Weltreise eines Bodyguards - Justa L. Goblin - E-Book

Weltreise eines Bodyguards E-Book

Justa L. Goblin

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Beschreibung

Auf der Jagd nach einem Autogramm stolpert eine tollpatschige Jobhopperin in eine missglückte Geiselnahme. Eigentlich hatte sie die Toilette gesucht, nun rettet sie Mr. Superstars Leben. Der eigenwillige Star will sie daraufhin als Bodyguard engagieren. Als sie das überraschende Angebot nach einiger Diskussion annimmt, beginnt eine unglaubliche Reise durch die absurden Seiten der Unterhaltungsindustrie und des Starrummels. Die Leibwächterin bekommt alle Hände voll zu tun, gerät selbst in Gefahr und eine Punktezählung zur gegenseitigen Lebensrettung entsteht ... Temporeich, spannend, amüsant, absurd, aber mit viel Herz erzählt der frischgebackene Bodyguard, was um ihren Boss herum alles geschieht.

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Für alle verlorenen Geschwister

Inhalt

Deutschland – Die Reise beginnt

Los Angeles, Kalifornien, USA

New South Wales, Australien

Las Vegas, Nevada, USA

Florida, USA

New Orleans, Louisiana, USA

London, Paris, Berlin

Kanada

Showdown

Was es noch zu sagen gibt

Soundtrack gefällig?

Songnachweise

Deutschland – Die Reise beginnt

Ein Bodyguard mit 1,80m Körpergröße und knapp über 100 kg Körpergewicht – natürlich alles Muskeln – ist auf den ersten Blick weder besonders beeindruckend noch außergewöhnlich. Er versteht es sich im Hintergrund zu halten, da er immer der Gelegenheit und der Veranstaltung angemessen gekleidet ist und seinem Schützling zu Liebe von seinen grünen Haaren Abschied genommen hat. Er fällt eigentlich gar nicht auf.

Kids, Freunde, Cousins, Noch-Ehefrau et cetera des Auftraggebers haben ihn inzwischen als ständiges Anhängsel akzeptiert. Sämtliche Veranstalter und Portiers der Welt kennen ihn. Er reist mit seinem Boss um den gesamten Globus und beschützt ihn nebenbei. Fast jede Nacht in einem anderen Hotel, einer anderen Stadt, einem anderen Land, auf einem anderen Kontinent. Er kommt echt rum. Und er liebt es!

Alles in allem nicht ungewöhnlich für einen persönlichen Bodyguard. Naja, wenn der Bodyguard – also ich – nicht eine Frau wäre, die ihren männlichen Schützling, außer aufs Klo, überallhin begleitet. Okay, ich war sogar auf dem Klo schon dabei, aber das hatte seine Gründe und war eine Ausnahme. Reden wir einfach nicht darüber.

Die Tatsache, dass sich Mr. Superstar einen weiblichen Bodyguard zugelegt hat, sorgt auch so schon für genügend Stoff. Meine ständige Begleitung hat immer wieder zu Kopfschütteln, Anfeindungen, Unterstellungen und den wildesten Spekulationen geführt. Vor allem, da die Leibwächterin keinerlei nachweißbare Qualifikationen für diesen Job mitbringt. Sprachwissenschaft und Kulturgeschichte habe ich studiert, dann – in der Generation Praktikum – doch noch eine Ausbildung drangehängt, weil ich von irgendetwas leben musste. Meine Jobs habe ich häufiger gewechselt als meine Unterwäsche. Okay, nicht wirklich, das wäre zu eklig. Unterwäsche wechselt man gefälligst täglich, wenn der Koffer nicht gerade weg ist. Jobs meist erst nach einer Woche oder ein paar Monaten. Länger waren sie nicht auszuhalten, dann habe ich gekündigt.

Die einzige Konstante in meinem Leben seit Verlassen der Schule ist zugleich das Einzige, was mich wenigstens ansatzweise für meinen aktuellen Job qualifiziert. Ich habe fast zehn Jahre lang verschiedene Kampfsportarten studiert und trainiert, kann mich mit und ohne Hilfsmittel meiner Haut ganz gut wehren, mit Schwertern, Äxten, Stöcken und bloßen Händen kämpfen. Verfüge über die Fähigkeiten und Techniken, Messer und Schusswaffen abzuwehren, Angreifer zu entwaffnen und schachmatt zu setzen.

Genau das habe ich getan, als mir mein Schützling zum ersten Mal begegnete: einem bewaffneten Irren die Pistole weggenommen und ihn auf den Boden gelegt.

Aber jetzt mal ganz von vorne.

Hallo erstmal, mein Name tut nichts zur Sache, ich bin Anfang Dreißig, für die meisten Jobs, die mich interessieren könnten, entweder über- oder unterqualifiziert, Dauersingle, kinderlos, Einzelgänger, hochbegabt. Auf vielen Gebieten talentiert, mit einem IQ, dass es der Sau graust, lerne ich extrem schnell und langweile mich noch schneller. Was es schwer macht, mich für ein Talent zu entscheiden, das ich beruflich nutzen möchte. Es ist auch schwer, einem Vorgesetzten nach der Pfeife zu tanzen, den man nach zwei Tagen als Trottel, nicht mal Fachidiot, sondern einfach nur überheblich und dumm einstufen kann. Die meisten Vorgesetzten haben eine gewisse Aversion gegen mich entwickelt, wenn sie mitbekamen, dass ich nach kürzester Zeit komplett selbstständig arbeiten konnte und in der Lage gewesen wäre ihren Job vermutlich besser zu machen als sie selbst. Da bin ich dann immer recht schnell gegangen, wenn die Stimmung zu unangenehm wurde. Es macht mich nervös halb ängstlich, halb aggressiv von der Seite angestarrt zu werden.

So ähnlich läuft das auch mit meinen Männern. Sie werden mir schnell langweilig, lästig, zu anhänglich oder ich habe einfach die Schnauze voll davon mich dumm stellen zu müssen. Also dauert keine Affäre normal länger als zwei bis drei Monate. Nennen wir es so, da Beziehungen normal länger dauern sollten. In dem Sinne hatte ich noch nie eine Beziehung, die als solche die Bezeichnung verdienen würde. Meist ging es um schnöden Sex oder ein wenig Gesellschaft. Das reicht nach meinem Verständnis allerdings nicht als Grundlage für eine Beziehung. Da gehört mehr dazu.

