Warum ich trotzdem an Happy Ends glaube - Alessia Gazzola - E-Book

Warum ich trotzdem an Happy Ends glaube E-Book

Alessia Gazzola

4,5

Beschreibung

Emma de Tessent, ewige Praktikantin mit exzellenten Uni-Abschlüssen, dreißig Jahre alt und hübsch, lebt in Rom, und vorübergehend – aber wirklich nur vorübergehend – bei ihrer Mutter, denn mehr kann sie sich im Moment nicht leisten. Sie träumt von einer alten glyzinienbewachsenen Villa, die sie zu gerne kaufen möchte, wenn ihr irgendwann (eher nie!) der große Coup gelingt und sie den weltabgewandten Schriftsteller Tessai dazu überreden kann, ihr die Filmrechte an seinem Bestseller zu geben. Sie wünscht sich einen Mann, wie es ihn wohl nur in englischen Regency-Romanen gibt. Und endlich einen richtigen Arbeitsvertrag. Als die Firma Fairmont nicht mal ihre Praktikumsstelle verlängert, fühlt sich Emma verloren wie eine romantische Heldin. Allein kämpft sie gegen das widrige Schicksal und den Weltuntergang und findet schließlich Unterschlupf in einer Kinderboutique. Doch gerade als der Sturm sich verzogen hat, klopft die Vergangenheit wieder an die Tür. Die Welt des Kinos will sie wieder haben, ihr alter Chef überschlägt sich, Tessai wartet mit einer Überraschung auf. Und dann ist da noch Pietro Scalzi, ein Arthouse-Filmproduzent, ebenso attraktiv wie arrogant, der Emma bei einem Bewerbungsgespräch abservierte und nun um die Boutique, in der sie arbeitet, herumstreicht ...

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ISBN 978-3-85179-433-5 Alle Rechte vorbehalten © 2016 Giangiacomo Feltrinelli Editore, Mailand Titel der italienischen Originalausgabe:Non è la fine del mondo © 2018 für die deutschsprachige Ausgabe Thiele Verlag in der Thiele & Brandstätter Verlag GmbH, München und Wien Covergestaltung: Christina Krutz, Biebesheim am Rhein Konvertierung: CPI books GmbH, Leckwww.thiele-verlag.com   Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.   In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Wir weisen darauf hin, dass sich der Piper Verlag nicht die Inhalte Dritter zu eigen macht.

Inhaltsverzeichnis

Cover & Impressum

Prolog

1 – Die ewige Praktikantin

2 – Die kleinen Freuden der wackeren Praktikantin

3 – Der absurde Abend der wackeren Praktikantin

4 – Die klugen Nichten der wackeren Praktikantin

5 – Der furchtbare Tag der wackeren Praktikantin

6 – Die wackere Praktikantin leert das Fass bis auf den Grund

7 – Die wackere Praktikantin widersteht Wind und Sturm

8 – Die wackere Praktikantin und der Produzent

9 – Die wackere Praktikantin nutzt eine überraschende Gelegenheit

10 – Die wackere Praktikantin auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten

11 – Die wackere Praktikantin rechnet mit der Vergangenheit ab

12 – Die wackere Praktikantin in Tameyoshi Tessais Erinnerung

13 – Die wackere Praktikantin wird zum Hunde-Sitter

14 – Die wackere Praktikantin und das Geheimnis in den Maschen der Zeit

15 – Die wackere Praktikantin und das verzweifelte Bedürfnis nach Gefühlen

16 – Die wackere Praktikantin und der Rückzug in den Schafstall

17 – Die seltsame Anziehungskraft des Produzenten

18 – Die wackere Praktikantin isst mit dem Zen-Schriftsteller ein Eis auf dem Pincio

19 – Die wackere Praktikantin und die Wendehälse

20 – Die wackere Praktikantin und die Gartenparty

21 – Das existentielle Dilemma der wackeren Praktikantin

22 – Die Wahrheit über Marina de Tessent

23 – Die wackere Praktikantin entdeckt, wie mutig sie ist

24 – Die wackere Praktikantin und der Aufbruch zu neuen Ufern

25 – Die Sorgen der wackeren Praktikantin nehmen kein Ende

26 – Die wackere Praktikantin und Nach dem Regen

27 – Die wackere Praktikantin spiegelt sich in der Vergangenheit

28 – Die wackere Praktikantin und die Budget-Probleme

29 – Die wackere Praktikantin ist eine glückliche Schwester

30 – Das weinende Herz der wackeren Praktikantin

31 – Die wackere Praktikantin und das Schicksal des Produzenten

32 – Ein Geschenk für die wackere Praktikantin

33 – Die wackere Praktikantin und das Warum der Dinge

34 – Die wackere Praktikantin und die neuen Entwicklungen

35 – Die wackere Praktikantin und Thea, Faust und Mephisto

36 – Warum hast du meine Hand losgelassen?

