Was wir wirklich brauchen - Dieter Adler - E-Book

Was wir wirklich brauchen E-Book

Dieter Adler

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Beschreibung

Wofür es sich zu kämpfen lohnt Glück und Zufriedenheit finden: Was Menschen wirklich zufrieden macht und was uns auf falsche Fährten lockt Authentischer leben: Die Erfahrungen eines Psychoanalytikers machen Mut, für sich selbst zu kämpfen! Ein Psychoanalytiker zieht nach 30 Jahren »hinter der Couch« Bilanz: Was hat seinen Patientinnen und Patienten wirklich geholfen? Was bedeutet Glück und wie kann man es erlangen? Adler stellt fest: Am Ende waren es stets die scheinbar einfachen Veränderungen, die wirklich halfen: Freundschaften finden, Geborgenheit, innere Sicherheit, Ziele im Leben, die Neugier wiederentdeckt zu haben und alles viel gelassener zu nehmen. Aber vor allem: Wieder aus dem Inneren heraus leben zu können statt nach äußeren und inneren Zwängen. Authentisch zu sein und die Dinge zu finden und umzusetzen, die wirklich Befriedigung bringen. Dieses Buch hilft, für sich selbst zu beantworten: Was brauche ich wirklich? Wie werde ich sicher in mir selbst? Wie wird mein Leben zur bestmöglichen Version?

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Seitenzahl: 178

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Cover for EPUB

Dieter Adler

Was wir wirklich brauchen – Erfahrungen eines Psychoanalytikers

Schattauer

WISSEN&LEBEN

herausgegeben von Wulf Bertram

Wulf Bertram, Dipl.-Psych. Dr. med, geb. in Soest/Westfalen, Studium der Psychologie, Medizin und Soziologie in Hamburg. Zunächst Klinischer Psychologe im Universitätskrankenhaus Hamburg Eppendorf, nach Staatsexamen und Promotion in Medizin Assistenzarzt in einem Sozialpsychiatrischen Dienst in der Provinz Arezzo/Toskana, danach psychiatrische Ausbildung in Kaufbeuren/Allgäu. 1986 wechselte er als Lektor für medizinische Lehrbücher ins Verlagswesen und wurde 1988 wissenschaftlicher Leiter des Schattauer Verlags, 1992 dessen verlegerischer Geschäftsführer. Aus seiner Überzeugung heraus, dass Lernen Spaß machen muss und solides Wissen auch unterhaltsam vermittelt werden kann, konzipierte er 2009 die Taschenbuchreihe »Wissen & Leben«, in der mittlerweile mehr als 50 Bände erschienen sind. Bertram hat eine Ausbildung in Gesprächs- und Verhaltenstherapie sowie in Psychodynamischer Psychotherapie und arbeitet als Psychotherapeut in eigener Praxis.

Für seine »wissenschaftlich fundierte Verlagstätigkeit«, mit der er im Sinne des Stiftungsgedankens einen Beitrag zu einer humaneren Medizin geleistet hat, in der der Mensch in seiner Ganzheitlichkeit im Mittelpunkt steht, wurde Bertram 2018 der renommierte Schweizer Wissenschaftspreis der Margrit-Egnér-Stiftung verliehen.

Impressum

Dieter Adler

Heckenweg 22

53229 Bonn

Besonderer Hinweis:

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Schattauer

www.schattauer.de

© 2023 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Bettina Herrmann, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von © iStock/PeopleImages

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Lektorat: Gabriele Wever, Karla Seedorf

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

ISBN 978-3-608-40159-2

E-Book ISBN 978-3-608-12140-7

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20614-2

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

1 Einleitung

Vorbemerkungen

Danksagung

Was ist wichtig?

Was braucht man, um zufrieden zu sein?