Freundschaften klappen besser. Freunde habe ich eine ganze Reihe und auch langjährige Freunde, aber die sehe ich selten, weil ich mich in lustiger Runde eher unwohl fühle. Zwingend blöde Witze machen oder darüber lachen zu müssen, liegt mir nicht. Händeringend zu versuchen, ein Gespräch am Laufen zu halten, damit kein peinliches Schweigen aufkommt, ist ätzend. Ist mir zu anstrengend immer ein Thema zu finden, mit dem alle Anwesenden was anfangen können oder zu doof mich über wunde Babypopos und die neuesten Macken der jeweiligen Partner aufklären zu lassen. Das Wetter ist auch immer ein gutes, unverfängliches Thema. Aber am liebsten überlasse ich anderen das Reden, höre einfach nur zu und denke mir meinen Teil.

Kurz gesagt: ich hatte nicht viel zu verlieren und wenig, was mich hielt, als mein Schützling mir anbot als sein persönlicher Bodyguard mit ihm um die Welt zu reisen.

Wie es dazu kam?

Nun, eigentlich wollte ich nur ein Autogramm. Ein besonderes Autogramm für mich, aber eben nur ein Autogramm. Eines wie sie täglich hundert- und tausendfach von Stars und Promis auf der ganzen Welt geschrieben werden, ohne dass gleich ein Traumjob dabei rausspringt. Es war auch nicht mein erstes Autogramm. Schauspielern, Musikern, Entertainern, Tiertrainern und was sie alle so machen, hatte ich schon eine Unterschrift entlockt. Keiner davon hat mich kaum mehr als eines Blickes gewürdigt, wenn überhaupt. Bis mein Boss auf der Bildfläche erschien.

Dieser ist in erster Linie Schauspieler, einer der ganz Großen. Er ist auch bekannt für seine früher einmal extrem unfreundliche Art mit Fans umzugehen sowie seine Wutausbrüche. Egal, er ist zusätzlich Regisseur, Produzent, Lebenskünstler, Fotomodell, Musiker und Singer-Songwriter.

Na klar, und noch ein Schauspieler, der sich talentfrei an Musik versucht.

Nein, hier nicht.

Manche Lieder sollte er besser nicht singen, zugegeben. Das klingt dann eher wie die sprichwörtliche Katze, der man auf den Schwanz tritt. Aber generell hat er eine schöne Singstimme – astreiner Bariton – und nur durch seine Stimme bin ich überhaupt auf ihn aufmerksam geworden. In einem Film war das, in dem er gesungen hatte. Die Stimme traf mich ganz unerwartet, im Abspann habe ich den Namen zu ihr nachgelesen und ihn geyoutubed.

Eines der ersten Lieder, die ich dabei fand, hat es mir sofort angetan. Das Lied und die Geschichte dazu. Es war eine Konzertaufnahme eines Liedes, das er selbst geschrieben hatte. Vor dem Gesang erzählte er den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte. Es ging darum, wie es sich anfühlt in relativ jungen Jahren einen Bruder oder eine Schwester zu verlieren und man das niemals wirklich komplett hinter sich lassen kann.

Ich habe meinen Bruder mit Anfang zwanzig verloren und kann sagen mein Boss hat verstanden wie es sich anfühlt, auch wenn er es zum Glück nie selbst erleben musste. Umso erstaunlicher, dass er es nur durch Beobachtung anderer und Einfühlungsvermögen nachvollziehen kann.

Das hat mich so beeindruckt, dass ich den Herren unbedingt zeichnen musste. Eine perfekte Bleistiftzeichnung, auf die ich sehr stolz bin. Die beste Zeichnung seit vielen, vielen Jahren. Die brauchte unbedingt ein Autogramm vom Dargestellten und Inspirator.

Also ging die Informationssuche los, wo man ihn antreffen könnte, um ein Autogramm zu bekommen. Möglichst ohne gleich um die halbe Welt reisen oder sich als Stalker betätigen zu müssen. Gar nicht so einfach. An so jemanden kommt man kaum heran. Geheimhaltung und Personenschutz, Spontanänderungen und abgeschirmte Sets, hektischer Zeitplan und Jetset rund um die Welt.

Ich habe über Monate online verfolgt, wo er sich gerade wieder herumtrieb und versucht ein Muster zu erkennen. Irgendwann hatte ich dann Erfolg und musste nur an einem Samstag dreihundert Kilometer weit fahren, um ihn anzutreffen. Reiner Glückstreffer.

Dieses Treffen hatte ich mir allerdings wesentlich weniger abenteuerlich und aufregend vorgestellt. Ich dachte, ich fahre gemütlich hin, stelle mich brav an, bekomme eine Unterschrift, sage artig danke und fahre wieder gesittet heim.

Tja, denkste.

Der Tag ging schon gut los.

Ich war noch gar nicht richtig wach, als ich schon wieder mit den musikalischen Ambitionen meines Nachbarn gefoltert wurde. Generell ist Orgelmusik ja was Schönes, aber nicht auf einer verstimmten Elektroorgel, mit immer denselben Fehlern, in immer denselben Stücken, in einer Lautstärke, dass man seine eigenen Gedanken nicht mehr hören kann und zu den unmöglichsten Uhrzeiten. Auch Sonn- und Feiertags, grundsätzlich zur Mittagsruhe und unter der Woche, die halbe Nacht lang. Wohlgemerkt, meine Wohnung lag im Souterrain und besagter Nachbar wohnte im ersten Stock. Das Erdgeschoss stand leer, wodurch ein perfekter Resonanzkörper für die Schallverstärkung von oben nach unten vorhanden war. Da es sich bei dem Nachbarn um den Lebensgefährten des Vermietersöhnchens handelte, standen die Chancen schlecht etwas an dem Zustand zu ändern.

Meine pauschale Lösung für dieses Problem lautete: Anlage aufdrehen, Gegenmucke. Also stand ich Samstagfrüh gegen neun mit Meat Loafs „Bat out of Hell” in brüllender Lautstärke im Badezimmer beim Zähneputzen und hörte die Türklingel nicht. Die Folge war eine tobende Vermieterin, die mir eine halbe Stunde später an der Haustür auflauerte, als ich gerade auf dem Weg zum Auto war.

