn wir uns in die postmoderne Vereinzelung zurückziehen, können sie uns ein Alternativangebot zum gemeinsamen politischen Handeln unterbreiten. Wenn sie in ihrer Politik den Finanzmärkten nicht ausgeliefert sein wollen, können die reguliert werden, und verteilt man Vermögen gleicher, zieht man damit einen Teil des Spielkapitals ein. Und andererseits entscheiden sie selbst über ihre Ziele, Strategien und Maßnahmen. Parteien sind zwar meist große, schwerfällige und alte Organisationen, aber Organisationen. Das bedeutet: Sie stehen nicht still – können sie gar nicht, weil in Organisationen Menschen interagieren müssen. Ohne Mitglieder keine Struktur, ohne Betonierer kein Stillstand, ohne Reformistinnen kein Fortschritt. Wer behauptet, Parteien seien zum Scheitern verurteilt, hat also genauso unrecht wie der Historiker Francis Fukuyama, der nach dem Fall der Mauer das »Ende der Geschichte« verkündete. Überall, wo es auf das Handeln von Menschen ankommt, geben nicht Naturgesetze, sondern eben diese Menschen die Marschrichtung vor. Immer sind sie in eine Gesellschaft eingebettet, und ihre Entscheidungen fallen nicht zufällig, sondern bauen auf vorangegangenen auf. Aus Parteien Organisationen zu machen, die mit der Gesellschaft, um die es ihnen geht, in Verbindung stehen, mag eine große Herausforderung sein. Doch Parteien können wieder ausgezeichnete Orte des politischen Engagements werden – dafür bedarf es nur unserer Aufmerksamkeit und Initiative.

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