2 In Gemeinschaft und miteinander

Gemeinschaft und Geborgenheit

Weggefährten

Geborgenheit

Spiegelung und Unterstützung

Umgang mit anderen

3 Gefühle

Zuneigung

Einsamkeit und Hingabe

Nähe

Gedanken gegen Gefühle

Sinnlichkeit

Genuss

Neugier

4 Aktiv tätig sein

Aufschieben

Berufswahl

Erfolg

Selbstwirksamkeit

Herzblut und Leidenschaft

Chaos

Zeit und Geld

5 Verantwortung und Selbstfürsorge

Authentisch sein

Mut

Fürsorge und Selbstfürsorge

Arbeiten so entspannt wie Ameisen

Sicherheit in sich selbst

6000 Euro sind genug

Win-win-Situationen

6 Selbstsabotage

Besitz

Eine Rolle spielen

Überlegenheit

Respektlosigkeit

Unachtsamkeit

7 Menschlich werden

Respekt vor dem Schwachen

Zeit und Geduld

Langsamkeit

Wichtiges zuerst

Bescheidenheit und Demut

Der Sinn des Lebens

Was ist Glück?

Literatur

Für Eike, Leah Emily und Fiete

1 Einleitung

Vorbemerkungen

»Was wir wirklich brauchen« hört sich zunächst etwas »biblisch« oder prophetisch an. Hier muss ich den Leser enttäuschen. Es ist lediglich eine Sammlung von Einsichten nach dreißig Jahren hinter der Couch. Wenn Menschen zu mir in Beratung oder in Behandlung gekommen sind, waren es stets die scheinbar einfachen Dinge, unter denen sie gelitten haben: kein Mut mehr, kein Inhalt im Leben, Einsamkeit, Sinnleere und so weiter. Nie hatte ich jemanden, der nur unter seiner Arbeitslosigkeit oder dem Verlust des Partners gelitten hat. Zunächst war dies sicherlich der »Einstieg«, um sich Hilfe zu suchen. Doch schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass ganz andere innere Nöte am Werk waren, die dem Menschen, der zu mir gekommen war, das Leben schwer gemacht haben.

Oft sind die existenziellen Fragen abgekoppelt von der realen Existenz äußerer Dinge. Äußere Dinge verkörpern meist eine Scheinsicherheit, an die sich der unsichere oder gehemmte Mensch klammert, um nicht den Halt zu verlieren. In der Regel sind sie aber so wenig nützlich wie ein Tennisschläger in einem Rettungsboot.

Am Ende der Therapie waren es die »scheinbar einfachen« Dinge, die scheinbar leicht erreichbaren Ziele oder Umstände, die zählten – wie Freundschaft, Geborgenheit, innere Sicherheit, ein Ziel im Leben gefunden zu haben, die Neugier wieder entdeckt zu haben, alles viel gelassener zu nehmen. Aber vor allem: wieder aus dem Inneren heraus leben zu können, statt Sklave irgendwelcher äußeren und inneren Zwänge zu sein. Und authentischer leben zu können. Nicht mehr das zu machen, zu dem man nicht bereit ist, sondern die Dinge umzusetzen, die wirklich Befriedigung bringen. Für diese Erkenntnisse bin ich meinen Patienten sehr dankbar. Dieses Buch habe ich in ihrem Namen geschrieben – ohne diese wertvollen Erfahrungen wäre es nicht möglich gewesen.

Menschlichkeit zu erlernen, ist auch in der Psychotherapie nicht einfach. Zunächst muss man selbst menschlicher werden. Nach vielen Ausbildungen hat mir meine Supervision bei Irvin Yalom, einem sehr menschlichen, aber auch strengen amerikanischen Psychoanalytiker, geholfen und meinen Weg geprägt. Auch meine Beziehungen zu meinen Kollegen und Freunden Margarethe Mitscherlich und Sudhir Kakar waren prägend. Sowie meine geistigen Mentoren Igor Caruso und Arno Gruen, deren geistige Haltung ich entscheidend übernommen habe.

Ihnen allen bin ich dankbar.

Wenn ich im generativen Maskulinum schreibe, meine ich alle Geschlechter. Alle bisher bekannten. Und alle, die noch entdeckt werden. Ich spreche immer von Menschen.