37 – Die wackere Praktikantin und die Einsamkeit der Flughäfen

Ein Jahr später

Das glückliche Ende der wackeren Praktikantin

Dank

Guide

 

»Und wenn es sich lohnt, etwas zu riskieren, dann setze ich mich mit ganzem Herzen dafür ein.«

 

CHE GUEVARA

Vor ein paar Monaten riss mir jemand auf der Straße die Handtasche weg. Am selben Tag fiel bei einem Unwetter die Parabolantenne vom Dach, und ich konnte den ganzen Abend über kein Sky sehen. Ich bekam mein Portemonnaie wieder, aber der Dieb hatte das Geld herausgenommen. Bei dem Überfall war ich gestürzt und hatte mir den kleinen Finger der linken Hand gebrochen. Seither weiß ich, dass der kleine Finger zwar zu wenig zu gebrauchen ist, aber wenn er gebrochen ist, kann er ganz schön wehtun.

An diesem Tag hatte ich darüber gejammert, dass ich immer so viel Pech habe, zur Strafe traf mich ein Fluch, und alles wurde noch viel schlimmer – so als wollte mir das Schicksal beibringen, dass man sich nur beklagen soll, wenn man auch wirklich Grund dazu hat.

Dieser Tag, der mir damals so furchtbar erschienen war, bedeutete nicht das Ende der Welt.

Das kam erst später.

Ich heiße Emma de Tessent, und das ist meine Geschichte.

1

DIE EWIGE PRAKTIKANTIN

Ich kann von mir behaupten, dass ich ein ehrgeiziger Mensch bin und zäh wie ein alter Pekinese. Diese beiden Eigenschaften haben mich in die Lage versetzt, die Fairmont Holding Italia, eine Tochter der amerikanischen Filmproduktionsfirma, zu überleben. Ich fing dort gleich nach dem Examen als Praktikantin an und friste hier immer noch mein Dasein. Jemand hat mich mal die wackere Praktikantin genannt, was keineswegs schmeichelhaft gemeint war, aber es würde wohl besser passen, mich als ewige Praktikantin zu bezeichnen, denn mein Praktikumsvertrag wurde jedes Jahr verlängert, um lächerlich wenige Monate, und wenn ich Glück hatte, mit ein paar Euro mehr Gehalt.

Ich teile mein Büro mit einer anderen Praktikantin, und da wir in einer amerikanischen Firma arbeiten, kommt es mir manchmal so vor, als seien wir in den USA, denn ein eigener Mac gilt als unveräußerliches Menschenrecht und ein caffè americano gehört zur sozialen Grundausstattung.

Es ist nicht einfach. Ich verdiene nur wenig, und alle Versprechungen, dass bald alles besser wird, werden immer wieder verschoben. Manzello, mein Chef, ist, was das angeht, nicht gerade zuverlässig, er tut zwar so, als sei er fair und umgänglich, aber wenn man dann mal nachhakt, rastet er gleich aus, und so ist es kaum möglich, mit ihm darüber zu sprechen.

Wenn alles so läuft, wie ich es mir wünsche, ist dies nur eine Übergangszeit. Ich habe jetzt ein Ziel vor Augen, das leuchtet wie eine Werbetafel in Las Vegas. Auch wenn ich eigentlich nie so recht wusste, was ich machen wollte, weiß ich heute, dass mich die Abteilung Rechte und Lizenzen am meisten interessiert. Dass ist mir klar geworden, seit ich mit Tameyoshi Tessai verhandele (sehr privat und heimlich).

Ausgerechnet mit diesem schwierigen italienisch-japanischen Schriftsteller, der seit einem Jahr in einer Hütte im Wald lebt, allein in Italien eine Million Exemplare seines Romans Schönheit der Finsternis verkauft hat und sich leider bis heute weigert, die Filmrechte an diesem Bestseller zu vergeben.

»Emma, hat Manzelli eigentlich etwas zu unserem Vertrag gesagt?«, fragt Maria Giulia in meine Gedanken und sieht mich mit großen Augen an.

Maria Giulia ist die andere Praktikantin hier, ein liebes Mädchen mit nur einem Fehler: Sie benutzt ein schweres Parfüm, das in den achtziger Jahren mal angesagt war. Ich kann mich einfach nicht an diesen süßlichen, pudrigen Duft gewöhnen – trotz der endlosen Tage, die wir nun schon gemeinsam in diesem engen Raum mit dem schmalen Lichtschacht verbracht haben, der unser Zimmer mit spärlichem Tageslicht versorgt.

Maria Giulia meint unseren Praktikumsvertrag, der in zehn Tagen ausläuft. Man hat uns versprochen, dass wir dann keine Praktikantinnen mehr sind und einen echten Anstellungsvertrag bekommen. Sogar mit bezahltem Urlaub! Ich antworte ihr freundlich, denn Maria Giulia ist sehr ängstlich, immer wieder muss ich ihr sagen, dass alles gut wird und sich alles zum Besten wendet.

»Sie beschäftigen uns jetzt schon seit drei Jahren als Praktikantinnen für sechshundert Euro im Monat. Es ist gesetzlich verboten, solche Verträge immer wieder zu verlängern. Diesmal müssen sie uns einen richtigen Vertrag geben«, erkläre ich im Brustton der Überzeugung.