Meine damalige Vermieterin kennt ebenso wie ihr Schwiegersohn keine unpassenden Uhrzeiten. So klingelte sie mich generell gerne mal Sonntagmorgens um acht oder unter der Woche, kurz bevor mein Wecker um sechs läutete, aus dem Bett. Von dem Recht eines Mieters, auch mal in Ruhe gelassen zu werden, hatte die Dame noch nie etwas gehört. Genauso wenig davon, dass ein Vermieter nicht einfach einen Schlüssel für eine vermietete Wohnung zurückbehalten darf. Ein ausgewechseltes Türschloss an der Wohnungstür sah sie als Kündigungsgrund an, was ihr der Mieterbund allerdings ausreden konnte. Lag wohl daran, wie sie draufgekommen war, dass ihr Schlüssel nicht mehr funktionierte und das rechtlich ganz und gar nicht einwandfrei gewesen war.

Folglich durfte ich mich erstmal eine gefühlte Ewigkeit mit meiner Vermieterin rumstreiten, bevor ich endlich ins Auto steigen und losfahren konnte. Es war schon fast zehn, um zwei sollte die Veranstaltung sein und ich wollte mir ja einen guten Platz sichern. Also schnell jetzt.

Auf dem Weg zur Autobahn war bereits der erste Unfall passiert, Kreisverkehr komplett gesperrt, Umleitung über sämtliche Dörfer, hinter Traktoren her, durch enge kurvige Straßen. Auf der Autobahn herrschte natürlich Stau und die Abfahrt zu meinem Star war wegen Bauarbeiten gesperrt. Das Navi hängte sich selbstverständlich auf, sobald das Ortsschild hinter mir lag. Eine ausführliche Stadtrundfahrt und drei Baustellen später kam ich etwa zwei Stunden nach der offiziell angekündigten Autogrammstunde an meinem Zielort an. Scheiße!

Alles war schon vorbei, die Sicherheitsabsperrungen wurden abgebaut und ich fand sogar einen Parkplatz direkt vor dem Kongresszentrum. Freie Parkplätze in einer Stadt, an einem Veranstaltungsort sprechen Bände.

Naja, so hab ich wenigstens keine Probleme rein zu kommen und mir ein Klo zu suchen, dachte ich. Hat auch was für sich. Nicht stundenlang die Beine in den Bauch stehen und rumgeschoben werden. Was soll‘s, der kommt schon mal wieder nach Deutschland. Nächstes Mal dann eben. Jetzt erstmal das Klo suchen. Dringend!

Der Haupteingang war mit arbeitenden Menschen verstopft, die Absperrungen, Tische, Lautsprecherboxen und weiß der Himmel was sonst noch durch die Gegend schleppten.

Hoppla, da steht ja doch noch einer in Security-Jacke. Mist, wie komm ich da jetzt vorbei?

Mein Blick fiel auf eine recht blumig gekleidete Dame, die mit einem geleerten Putzeimer und einem Wischmopp in den Händen an mir vorbeilief. Und vorbei am Haupteingang, rechts um das Gebäude bog. Reinigungskräfte kennen immer die besten Seiteneingänge und alle Schleichwege im und um das Gebäude. Nichts wie hinterher.

Wenigstens ein Plan an diesem Tag ging auf und kurz darauf stand ich in einem leicht runtergekommenen Flur, der wohl nicht unbedingt für den Publikumsverkehr gedacht war. Der Anstrich war ursprünglich vermutlich weiß gewesen, jetzt war er irgendwas zwischen grau und gelbbeige mit schwarzen Fahrern. Kisten, kaputte Möbelstücke und vertrocknete Pflanzen ergänzten das Ambiente. Abgerundet von einem Geruch nach modrigem Keller und nassem Hund fehlte nur noch der gruselige Hausmeister, um das Szenario perfekt für einen Highschool-Pseudo-Horrorfilm zu machen.

Egal.

Klo!

Wo ist das verdammte Klo?

Weit und breit kein entsprechendes Schild in Sicht, die Reinigungskraft hatte ihre Verfolgerin nicht bemerkt und war hinter einer der vielen Türen verschwunden. Keine Ahnung, wo die Gänge hinführten, niemand da, den man fragen konnte. Lange Gänge, viele Abzweigungen, das reinste Labyrinth. Und natürlich, hinter der nächsten Ecke: flackernde Neonröhren.

Ach komm schon, jetzt wird’s aber zum Klischee! Gleich muss ein Vampir oder sowas aus seinem Versteck springen.

Über diesen Gedanken grinsend marschierte ich willkürlich los, um die nächste Ecke und noch eine und zwei weitere, ohne eine Tür oder ein Schild mit einem Männchen oder einem Frauchen darauf zu entdecken. Langsam wurde es mehr als nur unangenehm.

Verzweiflung! Überdruck! Verdammt!

Selbst der Gedanke, einfach eine der zahlreichen toten Pflanzen mit etwas natürlichem Flüssigdünger zu versehen, erschien gar nicht mehr so abwegig. Ich liebäugelte gerade mit einem großen Blumentopf, dessen Bewohner schon vor Jahren das Zeitliche gesegnet haben musste, als meine Ohren den Gedankengang übertönten.

Sind das Stimmen?

Ja! Da ist jemand!

Jemand, der mir sagen kann, wo das nächste Örtchen ist.

Ich ging wieder los, beschleunigte meine Schritte Richtung Stimmen, kurvte um die letzte Ecke und blieb wie erstarrt stehen. Ein Wunder, dass meine Blase diese Vollbremsung und den Schreck mitgemacht hat, ohne sich spontan Erleichterung zu verschaffen. Ich hatte immer gedacht, ich würde mir vor Angst in die Hose machen, wenn mir plötzlich jemand eine Pistole ins Gesicht hielte. Erstaunlicherweise wurde genau dadurch das silbrige Gefühl im Schritt vorübergehend unwichtig. Mein Fokus hatte sich ganz spontan verlagert.

Da stand ich, stocksteif und ohne Plan, was ich tun sollte. Zum Glück ging es meinem Gegenüber genauso. Der Herr im mittleren Alter, der mit einer Waffe auf meine Nase zielte, war genauso überrascht über diese Begegnung. Wenige Schritte hinter ihm standen drei weitere Menschen, die er offenbar gerade bedroht hatte, nach deren Mienen zu schließen. Die drei standen dicht beisammen, zwei Männer vor einem Dritten.

Im selben Moment, in dem ich die Lage erfasste, fing sich allerdings auch der Waffenbesitzer wieder: „Wer bist du? Wo kommst du jetzt her? Stell dich da rüber.“ Er fuchtelte mit der Waffe in Richtung seiner drei Opfer, um mir die Richtung anzuzeigen, in die ich gehen sollte. Zielte dann wieder auf mich und machte einen Schritt zurück.

Ich stand immer noch stocksteif, mit offenem Mund da und überlegte fieberhaft. So ein Szenario hatte ich schon mal trainiert.

