Was uns zusammenhält - Birgit Fenderl - E-Book

Was uns zusammenhält E-Book

Birgit Fenderl

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Beschreibung

Vom Wert der Freundschaft für unser Leben Altbundespräsident Heinz Fischer erinnert sich an die gemeinsame Volkschulzeit im Nachkriegs-Wien mit seinem Freund John Sailer. Hans Krankl und Herbert Prohaska erklären, wie sie trotz der Gegnerschaft zwischen Rapid und Austria ein Leben lang befreundet blieben. Die Ö3-Stars Gabi Hiller und Philip Hansa philosophieren über platonische Freundschaften zwischen Mann und Frau. Im Gespräch mit bekannten Persönlichkeiten und ihren Freund:innen geht Birgit Fenderl der Freundschaft auf die Spur. Was macht Freundschaft eigentlich aus? Welche Funktionen übernehmen Freund:innen in unserem Leben, warum ist es gar nicht so einfach, lebenslange Freundschaften aufrecht zu erhalten und wie haben Lockdown und Co unsere Freundschaften durcheinandergebracht? Mit einem Beitrag von Lisz Hirn über Freundschaft. Folgende Freundespaare sind im Buch - mit Fotos: Erika Pluhar – Anna Dangel Heinz Fischer – John Sailer Haya Molcho – Ellen Lewis Hans Krankl – Herbert Prohaska Anneliese Rohrer – Susan Buckland Birgit Braunrath – Guido Tartarotti Philipp Hansa – Gabi Hiller Birgit Denk – Alexandra Barcelli Paul Sevelda – Uschi Denison Hannah Lessing – Michaela Ernst Markus Freistätter – Susanne Auzinger Alain Weissgerber – Michael Lentsch Arman T. Riahi – Arash T. Riahi und Azadeh T. Riahi

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Über das Buch:

Freundschaften zählen zum Schönsten und Wichtigsten im Leben. Sie fördern unser Wohlbefinden, geben uns Halt und ersetzen mitunter sogar Familie.

Aber was macht Freundschaft eigentlich aus? Dieser Frage geht die bekannte Moderatorin und Autorin Birgit Fenderl in diesem Buch nach – im Gespräch mit Philosophin Lisz Hirn, mit Psychotherapeutin Cristina Budroni und mit bekannten Persönlichkeiten und ihren FreundInnen.

So erzählen unter anderen Alt-Bundespräsident Heinz Fischer, die Ö3-Stars Gabi Hiller und Philipp Hansa, die Fußball-Legenden Hans Krankl und Herbert Prohaska oder Starköchin Haya Molcho, was für sie in Freundschaften bereichernd ist.

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Für Kathi

INHALT

Über das Buch

Danke

Eine Art Liebesbeziehung

Johann Wolfgang von Goethe & Friedrich Schiller

Konkurrenten und Freunde

Erika Pluhar & Anna Dangel

Der Name war die Initialzündung

Heinz Fischer & John Sailer

Volksschulfreunde

Haya Molcho & Ellen Lewis

Gemeinsam lachen und weinen

Hans Krankl & Herbert Prohaska

Der Opitz und der Zwirschina

Birgit Denk & Alexandra Barcelli

Thelma und Louise

Gabi Hiller & Philipp Hansa

Zu hundert Prozent befreundet

Gespräch mit Lisz Hirn

Freundschaft – Eine Frage der Definition

Anneliese Rohrer & Susan Buckland

Grüne Tomaten

Birgit Braunrath & Guido Tartarotti

Mit eisernem Willen

Paul Sevelda & Ursula Denison

Freundschaft hat keinen Jahrestag

Markus Freistätter & Susanne Auzinger

Genussvoll und harmonisch

Gespräch mit Cristina Budroni

Freundschaft ist die Schwester der Liebe

Alain Weissgerber & Michael Lentsch

Vom Gast zum Freund

Hannah Lessing & Michaela Ernst

Nur wir zwei

Arash T. Riahi, Arman T. Riahi & Azadeh T. Riahi

Geschwister und Freunde

Über die Autorin

Über die Fotografin

Impressum

EINE ART LIEBESBEZIEHUNG

Sie stärkt unser Immunsystem, reduziert Stress und fördert unser Wohlbefinden ganz im Allgemeinen. Und sie ist definitiv eine der wichtigsten Ingredienzien für ein erfülltes Leben, auch wenn sie in Abgrenzung zu Paarbeziehung oder Familie gar nicht so einfach zu definieren ist: die Freundschaft.

In der Art, wie wir Freundschaften heute verstehen und leben, ist sie außerdem ein relativ junges Pflänzchen, kennt die Menschheit doch seit erst knapp 300 Jahren Freundschaften im Sinne von Seelenverwandtschaften. Und noch etwas: Historisch gesehen war Freundschaft die meiste Zeit ausschließlich Männersache – von der Antike über das Mittelalter bis zur Aufklärung, als erst langsam mit dem Vorurteil aufgeräumt wurde, dass Frauen unfähig zu Freundschaft seien. Was Frauen heutzutage gerne ihren Männern vorhalten, die ihrer Meinung nach oft nicht besonders freundschaftsbegabt sind, ganz im Gegensatz zu ihrem eigenen Geschlecht, da sich Frauen längst als die Besseren in dieser zwischenmenschlichen Disziplin empfinden. Es ist also mit Freundschaft wie mit vielem im Leben, und wie einst ein österreichischer Bundeskanzler so trefflich formulierte: Es ist kompliziert!