Sie nickt dankbar. »Ja, da hast du auch wieder recht. Dieses Jahr darf ich meinen Job nämlich auf keinen Fall verlieren, schon deshalb, weil meine Hochzeit sehr teuer wird.«

»Wieso verlieren? Was redest du denn da für einen Unsinn. Warum solltest du deinen Job verlieren?«

»Manzelli hält nichts von mir. Und der Firma geht es nicht besonders gut. Das wissen doch alle …«

»Ja, klar, die Krise ist auch an unserer Firma nicht spurlos vorübergegangen. Aber es geht ihr immer noch besser als vielen anderen. Denk doch nur mal an die langen Schlangen an der Kinokasse zu Weihnachten, und das für so einen Mist!«

»Du hast ja recht. Aber andere Sachen sind lange nicht so gut gelaufen. Und wenn sie jemanden entlassen müssen, können sie auf uns als Erste verzichten. Die Lage von uns beiden ist prekär.«

»Prekär ist sie nur, weil wir so einen blöden Vertrag haben. Aber ich hänge mehr an der Firma als der Schimmel an der Decke. Ich kann mir einfach nichts vorstellen, was ich lieber tun würde. Außerdem braucht Manzelli uns. Wer hat dir bloß den Floh ins Ohr gesetzt, dass man uns entlassen will? Jetzt mach dir mal keinen Kopf, Maria Giulia. Keiner will dich oder mich opfern. Ich habe nichts von Entlassungen gehört. Manzelli ist, wie er ist, aber so etwas würde er nicht tun.«

Maria Giulia scheint sich wieder beruhigt zu haben. Ihre Augen, mit denen sie immer schaut wie eine Katze, die gestreichelt werden will, konzentrieren sich jetzt wieder auf den Bildschirm.

Ich arbeite weiter an der Tessai-Sache. Nachmittags habe ich eine Verabredung mit ihm auf Skype. Und da er manchmal für eine Überraschung gut ist, könnte es heute vielleicht klappen.

Ja, Signorina de Tessent, ich habe über Ihr Angebot nachgedacht und nehme es an.

Der Tag wird kommen, an dem er diese Worte tatsächlich sagen wird, ich weiß es genau. Und so warte ich geduldig, denn ich habe gelernt, dass Geduld das Geheimnis des Erfolgs ist. Man muss nur warten können, dann wird man befördert und geht durch die Decke, dass die Wände dieses kleinen Büros nur so wackeln – eines Büros, das übrigens dringend neu gestrichen werden müsste. Ich starre in den Computer und versuche gerade eine besonders heikle Text-Passage in eine Filmszene zu übersetzen, als eine E-Mail von meiner Schwester Arabella hereinkommt.

Emma und Arabella. Meine Schwester und ich haben Namen wie die Heldinnen aus den englischen Romanen des Regency. Aber was sollte das Schicksal auch anderes für uns bereithalten, wo unsere Mutter einen englischen Adeligen geheiratet hat, der bezaubernd war wie ein Märchenprinz und ebenso lebensuntüchtig? Ich heiße wie die Heldin von Jane Austen, und ich war genau wie sie die bessere der beiden Töchter eines geduldigen und stets liebevollen Vaters. Unsere Mutter war – von einem Standpunkt aus, der mir bis heute ziemlich aberwitzig erscheint –, überzeugt davon, dass es uns Stärke geben und Glück bringen würde, wenn wir die Namen dieser romantischen Heldinnen hätten. Dabei wurden wir wegen unserer komischen Namen allenfalls von unseren Mitschülern verspottet, und besonders Arabella, die nach einem Roman von Georgette Heyer benannt ist, weiß davon ein Lied zu singen.

Meine Schwester hat einen Architekten geheiratet; er betrügt sie unentwegt, und sie hat zwei reizende Töchter mit ihm, Maria und Valeria, fünf und drei Jahre alt, die ich über alles liebe.

Ich bin eigentlich kein allzu großer Fan von kleinen Kindern und kann nicht behaupten, ein Kind zu haben wäre im Moment mein größter Wunsch, aber diese beiden sind einfach unwiderstehlich, und ich besuche sie oft. So spart meine Schwester das Geld für den Babysitter, und ich freue mich auch. In einer Mail, die eigentlich freundlich sein soll, aber eher einem Ultimatum gleichkommt, erinnert mich Arabella jetzt daran, dass ich heute Abend meine Nichten an der Ballettschule abholen und nach Hause bringen soll, bevor ich selbst nach Hause gehe, in die Wohnung, die ich mit meiner Mutter teile.

Es dauert eine Ewigkeit, bis ich endlich allein im Büro bin und ungestört mit Tameyoshi Tessai skypen kann.

Wenn dieser Vertrag zustande kommt, werde ich bis in alle Ewigkeit keine Süßigkeiten mehr essen, das schwöre ich!

Zur verabredeten Zeit ist Tessai offline.

Ich fasse es nicht!

Auch die nächste halbe Stunde ist er offline.