Ich bin nach langer Diskussion mit mir selbst und mit anderen dazu gekommen, auf explizite Ratschläge zu verzichten. Ich denke, dass das ganze Buch zur Selbstreflexion anregen kann. Wenn man das will. Wenn es dann am Ende doch nur zum Kaminanfachen taugt, dann ist das so, auch wenn mir konstruktive Kritik durchaus lieber wäre.

Und ich finde, dass die für unsere eigene Entwicklung wichtige Fähigkeit der Reflexion aufgrund zunehmender Bequemlichkeit immer mehr abnimmt, viel zu sehr abnimmt. Die Menschen holen sich »ihre Meinung« aus dem Internet. Oder aus Selbsthilfebüchern, die einem sagen, was man tun, ändern oder lassen soll. Vielleicht schreibe ich mal eins: »Wie Sie ganz sicher von Selbsthilfebüchern unabhängig werden.«

Meine besten Erfahrungen habe ich in Therapien nicht damit gemacht, dass ich jemanden von etwas überzeugt habe oder ihn zu etwas gedrängt habe. Sondern wo ich einen Denkprozess anregen konnte, der zunächst zu einer Erkenntnis, dann zu einer inneren Auseinandersetzung, dann zu einer geänderten Haltung und schließlich zu einer Änderung im Verhalten des Patienten geführt hat. So wurde es Teil seiner eigenen Person statt eine Gefolgschaft meiner (vermeintlichen) Überzeugungen. In Therapien sind die richtigen Fragen wichtig, aber sie müssen erstens zum Patienten passen und zweitens zum momentanen Kontext. Einen Patienten, der mit seiner Partnerschaft unzufrieden ist, sollte man nicht fragen, ob er denn im Beruf keine Erfolge habe. Diesen Patienten könnte ich, sofern es passt, fragen: »Wie kommt es, dass jede Ihrer Partnerschaften scheitert, wenn sich eine Frau zu Ihnen bekennt?« Der Patient kann darüber nachdenken. Kann sich fragen, ob das stimmt. Und wenn, kommt automatisch die Frage nach dem Warum auf. Und damit auch Fragen nach der eigenen Einstellung. Habe ich nur Angst vor Nähe und Bindung oder will ich gar keine feste Bindung, sondern Abwechslung? Oder beides?

Kurz gefasst: Der Patient muss sich mit seinen Realitäten auseinandersetzen.

Ein Patient suchte eine Partnerin, die gebildet, reich, intelligent, sportlich sowie erfolgreich ist, einen gewissen sozialen Status besitzt und unter 26 Jahre alt ist. Er musste herausfinden, dass das so gut wie unmöglich ist. Und wenn, dann wird es nur sehr wenige »Exemplare« geben.

Ihn bat ich, als er das erkannt hatte, sich in die Rolle einer solchen potenziellen Frau zu versetzen und sich zu fragen, welche Ansprüche diese Frau wohl an einen Partner haben könnte.

Das war eine neue Realität für ihn, die er ausgeblendet hatte. Wer so erfolgreich und attraktiv ist, hat logischerweise auch Ansprüche. Ich füge dann gern eine Frage hinzu: »Sagen Sie mal, wo wir gerade dabei sind: Was haben Sie eigentlich so einer Frau zu bieten?« 

Na ja, so arbeite ich eben.

Das Buch ist und soll eine Einladung zum Nachdenken sein. Und hin und wieder auch zum Schmunzeln.

La Gomera, August 2022

Danksagung

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir bei diesem Buch geholfen haben.

Mein Dank geht an Marion Langer für das geduldige Lesen, die konstruktive Kritik und die wertvollen Impulse. Karla Seedorf danke ich für das Endlektorat, in dem ich sie als sehr kooperativ erlebt habe. Danke auch an Dr. Nadja Urbani vom Klett-Cotta Verlag für ihre Offenheit und Geduld.

