Weil es Liebe ist (Die Sullivans aus New York 2) - Bella Andre - E-Book

Weil es Liebe ist (Die Sullivans aus New York 2) E-Book

Bella Andre

4,0

Beschreibung

Einen Leibwächter braucht Suzanne Sullivan nicht. Schließlich ist sie eine der erfolgreichsten Expertinnen für digitale Sicherheit weltweit und kann – trotz der Probleme in letzter Zeit – auf jeden Fall selbst auf sich aufpassen. Ihre drei Brüder sehen das leider anders. Als auf einmal ein viel zu gutaussehender Bodyguard auftaucht und fest entschlossen ist, sie zu beschützen, ob sie es will oder nicht, fliegen die Funken. Sie beabsichtigt nämlich keineswegs, sich in einen Leibwächter zu verlieben, den sie sowieso nicht wollte. Roman Huson hat sich geschworen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um Suzanne Sullivan vor Schaden zu bewahren. Ein falscher Blick jedoch, und er hätte sofort ihre Brüder auf dem Hals. Allerdings ist er vorher noch nie für eine so schöne, intelligente Frau im Einsatz gewesen. Während er sich bemüht, mit ihr Schritt zu halten, muss er sich ständig zügeln, um nicht wie ein Wilder über sie herzufallen und sie zu küssen – und steht damit vor der größten Herausforderung seines Lebens. Zumal sich herausstellt, dass die Flamme der Leidenschaft zwischen ihnen heißer brennt, als er es jemals erlebt hat ... "Die Sullivans"-Reihe Liebe in deinen Augen Ein verfänglicher Augenblick Begegnung mit der Liebe Nur du in meinem Leben Sag nicht nein zur Liebe Nur von dir hab ich geträumt Lass dich von der Liebe verzaubern Du gehst mir nicht mehr aus dem Sinn Eine perfekte Nacht (Die Sullivans aus Seattle) Nur du allein (Die Sullivans aus Seattle) Deine Liebe muss es sein (Die Sullivans aus Seattle) Dir nah zu sein (Die Sullivans aus Seattle) Ich mag, wie du mich liebst (Die Sullivans aus Seattle) Ohne dich kann ich nicht sein (Die Sullivans aus Seattle) Vier Herzen vor dem Traualtar (Die Sullivans Hochzeitsnovelle) Bilder von dir (Die Sullivans aus New York 1) Weil es Liebe ist (Die Sullivans aus New York 2)

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Beliebtheit




Weil es Liebe ist

Die Sullivans aus New York 2

Bella Andre

Inhaltsverzeichnis

Bucheinband

Titelseite

Copyright

Über das Buch

Ein Hinweis von Bella

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Alle Bücher von Bella Andre in deutscher Sprache

Über die Autorin

Weil es Liebe ist

Die Sullivans aus New York 2

© 2018 Bella Andre

Übersetzung Christine L. Weiting – Language + Literary Translations, LLC

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Einen Leibwächter braucht Suzanne Sullivan nicht. Schließlich ist sie eine der erfolgreichsten Expertinnen für digitale Sicherheit weltweit und kann – trotz der Probleme in letzter Zeit – auf jeden Fall selbst auf sich aufpassen. Ihre drei Brüder sehen das leider anders. Als auf einmal ein viel zu gutaussehender Bodyguard auftaucht und fest entschlossen ist, sie zu beschützen, ob sie es will oder nicht, fliegen die Funken. Sie beabsichtigt nämlich keineswegs, sich in einen Leibwächter zu verlieben, den sie sowieso nicht wollte.

Roman Huson hat sich geschworen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um Suzanne Sullivan vor Schaden zu bewahren. Ein falscher Blick jedoch, und er hätte sofort ihre Brüder auf dem Hals. Allerdings ist er vorher noch nie für eine so schöne, intelligente Frau im Einsatz gewesen. Während er sich bemüht, mit ihr Schritt zu halten, muss er sich ständig zügeln, um nicht wie ein Wilder über sie herzufallen und sie zu küssen – und steht damit vor der größten Herausforderung seines Lebens. Zumal sich herausstellt, dass die Flamme der Leidenschaft zwischen ihnen heißer brennt, als er es jemals erlebt hat …

Ein Hinweis von Bella

Seit ich dich liebe ist mein fünfzigstes (50!) Buch und beim Niederschreiben der Liebesgeschichte von Suzanne und Roman war ich genauso aufgeregt wie bei meinem allerersten Buch. Eigentlich sogar noch aufgeregter, denn ich kann von der Familie Sullivan einfach nicht genug kriegen! Ein ganz, ganz herzliches DANKESCHÖN den Millionen Leserinnen und Lesern aus aller Welt, die mir so liebe E-Mails und Nachrichten über die sozialen Netzwerke geschickt haben, um mir mitzuteilen, dass Sie von den Sullivans ebenfalls nicht genug kriegen können. Ich habe vor, für alle Ewigkeit ihre Liebesgeschichten zu erzählen! Falls Sie zum ersten Mal ein Sullivans–Buch lesen: Jedes Buch lässt sich leicht als Einzelwerk lesen.

Seit Jahren schon möchte ich über einen Bodyguard schreiben. Aber erst, als Suzanne Sullivan auftauchte, wusste ich, dass sie die perfekte Titelheldin wäre, zu der ein wahnsinnig sexyer, extrem beschützender Alphaheld passen würde. Es hat mir riesigen Spaß bereitet, zu beobachten, wie es zwischen Suzanne und Roman bereits seit dem ersten Blickkontakt zu knistern beginnt.

Ich hoffe, auch Sie erleben genauso gern mit wie ich, wie sich die beiden ineinander verlieben.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihre

Bella Andre

P.S. Ich freue mich schon, dass Sie bald auch die Geschichten von Alec und Harry lesen können – jeweils im dritten und vierten Buch der Reihe über die Sullivans aus New York. Vergessen Sie nicht, sich für meinen Newsletter anzumelden (bellaandre.com/germany), damit ich Ihnen die Erscheinungstermine und die Titel der beiden Bücher mitteilen und Sie jeweils anlässlich der Sullivan-Neuerscheinungen kontaktieren kann.

Ich wollte Ihnen auch noch mitteilen, dass bald zwei Ablegerromane über die Sullivans aus New York erscheinen werden! Wenn Sie Bilder von dir (Die Sullivans aus New York Sullivans 1) gelesen haben, dann kennen Sie Calvin, den Bürgermeister von Summer Lake und Christie, die Betreiberin des Gasthofes in Summer Lake, – und werden den beiden in Weil es Liebe ist (Die Sullivans aus New York 2) noch häufiger begegnen.

Calvins Geschichte wird 2019 erscheinen, wo er in Das Beste kommt erst noch eine verlorene Liebe wiederfindet. Christies Geschichte wird im Sommer 2019 erscheinen. In Liebe ist kein Märchen verliebt sie sich in einen Mann, den sie niemals für sich in Betracht gezogen hätte.

KAPITEL 1

Suzanne Sullivan brauchte keinen Leibwächter.

Niemand fiel in der Dunkelheit über sie her, als sie in New York City die West 22nd Street hinunter in Richtung der Kunstgalerie D’Oro ging, wo an diesem Abend eine Ausstellung ihres Bruders Drake eröffnet wurde. Weder hatte sie während der vergangenen Woche anonyme Störanrufe erhalten, noch hatte jemand ihre Server abstürzen lassen.

Die Luft war heute Abend frisch und die Sterne standen hell am Himmel. Sie fühlte sich prächtig. So, als sei alles möglich – und als könne absolut nichts passieren. Schon gar nicht all die fürchterlichen Dinge, wegen denen sich ihre Brüder Sorgen machten.

Okay, in den letzten Monaten war sie mit Tausenden Störanrufen von unbekannten Rufnummern bombardiert worden und sowohl ihr persönlicher Server als auch ihre Firmenserver waren von Hackern angegriffen worden. Aber sie war ja nicht umsonst eine spitzenmäßige Spezialistin für Sicherheitssoftware. Sie konnte sich und ihre Firma schützen, egal, was ihre Brüder zu denken schienen.

