Weg mit dem Scheiss - Mimi May Lehmann - E-Book

Weg mit dem Scheiss E-Book

Mimi May Lehmann

0,0

Beschreibung

In "Weg mit dem Scheiss - Ich will jetzt ein einfaches Leben" nimmt uns die Autorin Mimi May Lehmann mit auf eine inspirierende Reise zu einem einfacheren und leichteren Leben. Lehmann ist keine Psychologin oder Aufräumexpertin, sondern eine gewöhnliche Frau, die wie du und ich mit den alltäglichen Herausforderungen des Lebens kämpft. Dieses Buch bietet keine langweiligen Ratschläge, sondern eine authentische Erzählung darüber, wie die Autorin ihren überladenen Alltag erfolgreich transformierte. Sie reduzierte berufliche Verpflichtungen und entrümpelte ihr Leben von unnötigem Besitz. Dabei zeigt sie, dass Perfektion keine Rolle spielt, sondern der Mut, einfach anzufangen. Lehmanns Geschichte ist ein wertvoller Begleiter für all jene, die nach einem einfacheren Leben streben, ihren Fokus neu ausrichten möchten und Inspiration für einen Neuanfang suchen. "Weg mit dem Scheiss" ist ein Mutmacher für alle, die bereit sind, Veränderungen anzunehmen und ihr eigenes Glück in den Mittelpunkt zu stellen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 108

Veröffentlichungsjahr: 2023

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Am Ende

Die Blätter an den Bäumen offenbarten ihre prachtvollsten Farben, und der Nebel hing wie eine kuschelige Decke über dem Gelände. Mein geliebter Oktober. Ich lag auf dem Sofa und konnte mich nicht im Entferntesten überwinden, etwas zu tun. Wenn ich nur schon an meine To-do-Liste dachte, hätte ich mich am liebsten totgestellt. Wie eine lautlose Drohung saß sie mir im Nacken. Ich wusste, dass ich für jede Minute, die ich tatenlos verstreichen ließ, später würde bezahlen müssen. Energielos nippte ich an meinem Kaffee und schaute zur Uhr, die in unserem weißen Landhausregal stand. Es war 11:30 Uhr, und der Minutenzeiger tickte unerbittlich weiter. Mir war klar, dass ich längst in der Küche stehen müsste, um das Mittagessen für die Kinder zuzubereiten. Aber was sollte ich kochen? Ich hatte keine Kraft, mir ein Menu zu überlegen. Und eigentlich hatte ich auch keine Zeit zum Kochen. Ich sollte meine To-do-Liste abarbeiten, die nie ein Ende nehmen wollte. Stattdessen war sie jeden Abend noch länger als am Morgen. Egal, wie fleißig ich schuftete, die Arbeit wurde einfach nicht weniger.

Ich war bereits seit siebzehn Jahren selbstständig im Homeoffice tätig. Als Betriebsökonomin betreute ich wohlhabende Unternehmer und managte ihre geschäftlichen wie auch ihre privaten Angelegenheiten. Man könnte auch sagen, ich war eine sehr gut ausgebildete Privatsekretärin. Das Betriebsökonomiestudium hatte ich Mitte dreißig mit zwei kleinen Kindern am Rockzipfel im Fernlehrgang gemacht, um nicht einzurosten und mich auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Auf jeden Fall liebte ich meine Kunden und meine Arbeit. Ich lernte interessante Menschen kennen, in deren elitären Reihen man sonst keinen Einblick bekam. Ich war zu exklusiven Anlässen eingeladen, und manchmal konnte ich sogar meine Familie mitnehmen.

Meine Kunden waren meine Mentoren. Von ihnen lernte ich viel über das richtige Geld-Mindset und über pragmatische Businessführung. Mich ehrte das Vertrauen, das sie mir entgegenbrachten, und ich liebte die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Mein Tätigkeitsbereich war vielseitig und reichte von anspruchsvollen Verhandlungen bis zum Management des Hauspersonals. Aber jetzt, nach all den Jahren der Dauerbelastung, hatte ich keine Lust und keine Kraft mehr, sämtliche To-dos in meinem Kopf zu behalten.