Aber es ist wunderschön, manchmal lebensnotwendig und immer etwas ganz Besonderes, wenn sich zwei oder mehrere Menschen freundschaftlich zugetan sind. „Eine Seele in zwei Körpern“, wie einst Aristoteles formulierte, von Kindheit an oder erst im reiferen Alter entstanden. Im Internet-Zeitalter und in Krisenzeiten auf die Probe gestellt, soll die Freundschaft in diesem Buch hochgehalten und gefeiert werden! Mit Geschichten über großartige, unterschiedlichste und überraschende Freundschaften, in denen Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, so manche bekannte Persönlichkeit von einer ganz neuen Seite kennenlernen werden. Doch lassen sie uns zuvor noch ein wenig gemeinsam über Freundschaft per se nachdenken.

Was bedeutet Freundschaft?

Seit wann gibt es eigentlich den Begriff „Freundschaft“ oder was verstand man ursprünglich darunter? „Historisch gesehen lässt sich kein genauer Zeitpunkt festmachen, ab wann Freundschaft begann, als solche bezeichnet zu werden“, antwortet die Wiener Soziologin Barbara Rothmüller, „und es ist ja auch die Frage, inwiefern sich Freundschaft zum Beispiel aus Kameradschaft entwickelte. Kameradschaft ist ein älteres Konzept, das wir heute eher zurückhaltend verwenden. Inwiefern und wodurch sich wiederum Kameradschaft und Freundschaft abgrenzen lassen, ist auch nicht so einfach. Kameradschaft bedeutete auch gemeinsame Wander- oder Ausbildungsjahre von Handwerkern.

Solche Jahre haben die Menschen zusammengeschweißt. Oder auch gemeinsame Erfahrungen im Krieg, womit wir den Begriff Kamerad am meisten assoziieren. Alles alte Konzepte, die sich meist auf Männerfreundschaften beziehen. Frauenfreundschaften sind historisch noch einmal anders zu sehen, weil Frauen weniger im öffentlichen Raum involviert waren und dadurch auch weniger Möglichkeiten hatten, Freundschaften zu pflegen“, meint Rothmüller.

Die bekannte Philosophin Lisz Hirn wiederum, die später im Buch viel Spannendes über Freundschaft erzählen wird, sagt zum Wort „Freundschaft“ Folgendes: „Woher es stammt, dazu gibt es mehrere Ansätze, aber ich finde die etymologische Wurzel schön: zwischen ‚Frei‘ und ‚Freund‘. Das hat mir sehr zu denken gegeben, nämlich auch, was eine Freundschaft beiden oder mehreren gewähren kann. Nämlich dieses Gefühl, vertraut zu sein, sich frei bewegen zu können, frei sagen zu können, was einem auf dem Herzen liegt et cetera. Es ist also eine ganz besondere Beziehung, die eigentlich die freieste aller möglichen Beziehungen ist.“ Was wiederum nicht auf alle Freundschaften zutreffen muss, denkt man zum Beispiel an die berühmte Freunderlwirtschaft in der Politik, wobei wir uns hier schon recht weit weg vom dem bewegen, was wir eigentlich unter Freundschaft verstehen.

Bei den alten Römern zeigt sich die Nähe zwischen Freundschaft und Liebe sprachlich gesehen wohl am deutlichsten, versteckt sich doch in „amica“ oder „amicus“ ganz eindeutig „amor“. Wobei man unter Freundschaft in dieser Zeit etwas anderes verstand als heute.

Von Zweckgemeinschaften zu Seelenverwandten

Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel, generell gesprochen lässt sich aber eindeutig feststellen, dass Freundschaften bei den alten Römern oder Griechen in erster Linie Zweckgemeinschaften bedeuteten. Freundschaft war ein Thema des öffentlichen Lebens, gemeinsame Inhalte oder Interessen standen im Vordergrund, auch wenn Sokrates, Platon, Aristoteles und Co. auf der Suche nach dem Sinn auch die Freundschaft unter die Lupe nahmen und viele bis heute wichtige Definitionen von Freundschaften hinterließen, die auch in diesem Buch eine Rolle spielen werden.

Wenn im alten Rom von „amicitia“ die Rede war, war damit eine freundschaftliche Beziehung gemeint, wie man sie heute unter politischen Weggefährten kennt; der Begriff wurde für eine Beziehung zwischen gleichrangigen, hochgestellten Personen der Gesellschaft verwendet. Für eine Freundschaft im persönlichen Sinne benutzte man „familiaris“, also dem Haus zugehörig, auf die Familie bezogen.

Bis sich Freundschaften außerhalb des eigenen Hauses entwickelten, sollte es bis zum 18. Jahrhundert dauern, als die Menschen, besser gesagt die Männer, sich in Salons zu treffen begannen, um Zeit miteinander zu verbringen, Beziehungen zueinander zu pflegen. Die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben war bis dahin eher unbekannt und dass Frauen überhaupt dazu fähig sind, miteinander befreundet zu sein, galt noch zu Goethes und Schillers Zeiten als nahezu unvorstellbar.

Prototypen der neuen zwischenmenschlichen Beziehungsform waren Männer wie die beiden Giganten der Weltliteratur, deren gemeinsame Geschichte oft auch als Geburtsstunde der modernen Freundschaft gesehen wird. Frauen holten in den letzten Jahrhunderten in puncto Freundschaft übrigens rasant auf, erkämpften sich mit dem Recht auf ein unabhängiges Leben auch ein eigenständiges Sozialleben. Freundschaft gilt inzwischen als Frauendomäne. Beziehungsweise galt, denn junge Männer legen auf Freundschaften mittlerweile ähnlich viel Wert wie Frauen, was wiederum mit der, wenn auch langsam, aber doch, fortschreitenden Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu erklären sei, meint die Psychotherapeutin Cristina Budroni, die in diesem Buch nicht nur Spannendes zum Thema Psyche und Freundschaft, sondern auch zu Freundschaftsbegriff und kulturellem Background zu berichten weiß.