Ganz besonders danke ich Gabriele Wever für ihren scharfen Verstand und ihre Klarheit, mit der sie mich beim Schreiben des Buches unterstützt hat durch geduldiges Mitgestalten, Korrigieren und konsequentes Lektorieren. Ohne sie wäre das Projekt vermutlich gar nicht so weit gekommen.

Was ist wichtig?

In vielen Jahren der Psychotherapie habe ich mir oft die Frage gestellt, was wirklich im Leben zählt.

Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Was ist für unser Leben wirklich wichtig? Was macht uns zufrieden, was brauchen wir unbedingt? Bei genauerer Betrachtung dieser Frage kommen wir vermutlich zu der Einsicht, dass wir nicht viel brauchen, um glücklich zu sein. Und wir werden sehen, es sind vielleicht nicht die Dinge, die wir erwarten würden, wie Geld, Erfolg im Leben oder materielle Sicherheit. Nein, es sind die einfachen Dinge, die uns zufrieden machen. Die wir auch brauchen. Und es sind menschliche, allzu menschliche Dinge. Die Betrachtungen, die ich mit den Lesern teilen möchte, entstammen vielen psychotherapeutischen Gesprächen mit unglücklichen oder zumindest unzufriedenen Menschen. Auch wenn die Blockaden, ein zufriedenes Leben führen zu können oder sich Glück zu gönnen, oft in der eigenen Selbstbehinderung der Patienten zu finden sind, war dies meist nicht die einzige Ursache ihres Leidens. Konnten die Blockaden aufgelöst werden, war der Großteil meiner Patienten immer noch unglücklich. Es reichte offenbar nicht aus, die Mauern ihrer Gefängnisse zu sprengen. Im Gegenteil: viele wollten gar nicht aus ihrem Gefängnis herauskommen. Nun mag man vielleicht vorschnell glauben, es sei Angst vor dem Leben außerhalb des Gefängnisses gewesen. Mein verstorbener Kollege Arno Gruen, den ich im letzten Jahr seines Lebens noch kennenlernen durfte, stellte in seinen Erfahrungen fest, dass viele Menschen deshalb kein freies Leben führen können, weil sie entweder die Verantwortung nicht übernehmen wollen oder weil sie Angst haben vor dem Ungehorsam, den es zu einem freien Leben braucht. Das mag für viele meiner Patienten zutreffen, reicht aber meiner Erfahrung nach nicht aus, um das Verharren im Unglück zu erklären.

Ich bin der Meinung, dass es wichtig und notwendig ist, Patienten zu Rebellen zu machen. Rebellen, die gegen lebensfeindliche Bedingungen und die Menschen, die diese Bedingungen schaffen oder aufrechterhalten, rebellieren. Zwar können wir in den Psychotherapien meist schnell herausfinden, gegen wen und was rebelliert werden soll und muss, doch oft fehlt den Patienten die Kraft zur Rebellion. Eine Zeit lang war mir das ein Rätsel, das auch in den Konsultationen kluger Supervisoren nicht gelöst werden konnte. Bis es mir eines Tages wie Schuppen von den Augen fiel: Die Patienten hatten nichts, wofür sie kämpfen sollten. Sie hatten zwar vieles, wogegen sie kämpfen konnten und sollten, aber die Freiheit hätte ihnen einen vielleicht schlimmeren Zustand eingebracht: den innerer Leere. Eine Patientin beschrieb dies einmal so: »Ich habe zwar keine Depression mehr, aber ich weiß nicht, wofür? Was habe ich denn jetzt noch?«

