Warum Stress glücklich macht - Helen Heinemann - E-Book

Warum Stress glücklich macht E-Book

Helen Heinemann

4,4

Beschreibung

Wer fühlt sich nicht gestresst? Der Alltag ist oft eine einzige Aufholjagd. Und wie, bitte schön, soll Stress glücklich machen? Helen Heinemann deckt einen Selbstbetrug auf: Nicht der aktive Stress ist das Problem. Sondern unser unbändiger Wunsch nach Entspannung, der uns treffsicher ins Abseits führt. Und sie offenbart, dass die Angst vor Stress nicht nur den Einzelnen schwächt, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene jede Entwicklung verhindert. Eine lebendig geschriebene Streitschrift - die Lust auf Stress macht.

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Inhalt

Prolog – Beißschienen

Kapitel 1 – Ja, es ist ernst

Kapitel 2 – Die Work-Life-Blamage

Kapitel 3 – Das Märchen von der ständigen Erreichbarkeit

Kapitel 4 – Alles zu meiner Zeit

Kapitel 5 – Deutschland sucht den Impfpass

Kapitel 6 – Die Sisyphus-Komplizen

Kapitel 7 – Diktatur der Supernanny

Kapitel 8 – Kaputtentspannt

Kapitel 9 – Lieblingsstress

Kapitel 10 – Die Entdeckung des Wozu

Kapitel 11 – „Ich wünsche mir ein Nein“

Kapitel 12 – Hochzeit mit mir selbst

Epilog – „Komm, die Szene drehen wir noch mal“

Danksagung

Über die Autorin

PrologBeißschienen

Ein beständiges Knirschen, Scheuern und Reiben. Die Geräusche dieser Nachtschicht sind kaum auszuhalten. Es herrscht Hochdruck – bei immensen Kräften: 800 Newton pro Quadratzentimeter sind da am Walten.

Das ist der Wert, den die Kiefermuskeln im Zusammenspiel mit sämtlichen Schädelknochen als Kraft auf die Zähne umsetzen können. Doch nachts gibt es zwischen Ober- und Unterkiefer nichts, was den Druck auffangen könnte. Der Kieferraum steht unter Hochspannung – und macht sich selbst kaputt. Wangen- und Schläfenknochen gleich mit. In extremen Fällen mahlen Betroffene ihre Zähne bis aufs Zahnfleisch ab.

Gegen Bruxismus, so der medizinische Fachbegriff für das Zähneknirschen, gibt es zunächst nur eine wirksame Intervention: die Beißschiene. Ein individuell angepasstes Stück Kunststoff, das den Druck des Kiefers auffängt und so wenigstens die Zähne schützt. Seit Jahren diagnostizieren Ärzte immer öfter Bruxismus und verschreiben immer mehr Menschen Beißschienen.

Bruxismus ist nichts anderes als eine Form des Zähnezusammenbeißens. Nur eben nicht kurz, sondern chronisch. Nacht für Nacht. Wie da wohl erst die Tage aussehen müssen?

Kapitel 2Die Work-Life-Blamage

Gleich zu Beginn des Seminars ist die Frau mir als selbstbewusste und sichere Erscheinung aufgefallen: Die feine Jeans und der moderne Blazer zeugen von Geschmack, souverän kam sie in den Tagungsraum und entschied sich ohne Zögern für einen Platz ganz vorne.

Nur ein wenig später kann und möchte sie die Tränen nicht zurückhalten. Eigentlich ist sie verzweifelt.

Die Frau leitet die Controlling-Abteilung eines Reifenherstellers und erzählt nun, dass sie allein in den letzten zwei Jahren zwei Zeitmanagement-Kurse und ein Achtsamkeits-Stressreduktions-Training absolviert hat. Die Personalabteilung schlug ihr das vor, weil sie unter Stress litt und merkte, wie ihre berufliche Motivation sank. Zudem machte ihr der Verantwortungsdruck bei ihren Aufgaben mehr und mehr zu schaffen: selbst im Kino am Samstagabend dachte sie an die Zahlen. Immer wieder versicherte sie sich selbst, dass die Statistiken und Bilanzen stimmen mussten. Sie hatte alles mehrfach kontrolliert und keine Fehler entdeckt. Und doch nagte immer wieder der Zweifel an ihr. Hatte sie wirklich alles richtig gemacht oder lauerte irgendwo in den Tiefen des Systems ein gravierender Fehler. Etwas, das nicht zu entschuldigen war.

Nach jedem der Workshops kam sie fokussiert und motiviert zurück und setzte das jeweils vorgeschlagene Zeitmanagement-System in ihrem Kalender um. Pufferzeiten einplanen, Termine halbstündig machen, Besprechungen möglichst am Vormittag etc. Eine Software unterstützte sie dabei. Alles klappte und der auf diese Weise besser strukturierte Tagesablauf tat ihr gut. Stolz berichtet sie, dass sie sogar einmal an einem Freitag bereits um 16 Uhr die Firma verlassen konnte – um endlich mal wieder mit einer Freundin bummeln zu gehen.

Allerdings hielt die Verbesserung nie länger als vier Wochen. Dann waren der Stress und die Unsicherheit im Alltag wieder da. Einmal zwang sie ein längerer krankheitsbedingter Ausfall von zwei Mitarbeitern ihrer Abteilung zur Mehrarbeit und warf ihre Planung über den Haufen. Ein anderes Mal führten eine interne Umstrukturierung und ein neues Organigramm mit verändertem Aufgabenbereich zur Mehrarbeit. Doch egal wie klar und einleuchtend die Erklärungen auch waren: Der Druck lastete bleischwer auf ihr und ging nicht weg. Ebenso der Stress, durch den sie kaum mehr Schlaf fand.

Stress, Schlaflosigkeit, Panikattacken. Die fiesen alten Bekannten waren wieder in ihr Leben getreten. Und sie hatten noch einen neuen Peiniger mitgebracht: das Gefühl, versagt zu haben.

Kleine Helfer