Warum ich trotzdem Christ bin - Matthias Clausen - E-Book

Warum ich trotzdem Christ bin E-Book

Matthias Clausen

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Beschreibung

"Wozu Gott? Mir geht's auch so gut", "Ist das nicht alles eine kreative Fiktion?", "Warum lässt Gott das Leid zu?" "Hat die Wissenschaft den Glauben nicht längst wiederlegt?" (Oder: "Was würde Jesus zu Stephen Hawkins sagen?") – Gute Fragen verdienen gute Antworten. Und Gott nimmt keine Abkürzung "an unseren Fragen vorbei", sondern er will uns für sich gewinnen durch unsere Fragen hindurch. Zweifel sind aber oft nicht nur eine Sache des Verstandes, sondern eher ein Gefühl, ein leiser Unmut, der einen beschleicht – "Kann das denn alles stimmen? Wenn so viele Menschen vorgeben, daran zu glauben, selbst aber ziemlich unglaubwürdig sind?" Matthias Clausen glaubt nicht nur "trotzdem", sondern gerne. Schließlich hat der Engel zu den Hirten auf dem Feld auch nicht gesagt: "Siehe, ich verkündige euch große theologische Probleme, die euch ein Leben lang beschäftigen werden." Sondern: "Ich verkündige euch große Freude." In diesem Buch gibt er Antworten auf den gedanklichen und den gefühlten Zweifel.

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Matthias Clausen

Warum ichtrotzdemChrist bin

Ehrlich zweifeln,gerne glauben

Bibelstellen aus dem Neuen Testament sind, wenn nicht anders angegeben, der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen. Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft entnommen (NGÜ),

aus dem Alten Testament der Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LUT).

© 2021 Brunnen Verlag GmbH, Gießen

Lektorat: Uwe Bertelmann

Umschlagillustrationen: Adobe Stock

Umschlaggestaltung: Jonathan Maul

Satz: DTP Brunnen

ISBN Buch 978-3-7655-4371-5

ISBN E-Book 978-3-7655-7607-2

www.brunnen-verlag.de

Inhalt

Vorab

1.„Wozu Gott? Mir geht’s auch so gut“

2.Moralisch auch ohne Gott. Geht Ethik auch religionslos?

3.Was würde Jesus zu Stephen Hawking sagen?

4.Kreative Fiktion? Zur historischen Glaubwürdigkeit des Neuen Testaments

5.Das Klima schützen. Oh Gott, sind wir unverbesserlich?

6.Warum lässt Gott Leid zu?

7.Warum ich trotzdem Christ bin. Über den Glauben und seine unglaubwürdigen Vertreter

Anmerkungen

Vorab

„Ich komme zum Schluss“ – so begann einmal jemand seine (gefürchtete) Ansprache bei einer Familienfeier. Und alles atmete hörbar auf.1 Wichtiges kann man oft auch zügig sagen. Deswegen vorab und in aller Kürze: Der Titel des Buchs ist Absicht; er ist auch eine kleine Inhaltsangabe:

Trotzdem Christ

Ich bin Christ, ich glaube an Jesus, überzeugt und mit Begeisterung – und zugleich „trotzdem“: trotz so vielem, was dagegen zu sprechen scheint. Damit meine ich nicht nur die gängigen Fragen an Glauben, die meine Vernunft stellt (Fragen wie: Ist das alles logisch? Ist es beweisbar? Hat nicht die Wissenschaft …? Usw.). Die Fragen sind berechtigt. Viele davon sind aber relativ gut zu „handhaben“, will sagen: Viel Kluges ist darüber bereits geschrieben worden, von Menschen, die weitaus klüger sind als ich, einige davon zitiere ich öfter.

Mit „trotzdem“ meine ich durchaus auch diese klassischen Themen von dem, was man in der Theologie Apologetik nennt: die rationale Begründung des Glaubens im Gespräch mit Einwänden und Zweifeln. Das ist mir enorm wichtig. Apologetik war entscheidend auf meinem eigenen Weg zum Glauben; schon deswegen verwende ich darauf viel Zeit und Herzblut.