Ein anderer beschrieb den Prozess seiner Psychoanalyse als Ausmisten einer Wohnung, bei der auch die »Schmuddelecken« nicht geschont wurden. Am Ende hatte er, nachdem er allen Ballast und alles Unbrauchbare entsorgt hatte, das Gefühl, in einer leeren Wohnung zu stehen. Und das vor allem allein. Denn er hatte sich in der Therapie auch seiner unbefriedigenden Freundschaften entledigt. Das entschlüsselte stellvertretend für alle Patienten, denen es genauso oder ähnlich ging, das Rätsel. Ein Zwischenschritt war also erforderlich. Für mich selbst war die Vorstellung einer leeren Wohnung und eines bereinigten Freundschaftsportefeuilles eine verlockende Vorstellung. Könnte ich doch alles neu gestalten und mir die Möbel aussuchen, die ich mir schon lange gewünscht hatte, und meine Zeit künftig nur noch mit Menschen verbringen, mit denen ich sie auch wirklich verbringen will. Der Neuanfang hatte für mich etwas Gewinnbringendes, das mir Energie schenkte, meinen Patienten aber machte es mehr Angst und das raubte ihre Energie.

Und da wurde mir klar, dass sie keine Vorstellung davon hatten, was sie brauchten und was ihnen guttat. Man kann nicht in ein Möbelhaus gehen und dort eine neue Einrichtung aussuchen, wenn man nicht weiß, was man haben will. Genauso verhält es sich mit Menschen oder Tätigkeiten. Viele Patienten geben während einer Therapie Tätigkeiten auf, die vorher selbstverständlich erschienen, die ihnen aber jetzt vielleicht nichts mehr bedeuten. Oft passiert dies ohne aktives Zutun der Menschen. Freunde und Tätigkeiten werden wie von selbst aus den Augen verloren, verlaufen im Sand. Manchmal merken es die Patienten erst viel später. Wie man etwas, das einem nichts bedeutet, versehentlich liegen lässt und später keine Anstrengung unternimmt, es zurückzubekommen.

Dies brachte mich zu der Erkenntnis, dass viele Menschen nicht wissen, was sie wirklich brauchen, was ihnen guttut. Ich beschloss, dieses Phänomen genauer zu untersuchen.

Was braucht man, um zufrieden zu sein?

»Man braucht nicht viel, um glücklich zu sein. Es muss nur das Richtige sein.«, hat mein Lehranalytiker zu mir gesagt. Und ich finde, es stimmt. Jedenfalls war und ist das meine Erfahrung. Nicht nur in meinem eigenen Leben, sondern aus der Erfahrung mit vielen Patientinnen und Patienten. In einem muss ich ihm aber widersprechen: Glück ist eine hochpotente Droge, die wie jede Droge süchtig und abhängig machen kann. Dann heißt der Preis für die Abwesenheit der Droge Glück »Unglück«. In meinem eigenen Entwicklungsprozess habe ich den Begriff Glück durch »Zufriedenheit« ersetzt. Das ist wesentlich entspannter. Glück ist für mich, wenn ich meine Steuererklärung zu spät abgegeben habe, aber just in dieser Zeit die Computer im Finanzamt ausgefallen sind.

Was ist es also, das uns zufrieden macht? Das Erste, was wir brauchen, sind andere Menschen. Wir machen uns gern vor, dass wir fähig seien oder es sogar besser sei, ohne andere Menschen oder nur mit wenig Kontakt zu anderen auszukommen. Es ist richtig, dass andere zur Last werden können oder uns sogar in unserer Entwicklung behindern können. Viele Menschen haben nur noch pervertierte Beziehungen, bei denen sie den Kontakt nur aufrechterhalten, weil sie sich einen Gewinn daraus erhoffen. Manche Menschen können sich nicht auf andere einlassen, weil sie Angst vor Zurückweisung haben oder befürchten, ausgenutzt zu werden. Doch auch wenn dies für viele banal und selbstverständlich klingen mag, das Problem ist: Wir brauchen Beziehungen, die für beide Seiten befriedigend sind. In vielen Jahren der Psychotherapie ist mir noch kein Mensch begegnet, dessen Leiden nicht mit mindestens einer unbefriedigenden Beziehung zusammenhing.