Oh Mann, wie war das noch mal? Angreifer ablenken, aus dem Konzept bringen, zusehen, dass niemand in der Schusslinie steht, sich selbst aus der Schusslinie bringen und dann schnell zuschlagen. Mit einer Hand von unten die Pistole greifen und in Richtung des Gesichts des Angreifers drücken. Gleichzeitig mit der anderen Hand auf den Arm schlagen, der die Waffe hält.

Wenn man schnell genug ist und ausreichend Kraft reinlegt, bricht man ihm so den Finger, der am Abzug ist und gleichzeitig die Nase, wenn die Pistole mitsamt meiner darum geschlossenen Hand – also meiner Faust – in seinem Gesicht landet.

Oh Mann! Scheiße! Krieg ich das wirklich hin? Das waren immer nur Übungssituationen mit Trainern, die mitgespielt haben. Aber jetzt in echt? Scheiße!

Ablenken! Aus dem Konzept bringen! Wie stell ich das an?

„Bist du taub oder nur blöd?“, herrschte er mich an, als ich mich nicht rührte.

„Wissen Sie, wo hier ein Klo ist?“, erwiderte ich.

„Was?“

„Das nächste Klo. Wissen Sie, wo das ist? Ich pinkel hier gleich auf den Flur!“, fuhr ich fort und ging einen Schritt näher an ihn heran. Jetzt stand ich nah genug für das Manöver.

Er starrte mich an, der Mund klappte auf, Fassungslosigkeit stand ihm in den Augen und er ließ die Waffe leicht sinken. Der Blick fragte eindeutig nach meinem Geisteszustand. Nun, nach dem hab ich mich auch schon des Öfteren gefragt. Und gerade wieder.

Jetzt oder nie! Nur Feiglinge leben ewig und ich mach mir sonst wirklich noch in die Hose! Ich legte alle Kraft und mein ganzes Gewicht in den Schlag.

Rechte Hand steil aufwärts, mit der Schulter nachdrücken, linke Hand mit Handkantenschlag auf seinen Unterarm dreschen, kurz hinter dem Handgelenk.

Man hörte den Finger am Abzug brechen und Sekundenbruchteile später schoss Blut aus seiner Nase. Ein Schuss löste sich und es rieselte Dreck von der Decke. Das Adrenalin kochte so hoch, dass ich den Knall zwar registrierte, aber nicht darauf reagierte. Ich trat ihm in die Eier, er sackte zusammen und ich zog meine rechte Hand samt Inhalt zurück. Nun hatte ich die Pistole verkehrt herum in der Hand und er lag vor mir auf dem Boden.

Wir starrten uns an. Er perplex und schmerzverzerrt, ich ebenso überrascht. Unglaublich, dass das geklappt hat und alle noch leben!

Er überwand seinen Schreck eine halbe Sekunde schneller als ich und wollte aufstehen. Bevor ich reagieren konnte, stürzten zwei seiner ursprünglichen Geiseln auf ihn zu und fixierten ihn am Boden. Ach ja, die waren ja auch noch da.

Jetzt erst sah ich den Security-Schriftzug auf den Jacken der beiden, die sich auf den Angreifer gestürzt hatten. Der dritte Mann stand noch am selben Platz wie zuvor, einige Meter entfernt und beobachtete mich. Seine Aufmerksamkeit hing eine Zeit lang an der Pistole in meiner Hand. Mehr interessiert als erschrocken wanderte sein Blick von der Waffe zum Angreifer auf dem Boden und den beiden Sicherheitsleuten, die auf ihm saßen. Dann zurück zur Waffe in meiner Hand und aufwärts zu meinen Augen.

Erst jetzt, als er mir in die Augen sah, erkannte ich Geisel Nummer drei. Da stand er, der Zweck meiner kleinen Reise, der Grund meines Hierseins, der Held meiner schmutzigen Tr…, ääähhh… der Traum meiner schlaflosen Nächte!

Ach du Schande! Was jetzt? Ansprechen? In Ruhe lassen? Gleich nach dem Autogramm fragen? Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein erster Eindruck von mir musste gerettet werden. Meine Stimmbänder spannten sich, die Lunge holte tief Luft und ich hörte mich fragen: „Do you happen to know the nearest bathroom?“

Was auch sonst? Frag ihn doch einfach nach dem Klo…

Keine Ahnung, ob es mein fieser deutscher Akzent oder die Frage an sich war, die ihn amüsierte. Jedenfalls fing er an zu kichern wie ein kleines Mädchen, öffnete die Tür zu seiner Linken, trat einen Schritt zurück und zeigte mit dem Finger hinein. Seine Garderobe, wie es schien. „The door on the left.“

Ich drückte ihm im Vorbeigehen die Waffe in die Hand und flitzte quer durch den kleinen Raum, zur linken Tür am anderen Ende. Kaum hatte ich die Tür hinter mir verschlossen, um mich der Erleichterung hinzugeben, hörte ich ihn schallend lachen.

Irgendwie peinlich. Aber egal. Lachen ist gesund und mein Autogramm bekomme ich jetzt bestimmt.

Um mindestens einen Liter leichter – wenn es reicht – wollte ich aufstehen und mich anziehen. Leider sahen meine Knie das etwas anders. Die hatten sich entschieden zu Gummi zu werden. Meine Hände waren auch keine große Hilfe. Statt mir behilflich zu sein, mich am Waschbecken hochzuziehen oder an der Duschwanne hochzudrücken, wollten sie lieber zittern wie blöde. Mein Magen sagte mir ebenso, dass mein Weg nicht nach oben führen würde, sondern lieber runter auf die Knie, um meinen Kopf über die Schüssel zu hängen. Da war wohl der Schock der Vater der Planänderung.

So saß ich zitternd, mit runter gelassener Hose auf dem Boden und kotzte Galle. Gegessen hatte ich an dem Tag noch nichts.

Der kalte Schweiß lief mir in die Augen, als ich es irgendwann später schaffte wieder aufzustehen. Beim Blick in den Spiegel sah mir ein leichenblasses Schreckgespenst entgegen. Der Teint wirkte durch die leicht ausgewaschenen grünen Haare darüber noch etwas ungesünder. Die Augen waren halb rot, halb schwarz gerändert. Augen und Wangen waren nass. Geheult hatte ich also auch noch, ohne es zu merken. Na bravo!

Ich sah aus wie das Ding aus dem Sumpf. Oder wie ein schlecht gemachter Zombie. Womit wir wieder bei Highschool-Pseudo-Horrorfilmen wären.