Mit „trotzdem“ meine ich aber noch mehr: Oft, so erlebe ich es, ist es nicht so sehr ein Argument gegen den Glauben, das Menschen den Glauben schwer macht. Sondern es ist eher ein Gefühl, ein leiser Unmut, der sie beschleicht: „Kann das denn alles stimmen? Wenn so viele Menschen vorgeben, daran zu glauben, selbst aber ziemlich unglaubwürdig sind? Wenn ich selbst anfange, daran zu glauben, werde ich zum Teil dieser Gemeinschaft? Und will ich das überhaupt?“ Meine Erfahrung im Gespräch ist, dass dieser Einwand gegen den Glauben für Menschen heute oft besonders schwer wiegt. Ich nehme ihn ernst, widme ihm ein ganzes Kapitel, das letzte dieses Buchs, und habe sogar das ganze Buch danach benannt.

Ehrlich zweifeln

Für den Zweifel muss man heute eigentlich keine Werbung mehr machen. Es gehört auch in christlichen Büchern längst zum guten Ton zu sagen: Zweifeln ist erlaubt. Das ist ein bisschen erstaunlich, weil in der Bibel schon ein paar kritische Dinge zum Thema Zweifel stehen. „Habt ihr noch keinen Glauben?“, fragt Jesus seine Jünger, als die im Sturm Angst bekommen haben, obwohl doch Jesus bei ihnen ist. Und Jesus? Schläft. In aller Ruhe. Er muss erst geweckt werden, reibt sich die Augen (stelle ich mir vor), blinzelt dann in den Sturm. Und sagt, deutlich, aber unaufgeregt: „Ruhe!“ Augenblicklich wird das Wasser still. Daraufhin kommt seine leise Kritik an die Jünger: Habt ihr noch keinen Glauben?2 Kritisiert wird also nicht der Zweifel an sich, sondern ein Zweifel, obwohl man es besser weiß, obwohl man dicht bei Jesus ist und alles dafürspricht, dass er am Ruder ist.

Das ist nicht der intellektuelle Zweifel, der mit guten Gründen hinterfragt, was noch nicht ausreichend begründet ist. Ein solcher Zweifel ist nicht nur erlaubt, er ist sogar erwünscht. Gute Fragen verdienen gute Antworten. Denn echter, nachhaltiger Glaube entsteht nur dann, wenn ich mir meine eigenen Fragen eingestanden habe. Gott nimmt keine Abkürzung an unseren Fragen vorbei, sondern er will uns für sich gewinnen durch unsere Fragen hindurch. Ein Glaube, der sich gegen ehrliche Fragen abschottet, hat mich daher nie interessiert.

Meine Vermutung ist: Wenn Menschen einmal angefangen haben zu glauben, aber dann wieder damit aufhören – dann liegt das manchmal daran, dass ihr „erster“ Glaube noch nicht so viele Zweifel hat aushalten müssen. Das hat ihn weniger robust gemacht. Solchen Menschen möchte ich zeigen: Das liegt aber nicht am Glauben an Jesus selbst, sondern daran, wie sie ihn zuvor kennengelernt haben. An sie habe ich bei diesem Buch besonders gedacht.

Dieses Buch basiert ja auf Vorträgen, die ich vor allem vor Studierenden an Hochschulen gehalten habe, zum Teil auch vor anderen Altersgruppen. Die Vorträge richten sich oft an Skeptiker, für die das Thema Glaube neu ist und die dem Ganzen abwartend gegenüberstehen. Beim Aufschreiben der Vorträge für dieses Buch habe ich mich aber zusätzlich gefragt: Wie klingt das eigentlich für Menschen, die das „alles schon durchhaben“? Die über all das früher schon einmal nachgedacht, es sogar schon mal geglaubt haben? Ist das für sie sinnvoll? Ehrlich zweifeln ist gesund – um zum Glauben zu finden und um wieder zurückzufinden.

Gerne glauben

Ich glaube aber nicht nur „trotzdem“, sondern gerne. So wichtig es ist, Zweifel ernst zu nehmen und Probleme nicht schönzureden: Ich halte den Glauben an Jesus nicht nur für wahr und gut begründet, sondern ich finde ihn auch schön. Deswegen wirkt es auf mich manchmal merkwürdig, wenn in christlichen Büchern, Vorträgen, YouTube-Videos und Podcasts … ausschließlich Probleme gewälzt werden.

Noch einmal (ich bin schließlich Akademiker, noch dazu deutscher Akademiker, und wie alle Brillenmenschen muss ich mich absichern): Probleme wälzen ist wichtig, Probleme verschwinden nun mal nicht durch Verschweigen. Aber das Herz meines Glaubens ist nicht eine Denkaufgabe, ein Logik-Rätsel, sondern das Herz ist eine Person, Jesus, und diese Person verkörpert eine rundum gute Botschaft.