Er hat mich versetzt, so sieht es aus. Und das ist nicht das erste Mal.

Nur Mut, Emma! Es muss ja seinen Grund haben, warum alle aufgeben, diesen Autor zum Teufel schicken und entnervt schreien: Dann behalt deine verdammten Filmrechte doch!

Aber es gibt auch einen Grund dafür, warum du es schaffen wirst. Weil du nämlich warten kannst.

Alles nur eine Frage der Zeit.

2

DIE KLEINEN FREUDEN DER WACKEREN PRAKTIKANTIN

Was ich nicht mag: Lärm, Diäten, die Schickeria, falsche Schlussfolgerungen, den Lärm von Staubsaugern. Auch schlechtes Benehmen bringt mich durcheinander.

Was ich mag: Wenn meine kleinen Nichten in Lachen ausbrechen. Hübsche Einrichtungsgegenstände und Hochglanzzeitschriften über Wohnkultur, die ich immer kaufe, kurz durchblättere, aber nie wirklich lese. Den Geruch von Wäsche, die in der Junisonne trocknet. Kleine unerwartete Freundlichkeiten. Einen efeuberankten Innenhof. Alte Straßenlaternen. Und für ein Stück ofenfrische Pizza könnte ich jemanden umbringen.

Ich mag auch Liebesromane, die man am Kiosk kaufen kann, die offiziell keiner liest und in denen es erstaunlicherweise niemals Krisen gibt.

Vollkommenes Glück besteht für mich aus folgenden Dingen, aber sie müssen alle zusammenkommen: Stürmisches Wetter draußen und drinnen eine brennende Kerze, ein anzüglicher Liebesroman aus der Regency-Zeit, ein Sofa, eine kuschelige karierte Wolldecke, eine Dose mit Butterplätzchen – bei Letzterem bin ich nicht wählerisch, ich mag alles, auch wenn Schokolade oder Palmöl drin ist und es einem die Herzkranzgefäße schon verstopft, wenn man die Dinger nur anschaut. Eins jedoch unterscheidet mich vom Klischee der alten Jungfer, und das ist meine Katzenallergie.

Ich war nicht immer so. Doch manchmal passiert etwas in unserem Leben, das uns in jemanden verwandelt, der wir gar nicht zu sein glaubten oder – anders gesagt –, durch das jenes Wesen ans Licht kommt, das wir offenbar auch in uns tragen. Je nachdem, wie man es sehen möchte.

So bin ich also nun, und das, was verborgen war, ist an die Oberfläche gekommen, weil jemand dafür gesorgt hat. Unter dem Namen eines Mädchens aus gutem Hause, einer recht ansehnlichen Erscheinung, einer brillanten Studentin mit einem festen Wertesystem verbarg sich eine alte Jungfer schlimmster Sorte, die abweisend und störrisch ist.

Und während ich die Supermarktkekse voller Chemie gerade statt eines ordentlichen Abendbrots verschlinge, sitzt der Mann, der zum Vorschein gebracht hat, wer ich wirklich bin, vielleicht gerade mit seiner flämischen Ehefrau und seinen beiden kleinen eitlen Söhnen beim Abendessen, und es gibt köstliche Flammkuchen. Unsere Geschichte dauerte vier lange Jahre. Das eigentliche Geheimnis ist, dass meine lebhaftesten Erinnerungen daran jene Momente sind, in denen wir uns in seinem Auto trafen. Die Kindersitze, die hinten angeschnallt waren, erinnerten mich auf tragische Weise an deren Existenz und machten, wenn dies überhaupt möglich war, die Lage noch schlimmer.

Ich gebe zu, dass ich außer der ewigen Praktikantin auch die ewige heimliche Geliebte war. Die Absprache war immer klar: Er würde seine blonde Ehefrau niemals verlassen, und ich habe das auch nie von ihm verlangt. Ich habe es aber so oft gehofft, dass ich heute, da ich nicht mehr von einem Leben an seiner Seite träume, glaube, dass ich keine Wünsche mehr habe. Nicht, dass ich nicht mehr träume, aber daneben sind alle anderen Träume so blass. Nichts hat dieselbe Kraft, nichts ist so lebendig, nichts bringt mich so zum Weinen und macht mich so traurig wie dieser heute so weit entfernte Wunsch.

Irgendwann beschloss er plötzlich, seine ganze Energie wieder seiner Familie zu widmen, »sich ihrer würdig zu erweisen«, und machte mit mir Schluss. Was soll man zu so einer Formulierung sagen? Ich habe sie mir angehört und bin gegangen. Das hat mich viel Mühe gekostet.

Heute kann ich mich über nichts mehr so richtig freuen, auch nicht über meine kleinen Vergnügungen. Ich lebe zurückgezogen und ergehe mich in melancholischen Gedanken.

Als es Abend wird, kommt eine Nachricht von Tameyoshi Tessai. Er hat jetzt Zeit, mich zu treffen. Aber nicht auf Skype.

Ich frage gleich, wo, denn in den Jahren mit dem treulosen Ehemann habe ich gelernt, Gelegenheiten beim Schopf zu packen – man weiß ja nie, wie schnell sie wieder vorbei sind.