Wenn man in einer milliardenschweren Branche bestehen wollte, musste man auch damit rechnen, dass die Konkurrenz nicht immer mit offenen Karten spielte. Obwohl sie selbst anders tickte, wusste sie besser als praktisch jeder andere, wie man sich vor Cyberangriffen schützte. Als ihre Brüder vor ein paar Wochen mehr von ihr hatten wissen wollen, hatte sie gesagt, die Anrufe kämen wahrscheinlich von einem ihrer zahlreichen Konkurrenten. Da sie seitdem mit der Arbeit an der neuen Ausgabe ihrer Software zu beschäftigt gewesen war, um konkrete Nachforschungen anzustellen, schienen ihre Brüder dummerweise zu der Überzeugung gelangt zu sein, es handele sich nicht nur um Störmanöver der Konkurrenz.

Sie befürchteten, jemand sei hinter ihr her.

Allerdings sorgten sie sich auch jedes Mal, wenn sie nur mit jemandem ausging. Deswegen hatte sie seit langem aufgehört, ihnen von ihren privaten Verabredungen zu erzählen.

Suzanne machte ihren Brüdern diese übermäßige Fürsorglichkeit nicht zum Vorwurf – schließlich hatten sie alle vier bereits als Kinder aufeinander aufgepasst. Dass die Mutter sich das Leben genommen hatte und der Vater die fünfundzwanzig Jahre danach, wie versteinert gewesen war, hatte die Sullivan-Geschwister untrennbar zusammengeschweißt. Trotzdem wünschte sich Suzanne, ihre Brüder würden sie nicht ständig mit der Idee nerven, einen Leibwächter einzustellen.

Jedenfalls schwebte sie im Moment noch auf Wolke sieben, so fantastisch war ihr Montag im Büro gewesen. Sechs Monate lange hatte sie sich mit dem Softwaredesign für das neue Digital-Security-Programm abgemüht. Es sollte gleichzeitig so innovativ und doch so erschwinglich sein, dass Informatikexperten aus aller Welt gemeint hatten, es sei nicht machbar. Aber jetzt hatte sie mit dem neuen Quellcode die Lösung gefunden. Gleich morgen früh würde sie ihren Investoren die gute Nachricht überbringen: Sullivan Security konnte mit dem neuen Produkt, das sie MavG1 genannt hatte, in die erste Beta-Test-Runde gehen. Die fünf Milliardäre der Maverick Group waren zwar Freunde der Familie, aber sie verlangten trotzdem Höchstleistungen von den Firmen, in die sie investierten. Und sie dachte gar nicht daran, ihnen etwas anderes als das Beste zu liefern.

Sie war jetzt zwar noch einen halben Häuserblock von ihrem Ziel entfernt, aber konnte bereits die Menschen sehen, die auf dem Bürgersteig vor dem Eingang zur Galerie Schlange standen. Kein Wunder, immerhin hatte ihr Bruder Drake ein Dutzend der herausragendsten Kunstwerke geschaffen, die Suzanne je gesehen hatte.

Er galt als einer der besten Maler seiner Generation und seine Ausstellungen waren immer gut besucht. Heute Abend spielten die Leute allerdings nicht nur wegen der künstlerischen Qualität seiner Gemälde verrückt, sondern auch wegen seines Motivs. Rosalind Bouchard war nicht nur eine internationale Reality-TV-Berühmtheit beziehungsweise – jetzt, nachdem sie aus der Show ausgeschieden war – eine Ex-Reality-TV-Berühmtheit. Sie war auch Drakes neue Freundin.

Nachdem sie Rosa in den letzten Wochen ein paarmal begegnet war, konnte Suzanne gut verstehen, warum ihr Bruder sich praktisch auf den ersten Blick bis über beide Ohren in sie verliebt hatte. Rosa besaß Intelligenz, Witz und eine unglaubliche Zivilcourage. Jeder Pinselstrich auf Drakes Gemälden ließ Rosas strahlendes Licht leuchten. Suzanne wünschte, sie könnte einen Mann finden, der so intelligent und loyal war wie Rosa hübsch …

Leider war das Kapitel Beziehungen in ihrem Leben das einzige, in dem es nicht gerade rosig aussah. Mehr als einmal hatte sie sich gewünscht, sie könnte sich die Männer, mit denen sie ausging, genauso zurechtbiegen, wie sie Zeilen in ihrem Quellcode umschrieb – so lange, bis alle Fehler beseitigt waren. Aber sie war jetzt einunddreißig und hatte eins gelernt: Menschen konnte man nicht ändern.

Und am allerwenigsten konnte man sie zwingen, einen zu lieben, solange sie es nicht wollten.

Deswegen bedeuteten ihr ihre Brüder so viel. Sie nahmen es sich vielleicht manchmal heraus, ihr Vorschriften für ihr eigenes Leben machen zu wollen. Aber nie zweifelte sie auch nur eine Sekunde lang daran, dass Alec, Harry und Drake sie so liebten, wie sie war – eine kopflastige Computertussi, die beim nächtelangen Programmieren den gleichen Kick empfinden konnte wie andere Frauen beim Kaufrausch im Schuhgeschäft.

Da sie für ihre neue Software endlose Stunden an ihrem Computer verbracht hatte, war sie schon seit sehr langer Zeit keinen Abend mehr in der Stadt gewesen. Heute Abend freute sie sich auf ein bisschen Unterhaltung. Und man konnte ja nie wissen … Vielleicht würde sie das letzte Kästchen auf ihrer Checkliste am Ende eines perfekten Tages abhaken können, indem sie den Richtigen kennenlernte und ihn an ihren Brüdern vorbeischmuggelte, bevor sie ihn in die Flucht schlagen konnten.

„Suz, du bist gekommen!“ Wenige Sekunden, nachdem Suzanne die Galerie betreten hatte, wurde sie von Rosa umarmt.

Drake stand direkt neben ihr und erst, als auch er sie ausgiebig umarmt hatte, konnte sie fragen: „Wie ist es bisher gelaufen, heute Abend? Alles in Ordnung bei euch?“

Suzanne wusste, wie nervös es Rosa gemacht hatte, jemand könnte erfahren, dass Drake sie malte. Rosa war überzeugt gewesen, dass nicht nur ihr Ruf als Bad Girl der Reality-Show auf ihn abfärben würde, sondern auch die Tatsache, dass vor ein paar Wochen Nacktfotos von ihr in die Presse gelangt waren, die jemand ohne ihre Einwilligung gemacht hatte.

Drake zog Rosa gleich an sich, als sie sich an seine Schulter schmiegte. Wieder einmal wurde Suzanne bewusst, wie gut die beiden zusammenpassten. Als sie mit dem Nacktfoto-Skandal fertig werden musste, hatte Rosa eine innere Stärke in sich entdeckt, die sie selbst nicht erwartet hatte. Aber Drake hatte sofort gesehen, wie fantastisch sie war, und hatte ihr unbeirrt zur Seite gestanden.

„Die Leute können gar nicht genug kriegen, von Drake und seinen Bildern“, sagte Rosa stolz.

Suzanne wusste, dass sich ihr Bruder nicht im Geringsten darum scherte, ein paar Snobs aus der Kunstszene zu beeindrucken. Das Einzige, was jetzt für ihn zählte, war die Liebe. Und ihn so glücklich zu sehen, erfüllte ihr Herz mit Freude.

„Alle benehmen sich bestens“, sagte er zu Suz. Entschlossen, sie zu beschützen, zog er Rosa noch näher an sich heran. „Etwas anderes würde ich ihnen auch nicht raten.“

Suzanne stimmte zu. Es sollte bloß niemand wagen, irgendetwas Schlechtes über Rosa zu sagen. Die Sullivans standen geschlossen hinter ihr. Besonders Suzanne, die in jeder freien Minute an einer Software für Rosas Stiftung gegen Cyberstalking arbeitete.

Auf einmal tauchte Candice, Drakes mit allen Wassern gewaschene Agentin, auf und verteilte Luftküsschen. „Suzanne, du siehst wie immer hinreißend aus. Sicher hast du nichts dagegen, wenn ich dir Drake und seine Muse kurz entführe. Ein Investor hier spielt mit dem Gedanken, ein Wahnsinnsangebot für alle zwölf Gemälde zu machen.“

Im Weggehen formte Drake über die Schulter das Wort Sorry mit den Lippen, während seine Agentin ihn und Rosa wegführte. Suzanne nahm sich ein Glas Champagner vom Tablett eines umhergehenden Kellners und genoss das Prickeln der sanften Perlen auf der Zunge, während sie sich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich entspannen konnte. Gerade hatte sie angefangen, sich im Raum nach bekannten Gesichtern umzusehen, da wurde ihre ganze Aufmerksamkeit von einem Mann in Beschlag genommen, der gerade zur Tür hereinkam.