Man denke an den Engel an Weihnachten. Der hat zu den Hirten auf dem Feld auch nicht gesagt: „Siehe, ich verkündige euch große theologische Probleme, die euch ein Leben lang beschäftigen werden.“3 Nein. Er hat gesagt: „Ich verkündige euch große Freude.“ Das versuche ich in diesem Buch auch, und ich hoffe, das Lesen macht Sie nachdenklich – und es macht Ihnen Freude.

Wenn Sie mich kontaktieren möchten – gerne:

[email protected]

www.iguw.de

Hier finden Sie ein Video, indem ich mich und das Buch noch einmal kurz vorstelle: https://www.youtube.com/watch?v=mTjHmribNeE

1. „Wozu Gott? Mir geht’s auch so gut“

Die großen Fragen an das Leben lassen sich bekanntlich ganz leicht beantworten. Denn die großen Fragen, so könnte man in Anlehnung an große Denker sagen, lauten: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?

Das lässt sich in meinem Fall leicht beantworten: Wo komme ich her – aus Marburg in Hessen, da wohne ich seit etlichen Jahren. Wo gehe ich hin – dorthin wieder zurück, jedenfalls wenn ich zuvor auf Reisen war. Was soll ich tun – jetzt hier diesen Text schreiben (das habe ich mir zumindest vorgenommen). Was darf ich hoffen – dass das, was ich schreibe, einigermaßen sinnvoll ist. Damit habe ich die Fragen beantwortet. Das war natürlich nur ein Scherz. Was ich sagen will: Wir haben uns daran gewöhnt, die großen Fragen an das Leben kaum mehr ernsthaft zu stellen. Wenn wir sie stellen, dann mit einem kleinen entschuldigenden Augenzwinkern, gerne ironisch, sozusagen in Anführungszeichen gesprochen. Fast als sei es uns ein wenig unangenehm.

Das kann man auch gelehrt ausdrücken und sagen: Diese Verlegenheit ist typisch für eine postmodern geprägte Gesellschaft. Denn ein Merkmal der Postmoderne, so schrieb einer ihrer Vordenker, ist die Skepsis gegenüber den sogenannten Meta-Erzählungen.4 Übersetzt sind das die „großen Erzählungen“, die großen Sinndeutungs-Angebote, wie sie in früheren Zeiten von der Religion kamen oder von den politischen Systemen oder von der Wissenschaft. Dem begegnen wir mit Skepsis. Fast ist es so: je größer das Angebot zur Sinndeutung, das uns gemacht wird, umso größer unsere Zurückhaltung. „Geht’s nicht auch ein bisschen kleiner?“, sagt eine Stimme in uns. „Das ist mir zu abgehoben. Zu weit weg von meinem Lebensgefühl.“

Die Frage nach dem Wozu

Deswegen stellen Menschen oft eine eher pragmatische Frage: „Was bringt’s?“ Anders gefragt: „Wozu? Wozu ist das gut? Was kommt dabei heraus?“

Ganz ehrlich: Ich finde diese Art zu fragen gar nicht so schlecht. Ich finde zwar, dass sie nicht ausreicht. Ich bin sogar überzeugt, dass es zu unserem Menschsein dazugehört, noch tiefer nachzufragen, auch die Frage zu stellen: „Was ist denn die Wahrheit?“ Und zwar erst einmal unabhängig vom Nutzwert. Was wahr ist und was nicht, interessiert mich ganz ungemein.

Trotzdem finde ich die Frage „Wozu?“ berechtigt. Weil sie helfen kann zu sortieren. Welches Sinndeutungs-Angebot verdient weiteres Nachdenken, und welches scheidet schnell aus? Um das herauszufinden, hilft ein simples „Wozu ist das gut?“ manchmal ungemein.

Zum Beispiel wenn uns vermittelt wird, es gehe im Leben ums Geldverdienen, und zwar allein ums Geldverdienen. Oder wenn uns vermittelt wird: Es gehe ums Karrieremachen. Wenn das für Menschen der einzige Sinn im Leben wird, kann das seltsame Blüten treiben. So wie in folgender Szene, an die sich der Autor und Theologe Christian A. Schwarz einmal erinnert:

„Ein Freund von mir – ich unterstelle, dass er es wirklich gut mit mir meinte – redet beständig auf mich ein, ich müsste doch etwas dafür tun, dass ein bestimmter Unternehmer ‚eine bessere Meinung über mich‘ gewinne. Und dann erzählte er mir von seinem Erfolgsrezept: ‚Ich habe ihm schon öfter nach 23 Uhr ein Fax aus meinem Büro geschickt. Das hat ihn sehr beeindruckt. Vielleicht solltest du das auch einmal machen.‘“5

Heute wäre es eine E-Mail oder Messenger-Nachricht. Aber das Prinzip hat sich nicht geändert, jedenfalls für Menschen, für die Geld oder Karriere tatsächlich an erster Stelle stehen. Mir fällt dazu nur der Satz des Schauspielers Peter Ustinov ein: „Was der Sinn des Lebens ist, weiß keiner genau. Jedenfalls hat es wenig Sinn, der reichste Mann auf dem Friedhof zu sein.“

Die Frage „Wozu?“ oder „Was bringt’s?“ ist also gar nicht so schlecht. Deswegen kann ich zumindest verstehen, wenn Menschen diese Frage auch an den Glauben richten: „Wozu? Wozu glauben – wozu Gott?“

Das war zwar nicht die erste Frage, die ich mir selbst gestellt habe, auf meinem eigenen Weg zum Glauben. Ich bin ja nicht etwa als Theologe auf die Welt gekommen, auch nicht als Christ, sondern als Baby. Ich bin in einem im guten Sinne kirchlichen Elternhaus aufgewachsen. Aber zu einem engagierten, eigenständigen Glauben habe ich erst als Jugendlicher gefunden, in Kontakt mit einer christlichen Jugendgruppe im Nachbarort. Ich bin dort hingegangen, weil ich die Leute nett fand. Aber dann hat mich etwas beeindruckt, was ich erst hinterher in Worte fassen konnte. Und zwar so, wie es ein Theologe einmal über eine Gruppe besonders engagierter Christen sagte: Sie redeten von Gott so, als ob es ihn wirklich gäbe.

Das hatte ich so noch nicht erlebt. Gott als Idee, als Vorstellung, als Möglichkeit – ja. Aber als jemand, der etwas mit mir vorhat, der im Gespräch mit mir ist, mir Sinn gibt und einen Anspruch auf mein Leben hat – das war mir neu. Und das hat mich so beeindruckt, dass ich mir eine Frage gestellt habe, die für Jugendliche vielleicht ungewöhnlich ist, es war aber meine Frage, nämlich: Ist das Ganze wahr? Stimmt das, was diese Menschen sagen? Es kann ja nur eins von beiden sein, wahr oder nicht wahr. Wenn es nicht wahr ist, ist es für mich nicht relevant, auch wenn es sich noch so gut „anfühlen“ sollte. Wenn es wahr ist, ist es in jedem Fall wichtig, auch wenn ich das jetzt noch nicht absehen kann.

Das also war meine zentrale Frage, und sie ist mir bis heute am wichtigsten: Ist es wahr? Beschreibt der christliche Glaube die Wirklichkeit zutreffend? Ich glaube nicht zuerst deswegen, weil mir Glaube an Jesus „etwas bringt“, sondern weil Jesus mich überzeugt.

Und doch kann ich die Frage nach dem Wozu? verstehen. Denn vielleicht sagen Sie sich ja: „Es mag sein, dass es gute Gründe für den Glauben gibt. Aber bevor ich mich damit befasse, möchte ich erst einmal wissen, was sich denn durch den Glauben in meinem Leben ändern würde – also ob sich das Nachdenken darüber lohnt.“ Das kann ich nachvollziehen.

Ehrlich zufrieden

Deswegen werde ich eines bestimmt nicht tun: Ihnen Ihre Zufriedenheit ausreden. Wenn Sie die Überschrift dieses Kapitels gelesen haben und sich gedacht haben: „Stimmt. Mir geht’s, ehrlich gesagt, gar nicht so schlecht. Mein Leben läuft. Wozu ‚brauche‘ ich dann Gott?“ – Wenn das also auf Sie zutrifft, werde ich mich hüten, Ihnen diese Zufriedenheit auszureden. Etwa indem ich sagte: „Natürlich, jetzt gerade geht es Ihnen gut. Aber schon morgen könnten Sie krank werden, an Grenzen stoßen, Belastungen ausgesetzt sein, die sie nicht aushalten können.“

Das kann zwar sein. Während ich diese Sätze schreibe, befinden sich große Teile der westlichen Welt gerade im Lockdown wegen des Coronavirus. Läden und Schulen sind wochenlang geschlossen und öffnen nur zögerlich, um die Ansteckungszahlen möglichst niedrig zu halten. Wenn dieses Buch erscheint, ist diese Krise hoffentlich schon wieder im Schwinden. Ganz vergessen haben werden wir aber nicht, wie das war: Als all die gefühlte Sicherheit auf einmal brüchig wurde. Und wir merkten, wie selbst die höchst entwickelten Gesellschaften nicht immun sind gegen diese Art von Bedrohung. Unser Leben ist begrenzt, es ist nie gefeit gegen Krankheit und Schmerzen, und es endet mit dem Tod. Das war schon immer so, es wurde nur in diesen Monaten neu deutlich.