Große Freundschaftsgeschichten in allen Epochen

Wenn man unter Freundschaft also heute etwas anderes versteht als in anderen geschichtlichen Epochen: Große Freundschaftsgeschichten kennen wir aus allen Jahrhunderten und den unterschiedlichsten Bereichen. Goethe und Schiller in der Literatur, Wolfgang Amadeus Mozart und der um 24 Jahre ältere Joseph Haydn in der Musik. Kaiserin Maria Theresia und ihre Hofdame Sophie Baronin Schack von Schackenburg in der Politik; eine Freundschaft, die mehr als 30 Jahre dauerte und in unzähligen, erst vor einigen Jahren veröffentlichen Briefen nachzulesen ist. Ob Che Guevara und Fidel Castro, Lady Diana und Elton John oder die TV-Moderatoren Thomas Gottschalk und Günther Jauch, sie alle zeigten oder zeigen auch mal gerne öffentlich, wie wichtig es ihnen ist, miteinander befreundet zu sein.

Andere wiederum halten an Freundschaften fest, selbst wenn diese politisch oder, wie viele meinen, auch moralisch eigentlich nicht mehr möglich sind, wie der ehemalige deutsche Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende Gerhard Schröder an Russlands Präsident Vladimir Putin auch nach dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Freundschaft ist eben auch Geschmacksache.

Wahlverwandtschaften

Mit seinem Bonmot „Freunde sind Gottes Entschuldigung für Verwandte“ brachte der irische Dramatiker und Literaturnobelpreisträger George Bernhard Shaw die Bedeutung unserer Freundschaften schon vor fast 100 Jahren auf den Punkt. In Zeiten dysfunktionaler Familien sind diese inzwischen dabei, der Familie als soziale Referenzgruppe den Rang abzulaufen. Beziehungen und damit auch Familien vergehen – Freundschaften bleiben, das gilt zunehmend für überdurchschnittlich gut gebildete und in Städten lebende Menschen. Wobei man diesen Trend auch nicht überschätzen sollte. Gerade in Krisenzeiten gewinnt die Familie wieder an Wert, das zeigte sich auch in einer Studie zu den sozialen Auswirkungen der ersten Lockdowns in der Coronazeit, die Soziologin Barbara Rothmüller im Frühjahr 2020 an der Wiener Sigmund Freud PrivatUniversität durchführte.

„Bei jüngeren Menschen haben FreundInnen sicher einen anderen Stellenwert als bei älteren, aber ich würde das nicht überbewerten. Das ist teilweise mehr ein Diskurs als eine Praxis. Über die Jahre kann man dann doch oft beobachten, dass Freundschaften auch eher Gelegenheitsfreundschaften sind, die sich auch wieder auflösen. Gerade in der Pandemie – das war ein Ergebnis meiner Forschung, das mich überraschte – zeigte sich, wie tragfähig intime Liebesbeziehungen und auch Familien in Krisenzeiten waren und wie schnell FreundInnen in den Hintergrund rücken konnten.“ Freundschaften waren laut dieser und anderer Studien die großen Verlierer der Pandemie. Das bestätigte auch eine im Juni 2022 groß angelegte Studie des Meinungsforschungsinstituts Integral, wonach jede/jeder Fünfte wegen unterschiedlicher Meinungen zu Corona FreundInnen verlor.

Das Konzept, dass freundschaftliche Wahlverwandtschaften zunehmend das soziale Gefüge unserer Gesellschaft bestimmen, kam durch Corona also ordentlich ins Wanken. Wobei es hier auch völlig neue Ansätze gibt. So verfasste der französische Philosoph und Soziologe Geoffroy de Lagasnerie jüngst ein flammendes Plädoyer dafür, Freundschaften gesellschaftlich wichtiger zu nehmen, was seiner Meinung nach auch inkludiert, dass der Staat Freundschaften so wie Ehen fördern solle.

In „3 – Ein Leben außerhalb – Lob der Freundschaft“* stellt er unsere institutionalisierte Idee, das Leben in Zyklen zu gestalten, also von Kindheit über Ausbildung zu Beziehung und Familiengründung und so weiter, in Frage und setzt sich dafür ein, das Leben freier anzulegen. Und er stellt in seinen Überlegungen Freundschaften über Liebesbeziehungen, da seiner Meinung nach Liebe zwischen FreundInnen bedingungsloser sei als zwischen Partnerinnen. Wie auch immer : Dass Freundschaften für uns enorm wichtig sind, zeigt auch ein Blick in Literatur und Film.

Friends

Die preisgekrönte US-amerikanische Sitcom „Friends“ prägte maßgeblich ein neues Bild von Freundschaften. Freunde gehen hier gemeinsam durchs Leben wie einst Familien – durch Lebenskrisen genauso wie durch die schönsten Momente. Zehn Jahre lang begeisterten die Geschichten dieser „Friends“ zwischen 1994 und 2004 ein internationales Millionenpublikum. 2021 kamen die Hauptdarsteller in „The Reunion“ noch einmal zusammen, womit „Friends“ eine der wenigen Serien wurde, die auch generationenübergreifend funktioniert.

Ältere Jahrgänge begeisterten in ihrer Jugend Freundschaften wie die zwischen Pippi Langstrumpf und Anika oder Tom Sawyer und Huckleberry Finn, für viele von uns prägte Saint-Exupéry mit „Der kleine Prinz“ ein Freundschaftsideal. Ob klassische Literatur, Theater oder Filme – ohne berührende Freundschaftsgeschichte kommt kein guter Plot aus, auch wenn in Filmen FreundInnen oft Nebenfiguren sind, die helfen, die Hauptgeschichte zu erzählen, wie die österreichischen Star-Regisseure Arash und Arman T. Riahi meinen, die in diesem Buch darüber erzählen, warum ihre beste Freundschaft in der Familie blieb.