Wow.

Ja, das war ein Mann. Dunkles Haar und dunkle Augen. Markanter Unterkiefer. Gebräunte Haut. Da sie selbst ziemlich groß war, konnte sie die Größe eines Mannes relativ gut schätzen. Einsfünfundneunzig kam etwa hin. Wenn man noch die breiten Schultern in seinem dunklen, tadellos maßgeschneiderten Anzug dazu zählte, ergab sich ohne Frage ein leckeres Gesamtpaket.

Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, als sie ihn beobachtete. Muskulös wie ein Löwe, streifte er mit der Eleganz einer Wildkatze durch die Menge. Sie strich sich mit der Daumenkuppe über die Unterlippe, um sich zu vergewissern, dass sie nicht wahrhaftig sabberte.

„Roman, wir sind hier.“

Es war die Stimme ihres älteren Bruders Alec. Neben ihm stand Harrison, ihr anderer Bruder. Sie kannten ihn?

Roman. Sogar sein Name war lecker.

Als die drei Männer sich halb mit Handschlag, halb mit Umarmung begrüßten, war sie versucht, gleich zu ihnen zu gehen, um sich vorzustellen. Aber sie wusste aus Erfahrung, dass es besser war, die Situation erst einmal aus einiger Entfernung einzuordnen. Dabei konnte sie versuchen, herauszufinden, was Roman mit ihren Brüdern verband.

Sie hatte noch nie von ihm gehört, was sie ihnen jetzt als groben Fehler ankreidete. Allerdings hatten ihre Brüder schon immer komische Ansichten gehabt, was Beziehungen zwischen ihr und ihren Freunden betraf. Mit komisch meinte sie, dass sie ihren Freunden praktisch verboten hatten, ihre Schwester als weibliches Wesen zu betrachten, sobald sie auf die Highschool gekommen war.

Und leider hatte sich in den letzten fünfzehn Jahren daran nichts geändert. Alec, Harry und Drake waren felsenfest davon überzeugt, dass kein Mann für ihre Schwester gut genug war. Vor allem nicht die Typen, mit denen sie selbst abhingen. Meistens konnte sie ihnen auch gar nicht widersprechen. Wenn sogar Alec – mit seinem Ruf als schlimmster Herzensbrecher der Stadt – jemanden einen Aufreißer nannte, dann musste der Typ schon ziemlich schrecklich sein.

Suzanne war Vergnügungen keineswegs abgeneigt. Aber mit einunddreißig war sie auch nicht mehr sonderlich an One-Night-Stands interessiert. Sie suchte das, was Drake und Rosa gefunden hatten – eine innige, wahre, dauerhafte Liebesbeziehung.

Obwohl Roman gut aussah und Selbstbewusstsein ausstrahlte, machte er auf Suzanne nicht den Eindruck eines Aufreißers. Für einen, der nur eine Frau abschleppen wollte, schien er zu sehr auf der Hut zu sein und zu sehr auf alles und alle um ihn herum zu achten.

Sie kannte das Gefühl, denn sie hatte einen großen Teil ihres Lebens damit verbracht, die anderen aus der Ferne zu beobachten. Im Kindergarten hatte sie zum ersten Mal gemerkt, dass sie nicht so war wie andere Mädchen. Es hatte sie mehr interessiert, Sachen zu bauen und zu gestalten, als auf dem Spielplatz zu kichern oder mit Puppen und Puppenkleidern zu spielen. Mit dem Heranwachsen wurde sie immer mehr zu Außenseiterin. Während andere Mädchen immerzu von Jungs träumten, hatte sie sich bis über beide Ohren in Elektronik und Programmiersprachen verliebt. Ihre besten Freunde waren die anderen Jugendlichen im Computerclub und ihren ersten Kuss hatte sie im zweiten Jahr auf der Highschool mit einem Nerd aus dem Club getauscht. Es war auf beiden Seiten mehr ein Experiment gewesen als tatsächliches romantisches Interesse. Auf dem College hatte sie dank der intensiven Hilfestellung ihrer Cousinen endlich gelernt, so zu tun, als sei sie „normal“. Aber es war immer eine große Erleichterung, wenn sie wieder an ihre Computer konnte. Sie war keineswegs Jungfrau, aber sie hatte auch noch nie eine ernste Beziehung gehabt. Die Redensart mit der Arbeit verheiratet sein war wohl in ihrem Fall recht zutreffend.

In dem Augenblick begegnete Romans Blick ihrem … und alle Gedanken in ihrem normalerweise vollgestopften Gehirn waren wie weggeblasen. Als sie langsam wieder zur Besinnung kam, wurde ihr klar, dass sie niemals einen so intensiven Blick gesehen hatte.

Und zwar auf die beste Weise „intensiv“, dachte sie, während die elektrisierende Anziehungskraft weiterhin quer durch den Raum knisterte. Er schaute sie etwas zu lange und etwas zu eindringlich an, aber es wirkte nicht verunsichernd.

Es war erregend.

Schärfer als alles, was sie seit langer Zeit gespürt hatte.

Verschämt zu tun, hatte Suzanne nie gelernt. Deswegen machte sie sich auch nicht die Mühe, das Lächeln auf ihren Lippen zu unterdrücken. Es war kein lockendes Lächeln. Auch Flirten hatte sie nie gelernt, egal, wie eifrig ihre Cousinen Mia und Lori versucht hatten, ihr die Grundlagen beizubringen. Aber anstatt zurückzulächeln, sah Roman sie nur noch intensiver an. Noch erregender.

Plötzlich wünschte sie, sie hätte vorher noch Zeit gehabt, sich umzuziehen, anstatt in ihren üblichen Arbeitsklamotten – schwarze Jeans, T-Shirt und Stiefel – hier zu sein. Zumal alle anderen Frauen in der Galerie kurze, bunte Kleider trugen, die glänzten und glitzerten.

Als sie instinktiv ein paar Schritte nach vorn machte, wurde ihr klar, dass er ebenfalls auf sie zukam. Alle anderen in dem vollen Raum waren auf einmal wie Luft, nur sie beide zählten. Und dann stand er direkt vor ihr, so nah, dass sie nur die Hand nach ihm auszustrecken brauchte.

Sie hätte ihn anfassen können, wenn sie es gewagt hätte.

„Suz.“

Alecs Stimme ließ sie hochfahren. Sie hatte nicht bemerkt, dass ihre Brüder mit Roman durch den Raum gekommen waren. Um ihn herum hatte sie nichts anderes gesehen.

„Wir möchten dir unseren Freund Roman vorstellen. Roman, das ist unsere Schwester, Suzanne.“

„Hallo, Suzanne.“

Gott. Seine Stimme war genauso sexy wie alles andere an ihm. Besonders, als er mit seinem tiefen Bass ihren Namen aussprach. Es klang wie Donnergrollen. Suzanne war kein besonders visueller Typ, außer, wenn sie gerade einzelne Zeilen im Quellcode ihrer Software prüfte. Aber sie konnte die Bilder, die jetzt vor ihrem inneren Auge herumschwirrten, nicht aufhalten. Es waren Visionen von seinem Mund und seinen Händen auf ihrer nackten Haut … und von ihrem Mund und ihren Händen auf seiner …

Angesichts dieser deutlichen Bilder musste sie schwer schlucken. Es war egal, dass sie über dreißig war. Ihre Brüder würden sie in einem Turm einschließen und den Schlüssel wegwerfen, wenn sie jetzt ihre Gedanken lesen könnten.

Weil sie immer noch nicht sicher war, sich – oder vielmehr ihre Hormone – völlig unter Kontrolle zu haben, zögerte sie kurz. Sie musste sich erst fangen. Als ihr Puls in einen etwas langsameren Galopp gefallen war, streckte sie ihre Hand aus. „Nett, Sie kennenzulernen.“

Roman ergriff ihre Hand nur für ein paar Sekunden. Aber die elektrisierende Berührung und dazu noch seine sexy Stimme und der intensive Blick summierten sich zu einer Sinnlichkeit, auf die sie nicht gefasst war. Zumal ihre Brüder jede ihrer Bewegungen beobachteten.