In der Via Margutta, in einem Restaurant gegenüber einer Bildhauerschule, wird mir mitgeteilt. Er habe Lust auf Spaghetti Amatriciana.

Künstler sind oft seltsame Menschen. Aber ich habe inzwischen so viele kennengelernt, dass ich weder gleich die Flinte ins Korn werfe noch mich groß wundere. Ich werfe mich also in Schale, zwanzig Minuten später sitze ich im Taxi, diskret wie der stete Tropfen, der den Stein höhlt.

Er ist schon dort. Wie jemand, der im Wald wohnt, sieht er nicht aus, sondern eher elegant.

Ich weiß über ihn, was alle wissen. Er wurde 1955 in Osaka geboren, sein Vater ist Japaner, seine Mutter Mailänderin. Mit zehn Jahren zog er mit der Mutter nach Italien. Er war ungehorsam und rebellisch, schaffte die Schule nicht, und bis sein erstes Buch erschien (da war er fünfundzwanzig), kam seine Mutter für ihn auf. Er ist eher klein, aber gutaussehend. Nicht so wie Takeshi Kaneshiro, der Schauspieler, aber er hat seinen besonderen Charme.

Er sitzt an einem Tisch, raucht einen parfümierten Zigarillo, trägt einen weißen Panamahut und eine Sonnenbrille. Es ist gleich zehn Uhr abends. Ich könnte nicht sagen, ob er von Natur aus exzentrisch ist oder sich bemüht, es um jeden Preis zu sein.

»Signor Tessai«, sage ich zur Begrüßung und strecke ihm die Hand entgegen.

Er mustert mich einen Moment und klopft dann mit einer eleganten Geste die Asche seines Zigarillos ab.

Vielleicht ist es an der Zeit, zu erklären, wie ich überhaupt an Tessai gekommen bin und warum ich die Einzige bin, die mit ihm noch über die Filmrechte an seinem Bestseller verhandelt.

Tessais erster Roman wurde verfilmt, es war einer dieser prätentiösen und unmoralischen Filme, die in Cannes oder Venedig gezeigt werden, die nur wenigen gefallen und für die sich der Rest der Welt nicht interessiert. Man könnte auch sagen, der Film wurde ein Flop. Aus diesem Fiasko zog der Autor den Schluss, dass keines seiner Bücher mehr ein solches Missgeschick erleben sollte.

Vor drei Jahren erschien in Italien Schönheit der Finsternis. Der Roman wurde in fünfundzwanzig Sprachen übersetzt und sogar in den USA veröffentlicht. Doch Tessai dachte nicht im Traum daran, seinen Schwur zu brechen, dass keines seiner Bücher, ganz gleich um welchen Preis, verfilmt werden sollte.

Dann kam die Beerdigung.

Vor einem halben Jahr starb Tessais Verleger an einem Herzinfarkt. Dieser Mann war rein zufällig ein alter Freund meiner Mutter. Und einer der wenigen Menschen auf der Welt, auf die der Mailänder aus Japan hörte. Nach der Totenmesse hielt Tessai eine Rede, in der er erklärte, welch große Zuneigung er für diesen unvergesslichen Mäzen gehabt habe, und schwor, er werde für immer seinen Ratschlägen folgen.

Er drückte dies in so gewählten Worten aus, dass selbst ich zutiefst gerührt war. Aber ich wusste natürlich, wozu Tessai mit seiner Feder in der Lage ist. Schönheit der Finsternis ist ein großartiges Buch. Ich hatte auch die anderen Bücher gelesen, weil mein Vater sie so gern mochte, aber dies hier ist für mich das beste.

Meine Mutter und ich wollten gerade gehen, als Tessai auf mich zusteuerte. Ich war mir sicher, dass er mich mit jemandem verwechselte.

»Sind Sie Emma de Tessent?«

Ich nickte, gab ihm die Hand und sagte ihm, wie sehr mir seine Worte über Giorgio Sinibaldi gefallen hätten.

Er setzte seinen Panamahut auf und sagte leise und ein wenig misstrauisch: »Giorgio hat von Ihnen gesprochen. Nur von Ihnen.«

Anhand dieser kryptischen Worte hätte ich wohl verstehen sollen, was er mir damit sagen wollte, denn anschließend hüllte Tessai sich in Schweigen und ließ sich zu keinen weiteren Erklärungen herab. Ich blieb etwas ratlos zurück und konnte mir nicht erklären, warum der gute Sinibaldi »nur über mich« mit Tessai gesprochen haben sollte. Als geübte Leserin von Schundliteratur sah ich meine Mutter plötzlich mit anderen Augen und vermutete irgendein Geheimnis bezüglich der Umstände meiner Zeugung.

Eine Woche später dachte ich immer noch mit gemischten Gefühlen an diese Begegnung und beschloss, mir Tessais Adresse zu besorgen und direkt mit ihm zu sprechen.

Es wäre vermutlich einfacher gewesen, mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten in Kontakt zu treten. Er hat immerhin einen Twitter-Account.