Zusammenhalten und pflegen

Ob George Clooney und Brad Pitt oder Jennifer Aniston und Adam Sandler – auch in Hollywood gibt es immer wieder FreundInnen, die gemeinsam der harten Konkurrenz trotzen, sich nicht auseinanderdividieren lassen. Freundschaft als eine Art psychologische Lebensversicherung, die uns erwiesenermaßen auch gesund hält und länger leben lässt. Gerade im Alter haben gute soziale Kontakte einen wesentlichen Einfluss auf unsere Gesundheit – Einsamkeit macht krank, FreundInnen halten gesund, oft gehört und gelesen, trotzdem leider ein großes Problem gerade in unseren Breitengraden.

Unendlich viele Gründe also, der Freundschaft ein ganzes Buch zu widmen, wozu mich auch ganz persönliche Erfahrungen gebracht haben. Als Einzelkind, das leider sehr früh die Eltern und damit de facto die gesamte Familienstruktur verlor, nehmen FreundInnen schon lange einen großen Stellenwert in meinem Leben ein. Auch und besonders als alleinerziehende Mutter in den ersten Jahren meiner Tochter hätte ich oft nicht gewusst, wie ich das Leben ohne die Unterstützung meiner FreundInnen gemeistert hätte.

Ohne die vielen schönen Gespräche, Feste, gemeinsamen Reisen mit FreundInnen wäre mein Leben ohnehin unvorstellbar! Inzwischen bin ich seit vielen Jahren gut eingebettet in einer bunten Patchworkfamilie, die mich auch zur stolzen Patchwork-Oma gemacht hat und mich unglaublich bereichert und glücklich macht. Am schönsten, wenn sich Familie und FreundInnen zusammenfinden und am besten quer durch die Generationen. Alle Freundschaften sind anders, haben Zeiten von Nähe und Zeiten von Distanz, und auch ich habe schon erlebt, wie Freundschaften plötzlich auseinanderdriften, nicht nur durch Corona.

Die Pandemie und die zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaft waren ein Anlass für dieses Buch. Der große Verlust meiner besten und langjährigsten Freundin, die vor bald zwei Jahren an Krebs starb, ein weiterer. Kaum ein Tag vergeht ohne Gedanken an sie. Beim Schreiben dieses Buches war unsere lebenslange, ganz besondere Freundschaft immer sehr präsent. Von der Schulzeit bis ins hohe Alter befreundet zu sein, war uns leider nicht vergönnt, verschwunden ist unsere Freundschaft aber keineswegs. Was bleibt, sind wertvolle gemeinsame Erinnerungen, Unternehmungen, aber auch hitzige Diskussionen, die auch in Freundschaften wichtig sind.

Wie wir miteinander umgehen, ist nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch von Freundschaft zu Freundschaft verschieden, wie auch diejenigen erzählen, die für dieses Buch bereit waren, einen Blick auf eine wichtige Freundschaft ihres Lebens zu werfen. Alt-Bundespräsident Heinz Fischer beispielsweise, der sich als Volksschulkind über die langen blauen Hosen seines Schulkollegen John Sailer wunderte, der 1947 gerade aus der amerikanischen Emigration nach Österreich zurückgekehrt war, als einer der ersten Menschen in Wien Jeans trug und in Heinz Fischer sehr jung einen guten Freund fand, den er bis heute für dessen Integrität schätzt.

Schauspielerin Erika Pluhar, die seit mehr als 20 Jahren in der wesentlich jüngeren Anna Dangel eine Seelenverwandte findet, die sie bei der ersten Begegnung vor allem dadurch rührte, dass sie wie ihre so tragisch früh verstorbene Tochter auch Anna heißt. Die Fußballgiganten Hans Krankl und Herbert Prohaska, die sich bis heute ärgern, wenn jemand meint, dass sie als Rapid- und Austria-Ikonen doch eigentlich Gegner und nicht ein Leben lang Freunde sein müssten. Oder Starköchin Haya Molcho, deren beste Freundin Ellen oft mit ihr verwechselt wird.

Die Ö3-Stars Philipp Hansa und Gabi Hiller, die erzählen, was sie unter „100 Prozent befreundet sein“ verstehen. Oder Journalistin Anneliese Rohrer, die es seit den 1970er-Jahren fast jedes Jahr schafft, ihre neuseeländische Freundin irgendwo auf der Welt zu treffen. Und viele andere …

Ob Freundschaften seit Kindertagen oder erst in späteren Jahren, ob zwischen ArbeitskollegInnen, zwischen Männern oder Frauen – alle Geschichten zeigen sehr persönliche Seiten von bekannten Persönlichkeiten. Bei ihnen allen möchte ich mich sehr herzlich für ihr Vertrauen und ihre Zeit bedanken, gemeinsam mit ihren FreundInnen für dieses Buch ihre Geschichten zu erzählen. Mein besonderer Dank gebührt auch den drei Expertinnen, die dieses Buch mit ihrem Know-how bereichern: Philosophin Lisz Hirn, Psychotherapeutin Cristina Budroni und Soziologin Barbara Rothmüller. Allen vorangestellt folgt aber die Freundschaftsgeschichte von zwei Männern, deren Freundschaft keineswegs Liebe auf den ersten Blick war, die aber im Laufe ihres Lebens so viel Vertrauen zueinander fassten, dass sie schließlich sogar gemeinsam ihre Dichtungen veröffentlichten: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Beide räumten der Freundschaft auch in ihren Werken immer wieder eine wichtige Rolle ein, Schiller beispielsweise mit der 1799 geschriebenen Ballade über Treue und Freundschaft „Die Bürgschaft“, die viele von uns in voller 20-Strophen-Länge in der Schule auswendig lernen mussten und von der eines der berühmtesten Zitate über eine Bitte um Freundschaft stammt: „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte.“ Erinnern Sie sich an die Geschichte des Tyrannen, der geläutert von der beeindruckenden Verbundenheit zwischen zwei Freunden, die sogar bereit sind, ihr Leben füreinander zu riskieren, am Ende geläutert um deren Freundschaft bittet? – Definitiv zu dramatisch für unser heutiges Lebensgefühl und unsere Zeit, in der man Freunde und Freundinnen übrigens auch auf spezialisierten Internetplattformen suchen und möglicherweise finden kann und wo „befreundet“ in Social Media nicht selten mit „vernetzt sein“ verwechselt wird.