„Woher kennen Sie sich?“ Ihre Stimme klang munter. Zu hoch. Zum Glück schien das weder Alec noch Harry zu bemerken.

„Roman hat ein paar Aufträge für mich übernommen“, sagte Alec.

„Und als Turnierkämpfer ist er auch nicht übel“, fügte Harry hinzu. Das war fast das größte Lob, das ihr Bruder jemandem aussprechen konnte. Schließlich war er ein weltbekannter Fachmann für Geschichte des Mittelalters und hatte eine museumsreife Sammlung von Ritterrüstungen.

Das war also endlich mal jemand, den ihre Brüder offensichtlich schätzten. Hatten sie ihn vielleicht in der Hoffnung eingeladen, sie und Roman könnten etwas miteinander anfangen?

„Ich bin mit Ihren Brüdern befreundet“, sagte Roman und seine tiefe Stimme versetzte jede einzelne ihrer Körperzellen in Schwingung. „Aber deswegen bin ich heute Abend nicht gekommen.“

Sie wäre beinahe in Verzückung geraten. Die Computertussi, die nie auch nur nah daran gewesen war, einem Mann in die Arme zu sinken, stand kurz davor, direkt gegen seine große, breite Brust zu kippen. Und wenn ihre Brüder endlich bereit wären, sie mit einem tollen Typen, der mit ihnen befreundet war, glücklich werden zu lassen, dann wäre das ja vielleicht sogar in Ordnung.

„Warum sind Sie dann hier?“, fragte sie und konnte kaum die Atemlosigkeit in ihrer Stimme verbergen.

Seine dunklen Augen hielten ihren Blick fest. „Ich bin Ihr neuer Leibwächter.“

KAPITEL 2

„Mein neuer Leibwächter?“ Suzanne starrte Roman mit offenem Mund an. „Das ist unmöglich.“

Ihre Reaktion überraschte ihn nicht. Ihre weit aufgerissenen Augen und ihr Schreckenslaut waren vollkommen logisch, da ihre Brüder ihn zu ihrem Schutz angeheuert hatten, ohne ihr – bis jetzt – etwas davon zu sagen.

Das Einzige, das Roman heute Abend überraschte, war seine eigene Reaktion auf sie.

Er hatte sie in dem Augenblick bemerkt, als er in die Galerie betrat. Nicht nur, weil sie in ihren schwarzen Jeans und dem T-Shirt, die so eng wie irgend möglich an ihren Rundungen anlagen, eine umwerfend schöne Frau war, die jeder Mann mit hungrigen Blicken verzehren würde. Nein. Jede Zelle seines Körpers hatte allein deswegen auf Alarmzustand geschaltet, weil sie im selben Raum war wie er.

Weil er seine Reaktion nicht zeigen wollte, hatte er es sich verwehrt, sie anzustarren. Seine Kunden hatten ihm oft gesagt, er müsse ja auf allen Seiten seines Kopfes Augen haben, weil ihm nie etwas entging. An Abenden wie diesem war er dafür besonders dankbar. So konnte er sie nämlich beobachten, ohne dass es jemand merkte.

Ihre Brüder hatten ihm gesagt, dass Suzanne eine hervorragende Software-Entwicklerin war, die in letzter Zeit Schwierigkeiten gehabt hatte und viel zu vertrauensvoll war. Mit Online-Recherchen hatte er weitere Informationen eingeholt und gesehen, wie erfolgreich sie war. Aber was ihn völlig unvorbereitet traf, war das, was alle ausgelassen hatten.

Er war schon mit so vielen attraktiven Frauen zusammen gewesen, dass er heute Abend in der Lage hätte sein sollen, sich zusammenzureißen. Aber er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm eine Frau jemals gleichzeitig so süß und so sinnlich erschienen war.

Ganz abgesehen davon, dass sie so tabu war, wie es eine Frau nur sein konnte.

Erstens war sie seine neue Klientin und die Grenzen zwischen Leibwächter und Kundin waren ihm heilig. Und – was ebenso wichtig war – ein zu intensiver Blick, und er hätte sofort ihre Brüder am Hals. Und er konnte es ihnen nicht einmal übelnehmen.

Wenn er eine kleine Schwester hätte, würde er sich ganz bestimmt nicht wünschen, dass sie bei einem wie ihm landen könnte.

Während der paar Minuten, in denen er mit Alec und Harry in der Galerie geredet hatte, rief Roman sich stillschweigend in Erinnerung, dass er ein erfahrener Profi war, der gelernt hatte, seine Gefühle im Zaum zu halten und seine Arbeit zu erledigen. Besonders bei Frauen. Niemals war er bei einer seiner Kundinnen auch nur ein kleines bisschen in Versuchung geraten. Auch nicht bei denen, die sich ihm nackt präsentiert hatten, um ihn dazu zu bringen, von seinem ehernen Grundsatz in Bezug auf professionelles Verhalten abzuweichen.

Als er es sich endlich gestattete, Suzanne direkt anzuschauen, war er sicher, dass seine stahlharte Maske wieder festsaß. Aber dann hatte sie gelächelt …

Ein strahlend schönes Lächeln hatte genügt, um seiner eisernen Disziplin den Boden zu entziehen.

Es könnte ein Fehler sein, diesen Job anzunehmen.

Der Gedanke traf ihn wie ein Faustschlag in den Solar Plexus. So hart, dass er es in Erwägung zog, seine Zusage zurückzuziehen. Leider war das genau der Moment, in dem Harry sagte: „Suzannes Sicherheit bedeutet uns alles. Wir wissen gar nicht, wie wir dir dafür danken können, dass du das machst.“

Er konnte seine Freunde nicht im Stich lassen, nur weil ihre Schönheit ihm Ehrfurcht einflößte. Und die Vorstellung, sie im Stich zu lassen, missfiel ihm ebenfalls. Wo sie doch, nach allem, was er bisher gehört hatte, seine Dienste dringender benötigte, als sie zugeben wollte.

Im Moment war sie allerdings offensichtlich über alle Maßen angepisst. Sie starrte ihn an und man sah förmlich, wie sie vor Zorn rauchte. Einen Familienstreit in aller Öffentlichkeit wollte er von vornherein abbiegen. „Warum gehen wir vier nicht an einen etwas weniger öffentlichen Ort, um das zu besprechen?“

Ihre Antwort kam fast knurrend. „Nein.“ Und dann schaltete sie ihn völlig aus und wandte sich ausschließlich ihren Brüdern zu. „Was zum Teufel stellt ihr euch eigentlich vor? Meint ihr wirklich, ihr könntet mal eben so einen Leibwächter für mich engagieren und ich würde sagen, Okay, große Brüder, wenn ihr meint, das sei das Beste?“

Roman war beeindruckt, wie sie ihren Brüdern die Stirn bot. Sie war keine Mimose, so viel stand fest. Das hieß allerdings noch nicht, dass sie keinen Schutz brauchte. Sogar die stärksten Menschen brauchten manchmal jemanden, der sie beschützte.

Weder Alec noch Harry wirkten im mindesten überrascht von ihrer Reaktion. Und es sah nicht so aus, als würden sie in nächster Zeit nachgeben. „Wir wissen, dass du unzählige Anrufe bekommen hast und deine Server angegriffen wurden. Wer weiß, wann es eskaliert und dich jemand körperlich angreift? Du musst das clever angehen, Suz.“

„Clever?“ Wenn Roman vorher gedacht hatte, sie sei wütend, dann war das noch gar nichts gewesen. „Ihr meint, ich sei nicht clever?“ Es war, als hätte Alec ihr den ultimativen Fehdehandschuh zugeworfen. Sie stach beiden Brüdern mit je einer Hand den Finger in die Brust. „Ihr seid es, denen die Hirnzellen fehlen, wenn ihr glaubt, ich könne nicht auf mich selbst aufpassen.“

Nachdem er ein Dutzend Mal mit Alecs Firma zusammengearbeitet hatte, um die Sicherheits­vorkehrungen für die reichen und berühmten Mieter von Alecs Privatflugzeugen auszuarbeiten, wusste Roman, dass sein Freund jähzornig werden konnte. Trotzdem war Alec der erste Milliardär, mit dem sich Roman je angefreundet hatte. Er hatte ein großes Mundwerk, aber er war kein Dummkopf. Eigentlich war er dafür, dass er so viel Geld hatte und mit Filmstars und Profisportlern verwandt war, überraschend normal.