2 In Gemeinschaft und miteinander

Gemeinschaft und Geborgenheit

Wenn Menschen zu mir kommen, sehe ich sie nicht als Kranke an, sondern als Hilfesuchende, die an einem Punkt ihres Lebens feststecken und nicht mehr allein aus der Klemme kommen. Was ich in 30 Jahren festgestellt habe, war, dass alle Patienten zwei Konfliktgebiete hatten und entweder in einem oder nicht allzu selten in beiden litten. Viele kommen mit Beziehungsschwierigkeiten zu mir. Damit meine ich grundsätzlich alle zwischenmenschlichen Bindungen dieses Menschen, meist betrifft es aber die Partnerschaft.

Das andere Konfliktfeld war und ist der Beruf. Ein falsch gewählter Partner kann einem das Leben ebenso vergällen wie ein falsch gewählter Beruf beziehungsweise Arbeitsplatz. Auf die Berufswahl gehe ich später noch ein. Fangen wir damit an, weshalb zwischenmenschliche Bindungen für uns so essenziell wichtig sind.

Befriedigende Beziehungen stabilisieren nicht nur unsere Psyche und unser Selbst. Sie gestalten es überhaupt erst. Unbefriedigende Beziehungen können es deformieren, auch das ist richtig. Unser Leben beginnt glücklicherweise mit zwei anderen Menschen, die uns im besten Fall wohlgesonnen sind, die uns wahrnehmen, auf unsere Äußerungen reagieren und mit uns in einen wechselseitigen Kontakt treten, den wir Kommunikation nennen. Es entsteht Nähe. Zwischenmenschliche Nähe ist unser wichtigstes Bedürfnis, zu deren Gunsten wir im besten Fall, also wenn die Beziehung befriedigend ist, unsere selbstbezogenen und egoistischen Motive aufgeben. Doch gerade heute haben viele Menschen Angst vor dieser Nähe. Auf die Ursachen hierfür werde ich später eingehen.

Das Gefühl der Nähe ist, wenn es angstfrei gelebt wird, ein großer Quell von Lebensfreude und Zufriedenheit.

Haben Menschen noch das Glück, in einer stabilen Gemeinschaft, also mit vielen befriedigenden Beziehungen leben zu können, wird auch das Grundbedürfnis nach Geborgenheit und Schutz befriedigt. Gerade diese Gemeinschaften werden als sehr befriedigend und angstfrei erlebt. Sie sorgen für Mut, Zuversicht und Vertrauen in die Welt und die eigene Person. Leider gibt es diese Gemeinschaften in unserer Kultur so gut wie gar nicht mehr. Ich habe sie nur bei meiner Beschäftigung mit anderen Kulturen gefunden. Bei den Zanskari, einem Volk, das im indischen Staat Kaschmir in der zweiten Himalaja-Kette in Dörfern lebt, in denen es keinen Strom und keine Wasserversorgung gibt, habe ich mich nach kurzer Zeit als Teil ihrer Gemeinschaft gefühlt. Eine schwere Erkrankung, ein komplizierter Knochenbruch, hätte vermutlich meinen sicheren Tod bedeutet. Trotzdem habe ich mich so geborgen und sicher gefühlt, wie ich es bewusst vorher nicht erlebt habe. Ich betone hier bewusst, weil ich glaube, dass ich dieses Gefühl als kleines Kind gekannt habe, in einer Zeit, an die ich keine Erinnerung habe. Das Glücksgefühl entsprach dem Gefühl der Verliebtheit. Unsere Erziehung als Anpassung unserer Fähigkeiten an die Anforderungen der Realität bewirkt, dass wir diesen elterlichen Geborgenheitsschutz verlieren. Vielleicht verlieren wir ihn nicht ganz, aber wir können uns nach Wahrnehmung des »Draußen« nicht mehr so gemütlich und naiv darin einkuscheln. Das ist in Gemeinschaftskulturen nicht anders, nur bleibt bei ihnen die Gemeinschaftsgeborgenheit ein Leben lang erhalten. Bei den Ovahimba in Namibia wird die mütterliche Einzelbindung schnell durch eine Bindung an alle Frauen des Dorfes ergänzt. Alle Frauen werden zur Mutter, was eine Kollegin dazu gebracht hat, den Begriff »Dorfmutter« hierfür zu prägen.