Ein paar Hände voll kaltem Wasser ins Gesicht und gründlich Mund ausspülen halfen ein wenig. Ein paar Schlucke trinken und ich konnte wieder stehen, ohne mich am Waschbecken festklammern zu müssen. Dieses kleine Badezimmer wirkte plötzlich so einladend. Ich wollte für immer hier bleiben, nie wieder rausgehen, keinen sehen lassen, wie heftig mir diese kleine Begegnung mit meinem potentiellen Ende zugesetzt hatte.

Leider war die Zeit, die man schicklicherweise in einem fremden Badezimmer verbringen durfte, längst überschritten und es klopfte leise an der Tür: „Are you allright?“

Nein, ich bin nicht in Ordnung. Ich seh aus wie der Tod auf Latschen und stinke genauso. Sieh zu, dass du Land gewinnst! Ich bleib jetzt hier wohnen und komm nie wieder raus!

Laut sagte ich: „Yes, give me a minute.“

Hilft ja nichts, ich kann nicht für immer hier drin bleiben.

Es erstaunt mich immer wieder, wie schnell ich in andere Sprachen finde, wenn ich in diesen angesprochen werde. Ob der Gute jetzt Deutsch oder Englisch spricht, ist mir wurscht. Ich verstehe ihn und kann recht gut antworten. Ob er meine Antworten, durch meinen Akzent und ein paar sprachliche Unsicherheiten versteht, ist sein Problem. Der fragt schon nach, wenn nötig.

Ich machte mir nicht weiter die Mühe zwischen den Sprachen hin und her zu überlegen. Englisch ist schließlich grundlegend auch nur eine germanische Sprache, also konnte ich das ebenso wahrnehmen und wiedergeben. Es wäre zu kompliziert ständig die Sprachen zu wechseln.

Es klopfte leise an der Tür: „Bist du okay?“

Nein, ich bin nicht in Ordnung. Ich seh aus wie der Tod auf Latschen und stinke genauso. Sieh zu, dass du Land gewinnst! Ich bleib jetzt hier wohnen und komm nie wieder raus!

Laut sagte ich: „Ja, gib mir noch eine Minute.“

Hilft ja nichts, ich kann nicht für immer hier drin bleiben.

Deutlich mehr als eine Minute später atmete ich noch einmal tief durch und verließ meinen Ort der Ruhe. Die Garderobe, die ich zuvor im Laufschritt durchquert hatte, wirkte jetzt deutlich kleiner. Rechts von mir standen ein zierlicher Schminktisch und eine Kleiderstange auf Rollen, links ein plüschiges Sofa. Darauf saß er.

Die Beine lässig überschlagen, die Hände auf dem Schoß ineinandergelegt, sah er mich an. Ein abschätzender Blick von oben bis unten und wieder zurück. Mit einem schiefen Grinsen meinte er schließlich: „Du siehst aus wie ein kranker Goblin.“

Ach echt? Na, vielen Dank auch.

Nur weil ich ein bisschen grün um die Nase bin? Und an den Haaren. Und am Kapuzenzipper. Und an den Neonsneakers.

Okay, ich bin wirklich ziemlich grün heute. Bis auf die Jeans. Jeans sehen doof aus in grün.

Trotzdem. Depp!

Als hätte er meine Gedanken gelesen, fing er wieder an zu kichern: „Ich kann manchmal ein ziemlicher Arsch sein.“

Die Körperhaltung veränderte sich, die Miene wurde nachdenklich und er bot mir per Geste einen Platz auf seinem Sofa an: „Bist du sehr mutig oder nur lebensmüde?“

Ich antwortete nicht. Setzte mich neben ihn und versuchte, meine immer noch zitternden Hände ruhig zu halten.

„Das war völlig irre. Das ist dir klar, oder?“

Wieder gab ich keine Antwort. Sah ihm nur ernst in die Augen.

Er fing langsam an zu nicken, jegliches Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden: „Es ist dir klar.“

Von der Tür zum Flur kam ein Räuspern. Ein junger Uniformierter stand da, nervös von einem Fuß auf den anderen tretend und forderte uns auf mit ihm zu kommen. Die beiden Sicherheitsleute hätten ihre Aussagen bereits gemacht, der offenbar verwirrte Herr mit der Waffe säße im Streifenwagen und nun müssten noch die letzten beiden Beteiligten befragt werden. Also Mr. Superstar und der kranke Goblin.

War ich tatsächlich so lange im Bad? Ich sah auf die Uhr über der Tür. Meine Augenbrauen gingen von alleine nach oben und der Mund blieb mir offen. Oha, da war ich aber lange außer Gefecht.

Wieder beantwortete er meine Gedanken: „Du warst ziemlich lange da drin. Ich wollte dir schon einen Suchtrupp hinterherschicken, falls du zu weit rausgeschwommen bist.“

Ha, ha, sehr witzig. Den blöden Spruch kannte ich ja noch gar nicht. Außerdem sagt man das nur bei Badewannen. Da drin gibt’s nur ’ne Dusche. Ich sah ihn eher sparsam an, bevor ich mich herumdrehte und dem Polizisten folgte. Hinter mir gluckste es erheitert, als ich hoch erhobenen Hauptes den Raum verließ.

Das Verhör war recht peinlich und brachte mich in leichte Erklärungsnot. Was hatte ich in einem abgesperrten Bereich zu suchen? Warum hatte ich mich durch einen Personaleingang ins Gebäude geschlichen? Wie kam ich an die Stelle der Geiselnahme? Welcher Teufel hatte mich geritten einen Mann, der mich mit einer Schusswaffe bedrohte, nach dem Weg zur Toilette zu fragen? Meine umfassende und zugegeben recht einfallslose Antwort auf all diese Fragen lautete: „Ich musste mal ganz nötig.“

Es blieb mir nicht erspart meine 300 Kilometer lange Odyssee von Anfang bis Ende zu schildern. Den Blumenkübel, mit dem ich geliebäugelt hatte, ließ ich allerdings aus.

Der Grund für meine Anreise machte mich in den Augen der Beamten nicht gerade vertrauenswürdiger. Meine kurzen grünen Haare mit schwarzen Strähnen und deutlichem braunen Ansatz, sowie der Dropkick Murphys Kapuzenzipper mit Blutspritzern am rechten Ärmel sorgten zusätzlich für wenig Wohlwollen bei dem alternden Bürohengst, der das Verhör führte. Er fuchtelte mir wiederholt mit einer kleinen Taschenlampe vor den Augen herum, um meine Pupillenreaktion zu testen.