Roman war inmitten von Typen aufgewachsen, die in der Hackordnung auf der untersten Stufe standen. Obwohl er sich eine lukrative Karriere aufgebaut hatte, indem er für die ganz Oberen arbeitete, war er trotzdem immer ein Kämpfer aus der Bronx gewesen. Bei Veranstaltungen wie dieser musste er oft den Reflex unterdrücken, seine Krawatte zu lockern, weil sie sich zu eng anfühlte.

„Suz“, sagte Harry und sah ein bisschen schuldbewusst aus, „wir wollten dich damit nicht verärgern.“

Roman hatte Harry bei einer von Alecs Partys vor ein paar Jahren kennengelernt und wusste, dass dieser das Leben mit etwas mehr Augenmaß anging als Alec. Deswegen war er jedoch noch lange kein Schwächling. Im Gegenteil, Harry hatte Fähigkeiten, die er durch seine praxisnahe Erforschung mittelalterlicher Kampftechniken erlernt hatte und mit denen er geübte Kämpfer in den Schatten stellte.

„Wir wissen, dass du selbst auf dich aufpassen kannst“, fuhr Harry fort. „Aber würdest du dich nicht wohler fühlen, wenn du wüsstest, dass jemand für deine Sicherheit sorgt, während du herausfindest, wer dich verfolgt und warum?“

„Ich fühle mich bereits super, was all dies betrifft, vielen Dank. Und wir alle wissen, dass ihr ihn“ – verärgert wies sie mit dem Daumen auf Roman – „nicht engagiert habt, damit ich mich wohler fühle. Ihr habt ihn engagiert, damit ihr euch wohler fühlt. Ich habe euch tausendmal gesagt, dass ich die Dinge im Griff habe. Und ich brauche niemanden, der Entscheidungen über mein Leben trifft. Und erst recht brauche ich keinen Leibwächter!“

Sie drehte sich auf dem Stiefelabsatz um und ging auf die Tür zu. Alec und Harry wollten hinterher, aber Roman stoppte sie. „Ab jetzt übernehme ich.“

Harry wirkte immer noch hin- und hergerissen, ob es das Richtige war. Aber Alec war mehr denn je überzeugt, dass seine Schwester einen Bodyguard brauchte. „Wir wissen, dass du das tun wirst.“

Suzanne war schnell, aber Roman war es von Berufs wegen gewöhnt, Leuten hinterherzujagen. Als er draußen war, hastete sie so wütend den Bürgersteig entlang, dass wildfremde Passanten zur Seite springen mussten, um nicht umgerannt zu werden. Wenn Leute wütend waren, machten sie Fehler, das wusste Roman nur allzu gut. Irgendwie musste er ihr verständlich machen, dass es nicht schlecht wäre, ihn um sich zu haben.

Er hatte sie fast eingeholt, als sie unvermittelt stehenblieb und so schnell herumwirbelte, dass Roman sie direkt vor der Nase hatte.

„Hören Sie auf, mir zu folgen!“ Ihre Augen sprühten Feuer. „Haben Sie nicht gehört? Ich brauche Sie nicht als Aufpass…“

Das Taxi kam aus dem Nichts so schnell um die Ecke gerast, dass der Fahrer einen Augenblick lang die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und auf dem Bürgersteig direkt auf sie zuraste. Roman zog Suzanne in seine Arme und schleuderte sie auf dem Bürgersteig so weit von sich wie möglich. Dann hechtete er in dieselbe Richtung und bedeckte ihren Körper mit seinem, sodass sie fest gegen die Backsteinmauer gepresst waren.

Der Fahrer stieg endlich auf die Bremse, als der Wagen um Haaresbreite von Romans linker Ferse entfernt war.

Er war Suzanne so nah, wie man es außerhalb eines Schlafzimmers nur sein konnte, und spürte ihr Herz genauso schnell schlagen wie seines. Ihre Brust bebte, aber sie schrie nicht, wie es jede andere getan hätte.

„Gott sei Dank.“

Er hörte ihre Worte nicht gleich deutlich. Es war ihm unmöglich, sie zu verarbeiten. Ihm rauschte das Blut in den Ohren wie ein Wasserfall. Erst als er hörte, wie das Taxi den Rückwärtsgang einlegte und sich von ihnen entfernte, wurde ihm bewusst, dass die Gefahr vorüber war.

Was bedeutete, dass er sie loslassen musste.

Dutzende Male hatte er seine Kunden oder Kundinnen mit seinem Körper geschützt. Aber nie war es ihm so schwergefallen, sich von jemandem wieder zu lösen. Niemals hatte er solch ein dringendes Bedürfnis verspürt, von Kopf bis Fuß jeden Zentimeter ihrer Körper mit seinen Händen abzutasten, um sich zu vergewissern, dass ihnen wirklich nichts passiert war.

„Suzanne.“ Endlich zog er sich so weit zurück, dass er auf ihr Gesicht hinunterschauen konnte. „Ist alles in Ordnung bei Ihnen?“

„Ja.“ Sie schluckte schwer und blinzelte mit so klaren und hübschen Augen zu ihm auf, dass es ihm den Atem geraubt hätte, wenn er nach dem Beinahe-Unfall nicht bereits atemlos gewesen wäre. „Dank Ihnen.“

Wie konnte sie, fragte er sich, mitten auf einem schmutzigen Bürgersteig in Manhattan duften wie ein Frühlingsmorgen? Und warum, verdammt noch mal, erlaubte er sich, so etwas an einer seiner Kundinnen überhaupt wahrzunehmen? Wo es sich noch dazu um eine absolut widerstrebende Kundin handelte.

Roman hatte sich nie gern auf diese Art engagieren lassen. Es war immer besser, wenn man direkt von der zu schützenden Person beauftragt wurde als von einem Dritten. Gleichzeitig jedoch verstand er die Besorgnis ihrer Brüder. Suzanne in Sicherheit zu wissen, war das Wichtigste – auch wenn es hieß, dass er etwas mehr Überzeugungsarbeit leisten musste, damit sie die Dinge klarer sah.

Er war keineswegs froh, dass das Taxi auf dem Bürgersteig sie fast überfahren hätte. Vielleicht hatte es aber doch seine gute Seite, wenn sie dadurch jetzt überzeugt war, dass er sie vor Schaden, egal welcher Art, bewahren konnte.

Er trat gerade einen Schritt zurück, als sie ihm die Hand auf den Arm legte. „Wie steht es mit Ihnen? Alles in Ordnung?“ Als sie sich über die Lippen leckte, konnte er seinen Blick nicht von ihrem feucht glänzenden Mund lösen. „Das Taxi ist so nah dran gewesen. Ich war sicher, dass es Sie …“

„Mir geht es gut.“ Die Worte kamen schroffer heraus, als er beabsichtigt hatte, während er sich zwang, mindestens einen halben Meter Abstand zwischen ihr und ihm zu schaffen. Mit Suzanne würde es ein Drahtseilakt werden – nah genug an sie heranzukommen, um sie zu schützen, egal, was passierte, aber ihr auch nie so nahe zu kommen, dass er die Kontrolle verlor. „Jetzt sehen Sie, warum es von Vorteil ist, mich in Ihrer Nähe zu haben.“

Nur Augenblicke, nachdem sie fast von einem Taxi überfahren worden wären, war ein verächtliches Schnauben das Letzte, das er von ihr erwartete. „Danke, dass Sie mir das Leben gerettet haben. Dafür bin ich Ihnen wirklich Dank schuldig. Aber das war nur ein unvorhersehbarer Unfall. Egal, was Sie oder meine Brüder denken, ich brauche trotzdem keinen Leibwächter.“ Sie schob sich von der Backsteinmauer weg. „Gute Nacht, Roman.“

Ihre Brüder hatten ihn zwar nicht auf ihre atemberaubende Schönheit vorbereitet, auf ihren Dickkopf allerdings schon. Und aufgrund seiner Recherchen verstand er, dass dieser Charakterzug ihr zweifellos geholfen hatte, ein schnell wachsendes Technologie­unternehmen aufzubauen.