Andere Zeilen über Freundschaft haben jedenfalls nicht an Gültigkeit verloren, auch wenn sie die Comedian Harmonists vor nunmehr fast 100 Jahren geträllert haben: „Ein Freund, ein guter Freund. Das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Vergnügen mit diesem Buch! Viel Spaß beim Lesen oder an FreundInnen verschenken …

Mit freundschaftlichen Grüßen

Ihre Birgit Fenderl

* erscheint im November 2023 im S. Fischer Verlag

Johann Wolfgang von Goethe & Friedrich Schiller

KONKURRENTEN UND FREUNDE

Dass diese beiden einmal eine tiefe Freundschaft verbinden sollte, war bei ihrem ersten Aufeinandertreffen keinesfalls absehbar. Der 30-jährige Johann Wolfgang von Goethe war bereits ein gefeierter Autor, der mit dem Roman „Die Leiden des jungen Werther“ und mit „Götz von Berlichingen“ gerade Furore gemacht hatte, als er 1779 an der Stuttgarter „Hohe Karlsschule“ als Gast an einer Feier der damaligen Elite-Institution teilnahm, in deren Rahmen die Jahrgangspreise verliehen wurden. Unter den Ausgezeichneten : Friedrich Schiller, gerade einmal 20 Jahre alt, aus einfachen Verhältnissen stammend und am besten Weg, sein Berufsziel des Regimentsarztes zu erreichen.

Goethe, der sich die Hörner nach seiner Sturm- und Drang-Periode bereits abgestoßen hatte, gehörte inzwischen zum gesellschaftlichen Establishment. Der studierte Jurist arbeitete als hoher Beamter und sozusagen rechte Hand von Herzog Karl August in Weimar, das die Mutter des jungen Herzogs, Herzogin Anna Amalia, zum Musenhof machen wollte, weshalb sie auch das Engagement Goethes unterstützt hatte. Dass Goethe der 20-jährige Schiller unter den vielen Preisträgern aufgefallen wäre, gilt als absolut unwahrscheinlich.

Ganz anders sah diese erste Begegnung aus Friedrich Schillers Perspektive aus: Für Schiller und seine Freunde war Goethe der Inbegriff des Genies. Sie verfolgten alles, was ihr Idol schrieb und tat, kannten seine Biografie bis ins kleinste Detail. Außerdem hatte sich Schiller neben seiner medizinischen Ausbildung auch dem Schreiben zugewandt und schrieb zum Zeitpunkt von Goethes Besuch in Stuttgart gerade sein erstes Theaterstück, „Die Räuber“, fertig. Als sich die beiden Giganten der deutschsprachigen Literatur im Jahr 1779 zum ersten Mal begegneten, kam es jedoch zu keinem persönlichen Wortwechsel zwischen den beiden damals noch äußerst ungleichen Dichtern. Das sollte erst neun Jahre später passieren, als sich auch Friedrich Schiller bereits einen Namen als Literat gemacht hatte. Zunächst wurde er aber tatsächlich Regimentsarzt, feierte zeitgleich erste große Erfolge mit seinen Dramen „Die Räuber“ und „Kabale und Liebe“. Goethe hingegen widmete sich immer mehr seinen Amtsgeschäften bei Hofe, wurde zu einer Art Premierminister von Weimar und litt zunehmend darunter, zu wenig Muße für das Schreiben zu finden. Schillers Erfolge am Theater wiederum missfielen dessen Dienstgeber, Herzog Karl Eugen, der ihm jedes weitere „Komödienschreiben“ verbot. Und so brachen sie beide aus – Goethe zu seiner berühmten Italienreise, um sich als Künstler wiederzufinden, Schiller aus dem Herrschaftsgebiet seines Herzogs. Als freier Schriftsteller zog er durch die Lande und kam schließlich über mehrere Stationen im Jahr 1787 nach Weimar. Als Goethe ein Jahr später aus Italien zurückkehrte, kam es zu ersten flüchtigen persönlichen Begegnungen zwischen den beiden Dichtern, wobei alle Berichte darin übereinstimmen, dass Goethe jede nähere Auseinandersetzung vermied, möglicherweise fürchtete er den Jüngeren als Konkurrenten. „Ich glaube in der Tat, er ist ein Egoist in ungewöhnlichem Grade“, schilderte Schiller gegenüber einem Freund seine damaligen Eindrücke von Goethe.