Es stimmt also durchaus, dass unsere Zufriedenheit immer nur „auf Zeit ist“. Trotzdem möchte ich damit jetzt nicht argumentieren, nach dem Motto: „Sehen Sie, irgendwann kommen die Probleme zurück, also sollten Sie sich eben doch mit Gott beschäftigen.“ Das will ich nicht. Denn es kann ja sein, dass Sie dennoch weiterhin zufrieden sind, ganz aufrichtig, dass Sie keinen Mangel verspüren. Wenn das der Fall ist, dann freut mich das für Sie, und ich wünsche Ihnen, dass es so bleibt. Ich fände es unredlich, einem Menschen solche ehrlich gefühlte Zufriedenheit madig zu machen.

Außerdem wäre es eine ziemlich schlechte Werbung für den Glauben. Als ob Gott die Probleme von Menschen „nötig“ hätte, um sich ihnen dann als Lösung zu präsentieren. Als ob Glaube nur eine „Krücke“ wäre für die Zeiten im Leben, in denen es nicht gut läuft.

Nichts gegen Krücken, übrigens. Man schaue nur in das Wartezimmer eines Orthopäden und frage die anwesenden Sportverletzten, was sie denn zum Thema Krücke denken. Sie würden wahrscheinlich sagen: nicht schön, aber zeitweise wichtig, sogar unerlässlich. Nur: Wenn man die Krücke nicht mehr braucht, stellt man sie in die Ecke. Deswegen ist der christliche Glaube mehr als eine Krücke. Er ist auch etwas für Menschen, die zurechtkommen. Sogar für solche Menschen, die geradezu beunruhigend gut zurechtkommen.

Ich habe solche Menschen vor Augen. Sie haben nicht nur solide und spannende Berufe. Sie haben nicht nur nette und entspannte Familien. Sie sehen sogar zusätzlich gut aus. Sie sind sportlich, aber nicht anstrengend ehrgeizig, haben nette Hobbies und sind sozial engagiert. Sie sind bei alledem auch noch bescheiden. Und sie verstehen sich als Christen. Das klingt fast schon unglaubwürdig, ich weiß. Aber so etwas gibt es. Der Clou ist: Glaube ist auch etwas für solche Menschen. Der Glaube hat es gar nicht nötig, dass man diesen Menschen Probleme „einredet“. Deswegen werde auch ich mich davor hüten.

Eine Frage

Stattdessen möchte ich etwas ganz anderes tun. Ich möchte eine simple Frage stellen: Kann es nicht sein, dass man subjektiv zufrieden ist mit dem, was man erlebt und hat – einfach weil man nicht weiß, was man verpasst?

Die Pointe dabei: Es ist auch aus christlicher Sicht ja nicht etwa verkehrt, nach dem Glück zu suchen, das sogenannte „gute Leben“ zu suchen. Das wird uns auch im Glauben keineswegs „ausgeredet“. Nur sollten wir uns bei dieser Suche nicht zu schnell zufriedengeben. Der englische Schriftsteller C. S. Lewis hat dies Mitte des 20. Jahrhunderts so gesagt:

„Bei den meisten modernen Menschen steckt die Vorstellung im Unterbewusstsein, es sei schlecht, sich etwas Gutes zu wünschen und auf den Genuss zu hoffen. Ich behaupte jedoch, dass sich diese Idee über Kant und die Stoiker eingeschlichen hat und nicht zum christlichen Glauben gehört.