Und dann wurde alles noch schlimmer, als die Tesla-Vermietungsplattform dazukam, die mein Mann und ich seit einigen Monaten zusammen führten. Ursprünglich war bloß geplant, dass wir meinen Tesla vermieteten. Eine Art Carsharing, weil ich das Fahrzeug selten brauchte. Doch wir wurden mit Mietanfragen überrannt, und ehe wir uns versahen, hatten wir drei eigene Teslas und acht Partner, die ihre Fahrzeuge über unsere Plattform vermieteten. So kam ich quasi wie die Jungfrau zur Tesla-Vermietung, wobei ich dieses Baby eigentlich nie mochte. Keine Frage, ich liebte die edlen Geschosse aus Kalifornien, eine wahrhaftige Symphonie der Eleganz. Aber als introvertierte Person hasste ich den Kontakt und den Smalltalk mit ständig neuen Mietern.

Zudem belastete die geschäftliche Zusammenarbeit mit meinem Mann zusehends unsere Ehe. So vollkommen wir privat harmonierten, so unterschiedlich waren wir in geschäftlichen Belangen. Er, der Social Butterfly, der vor Energie nur so strotzte und Stillstand nicht ertragen konnte. Ich, die verschrobene Einzelgängerin, die lieber gemütlich und alleine arbeitete. Kurz gesagt, um es bildlich zu formulieren: Ihm schien die Sonne aus dem Arsch und ich liebte den Regen. Wo er der Meinung war, man sollte wachsen, indem man unangenehme Arbeiten anpackt, fand ich, dass jeder sein persönliches Potenzial nutzen sollte. Für mich als Anti-Teamplayerin war einer der wenigen Vorteile von Teamarbeit, wenn die Aufgaben dem jeweiligen Naturell entsprechend verteilt wurden. Das Ganze gipfelte zuletzt darin, dass ich mich am liebsten versteckt hätte, wenn mein Mann in unserer Wohnung um die Ecke kam, nur weil ich befürchtete, er käme mit noch mehr unangenehmen Aufgaben auf mich zu. Dabei war mehr Arbeit oder neue Herausforderungen das Letzte, was ich jetzt noch gebrauchen konnte.

Ich schaffte es ja kaum mehr, den Alltag zu bewältigen. Seit Monaten lief ich nur noch im Überlebensmodus. Ich wusste nicht, wo mir der Kopf stand. Ich arbeitete jeden Tag. Sogar sonntags, in der Hoffnung, entspannter in den Montag starten zu können. Was natürlich nie passierte. Denn sobald ich am Montagmorgen mein Notebook öffnete, hatte ich bereits wieder unzählige neue Emails auf dem Bildschirm. Und jede einzelne davon bedeutete noch mehr Arbeit.

Über die Jahre waren Arbeit und Privates unbemerkt ineinander verschmolzen. Einerseits lag dies an dem Umstand, dass ich von zu Hause aus arbeitete. Zum anderen hatte ich den Anspruch, die Anliegen meiner Kunden innerhalb von 24 Stunden zu erledigen, was es mir unmöglich machte, eine feste Grenze zwischen Arbeit und Privatleben zu ziehen. Und so kam es, dass es in meiner Familie weder Wochenenden noch Feiertage oder gar Ferien gab.

Und jetzt schien es, als ob dieses geschäftige Leben seinen Tribut forderte. Ich schaffte es keinen einzigen Tag mehr, alle Verpflichtungen unter einen Hut zu bekommen. Lieber wäre ich in eine Scheune ohne Heizung und mit einem Außenklo gezogen, als noch mehr managen zu müssen.

Kraftlos schleppte ich meinen Körper in die Küche. Durchs Fenster beobachtete ich die Menschen, die an unserem Haus vorbeispazierten. Sie alle hatten Zeit für Sport oder für Spaziergänge mit Freunden und hatten trotzdem Geld. Was hatte ich verkehrt gemacht? Wann genau war ich auf meinem Lebensweg falsch abgebogen?