Geburtsstunde der modernen Freundschaft

Es war also alles andere als Liebe auf den ersten Blick zwischen den beiden deutschen Dichterfürsten und doch wurde daraus eine bedeutende Freundschaft, die manche gar als Geburtsstunde der modernen Freundschaft sehen. Ende des 18. Jahrhunderts machte sich ein neues Freundschaftskonzept breit – die Seelenverwandtschaft wurde zum Ideal der bürgerlichen Gesellschaft, die sich damit auch bewusst vom Adel unterscheiden wollte, dem sie vorwarf, vorwiegend Zweckbündnisse einzugehen. Emotionalität wurde in den Vordergrund gestellt, ein regelrechter Freundschaftskult gepflegt. Überall entstanden Freundschaftszirkel, wurden exklusive Freundschaftsbünde geschlossen. Wichtig für das neue Verständnis: Diese Freundschaften sollten auf Uneigennützigkeit und Gleichberechtigung basieren. Ein Grund übrigens, warum Freundschaften zwischen Männern und Frauen damals als undenkbar galten. Entscheidend war auch die sich verändernde Briefkultur – wurden bis dahin ausschließlich Fakten per offiziellem Brief ausgetauscht, entstand zu dieser Zeit der private Brief als Medium, in dem sich Freunde über ihre Gefühle, Sorgen oder Wünsche schreiben konnten. Dass das Postwesen ausgeweitet wurde, beflügelte die Kultur des freundschaftlichen Briefwechsels. Vor allem Frauen, die sehr stark auf ihr häusliches Umfeld beschränkt waren, nützten die briefliche Kommunikation, um sich mit anderen Frauen auszutauschen.

Und Goethe und Schiller? Deren Beziehung zueinander verbesserte sich schlagartig mit einem Brief, mit dem Schiller im Juni 1794 Goethe zur Mitarbeit an seinem neuen Zeitschriftenprojekt „Die Horen“ einlud. Goethe sagte zu und als die beiden einander wenig später in Jena erneut persönlich begegneten, entstand ein völlig neuer Umgang miteinander. Als „ein glückliches Ereignis“ beschrieb Goethe rückblickend dieses Treffen, das der Beginn einer langen und intensiven Freundschaft werden sollte. Für das ideologisierte Freundschaftsideal der Romantik, das von der mystischen Verschmelzung zweier Menschen träumte, eigneten sich Gothe und Schiller freilich wenig. Ihre Freundschaft war geprägt vom geistigen Austausch miteinander, vom gemeinsamen Streben nach den besten Erkenntnissen für ihre Literatur. Und von gemeinsamer Arbeit. Das Konzept der Freundschaft hatten sowohl Goethe als auch Schiller immer wieder in ihren Dichtungen thematisiert. Goethe beispielsweise im 1777 erschienenen Gedicht „An den Mond“, wo es heißt:

Selig, wer sich vor der Welt

Ohne Hass verschließt,

Einen Freund am Busen hält

Und mit dem genießt

Ähnlich, nur enthusiastischer dichtete Friedrich Schiller in seiner berühmten 1785 erschienenen „Ode an die Freude“, die später von Ludwig von Beethoven vertont wurde und uns als Europahymne bekannt ist:

Wem der große Wurf gelungen,

Eines Freundes Freund zu sein,

Wer ein holdes Weib errungen,

Mische seinen Jubel ein!

Auch den oft im Zusammenhang mit Freundschaft strapazierten Begriff der „Wahlverwandtschaften“ verdanken wir Goethe, wenngleich dessen gleichnamiger Roman von 1809 weniger die Freundschaft als vielmehr die Liebe zum Inhalt hat.

Mehr als eintausend Briefe

So romantisch wie in ihren Dichtungen war die Beziehung zwischen Goethe und Schiller aber keineswegs. Sie agierten vielmehr als intellektuelle Sparringpartner, sie pushten einander zu literarischen Höchstleistungen und sie verbündeten sich gegen die Kritik ihrer Konkurrenten, begannen ein literarisches Bündnis, das über die Jahre immer mehr zu einer tiefen Freundschaft heranreifte. Einer der Schachzüge der beiden Großmeister der Weimarer Klassik war die gemeinsame Veröffentlichung sogenannter Xenien, spöttischer Versmaße, mit denen sie ihre literarischen Gegner aufs Korn nahmen. Veröffentlicht wurden diese Xenien in der von Schiller herausgegebenen literarischen Zeitschrift „Musenalmanach“, ohne jedoch den jeweiligen Verfasser zu nennen. Die Kritik konnte sich also nur an sie beide gemeinsam wenden und Goethe und Schiller wurden erstmals als literarische Einheit wahrgenommen. Bis heute lassen sich die kurzen Spottgedichte nicht eindeutig zuordnen, weshalb die Xenien sowohl in den Werkausgaben Goethes wie auch Schillers vollständig abgedruckt sind.

Aber nicht nur die Literatur beschäftigte die beiden in ihrem Briefwechsel, der bis zu Schillers Tod im Jahre 1805 dauern sollte und der mehr als eintausend Briefe umfasst. Auch über Anatomie oder Farbenlehre tauschten sich Goethe und Schiller aus, die aber auch über ganz persönliche Dinge wie die schwere Erkrankung von Schillers Frau Charlotte oder den Tod von Goethes neugeborener Tochter korrespondierten. Trotz ihrer freundschaftlichen Verbundenheit bewahrten Goethe und Schiller aber stets eine gewisse Distanz, blieben immer beim höflich-formellen Sie, obwohl ihre Freundschaft für beide einen hohen Stellenwert hatte.

Es war eine Freundschaft mit Zweck, wie der deutsche Philosoph und Publizist Rüdiger Safranski in „Goethe und Schiller – Geschichte einer Freundschaft“* schreibt. Mit dem Zweck, sich gegenseitig zu helfen und zu befördern. Geprägt von gegenseitiger Wertschätzung, deren persönliche Dimension vielleicht erst nach dem Verlust des Freundes klar wurde. Als der lungenkranke Schiller am 9. Mai 1805 mit 46 Jahren starb, war Goethe schnell klar, welche Zäsur das für sein Leben hatte. „Ich dachte mich selbst zu verlieren“, schrieb er, „und verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseins.“ Geblieben sind mehr als tausend Briefe, die Goethe selbst im Jahr 1828 veröffentlichte und damit dieser einmaligen Freundschaft der Literaturgeschichte ein ewiges Denkmal setzte.