Schon seit längerem weigerte sich Tessai, seine Werke in der Öffentlichkeit vorzustellen (TV, Festivals, Zeitungen), und schloss sich selbst in einen gesellschaftsfeindlichen Nihilismus ein, der auch seinem Agenten zunehmend Probleme bereitete. Letzterer gab mir in aller Liebenswürdigkeit zu verstehen, dass mein Ansinnen zum Scheitern verurteilt war:

»Ich übermittele ihm gern Ihre Nachricht, Signorina de Tessent, aber ich glaube nicht, dass Sie mit einer Antwort rechnen können.«

Entgegen aller Erwartungen antwortete Tessai jedoch persönlich. Wir trafen uns in dem einsamen Haus, das er sich mit den Einkünften seiner Bücher im Wald hatte bauen lassen. Auch wenn ich nicht sagen kann, dass er sich mir gegenüber klar äußerte, so setzte er mich doch auch nicht mit einem Tritt in den Hintern vor die Tür (wie es offenbar einer Kollegin passiert war, die für eine wesentlich größere Firma als die unsere wegen Filmrechten vorstellig geworden war).

»Giorgio hat immer gesagt, ich sollte, was eine mögliche Verfilmung von Schönheit der Finsternis angeht, einen Schritt rückwärts machen«, erklärte er, während er ein Gebräu aus Ginseng und anderen Wurzeln trank, das ihm zu schmecken schien und das er mir auch anbot. Für mich ist es bis heute der Inbegriff von scheußlichem Geschmack.

»Ich habe mir selbst versprochen, auf seinen Rat zu hören. Ich verdanke Giorgio alles. Und nicht nur das, was Sie sich vorstellen können«, fügte er hinzu und deutete mit dem Finger auf mich, was mich befremdete und verwirrte. »Giorgio glaubte, Sie seien die einzige geeignete Gesprächspartnerin, Emma. Das meinte ich damit, als ich sagte, er habe nur von Ihnen gesprochen.«

Ich weiß, dass Sinibaldi um meine Mutter warb, wie es nur ein Adeliger tun kann, lange Zeit und mit viel Geduld. Ich weiß es nicht deshalb, weil sie es mir erzählt hat, keineswegs, sie ist äußerst diskret, sondern weil man manche Dinge ganz von selbst versteht, wenn man mit jemandem zusammenlebt. Sie aber war nur in meinen Vater verliebt, der vor fünfzehn Jahren gestorben ist, und sie ist es immer noch mit einer seltenen, wertvollen Treue, denn wenn eine Liebe so stark ist, kommen einem Jahre wie Minuten vor, und ich muss ihr recht geben, weil es mir in Bezug auf Papa nicht anders geht.

»Aber glauben Sie nicht, deswegen wäre ich bereit, Ihnen die Rechte zu schenken.«

»Aber das verlangt doch auch keiner. Ich könnte Ihnen ein großzügiges Angebot machen, und Sie würden es nicht bereuen.«

»Mir geht es aber nicht ums Geld!«, rief er aus, in den Augen den gerechten Zorn eines Heilspredigers. »Wenn es mir passt, kann ich die Rechte auch verschenken, verstehen Sie?«

»Ja, natürlich«, beeilte ich mich, ihm beizupflichten, bevor er mich in den Garten hinauswarf.

Er beruhigte sich ein wenig, dann stach er wieder mit dem Zeigefinger auf mich ein. »Was ich damit sagen will, ist, dass Sie mir auf jede mögliche Art beweisen müssen, dass ich die richtige Wahl treffe, wenn ich Ihnen mein Werk anvertraue.«

Diese Aussage war ein Köder, den mir nur jemand zuwerfen konnte, der mich besonders gut kannte. Entweder hatte er das bereits begriffen, obwohl er kaum Zeit mit mir verbracht hatte oder er erwartete es einfach von mir, und in diesem Fall hatte das Schicksal alles richtig gemacht, denn bei den Voraussetzungen, die ich mitbrachte, konnte es nur zu einem großartigen Ergebnis kommen. Ich hätte nämlich alles getan – und ich meine wirklich alles –, um diese verdammten Filmrechte am Ende mit nach Hause zu nehmen.

3

DER ABSURDE ABEND DER WACKEREN PRAKTIKANTIN

Tessai bestellt Spaghetti all’Amatriciana. Das Essen kommt, und er isst den Teller innerhalb weniger Minuten leer. Dann bestellt er einen neuen. Erst zwischen dem ersten und zweiten Teller richtet er das Wort an mich. Bis dahin hat er mich nur schweigend angesehen.

»Ich habe unsere Verabredung auf Skype heute nicht einhalten können, weil ich unbedingt schreiben musste. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren und unseren Termin vergessen.«

Seine Art zu formulieren hat immer etwas Bewegendes, auch wenn es nur um banale Dinge geht.