In unserer Kultur verlieren wir die Geborgenheit. Das liegt zum einen daran, dass wir keine gesunden Gemeinschaften mehr haben, und zum anderen daran, dass sich neue Gemeinschaften nicht künstlich konstruieren lassen. Sind nicht die gleichen Bedingungen, wie wir sie in der Zeit unserer frühen Geborgenheit erlebt haben, vorhanden, scheitert das Ganze. In der Psychotherapie ist es nicht anders: Fühlt sich der Patient nicht geborgen, ist die Therapie zum Scheitern verurteilt.

Weil wir ohne Geborgenheit nicht leben können und diese in Gemeinschaften nicht mehr bekommen, suchen und finden wir sie in unseren Liebesbeziehungen. Dass Liebesbeziehungen in der westlichen Welt zum Ersatz für die Gemeinschaftsbindung geworden sind, bringt neue Probleme mit sich: bei vielen die permanente Angst vor Beziehungsverlust, aber auch die dauernde Diskrepanz zwischen unseren Bindungsbedürfnissen und unseren menschenimmanenten Freiheits- und Vagabundierbedürfnissen. Beides findet man so nicht in den Gemeinschaftskulturen. Hier wird passageres Vagabundieren geduldet und die Angst vor Bindungsverlust ist nicht permanent präsent. Weil der Mensch eine Bindung an die Gemeinschaft hat, kann er es sich erlauben, anderer Meinung zu sein oder Krach mit einem Einzelnen zu haben. Aus einer Dorfgemeinschaft herausgeworfen zu werden, ist die höchste Strafe solcher Gemeinschaftskulturen. Dies schützt im Übrigen auch die Gemeinschaft und den Einzelnen vor verpönten Handlungen, welche wir als Straftaten bezeichnen würden.

Weggefährten

In westlichen Kulturen wie in Gemeinschaftskulturen gibt es das Bedürfnis nach Weggefährten. Das Leben allein zu meistern ist schwierig und unbefriedigend. Mit Gleichgesinnten an der Seite ist es leichter und befriedigender als allein. Und erfahrungsgemäß sind Menschen mit Unterstützern erfolgreicher. Hier reicht die gute Bindung nicht aus, der Weggefährte muss sich auch mit den Zielen des anderen identifizieren. Diese Aufgabe übernehmen zuerst die Eltern, dann Freunde oder Geschwister. In unserer Kultur ersetzen oft die Partner Freunde und Geschwister als Wegbegleiter. Bei den Gemeinschaftskulturen bleiben Freunde und Geschwister Wegbegleiter. Dies liegt zum einen daran, dass unsere Geschwister oder Freunde meist andere Wege gehen als wir. Selten wohnen wir nach unserer Individuation am selben Ort. Das ist in den Gemeinschaftskulturen anders. Hier bleibt man traditionell in der Gemeinschaft, verbringt mit den anderen das ganze Leben. Dadurch hat der Einzelne immer wieder auf die Menschen seiner Altersgruppe Zugriff. Es kommt meiner Erfahrung nach noch etwas Wesentliches bei den Gemeinschaftskulturen hinzu: Andere werden nur als »passagere« oder temporäre Wegbegleiter angefragt. Unbewusst sucht man sich einen Unterstützer, der sich mit diesem Ziel, das ich verwirklichen will, identifizieren kann oder gerade die gleiche Entwicklung durchmacht.

Da wir keine Gemeinschaften mehr haben, wird auch hier auf die Liebespartner zurückgegriffen. Dies führt oft zu Schwierigkeiten, weil der andere nicht immer die gleichen Ziele hat, vielleicht sogar gegen ein Ziel eingestellt ist, und auch nicht immer die gleichen Entwicklungsaufgaben zu bewältigen hat beziehungsweise diese vielleicht lieber allein bewältigen möchte oder die Unterstützung bei jemand anderem, zum Beispiel einem Gleichgeschlechtlichen, sucht.