Trotz großem Altersunterschied seit vielen Jahren eng befreundet

* erschienen 2009 im Hanser Verlag

Erika Pluhar & Anna Dangel

DER NAME WAR DIE INITIALZÜNDUNG

Als Anna Dangel als 16-jähriges Mädchen ihre Tante und ihren Onkel zu einer Lesung begleitete, hatte sie keine Ahnung, wer Erika Pluhar ist. Ihre Verwandten waren große Fans von André Heller, der auch Anna damals ein Begriff war, weil in ihrer Familie sehr für ihn geschwärmt wurde. Sie hatte mitbekommen, dass die Schauspielerin, die auch Bücher schrieb, und zu deren Lesung sie mitging, irgendetwas mit Heller zu tun hatte. Was und wie genau, wusste sie aber nicht, und es interessierte sie als junges Mädchen auch nur mäßig.

„Deine Verwandten waren lauter Heller-Schwärmer“, sagt Erika Pluhar. „Ich weiß nicht, wie du diese Lesung damals überhaupt wahrgenommen hast. Irgendwie hat sie dich aber doch interessiert.“ „Es war meine erste Lesung überhaupt“, erinnert sich Anna, „und ich fand es wirklich, wirklich schön.“ So schön, dass sie sich nach der Lesung für eine Widmung anstellte und ein Satz der Beginn einer inzwischen mehr als 20-jährigen Freundschaft zwischen zwei nicht nur im Alter sehr unterschiedlichen Frauen werden sollte.

„Diese Lesung fand in der ersten Zeit nach dem Tod meiner Tochter Anna statt. Damals war ich immer noch – ich sag immer – wie hinter Glas. Aber ich blieb pflichtbewusst und absolvierte alle meine Auftritte. Trotz dieses Schicksalsschlages, der mich wirklich fast erschlug. Und dann kommt nach einer Lesung dieses Mädchen auf mich zu, schlägt das Buch auf und sagt: ‚Für Anna, bitte.‘ Dieser Satz berührte mich damals sehr und so kamen wir ins Gespräch.“

Anna Dangel war damals eine 16-jährige Schülerin, die berühmte Schauspielerin, Sängerin und Buchautorin Erika Pluhar bereits über 60 Jahre alt. Und trotzdem entstand eine innige Freundschaft. Möglicherweise, weil der Begriff „trotzdem“ für Erika Pluhar immer bestimmend war, weil „Trotzdem“ nicht nur der Titel eines ihrer bekanntesten Lieder ist und eine Fernsehdokumentation über ihr Leben so heißt, sondern weil „trotzdem“ für sie auch so etwas wie ein Lebensmotto ist. Vielleicht aber auch einfach, weil die junge Anna in Erika eine Erinnerung an ihre Tochter weckte, weil Anna begann, „ein Buch nach dem anderen von Erika zu lesen“, und weil sie ihr nach jedem Buch, das sie gelesen hatte, einen Brief schrieb.

„Sie schreibt wirklich gut. Ihre Briefe gefielen mir immer sehr. Mir hat einfach alles an ihr, an diesem jungen Mädchen, gefallen“, meint Erika. Anna besuchte auch immer öfter Konzerte von Erika Pluhar. „Und bald dachte ich mir: Die ist ja noch viel cooler als der Heller“, lacht sie. Sie tauchte also immer öfter auf, kam mit Freundinnen zu Konzerten von Erika und besuchte sie nach ihren Auftritten hinter der Bühne.

„Unser Kontakt entwickelte sich langsam über das Berufliche hinaus in mein Privates“, beschreibt Pluhar. Aus ihrer Begegnung wurde über die Jahre nach und nach ein freundschaftlicher Kontakt, der inzwischen eine ganz enge und für beide sehr wichtige Freundschaft geworden ist. Anna Dangel war inzwischen Schauspielschülerin, sah Erika Pluhar auf diesem sehr persönlichen Weg aber nie als ihr Vorbild, bewunderte sie jedoch weiterhin als Autorin. „Ich war ja nicht mehr am Theater“, ergänzt Erika Pluhar, die 1999 nach 40 Jahren als Ensemblemitglied am Burgtheater in Pension gegangen war, und die nun begann, die Aufführungen ihrer jungen Freundin Anna zu besuchen. „Bis zur Pandemie sah Erika alle Stücke, in denen ich mitgespielt habe, und das seit den Aufführungen in der Schauspielschule“, freut sich Anna Dangel, die schon lange bevor sie Erika Pluhar traf, unbedingt Schauspielerin werden wollte und dann in der freien Szene vor allem an kleinen Theatern spielte.