Ich war einmal eine ehrgeizige Businessfrau und fürsorgliche Mutter gewesen, die sich elegant und mühelos in beiden Welten bestens zurechtfand. Inzwischen war von dieser Frau nur noch ein jämmerlicher Schatten übrig. Ich war ein Wrack, das sich am liebsten weinend auf den Boden geschmissen hätte, wenn ich nur an meine täglichen Aufgaben dachte. Jede kleinste Anforderung brachte mich bereits ans Limit. Einen Menüplan für die nächste Woche erstellen – undenkbar! Frühstück für die Jungs zubereiten – ich brach schon beim Gedanken daran beinahe zusammen. Wo war meine Lebensfreude hin? Das Einzige, worauf ich mich noch freute, war, um 20 Uhr ins Bett zu kriechen.

Dabei war es Herbst. Meine absolute Lieblingsjahrezeit! Ich freute mich jeweils schon im Januar darauf. Auf die wunderschönen nebligen Tage, die mich so mit Glück und Wonne erfüllten, dass ich mich darin hätte wälzen können. Auf die beruhigenden Rufe der Raben und den göttlichen Duft von verbranntem Holz, welcher aus den Kaminen der alten Bauernhäuser strömte. Ich liebte die Abendspaziergänge durch unser Dorf und über die Felder mit meinen Jungs, kurz bevor die blaue Stunde der vollkommenen Dunkelheit wich. Doch jetzt wollte ich nur noch ins Koma fallen und erst wieder erwachen, wenn sich mein Leben nicht mehr so unglaublich schwer und anstrengend anfühlte.

Ich war ganz unten. Am Ende. Und langsam wurde ich richtig wütend. Wütend, weil ich mich gefangen fühlte, gefangen in meinem eigenen Leben. Im Würgegriff der Arbeit und verdammt dazu, ununterbrochen vor mich hinzuackern. Wütend, dass ich mich nicht einmal mehr mit Verwandten und Bekannten traf, weil ich nicht wusste, wann ich die verlorene Arbeitszeit wieder aufholen sollte. Schon seit frühster Kindheit war ich ein eigenwilliger Freigeist, ein leiser Rebell, der nichts mehr verabscheute als Zwänge und Druck jeglicher Art. Ironischerweise befand ich mich jetzt aber genau dort: im Schlund sämtlicher vorstellbarer Zwänge und dem ständigen Druck, noch etwas erledigen zu müssen. Und ich sah aktuell keinen Ausweg, mich daraus zu befreien.

Mit größter Anstrengung hatte ich es geschafft, ein einfallsloses Mittagessen auf den Tisch zu bringen. Und nachdem die Jungs wieder in die Schule gingen, konnte ich mich gerade noch dazu aufraffen, das Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen, bevor ich mich erneut aufs Sofa fallen ließ. Im Fernsehen lief ‹Heartland›, eine kanadische Serie über eine Familie, die auf ihrer Farm in den Rocky Mountains verwahrloste Pferde gesundpflegt. Eine idyllische Welt, in der es ruhig und gemächlich zuging. Am liebsten wäre ich dort hingezogen und hätte all den Businessscheiß hinter mir gelassen. Ich hätte mit Amy die Ställe ausmisten können und wäre mit Jack nach Hudson gefahren, um das Tierfutter zu besorgen.

Während ich Jack und Amy zusah, sehnte ich mich immer mehr nach einem einfachen Leben. Ein ruhiges, überschaubares Dasein, das mir genügend Zeit ließ für meine Kinder, meine Familie und mich. In meinem jetzigen Leben gab es einfach zu viele To-dos, zu viele geschäftliche Verpflichtungen und Probleme, zu viele Ängste und auch zu viele unbegründete Sorgen.

Mir war klar, dass ich mit meinem Mann darüber sprechen musste. Nur zusammen konnten wir den Karren aus dem Dreck ziehen. Ich hatte schon einige Male angedeutet, dass ich nicht mehr zufrieden war, und natürlich hatte er es auch selbst bemerkt. Schließlich war mein betrübter Zustand unübersehbar, und ich hätte es ihm nicht verübelt, wenn ihn bei meinem erbärmlichen Anblick der Wunsch überkommen hätte, sich von einer Brücke zu stürzen. Zum Glück hatten wir eine Beziehung, in der ehrliche und ungeschönte Kommunikation selbstverständlich war.