Nein, ich nehme weder Medikamente noch Drogen, du Hampel!

Am liebsten hätte der mich gleich weggesperrt . Ob in eine Zelle mit Gittern oder eine mit weichen Wänden und einer Hab-mich-lieb-Jacke, schien dabei egal zu sein. Zu seiner maßlosen Enttäuschung fand er allerdings beim besten Willen keinen Grund, mich festzuhalten.

Irgendwann durfte ich schließlich gehen, nachdem ich die Geschichte zum dritten Mal erzählt und hundert Mal versichert hatte, dass ich keiner radikalen Gruppierung angehörte, keinen Anschlag geplant hätte und auch kein Stalker wäre. Naja, kein richtiger zumindest.

Mit der Anweisung mich zur Verfügung und von Mr. Superstar fernzuhalten, hatte mich die Freiheit wieder. Nach einem sehr langen Tag, der völlig für die Katz war und mich noch fast mein sinnloses Leben gekostet hätte, machte ich mich auf den Weg zum Auto. Inzwischen war es dunkel geworden und ich kannte mich in der Gegend nicht aus. Ergo dauerte es eine Weile bis ich meinen fahrbaren Untersatz wiederfand.

Der Anblick war jedoch nicht übermäßig erfreulich. Mein Süßer sah mir etwas schief entgegen, als ich auf ihn zukam. Der Grund dafür war ein platter Reifen.

Der perfekte Abschluss für einen solchen Tag. Zwar bin ich durchaus in der Lage einen Reifen zu wechseln, habe immer ein Ersatzrad und das nötige Werkzeug im Kofferraum, hatte aber absolut keinen Nerv mehr dafür. Diese Panne war eine Schlappe zu viel für heute. Es ging nichts mehr. Den ganzen Tag nichts gegessen, sechs Stunden im Auto gehockt, für nichts! Bedroht worden, keine Gelegenheit zum Rauchen gehabt, in Hörweite meines Stars gekotzt, kein Autogramm bekommen, fast verhaftet worden.

Ich setzte mich neben mein Auto auf die Straße, lehnte mich an den kaputten Reifen und fing an mir eine Zigarette zu drehen, während meine Augen überliefen. Meine Hände zitterten schon wieder, das Drehen wurde zur Krümelparty und das Ergebnis sah nach etwas anderem als einer Zigarette aus. Egal, Hauptsache man kann es rauchen. Sobald ich mein Feuerzeug finde. Da ist es.

Ich drückte auf den Elektrozünder.

Und drückte nochmal drauf.

Und drückte nochmal.

Und es kam keine Flamme.

Ich ließ das Feuerzeug sinken und lehnte den Kopf gegen den Kotflügel. Ich geb‘s auf. Darf ich jetzt bitte sterben?

Rechts über mir kicherte es und vor meiner Nase erschien eine Flamme. Schnell die Kippe anzünden, tief einatmen.

Mein Feuergeber setzte sich neben mich, lehnte sich ebenfalls mit dem Rücken ans Auto, zündete sich selbst eine an und ließ mich erstmal in Ruhe.

Schön, wenn jemand die Stille genießen kann, ohne gleich losquatschen zu müssen. Noch schöner, wenn es jemand ist, von dem man unbedingt ein Autogramm möchte.

Durch das Nikotin wurde mir schwindelig, alles drehte sich. Neben mir rührte sich die Gestalt im Designeranzug: „Nicht dein Tag heute.“ Das war eine Feststellung, keine Frage.

Mein Kopf schüttelte sich quasi von alleine. Eigentlich rollte er nur müde von einer Seite zur anderen. Zum Schütteln fehlte mir die Energie.

„Ich hab dir die Luft rausgelassen“, sagte er mit einem schelmischen Grinsen.

„Was?“

„Aus dem Reifen. Ich hab dir die Luft rausgelassen. So kannst du nicht abhauen, bevor ich mit dir reden konnte.“

„Wie bitte?“

„Musst du morgen arbeiten?“, fragte er ungerührt.

„Nein.“ Aktuell mal ein Job mit geregelten Arbeitszeiten und ohne Bereitschaftsdienst. Juhu!

„Gehen wir was essen? Ich hab Hunger“, fuhr er im Plauderton fort.

Was für ein kaltschnäuziger Spinner. Unfassbar! Dann pass ich mich eben seiner Art an. Mal sehen, wie ihm das gefällt.

„Krieg ich ein Autogramm? Ich muss dann langsam los. Reifenwechseln dauert ein wenig und ich fahr noch ein paar Stunden.“

Er sah mich irritiert an. Ha, Treffer!

Leider hielt das nur eine Sekunde vor. Schon kam das schelmische Grinsen zurück: „Wie viele Ersatzreifen hast du? Ich kann auch noch aus den anderen die Luft rauslassen.“

Jetzt platzte mir der Kragen: „Was willst du? Woher wusstest du, welches Auto meins ist? Die Bullen sagen, ich soll mich von dir fernhalten.“

Er zog eine Schnute, überlegte kurz: „Reden. Die Karre passt zu dir. Vergiss was die sagen.“

Ich starrte ihn an. Meine Karre passt zu mir? Ein runtergekommener uralter VW-Bus, in Olivgrün, mit Rostflecken, nur drei Radkappen, halb überlackierter Heckklappe, die farblich nicht zum Rest passt, verschlissenen Sitzen, einem Riss quer über der gesamten Windschutzscheibe, nur noch einem Scheibenwischerarm vorne und einer großen Delle in der Beifahrertür? Meine Karre passt zu mir? Unwillkürlich drehte ich mich um und betrachtete mein treues Schlachtschiff.

„Okay, die Polizei hat mir deinen Namen gesagt und wo du herkommst. Auf dem Kennzeichen stehen deine Initialen und es ist das einzig Auswärtige rund um die Halle“, grinste er.

Der kennt sich mit deutschen Kennzeichen aus?

Widerwillig musste ich lachen. Er hatte mich drangekriegt.

„Komm schon, Goblin, geh mit mir essen und schlaf hier in einem Hotel. Du siehst nicht aus als könntest du noch heimfahren.“

Er stand auf und hielt mir eine Hand entgegen, um mir aufzuhelfen.

Was soll‘s. Essen zahlt er, wenn er mich einlädt. Nachher kann ich immer noch den Reifen wechseln und verschwinden oder mir eine billige Pension suchen. Mein Autogramm will ich ja schließlich auch noch haben.