„Mein Abend ist noch nicht zu Ende“, teilte er ihr mit. „Ich werde Sie nach Hause begleiten müssen.“

Sie hielt noch nicht einmal kurz inne. „Dies ist ein freies Land. Wenn Sie auf demselben Bürgersteig in dieselbe Richtung gehen wollen wie ich, bitte sehr.“

Er ließ sich mit seinen Kunden nie auf die persönliche Ebene ein und hielt seine Gefühle immer aus allem heraus, aber jetzt konnte er sich ein Grinsen kaum verkneifen. Ihre Brüder hatten ihm gesagt, sie sei reizbar – aber sie hatten nicht erwähnt, wie sympathisch sie war. Das Problem war, dass sie wohl kaum besser auf ihre Brüder zu sprechen sein würde, wenn sie erst herausfand, wo er jetzt wohnte. Dass er es ihr würde sagen müssen, ließ das halbe Lächeln gleich wieder aus seinem Gesicht verschwinden.

Er beschloss, eine klare Ansage sei das Beste. „Ich werde in der Wohnung neben Ihrer wohnen, solange ich mit Ihnen arbeite.“

Wieder blieb sie unvermittelt auf dem Bürgersteig stehen. Ein paar lange Sekunden lang sagte sie gar nichts. Sie starrte ihn nur an, als wären ihm drei Köpfe gewachsen und jeder davon würde eine andere Sprache sprechen.

„Ich bringe meine Brüder um.“ Jedes Wort war klar und deutlich. Und eiskalt. Als sie sich umdrehte, ahnte er, dass sie plante, zur Galerie zurückzugehen, um sie dort zu stellen.

„Suzanne“, sagte er und stellte sich ihr in den Weg. „Ich verstehe, dass Sie mich nicht um sich haben wollen. Aber Ihre Brüder haben mich nicht eingestellt, um Ihnen wehzutun. Ihnen wehzutun ist das Allerletzte, was sie wollen. Ich habe über die Jahre viele Personen im Auftrag ihrer Angehörigen geschützt, aber ich kann sehen, dass Sie Ihren Brüdern mehr bedeuten, als die meisten Menschen in ihrem Leben jemandem bedeuten.“ Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Ich habe eine Zeit lang für Ford Vincent gearbeitet, während einer seiner Tourneen, und er sagte dasselbe: Die Sullivans halten zusammen und schützen sich gegenseitig, komme, was da wolle.“ Er hoffte, dass etwas von dem, was er sagte, irgendeine Wirkung haben würde. „Alec, Harry und Drake wollen nur sicher sein, dass Sie wirklich geschützt sind.“

„Verdammt.“ Sie sagte es leise, aber trotzdem leidenschaftlich. „Woher haben Sie genau gewusst, was Sie sagen mussten?“

Weil ich Sie kenne.

Der verrückte Gedanke kam ihm ganz unvermittelt. Sie hatten sich heute Abend erst kennen gelernt, also war es ziemlich unlogisch. Offensichtlich war sein normalerweise perfekt rationales Denken durch eine kaum zu zügelnde Anziehungskraft vom Kurs abgekommen.

Das war verrückt und er musste dagegen ankämpfen. Statt einer Antwort sagte er daher: „Es ist mein Job, dafür zu sorgen, dass Ihnen nichts passiert. Aber es wird wahnsinnig schwer, für Ihre Sicherheit zu sorgen, wenn Sie sich ständig dagegen wehren.“

„Dumme Sache, denn ich werde nicht aufhören, mich zu wehren“, gab sie zurück. „Sie haben die erste Runde gewonnen, weil Sie genau die richtigen Worte zur richtigen Zeit gesagt haben, aber ich garantiere Ihnen, dass die nächste Runde an mich geht.“

Mit diesen Worten ging sie rasch weiter in Richtung ihrer Wohnung. Er wusste, dass es klüger war, sie heute Abend nicht weiter dadurch zu provozieren, dass er neben ihr ging, also hielt er sich eine Schrittlänge hinter ihr. So nah, dass ihm immer wieder ihr frischer Duft in die Nase wehte – und dass es ihm überaus schwerfiel, nicht auf die Rundungen zu starren, die sich in ihrer schwarzen Jeans abzeichneten.

Als sie bei ihrem Wohnhaus angekommen waren und er mit ihr den Aufzug betrat, murmelte sie: „Merke: Wohne niemals in einem Haus, das Verwandten gehört. Vor allem, wenn diese die Bedeutung der Worte Privatsphäre und selbstständig nicht kennen.“

Kaum öffnete sich die Aufzugtür, flitzte sie in der offenkundigen Absicht, ihn vor der Tür stehen zu lassen und auszuschließen, zu ihrer Wohnungstür.

„Suzanne.“ Es würde ihr nicht gefallen, aber es musste trotzdem sein. „Ich muss Ihre Wohnung kurz durchsuchen, um sicherzugehen, dass Ihnen dort keine Gefahr droht.“

Er brauchte ihr Gesicht gar nicht zu sehen, um zu wissen, wie wütend er sie gerade gemacht hatte. Das sah er bereits an ihrer Körpersprache.

„Gut.“ Sie gab den Code auf ihrem elektronischen Türschloss ein und öffnete die Tür mit einem Fußtritt.

Er erledigte die Untersuchung, so rasch es ging. Leider war Suzannes Handschrift in der Wohnung überall unübersehbar – die Ansammlung von Computern und Tablets auf ihrem Kaffeetisch, die bunten Patchwork- und Steppdecken, die wohl Verwandte für sie genäht hatten, die riesige Wand voller Familienfotos im Flur, der zu ihrem Schlafzimmer führte.

Du lieber Himmel, dort hineinzugehen, war das Allerschwerste. Zu wissen, dass sie sich hier bald ausziehen und ins Be…

Verdammt. Dorthin durfte er seine Gedanken nicht abschweifen lassen.

Sichtlich verärgert stand sie mitten im Flur, als er mit der Durchsuchung fertig war. „Alles in Ordnung.“

„Natürlich ist es das.“ Sie öffnete ihm die Tür. „Gute Nacht.“

Wieder konnte er nicht umhin, ihre temperamentvolle Art zu bewundern. „Gute Nacht, Suzanne. Morgen früh werde ich draußen auf Sie warten.“

Statt einer Antwort schoss sie nur einen feurigen Blick auf ihn ab und knallte ihm die Tür vor der Nase zu.

Es hätte Roman nicht gewundert, wenn Suzannes Cousin Ian, der Geschäftsmann aus Seattle, dem das Apartmenthaus gehörte, heute Nacht von Suzanne gründlich den Kopf gewaschen bekäme, weil er die Nachbarwohnung an Roman vermietet hatte. Aber trotz Murren musste sie ihrer Familie dankbar sein. Er auf jeden Fall wäre es gewesen, wenn er mit jemandem aufgewachsen wäre, der so auf ihn aufgepasst hätte, wie alle auf sie aufpassten.

Er würde Alec, Harry und Drake nicht im Stich lassen.

Das fing damit an, dass er Suzanne sicher nach Hause gebracht hatte. Und es würde damit weitergehen, dass er seine Gedanken im jugendfreien Bereich hielt … und die Finger von ihr ließ.

Egal, was geschah.

KAPITEL 3

Suzanne konnte Ablenkung gut ausblenden.

Thema erledigt. Sie konnte es meisterhaft. Uneingeschränkte, absolute Konzentration war das, was sie zu einer so guten Programmiererin machte. Nie ließ sie sich von ihren Plänen abbringen. Wenn sie wollte, dass ihre neu entwickelte Software funktionierte, dann schaffte sie das, egal, wie viele Stunden sie dazu am Computer verbringen musste.

Aber ihr großes Ziel für heute hatte nichts mit Programmieren zu tun. Stattdessen hatte sie sich vorgenommen, so schnell wie möglich ihren Bodyguard loszuwerden. Nicht nur, weil allein schon der Gedanke, einen Leibwächter zu haben, lächerlich war. Sondern auch, weil es verdammt schwer wäre, sich auf alles zu konzentrieren, was sie zu tun hatte, wenn Roman Wache stand und dabei für ihre Gemütsruhe viel zu groß, dunkel und gutaussehend war.

Letzte Nacht war sie lange aufgeblieben, um ihren bestmöglichen Angriffsplan zu durchdenken. Ihre Brüder überzeugen zu wollen, dass sie sich lächerlich machten, führte offensichtlich in eine Sackgasse. Und Roman hatte bereits bewiesen, dass er intelligent und hart genug im Nehmen war, um mit ihrer Wut und ihrem Frust klarzukommen. Also hatte es keinen Zweck, ihre Zeit und Energie auf Trotzanfälle zu verschwenden.