»Kein Problem.«

»Nein, nein. Sie dürften sich so etwas nicht gefallen lassen, Sie sollten verärgert sein.«

Das bin ich tatsächlich, Tameyoshi, aber ich habe in meinem Job gelernt, so viele Kröten zu schlucken, dass ich selbst nur noch quake. Aber das macht mir nichts aus, solange ich mir den köstlichen Augenblick ausmale, in dem ich zu Manzelli gehen und ihm sagen werde, dass sein kleines Genie nichts mehr und nichts weniger mit nach Hause bringt als die Filmrechte von Schönheit der Finsternis. Dann werde ich sofort befördert, und meine Karriere ist gesichert. Mit einem Sprung wird aus der ewigen Praktikantin ein Chief Creative Officer. Und dann kann ich endlich die kleine leerstehende Villa mit den Glyzinien kaufen, die ich so sehr mag (mit einem Kredit über dreißig Jahre wahrscheinlich, aber irgendeine Bank wird ihn mir schon geben). Dort richte ich mir eine Bibliothek ein und lasse einen Kamin einbauen (wenn es noch keinen gibt). Vielleicht erscheint sogar ein Artikel in Marie Claire über die talentierte Praktikantin, der es dank ihrer Zähigkeit gelungen ist, etwas zu erreichen, an dem alle anderen gescheitert sind. Und dann, Tameyoshi, ist es mir so was von egal, dass Sie mich so oft versetzt haben, oder glauben Sie, dass ich mich dann noch daran erinnere?

»Ich verstehe Ihre Gründe durchaus, Signor Tessai. Ich achte Ihre Arbeit und Ihren kreativen Rhythmus und gehe damit genauso respektvoll um, wie ich es bei der Verfilmung von Schönheit der Finsternis tun würde.«

»Versuchen Sie nicht, mich einzuseifen. Möchten Sie ein Dessert?«

»Ja, gerne.«

Tameyoshi bestellt Nachtisch für zwei.

»Ich glaube Ihnen aufs Wort, aber was machen wir, wenn wir unter Druck geraten, gegen den wir uns nicht wehren können? Sie wissen sicher, dass genau das passieren wird.«

Wenn er von seinen Werken und den dazugehörigen Rechten spricht, redet Tameyoshi immer im pluralis majestatis. Vielleicht weil er sich dann weniger allein fühlt. So als beträfen seine Entscheidungen ihn und noch jemand anderen, als müsse er diesem geheimnisvollen Alter Ego Rechenschaft ablegen.

»Ich weiß nicht, wie wir mit Veränderungen von Szenen und Handlungsabläufen umgehen sollten. Dies ist ein Preis, den wir nicht bereit sind zu zahlen.«

»Sie haben recht. Wenn Sie die Filmrechte verkaufen, gehören die Geschichte, die Figuren nicht mehr Ihnen allein. Da ist dann ein Produzent, außerdem ein Regisseur, eine Schar von Drehbuchautoren, die Schauspieler und sogar Komparsen, die behaupten, besser über das Buch Bescheid zu wissen als Sie. Doch die kreative Eigenständigkeit Ihrer Romane ist unangreifbar. Schönheit der Finsternis ist und bleibt ein Meisterwerk, unabhängig von einem Film, der dazu dient, eine neue Sicht der Welt vorzuführen, die Sie sich ausgedacht haben. Dies wäre ein Akt der Großzügigkeit, Signor Tessai.«

»Ich bin kein großzügiger Mensch.«

»Man ist das, was man sein will.«

Seine lebhaften Augen schauen mich interessiert an.

»Das ist eine schöne Äußerung. Darf ich sie für mein nächstes Buch verwenden?«

»Natürlich nicht.« Ich grinse. »Sie müssen erst die Rechte erwerben. Das sage ich, damit Sie verstehen, wie es mir geht.«

»Das weiß ich sehr genau, und es tut mir auch leid. Ich fürchte, Sie erwarten zu viel von diesem Projekt.«

»Überlassen Sie das doch einfach mir«, sage ich und täusche eine Selbstsicherheit vor, die ich gar nicht habe.

»Sie sind eine erwachsene Frau. Sie können sich selbst vor Enttäuschungen bewahren.«

Tessai bezahlt die Rechnung und verabschiedet sich, ohne einen neuen Termin zu vereinbaren. So geht es immer zwischen uns, ich weiß schon, dass er sich in drei Tagen wieder melden könnte oder erst in drei Monaten, ohne dass es Neuigkeiten gibt. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich zum Geist von Sinibaldi bete, auf dass er Tessai im Traum erscheint und ihm befiehlt, die Filmrechte endlich an mich zu verkaufen und meinem Leid ein Ende zu setzen.

Ich habe noch keine Lust, nach Hause zu gehen und mache mich zu Fuß auf zur Piazza di Spagna. Ich sollte dort jeden Tag sein, das ganze Jahr über. Die Temperaturen sind immer angenehm. Es ist nicht heiß, es ist nicht kalt, es weht kein Wind. Einfach perfekt. Die übliche Horde von Touristen sitzt auf den Stufen, eine kollektive, frühlingshafte Fröhlichkeit liegt in der Luft, mit der ich nichts gemein habe.