Mein größtes Problem war die Notwendigkeit, weiterhin Geld zu verdienen. Unser Familiensystem war von jeher so aufgebaut, dass mein Mann und ich gemeinsam für Haushalt, Kinder und Einkommen verantwortlich waren. Für mich war der Gedanke unerträglich, meinen Mann in finanzieller Hinsicht hängen zu lassen. Wenn ich den Bettel hinschmiss und mein Business aufgab, woher sollte dann die Kohle kommen? Für einen Sugardaddy war ich zu alt, um von meinem Vermögen zu leben, zu arm, für OnlyFans zu verklemmt. Wenn Geld in meinem Leben keine Rolle spielen würde, hätte ich ehrlich gesagt am liebsten einmal gar nichts gearbeitet. Ich hätte mich vollkommen den Kindern widmen können, ohne diese ständigen Bedenken, weder dem einen noch dem anderen vollständig gerecht zu werden.

Ich wünschte mir eine Auszeit, um mir darüber klar zu werden, wie es weitergehen sollte und was ich aus tiefstem Herzen gerne tun wollte. Doch leider spielte Geld noch eine Rolle, und ich musste jetzt unbedingt mit meinem Mann darüber reden. Und zwar gnadenlos ehrlich und mit der nötigen Dramaturgie, damit ihm dieses Mal auch wirklich klar wurde, wie ernst es mir war. Wie schlecht es mir ging. Und das schon seit Monaten, nein, eigentlich schon seit Jahren. Ich wollte ihm verdeutlichen, dass wir jetzt etwas ändern mussten, weil es so, wie es war, einfach keinen Spaß mehr machte. Dass meine emotionale Verfassung absolut inakzeptabel war. Dass ich mittlerweile eher bereit war, mit einem Minimum an Einkommen zu leben und nötigenfalls auch zu viert in eine Einzimmerwohnung zu ziehen, als auch nur einen einzigen Tag so weiterzumachen.

Mein Mann verstand es. Er wusste genauso gut wie ich, dass das Arbeiten-gegen-Geld-Prinzip für uns nicht mehr zufriedenstellend war. Eben dieses Arbeitsmodell war es schließlich, welches mich in diese unerträgliche Situation gebracht hatte. Denn wenn ich nicht arbeitete, verdiente ich nichts. Also arbeitete ich praktisch nur noch. Selbstständig eben, wie es der Begriff schon sagt: alles selbst und das ständig.

Mein Mann erzählte mir dann von Amazon FBA. Bei diesem Businessmodell kaufte man Produkte ein und verkaufte diese unter seiner eigenen Marke bei Amazon. Die Idee gefiel mir. Es klang simpel; ich könnte allein und ortsunabhängig arbeiten. Außerdem würde ich langfristig ein fast passives Einkommen erzielen, wenn das Geschäft erst einmal aufgebaut war. Amazon FBA klang wie die Lösung für all meine Probleme. Also besuchte ich kurz darauf ein Seminar, um alles darüber zu lernen.

Wie vereinfache ich mein Leben?

In den kommenden sechs Monaten arbeitete ich mehr als je zuvor, denn ich baute mein Amazon-Business auf. Und zwar bei Amazon USA, weil es für mich als Schweizerin unkomplizierter war, in den USA zu wirtschaften, als im europäischen Raum. Ein Nachteil war, dass ich alles in Englisch und somit nicht in meiner Muttersprache machen musste. Aber am Ende des Tages war es immer noch das kleinere Übel, als mich mit der unsäglichen europäischen Bürokratie herumzuschlagen.

Der letzte Frühlingsmonat hatte gerade erst begonnen und meine Freude war grenzenlos: Am 2. Mai wurde mein Produkt das erste Mal gekauft. Her mit dem Champagner! Es funktionierte tatsächlich! Endlich wurde ich für meine investierten Mühen und Nerven entschädigt.