Was war es also, das Roman garantiert dazu bringen würde, zu kündigen?

Sie hatte durch das ständige Hin- und Hergehen fast ihren Wohnzimmerteppich verschlissen, während sie krampfhaft nach der Lösung suchte. Und versuchte, den Ärger darüber, dass sie sich zu ihm hingezogen gefühlt hatte, abzureagieren. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, wie sie bei seinem Erscheinen in der Galerie angefangen hatte zu sabbern, wurde sie noch wütender auf sich selbst.

Gegen zwei Uhr nachts war sie in einen unruhigen Schlaf gesunken – um dann sofort von ihm zu träumen, als ihr Gehirn freien Lauf bekam. Ihre Träume drehten sich um heißen, verschwitzten, beeindruckend akrobatischen Sex. Beim Klingeln ihres auf sechs Uhr gestellten Weckers schreckte sie hoch und war noch gereizter als am Vorabend.

Wie konnte sie sich nur unter allen Männern, die Funken in ihr auslösten – unter allen Männern, die ihr erotische Träume hätten bescheren können – ausgerechnet ihn aussuchen?

Gerade war sie unter die Dusche gegangen, da traf sie die Lösung des Problems wie der Blitz. Wie so oft, wenn ihr unter dem warmen Wasserstrahl die richtige Antwort einfiel. Da Roman ihre Brüder gut zu kennen schien, musste er wissen, dass es ihm an den Kragen gehen würde, wenn er etwas mit ihr anfing. Sie würde ihren Leibwächter zwar nicht mit Vernunft oder Wut vertreiben können, aber sie hatte einen großen Trumpf in ihrem Ärmel, das wurde ihr plötzlich klar.

Sex.

Suzanne wusste, dass sie als Frau nicht der Gipfel der Normalität war, weil sie wie besessen arbeitete und daher wenig Zeit für Männer hatte. Das hieß jedoch nicht, dass sie das aufflackernde Interesse im Blick eines Mannes nicht erkennen konnte. Und sie wusste genau, dass sie das Knistern gestern Abend in der Galerie nicht als Einzige gespürt hatte. Auch Roman hatte es gespürt.

Nie im Leben hatte sie weibliche Tricks benutzt, um etwas zu erreichen. Ihr bestes Werkzeug war immer ihr Gehirn. Aber drastische Situationen erforderten drastische Maßnahmen. Sehr drastische Maßnahmen. Ihr unerwünschter Leibwächter sollte sich durch die sexuelle Spannung zwischen ihnen so unwohl fühlen, dass ihm nichts übrigbleiben würde, als zu kündigen.

Wenn Roman erst einmal weg war, würde es für sie kein Problem mehr sein, dafür zu sorgen, dass jeder Ersatz-Bodyguard, den ihre Brüder ihr schicken würden, sich nach wenigen Stunden mit eingezogenem Schwanz aus dem Staub machen würde. Denn nur wenige Menschen würden sie so bis ins Mark treffen können, wie Roman gestern Abend mit seinen Worten über die Sorge ihrer Brüder um sie.

Jetzt, wo sie einen konkreten Schlachtplan hatte, fühlte sich Suzanne viel besser. Sie trat aus der Dusche, wickelte sich ein Badetuch um und öffnete ihren Schrank. Klamotten bedeuteten ihr nicht viel, aber wenn ihre Cousinen Lori und Mia aus San Francisco und Seattle sie besuchen kamen, schleppten sie sie immer aus ihrem Büro in die besten Boutiquen der Stadt. Sie gaben sich nicht damit zufrieden, dass sie ihnen beim Einkaufen Gesellschaft leistete. Sie bestanden darauf, dass sie die teuren Kleider und High Heels, die sie speziell für sie aussuchten, auch anprobierte und kaufte. Sie hatte bald gelernt, dass es einfacher war, ihnen den Gefallen zu tun, anstatt darauf zu beharren, dass sie keine neuen Kleider brauchte. Obwohl ihre normale Arbeitskleidung aus dunklen Jeans und T-Shirts bestand, hatte sie also dank ihrer Cousinen viele wirklich schicke Sachen, wenn sie sie brauchte. Und tatsächlich kamen ihr die hübschen Kleider und Schuhe, zu deren Kauf sie sich hatte nötigen lassen, jedes Mal sehr gelegen, wenn sie in den vergangenen fünf Jahren auf eine der vielen Hochzeitsfeiern und Babypartys für werdende Mütter ging.

Aber heute suchte sie nichts Hübsches. Sie wollte etwas, das eindeutig sexy war. Noch besser, wenn es an unanständig grenzte.

Sie wusste ganz genau, welches das passende Outfit war.

Dennoch hielt sie inne, als sie nach dem eng anliegenden, helllila Kleid griff, zu dessen Kauf Lori sie überredet hatte, obwohl Suzanne sich sicher war, dass sie es außerhalb der Umkleidekabine der Boutique niemals tragen würde. Eigentlich sollte sie kein schlechtes Gewissen haben, dass sie ihren Brüdern ihre lästigen Aufpasserpläne vermasseln wollte, aber es nagte doch etwas an ihr. Roman hatte recht gehabt, als er sagte, sie wollten nur ihr Bestes, auch wenn sie es auf die völlig falsche Art zeigten.

Suzanne zwang sich, ihre Schuldgefühle abzuschütteln. Es war ihr Leben und sie würde es genau so leben, wie sie wollte. Zumal sie wusste, wie ungehalten ihre Brüder sein würden, wenn sie jemals versuchte, einem von ihnen etwas Ähnliches anzutun. Sie würden ihre Sorgen abtun, so als verscheuchten sie eine störende Fliege in der Luft. Männer.

Sie ließ das Kleid vom Bügel gleiten, nahm all ihren Mut zusammen und zog es über, zusammen mit den hochhackigen Sandalen, zu deren Kauf Mia sie gedrängt hatte. Als sie sich umdrehte, um ihr Bild im Ganzkörperspiegel zu betrachten, stockte Suzanne beinahe der Atem.

Sie hatte ganz vergessen, dass die feine Seide sich wie Zellophan an ihre Rundungen schmiegte. Außerdem war das Kleid so kurz, dass sie, wenn sie sich hinsetzte, würde aufpassen müssen, nicht allen ihre Unterwäsche vorzuführen. Suzanne versteckte nicht absichtlich ihre Figur, aber sie stellte sie auch selten so offen zur Schau. Es würde sich schon komisch anfühlen, wenn sie nur mit dem Aufzug aus ihrer Wohnung nach unten fuhr oder den Bürgersteig entlangging. Aber wenn sie bei dem fingierten Verführungsmanöver ihre Trümpfe richtig ausspielte, würde Roman noch vor ihr die Waffen strecken. Zumal sie nicht lange auf den Absätzen würde laufen können, ohne zu humpeln.

Vorsichtig ging sie zu der Schublade, in der sie ihre selten benutzten Schminkutensilien und den Föhn aufbewahrte. Normalerweise trug sie ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und machte sich nicht die Mühe, Rouge oder Wimperntusche aufzutragen. Aber nie führte sie einen Plan schlecht vorbereitet aus. Sie würde das hier entweder richtig machen oder gar nicht.

Als sie mit Föhnen und Schminken fertig war, erkannte sie sich kaum wieder. Wenn sie in einer Stunde bei Sullivan Security hereinkäme, würden ihre Mitarbeiter kurz einen Blick auf sie werfen und sich dann fragen, ob sie noch alle Tassen im Schrank hätte.

Aber es würde sich lohnen, wenn sie ihr Ziel erreichte, Roman so scharf zu machen, dass er Höllenqualen leiden und sich aus Loyalität zu ihren Brüdern verziehen würde.

Als sie fertig gefrühstückt hatte und den Laptop aus ihrer ausgeblichenen Computertasche in eine elegante Ledertasche – das Geschenk einer ihrer Cousinen aus Maine – befördert hatte, verspürte sie seltsamerweise fast so etwas wie Vorfreude auf das Wiedersehen mit Roman.

Würde er sich als würdiger Gegner erweisen? Oder würde er beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten in die Knie gehen?

Instinktiv rechnete sie mit dem würdigen Gegner.

* * *

Ein stiller Fluch nach dem anderen ging Roman durch den Kopf, als Suzanne aus ihrer Wohnung kam und er ihren betörenden Duft einatmete.