Ich schlug ein, hievte mich hoch und bat ihn mit einer Geste, noch kurz zu warten. Meine Zeichnung musste mit. Die lag immer noch im Rucksack im Auto, wo ich sie vor Stunden zurückgelassen hatte.

Den kurzen Fußmarsch zum Restaurant legten wir schweigend zurück. Es waren nicht mehr viele Menschen unterwegs, kaum Autos und noch weniger Fußgänger. Anscheinend wurden nicht nur in meinem Dorf die Gehsteige mit Einbruch der Dunkelheit hochgeklappt. Niemand schien den Superstar zu erkennen oder zu beachten, der da im teuren Zwirn seelenruhig mitten in der Stadt herumspazierte. Komisch, ich dachte so jemand kann nirgendwo hingehen ohne behelligt zu werden.

Wie recht ich doch haben sollte.

Er steuerte auf eine eher kleine Gaststätte zu. Ein typischer Alter Wirt, wie es ihn überall gab. Keine Stadt und kein Dorf konnte ohne einen Alten Wirt auskommen. Kaum standen vier Häuser irgendwo auf einem Haufen, musste ein Alter Wirt dazu. Geht nicht anders. Das ist ein Naturgesetz.

Die Vollholzeingangstür führte direkt in den Gastraum. Im leicht gedämmten Licht sondierte ich die circa vierzig Quadratmeter große Stube, die sich zu meiner Linken präsentierte.

Auf der Fensterseite führte eine durchgehende Bank von der Tür bis ans andere Ende des Raums, wo sie in einer Eckbank mündete. Davor standen mehrere kleine Tische, nebeneinander aufgereiht, mit gerade genug Abstand dazwischen, um sich seitlich gehend durchzuschieben.

Die rückwärtige Wand wurde von Separees eingenommen, die jeweils Platz für vier bis fünf Personen boten. Die U-förmigen Sitzbänke mit Bezügen im Blumenmuster wirkten recht gemütlich. Durch dünne Holzwände voneinander abgeschirmt erweckten sie zumindest optisch den Eindruck von Privatsphäre.

In der Mitte zog sich eine lange wuchtige Tafel quer durch die gesamte Gaststätte, die den Raum richtiggehend erschlug. Wenn der Laden voll besetzt war, dürften die Bedienungen Probleme haben durchzukommen. Das wirkte jetzt schon zu eng, obwohl nur fünf der kleineren Tische besetzt waren.

Hinter dem Tresen, rechts der Tür, lehnte eine gelangweilte Brünette um die vierzig. Die Haare zu einer Art struppigem Pferdeschwanz gebunden und stark geschminkt, quollen ihr die mächtigen Brüste halb aus der tief ausgeschnittenen Bluse. Als sie meinen Begleiter sah schossen die aufgemalten Augenbrauen in die Höhe, die Körperhaltung wurde plötzlich aufrecht und die Oberweite kam in Bewegung.

Er nahm sie gar nicht wahr, die Tischauswahl war wichtiger. Eines der Separees an der gegenüberliegenden Wand hatte sein Wohlwollen gefunden. Es war weit vom Eingang entfernt und durch die kleine Trennwand ausreichend abgeschirmt, um vom Eingang aus nicht eingesehen werden zu können. Nach der Umrundung des enormen Mitteltisches steuerte er die rechte Sitzbank des Verschlages an, ich setzte mich ihm gegenüber. Durch diese Sitzverteilung konnte er von der Tür aus nicht gesehen werden, ich hatte diese jedoch gut im Blick.

Wir saßen noch nicht richtig, als schon die ersten Gäste aufgeregt mit dem Finger zeigten und zu flüstern begannen. Zwei Mädels, vielleicht Anfang zwanzig, kamen von einem Ecktisch herüber, sprachen meinen Begleiter schwer hechelnd, mit leuchtenden Augen an und reagierten wenig verständnisvoll, als er sie höflich aber bestimmt darauf hinwies, dass er in Gesellschaft wäre und gerne in Ruhe bestellen und etwas essen würde.

Seufzend sah er den beiden nach, die linke Braue erhoben: „Würdest du das auch machen?“

„Dich beim Essen stören oder davon abhalten? Nein. Ich würde warten bis du fertig bist und grade gehen willst.“

„Aber du würdest mich ansprechen?“

„Ja. Ich würde dich um ein Autogramm bitten und mich dann schnell wieder verziehen.“

„Wenigstens bist du ehrlich.“

Die Bedienung kam an den Tisch. Mit vorgestreckter Brust und ihrem schönsten Lächeln auf dem Gesicht begrüßte sie Mr. Superstar und reichte ihm eine Karte. Während er las blieb sie neben ihm stehen und strahlte ihn an. Mich beachtete sie gar nicht.

„Kann ich bitte auch eine Karte haben?“, erdreistete ich mich zu fragen.

Ein böser Blick traf mich, sie drehte sich kurz weg, um eine Karte vom Mitteltisch zu angeln, die sie genervt vor mir auf den Tisch warf. Alles klar! So verdient man sich kein Trinkgeld.

Der Angeschmachtete zwinkerte mir über die Karte hinweg zu, was die Kellnerin mit einem Schnauben quittierte. Wenn Blicke töten könnten. Keine Ahnung, was ich der Frau getan habe, aber sie kann mich nicht leiden. Sie spießte mich förmlich mit Blicken auf, bis sie lächelnd Mr. Superstars Bestellung entgegen nahm.

Apfelschorle und Schnitzel mit Bratkartoffeln. Wie bürgerlich.

Noch bevor ich ebenfalls bestellen konnte, drehte sie sich um und wollte gehen. „Moment“, sagte er zu ihrem Rücken, „meine Begleiterin möchte auch noch etwas bestellen.“

Ob ich hier was essen möchte weiß ich nicht. Die spuckt mir doch bestimmt ins Essen oder stellt irgendwas Anderes damit an. So knapp wie möglich bestellte ich: „Ich hätte gerne das Gleiche, bitte.“

Offenbar hatte er dieselben Bedenken, was die möglichen Inhaltsstoffe meiner Mahlzeit anging. Als das Essen kam, nahm er sich den Teller, den die Bedienung vor mich auf den Tisch hatte plumpsen lassen, und gab mir seinen, den sie ordentlich abgestellt hatte. Sie sah ihn entsetzt an, nahm den Teller, der nun vor ihm stand, wieder vom Tisch und bat ihn noch um einen Moment Geduld.