»Emma!«

Es ist die Stimme eines Schauspielers, den ich vor einiger Zeit bei der Arbeit kennengelernt habe. Ein Hund würde besser sprechen als er, aber trotzdem macht er Karriere. In einer Fernsehshow trat er nur halb bekleidet auf und zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Heute Abend ist er von einer Clique Nichtstuer und Nachtschwärmer umgeben.

»Liebe Freunde, das ist Emma, Emma de … ich weiß nicht was. Du arbeitest doch noch bei der Fairmont, oder?«

»Oh, bei der Fairmont! Gerade gestern habe ich dort Probeaufnahmen gemacht«, ruft ein hübsches Mädchen aus seiner Clique.

»Ja, schon«, entgegne ich lahm, weil mir nichts anderes einfällt.

»Komm, setz dich zu uns. He, Kumpel, bring uns noch einen Negroni. Du willst doch sicher einen, oder?«

»Lieber eine Piña colada.«

»Oje, du bist aber retro«, kichert das Mädchen von den Probeaufnahmen.

»Was heutzutage wohl eher ein Kompliment ist«, erwidere ich, und sie nippt etwas pikiert an ihrem Negroni weiter. Während ich auf meinen antiquierten Drink warte, höre ich mir ihre Reden an, die komplett uninteressant sind, und lächle nur wenig, aus purer Höflichkeit. Sie geben sich keine Mühe, mich in ihr Gespräch einzubeziehen, aber das will ich auch gar nicht.

Um nicht wie eine Schnorrerin zu wirken, gehe ich nicht gleich, nachdem ich mein Glas ausgetrunken habe. Eine Viertelstunde muss ich es schon aushalten, wie sähe das sonst aus?

Es kommt mir so vor, als warteten alle nur darauf, dass ich fertig werde; sie warten auf den letzten Schluck aus dem Strohhalm, der immer so laut ist, wie bei einem Kind, das Obstsaft aus einem kleinen Karton schlürft, und alle stehen schon auf, weil sie zu einer Party auf einer tollen Dachterrasse wollen, auf der sie bis zum Morgen weiter trinken.

Unser Schauspieler bleibt sitzen. Er muss morgen früh raus, weil er Proben hat.

»Soll ich dich nach Hause fahren?«

»Wenn es am Weg liegt …«

»Das ist doch ganz egal. Fahren wir.« Er legt einen Zweihundert-Euro-Schein auf das Silbertablett mit der Rechnung.

Dann nimmt er mich an der Hand, und ich gehe widerstrebend mit zu seinem Auto.

»Bevor ich dich nach Hause bringe, könnten wir noch etwas Musik zusammen hören, wenn du Lust hast. Ich habe auch einen ganz großartigen Rotwein im Keller.«

»Ich würde es mir nie verzeihen, wenn du morgen auf der Probe nicht in Form bist.«

»Ich bin mir sicher, dass ich dort sehr … entspannt sein würde«, sagt er mit demselben kühlen Lächeln, das er auch in den Liebesszenen seiner Filme zeigt und das er offenbar für unwiderstehlich hält.

»Da bin ich mir nicht so sicher.«

Obwohl ihm das nicht schmeckt, nimmt er es hin. »Es muss nicht unbedingt sein«, sagt er, schon etwas distanzierter.

»Warte kurz, ich hab Lust auf etwas Süßes.« Wir stehen vor Ladurée, und da kann ich nicht widerstehen.

Er scheint irritiert, und ich beruhige ihn schnell. »Keine Angst, ich will hier nicht bleiben. Ich kaufe rasch etwas und nehme es mit.«

Er nickt höflich, schließlich ist er ein einigermaßen guter Schauspieler und kann sich verstellen.

Ich betrete allein die Nobel-Patisserie, in der nichts Schlimmes passieren kann. Hier ist alles schön, teuer und pastellfarben. Mich jedenfalls macht es süchtig.

Ich nehme Macarons in den verrücktesten Farben, und bevor ich zur Kasse gehe, frage ich die Verkäuferin etwas, und sie hält mich daraufhin sicher für durchgeknallt.

»Entschuldigung, haben Sie Kerzen?«

»Wie bitte?«

»Kleine Kerzen, die man auf Kuchen steckt. Für Geburtstage. Haben Sie so was?«

»Leider nein, wir haben nur Duftkerzen.« Sie hebt eine Augenbraue.

»Die mit Parfum?«

»Ja.«

»Macht nichts. Was kosten sie?« Ich spähe nach draußen.

Einen Moment habe ich schon gedacht, mein Schauspieler hätte mich hier abgesetzt und einfach im Stich gelassen.

Er wartet jedoch geduldig auf der Straße und whatsappt mit der Schnelligkeit eines Teenagers.

»Wo musst du hin?«

»Ich will dich wirklich nicht ausnutzen …«

Aber es geschieht dann doch.

»Kein Problem, solange du nicht auf der Via Praenestina wohnst.«

»Nein, wenn du mich zur Via Barnaba Oriani bringen könntest …«

»Gern«, sagt er wie ein Taxichauffeur von den Philippinen.