„In meiner Zeit am Theater“, meint Erika, „spielten diese kleinen Bühnen eine große Rolle. Otto Schenk und viele andere große Talente kamen aus der Off-Szene. Gerade im Experimentellen sind solche Bühnen sehr gut und wichtig. Und wenn ich Anna spielen sehe, dann überzeugt sie mich immer wieder. Ich gebe ihr immer ein absolut ehrliches Feedback.“ „Ich habe dich ja nie auf der Bühne gesehen“, sagt Anna. „Doch, einmal! Aber im Kino!“, widerspricht Erika, „Vor ein paar Jahren durften wir uns zu Achim Bennings Geburtstag mit einigen Gästen im Metro Kino die ORF-Aufzeichnung von Maxim Gorkis ‚Sommergäste‘ in der Burgtheater-Inszenierung von Achim im Jahr 1979 ansehen. Es war eine meiner wesentlichsten Arbeiten am Theater. Da warst du auch dabei, Anna. Und ich habe mich gefreut. Wie gern ich mir das nach der langen Zeit angesehen habe! Ganz ehrlich, er hat mich überrascht, wie gut ich damals war.“

„Die Pluhar“, wie sie immer noch von vielen genannt wird, war nach Matura und Studium am Wiener Max Reinhardt Seminar direkt an das Wiener Burgtheater engagiert worden, wo sie in unzähligen Rollen das Publikum begeisterte, sich aber gleichzeitig auch durch Film und Fernsehen im gesamten deutschsprachigen Raum allmählich einen Namen machte. Sie gastierte an den Münchner Kammerspielen und spielte bei den Bregenzer und den Salzburger Festspielen. Aber auch ihr Privatleben sorgte immer wieder für Schlagzeilen – „leider“, wie sie selbst meint. Als Ehefrau von André Heller und später von Udo Proksch war Erika Pluhar stets eine „öffentliche Frau“, wie sie den autobiografischen Roman über ihr Leben betitelte. Und Erika Pluhar war immer ein politischer Mensch, engagierte sich in der Frauenbewegung, trat und tritt gegen Faschismus, Rassismus und Rechtsextremismus auf. Im Lauf der Jahre zählten SPÖ-Granden, wie der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky oder Altbundespräsident Heinz Fischer, zu ihrem Freundeskreis.

Altersunterschied spielt keine Rolle

„Oft lud mich Erika zu irgendwelchen Festivitäten mit irgendwelchen wichtigen Menschen ein oder nahm mich mit, aber ich hatte nie das Gefühl, ich müsse mich da jetzt irgendwie verstellen“, erinnert sich Anna Dangel. „Ja, als du mich kennenlerntest, war ich noch eine – wie soll ich das jetzt am besten formulieren – sagen wir: eine existente Figur im Kulturleben“, ergänzt Pluhar. War es doch für sie ganz normal gewesen, sich unter bekannten Menschen zu bewegen, als sie ihre junge Freundin Anna immer mehr in ihren Freundeskreis integrierte. „Natürlich war ich immer die Alte und sie die Junge! Aber wir beide hatten nie dieses Gefühl: Oh, ich bin so alt! oder : Oh, ich bin so jung!“, meint Erika Pluhar. „Irgendwie hat Anna eine alte Seele. Und wir sagten schon oft: Wahrscheinlich haben wir beide alte Seelen.‘ Mein Satz lautet: Jugend ist keine Frage des Alters. Es gibt junge Menschen, die furchtbar alt sind, und alte Leute, die jung sind. Für mich geht es da um ein geistiges Prinzip.“ „Ja“, stimmt ihre Freundin zu.

„Das klingt jetzt obergescheit und eigentlich unsympathisch, aber ich finde mich furchtbar alt für mein Alter. Das war schon immer so. Du willst das nicht hören, Erika. Aber ich merke zwischen uns meistens wirklich keinen Altersunterschied. Für mich waren wir schon immer irgendwie alterslos“, erklärt sie. „Ein bisschen war sie für mich natürlich wie eine Tochter“, fügt Pluhar hinzu, „ich wusste auch immer alles von ihr, ihre Lovestorys, ihren Liebeskummer …“ „Erika hat mir in meiner Jugenddepression, die ich sicher hatte, sehr geholfen. Teilweise war sie wahrscheinlich ein bisschen meine Therapeutin. Und so entwickelte sich ein so enormes Vertrauen, ich konnte ihr dann einfach alles erzählen. Irgendwann hatte ich auch so etwas wie eine zweite Pubertät, in der ich ziemlich verrückt drauf war. Aber auch das haben wir zwei geschafft!“, sagt Anna. „Und außerdem rauche ich so gern mit dir“, fügt Erika lachend hinzu, „hast du hoffentlich eh Zigaretten dabei?“

Ein einziges Mal drehte Erika Pluhar mit ihrer jungen Freundin einen gemeinsamen Film: Pluhar: Regie, Dangel: Hauptdarstellerin. „Da war Anna oft ganz böse auf mich, weil ich plötzlich die strenge Regisseurin war!“ „Hui, da war sie grantig“, stimmt Anna zu und beide lachen und erinnern sich gerne an die gemeinsame Arbeit im Jahr 2013. An den Film „Laguna“, in dem neben Anna auch Erikas Enkelsohn Ignaz und Adi und Maddalena Hirschal mitspielten. „Der gesamte Film war eigentlich für Annas Erscheinung konzipiert. Das ging aber fast in die Hose, denn ich hatte ihre Rolle für eine kleine, mollige junge Frau geschrieben, die darunter leidet, sich nicht schön genug zu finden. Und dann warst du, Anna, vor dem Dreh krank und wurdest immer dünner. Du warst wunderschön dünn zu Drehbeginn, was aber nicht wirklich zu deiner Rolle passte. Aber irgendwie ist sich alles noch gerade gut ausgegangen“, erinnert sich Erika, die als vielseitige Künstlerin gerne weitere Filme als Regisseurin realisiert hätte – wäre da nicht die Sache mit dem Geld. „Meine mir mögliche Filmerei lief immer nicht ganz so, wie gewollt – weil wir immer zu wenig Geld und zu wenig Zeit hatten. ‚Low-Budget-Produktion‘ – das klingt vielleicht ambitioniert. Im Endeffekt kannst du aber ohne Geld keinen Film machen. ‚Laguna‘ wäre mit mehr Budget ein wirklich schöner Film geworden, so wurde es ein netter Film, aber eben auch nicht mehr.“