Verdammt. Er musste aufhören, wahrzunehmen, wie gut sie roch. Und ohne Frage musste er aufhören, sich von ihrer Schönheit umhauen zu lassen.

Gestern Abend in den schwarzen Jeans und Stiefeln war sie atemberaubend gewesen. Und da er jede Menge Security-Jobs in Computerfirmen gemacht hatte, konnte er sich denken, dass sie direkt aus ihrem Büro in die Galerie gekommen war. Aber vielleicht hatte er sich auch geirrt, denn heute Morgen hatte sie sich in ein lila Stück Stoff geworfen, sodass er wie eine Comicfigur regelrecht Stielaugen bekam.

Er wusste gar nicht, wo er hinschauen sollte. Beziehungsweise, wo er nicht hinschauen sollte.

Groß und mit den richtigen Kurven war Suzanne definitiv keine ausgehungerte Computermaus. Wenn er das Aussehen seiner Traumfrau hätte beschreiben sollen, dann stand sie jetzt direkt vor ihm.

Ihre langen dunklen Haare fielen ihr wie Seide über Rücken und Brust. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen und er schluckte schwer, während er versuchte, seinen Blick von ihren prachtvollen Brüsten zu lösen … um sogleich vom Anblick ihrer sonnengebräunten, straffen und endlos langen Beine überwältigt zu werden.

„Guten Morgen.“ Sie sprach die zwei Worte gedehnt, auf eine Art, die ihn an die angeborene Selbstsicherheit ihrer Brüder erinnerte. Und Letztere würden ihn in eine Million kleine Stücke reißen, wenn sie wüssten, dass er bei ihrer Schwester an Sex dachte.

Als er seinen Blick endlich wieder auf ihre Augen lenkte, war einer ihrer Mundwinkel leicht nach oben gezogen. So, als wüsste sie genau, was er dachte, obwohl er es zu verbergen suchte.

„Können wir gehen?“

Sie klang überraschend gut gelaunt. Aber sie konnte sich nicht so schnell die Sichtweise ihrer Brüder zu eigen gemacht haben. Dazu war sie am Vorabend zu wütend gewesen. Leider war sein Gehirn allein schon durch ihre Nähe zu vernebelt, als dass er ihre Absichten heute Morgen hätte durchschauen können.

Mit einem streng professionellen Lächeln machte er eine Geste Richtung Aufzug. „Nach Ihnen.“

Zu spät erkannte er, dass er sich das mit dem Lächeln hätte besser überlegen sollen. Denn als sie zurücklächelte, wurde er zum ersten Mal in seinem Leben nur vom Stehen in einem Flur atemlos. Er konnte Berge erklimmen, ohne im Geringsten ins Schwitzen zu kommen, aber ihr Lächeln war einfach zu atemberaubend schön.

Distanz. Er musste zwischen ihm und seiner neuen Klientin etwas Abstand schaffen. Aber das war genau das Gegenteil von dem, wozu er engagiert worden war. Wo Suzanne hinging, würde auch Roman hingehen. Egal wie sehr es ihn durcheinanderbrachte, in ihrer Nähe zu sein.

Als der Aufzug kam und sie beide hineingingen, wurde ihm greifbar bewusst, auf welch kleinem Raum sie standen. Sie duftete nicht nur gut, sie duftete absolut fantastisch.

Eine weitere Serie stiller Flüche ging in seinem Kopf ab. Das reicht. Er war schließlich ein Profi. Es war an der Zeit, sich wieder wie einer zu benehmen.

In einer normalen Situation hätten sich Bodyguard und Klientin bereits zusammengesetzt, damit sie ihm die Bedrohungen gegen sie im Einzelnen beschreiben konnte. Aber sie hatte am Vorabend ja klargestellt, dass sie ihn nicht um sich haben wollte. Also beschloss er, sie erst um diese Informationen zu bitten, wenn sie seine Anwesenheit besser tolerierte.

„Haben Sie gut geschlafen?“, fragte er. Ein ziemlich harmloser Satz, um ein Gespräch zu beginnen.

„Ich hatte noch ein paar Stunden zu arbeiten, aber am Ende habe ich es ins Bett geschafft.“ Das Wort Bett sagte sie fast schnurrend und verursachte damit wieder einen Kurzschluss in seinem Hirn. „Beim Aufwachen heute Morgen hatte ich eine tolle Idee, wie ich eins meiner größten Ziele erreichen kann.“

Obwohl es den größten Teil seiner Konzentrations­fähigkeit erforderte, seinen Kopf – und seinen Körper – von den Gedanken an eine nackt zwischen die Bettlaken schlüpfende Suzanne abzulenken, sagte er: „Hört sich an, als seien Sie auf einem guten Weg.“

„Oh ja“, sagte sie mit einer leicht rauen Stimme, die ihm durch und durch ging wie ein Schuss feinster schottischer Whisky. „Ich habe ein wirklich gutes Gefühl, wie die Dinge heute laufen werden.“ Sie leckte sich über die Unterlippe, die danach aussah wie frisch geküsst. „An allen Fronten.“

Höllisch bemüht, alle Gedanken an Küsse zu verdrängen, sagte er: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Pläne für heute kurz mit mir besprechen könnten.“

Sie gingen aus dem Aufzug, durch die Eingangshalle und dann auf den Bürgersteig, wo sie einen Arm hob, um ein Taxi anzuhalten. Er fand es interessant, dass eine so erfolgreiche Frau wie Suzanne ihre Wohnung von ihrem Cousin gemietet hatte und mit dem Taxi zur Arbeit fuhr. Jede andere in ihrer finanziellen Situation besäße ein millionenschweres Eigenheim mit Personal, das kochte und putzte, und einen Fahrer, der rund um die Uhr bereitstand, um ihr jede Laune zu erfüllen. Es sah fast so aus, als bedeuteten ihr all diese Zeichen von Reichtum und Macht nichts und als brauchte sie sich nur auf ihre Arbeit zu konzentrieren, um glücklich zu sein. Wenn das tatsächlich der Fall war, dann wäre sie die ungewöhnlichste Frau, der er je begegnet war – er kannte keine Frau, die sich nicht von Geld und Macht den Kopf verdrehen ließ.

„Heute Morgen habe ich eine Besprechung mit meinen Investoren und dann werde ich ein paar Sachen mit der neuen Software ausprobieren, an der ich arbeite.“

Vor ihnen hielt ein Taxi mit Vollbremsung und ein paar Momente später glitt sie auf den Rücksitz. Nur ein Mönch hätte übersehen können, wie ihr kaum vorhandenes Kleid über ihren Hüften spannte und dann, als sie sich hinsetzte, an den Oberschenkeln hochrutschte. Er presste so fest die Zähne aufeinander, dass es ihn einen Backenzahn hätte kosten können, als er sich neben sie setzte.

Wenn sie doch bloß dieses Kleid herunterziehen würde. Aber sie schien gar nicht zu merken, dass sie fast so viel Haut zeigte, als trüge sie knappe Shorts.

Wenn sie so angezogen ins Büro ging, wie zum Teufel würde sie sich dann zu einem Rendezvous anziehen? Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie, während er für sie arbeitete, nicht zu viele intime Verabredungen geplant hatte. Er wollte nicht allzu vielen Typen an die Gurgel gehen müssen, weil sie es wagten, sie anzufassen.

Als er an all die Typen dachte, bei denen er sich in den kommenden Wochen oder Monaten als ihr Leibwächter würde bremsen müssen, um sie nicht in Stücke zu reißen, konnte er ein Knurren in seiner Stimme kaum unterdrücken. „Und danach werden Sie den Rest des Tages gestalten, wie es kommt?“

Sie nickte. „Wenn es bei meinen Mitarbeitern oder Kunden brennt, werde ich Feuerlöscher spielen. Und dann habe ich einen Termin mit Rosa Bouchard und dem Personal ihrer neuen Wohltätigkeits­organisation heute Abend um acht.“

Roman war beeindruckt, dass Suzanne mit erst einunddreißig solch eine große, mächtige Firma führte. Investoren, Mitarbeiter, Kunden – sie musste so viele Menschen zufriedenstellen. Sullivan Security war eine der angesagtesten Technologiefirmen der Welt.

Kein Wunder, dass sie Zielscheibe für Angriffe war.