Wenn wir uns nämlich ansehen, wie unverschämt viel Belohnung uns versprochen wird und wie atemberaubend der in den Evangelien verheißene Lohn ausfällt, sieht es doch ganz so aus, dass unser Herr unsere Sehnsüchte nicht als zu stark, sondern als zu schwach empfindet. Wir halbherzigen Geschöpfe spielen mit Alkohol und Sex und Ehrgeiz herum, wo uns doch unendliche Freude angeboten wird. Dabei verhalten wir uns wie ein unwissendes Kind in einem Slum, das Matschkuchen backt, weil es sich nicht vorstellen kann, was es bedeutet, Ferien am Meer angeboten zu bekommen. Wir sind viel zu leicht zufriedenzustellen.“6

Ich selbst hätte es vielleicht diplomatischer gesagt, aber in der Sache stimme ich Lewis zu: Man kann mit einem Leben ohne Gott subjektiv zufrieden sein, selbstverständlich. Also mit einem Leben, in dem einem irgendetwas anderes Sinn und Erfüllung gibt, seien es Beziehungen, Kreativität, Musik, die Schönheit der Natur oder andere Genüsse. Das geht, jedenfalls eine Zeit lang. Und es ist auch nicht verkehrt, sich an alledem zu freuen. Nur: Man gibt sich mit diesem Lebenskonzept sozusagen mit zu wenig zufrieden. Man schlägt die großartigen Versprechen aus, die einem im christlichen Glauben gemacht werden.

Was für Versprechen sind das? Wenn Sie in diesem Buch weiterlesen, werden Sie immer mehr davon erfahren. Für den Anfang und sozusagen als Appetizer konzentriere ich mich auf zwei, die es allerdings in sich haben: erstens Sinn und zweitens Hoffnung.

Das erste Versprechen: Sinn

Stellen wir uns einen Augenblick vor, der Atheismus hätte recht. Und wir wären tatsächlich allein, ohne Gott, im Universum. Dann wären auch alle unsere Ideale, Wertmaßstäbe, Ziele, all das, was wir als Sinn erkennen, allenfalls unsere private Idee. Es wäre für uns selbst sicherlich wichtig, aber es hätte unabhängig von uns keinerlei objektive Geltung. Auch wenn uns etwas also noch so wichtig wäre, beispielsweise ein humanitärer Wert oder ein Lebensziel – wenn es oberhalb und außerhalb von uns Menschen niemanden gibt, der diesen Wert bestätigt, dann existiert dieser Wert nur in unserem Kopf. Er ist völlig subjektiv, wie ein Geschmacksurteil: „Mir gefällt es aber besser so.“ Das meinen wir aber ja nicht, wenn wir sagen: „Mein Leben hat Sinn, weil …“ Oder: „Ich engagiere mich für diesen oder jenen Wert, weil …“ Solche Sätze sind etwas völlig anderes als der Satz: „Ich mag lieber Erdbeereis als Zitroneneis.“ Aber wenn nichts objektive Geltung hat, dann gibt es auch zwischen diesen beiden Sorten von Sätzen keinen Unterschied. Denn dann gibt es keinen objektiven Wert, keinen tieferen Sinn, nichts als: „Geschmackssache.“

Das machen wir uns oft nicht klar – zum Glück! Denn wir leben ja zumeist so, als ob unsere Wertvorstellungen eben doch Geltung haben. Vor einigen Jahren kam ich am Rand einer Vortragsveranstaltung an einer Uni im Ruhrgebiet ins Gespräch mit einem Studenten, der ein kleines bisschen abseits stand. Ich fragte ihn, was er denn vom christlichen Glauben halte.

Er antwortete sinngemäß: „Damit habe ich mich schon beschäftigt, das habe ich durch, das ist nichts für mich.“

Ich entgegnete: „Okay, das sehen ja einige Menschen so. Was glaubst du denn stattdessen? Glaubst du, dass es einen Gott gibt? Glaubst du, dass es irgendeinen tieferen Sinn gibt?“

Er sagte: „Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, es gibt nichts als die materielle Welt.“

Ich sagte wieder: „Okay, auch das sehen viele Menschen so.“

Und wir kamen weiter ins Gespräch. Wir unterhielten uns über seine Hobbys und Interessen, er erzählte mir davon, dass er elektronische Musik am Computer entwirft; wir unterhielten uns über Beziehungen und Freundschaften, und seine Augen leuchteten.

Irgendwann sagte ich: „Stopp. Ich nehme da eine Spannung wahr in dem, was du sagst. Wenn das wirklich stimmt, was du vorhin gesagt hast: dass es nichts gibt als die materielle Welt – dann ist doch all das, wovon du seitdem gesprochen hast und was dir so wichtig ist, nämlich Musik, Kreativität, Beziehungen, Freundschaft – dann ist all das doch nichts weiter als: H2