Seine Reaktion war ein breites Grinsen in meine Richtung: „Guten Appetit.“

Während er auf sein Essen wartete, erfuhr ich endlich, worum es bei der Geiselnahme am Nachmittag gegangen war. Die Polizei hatte sich geweigert mich aufzuklären.

Der Herr, den der junge Beamte als „offenbar verwirrt“ beschrieben hatte, wollte gar keine Geiseln nehmen. Er wollte einen vermeintlichen Nebenbuhler aus dem Weg schaffen. Er war der Meinung, Mr. Superstar hätte ihm die Frau gestohlen. Jedoch kannte dieser die Dame gar nicht. Sie war ein Fan, mit einer ebenso großen Macke wie ihr Mann. Sie hatte sich eine Affäre eingeredet, die es nie gegeben hatte. Sie idealisierte ihren Star, lebte in einer Traumwelt und hielt ihrem Mann bei jeder Gelegenheit vor wie viel schlechter er doch sei als ihr angeblicher Liebhaber. Wow! Es gibt Irre auf dieser Welt. Offenbar glaubte sie wirklich, was sie ihrem Mann erzählt hatte und er glaubte ihr.

Kommentar des vermeintlichen Nebenbuhlers: „Wenn sie mich kennen würde, wäre sie nicht so scharf auf mich. Die hätte sich mal ein bisschen mit meiner Frau unterhalten sollen. Da wäre sie schnell kuriert gewesen.“

„Erstaunlich“, rutschte es mir zwischen halb klein gekauten Kartoffeln heraus.

„Was ist erstaunlich?“

Ich schluckte schnell runter. „Ständig sagen dir alle, wie toll du wärst, betteln um ein bisschen Aufmerksamkeit, laufen dir sabbernd hinterher, beten dich förmlich an, aber du bist anscheinend trotzdem noch zur Selbstkritik fähig.“

„Das ist manchmal gar nicht so leicht. Es hilft, wenn man eine Familie hat, die einem zwischendurch wieder klarmacht, dass man auch nicht perfekt ist. Genauso Fehler macht und ein Idiot sein kann wie jeder andere. Hast du Familie?“

„Meine Mom.“

„Sonst keine Familie? Mann, Kinder, Geschwister, Cousins, Cousinen, Großeltern?“

Ich schob mir ein großes Stück Schnitzel in den Mund. Das Thema Familie hasse ich. Selbst gründen wollte ich nie eine, meine Oma und mein Bruder sind lange nicht mehr da, meine Mutter ist ein Einzelkind und mit meinem biologischen Vater und seiner Verwandtschaft habe ich nichts zu tun. Will ich auch nicht. Was sollte ich also sagen?

„Ich bin kein Familienmensch“, tat ich die Frage schließlich mit einer lässigen Geste ab.

Er sah mich durchdringend an, faltete die Hände zusammen, legte das Kinn darauf ab. Der Blick, mit dem er mich maß, wurde immer unangenehmer, je länger er anhielt. „Du bist ein verdammt schlechter Lügner. Das gefällt mir.“

Erwischt! Lügen und mich verstellen liegt mir nicht. Ich bin ziemlich geradeaus, ohne das geringste Talent zum Speichellecken oder Katzbuckeln. Damit ecke ich zwar oft an, aber wer ein Problem damit hat, braucht sich ja nicht mit mir zu befassen. Ist mir eh lieber, wenn ich meine Ruhe hab. Naja, nicht generell. Aber meistens. Schnell das Thema wechseln.

„Warum wolltest du mit mir reden? Was kann so wichtig sein, dass du mir die Luft aus den Reifen lässt und mir im Dunkeln auflauerst?“

„EIN Reifen. Ich habe nur aus EINEM Reifen die Luft gelassen. Und auflauern klingt doch sehr negativ. Ich habe auf dich gewartet.“

„Okay, zur Kenntnis genommen. Also?“

„Ich war neugierig.“

„Auf mich? Warum?“

„Du hast mir das Leben gerettet.“

Ich habe ihm das Leben gerettet? Von der Seite hatte ich das noch gar nicht gesehen.

„Das war nicht mit Absicht.“

„Was?“

Blöd formuliert. Noch ein Versuch. „Das war ein positiver Nebeneffekt. Ich habe nicht gewusst wer da steht. Mein Fokus lag woanders. Falls du es vergessen hast: ich hatte eine Waffe im Gesicht. Die hat mich ein bisschen mehr interessiert in dem Moment. Ich habe um mein eigenes Leben gekämpft und ich wollte mir nicht in die Hose machen.“

Seine Augen wurden groß: „Also hast du ihn wirklich nach dem Weg zur Toilette gefragt? Ich wollte es nicht glauben. Ich dachte, die Jungs verarschen mich.“

Die Jungs? Die Securities, die sich so tapfer im Hintergrund gehalten hatten, bis ich den Attentäter überwältigt hatte? Wer sonst?

„Mir ist nichts Besseres eingefallen. Ich musste ihn irgendwie aus dem Konzept bringen. Außerdem musste ich so dringend, dass kaum für einen anderen Gedanken Platz war.“

Er schüttelte sich vor Lachen, fiel auf seiner Bank nach hinten, dass die Lehne knackte: „Das hab ich gemerkt! Weißt du, wann mich zum letzten Mal jemand nach dem Weg zur Toilette gefragt hat? Geschweige denn mir einfach mal eben so im Vorbeigehen eine Knarre in die Hand gedrückt hätte? Oder überhaupt an mir vorbeigerannt wäre, ohne mich eines zweiten Blickes zu würdigen?“

Hoppla, das hab ich wirklich getan.

Ist es das? Hab ich sein Ego angekratzt?

Nein, dann würde er nicht dasitzen und sich schlapplachen. Dann hätte er nicht gelacht, als ich an ihm vorbeigeschossen bin, hätte nicht an der Tür geklopft, um nach mir zu sehen.

In diesen Lachkrampf hinein kam die Bedienung mit seinem frischen Essen. Anscheinend noch mal komplett neu gekocht. Ich möchte nicht wissen, was die bei meinem ursprünglichen Schnitzel in die Panade getan hatte.

Jetzt strahlte sie ihn nicht mehr an wie ein Honigkuchenpferd. Sein anhaltendes Lachen, das offenbar mit mir zu tun hatte, passte ihr gar nicht. Mit einem weiteren giftigen Blick in meine Richtung, den ich mit freundlichem Zuprosten beantwortete, wackelte sie betont hüftschwingend zurück zu ihrem Tresen.

Er japste immer noch: „Du bist unglaublich. Ich habe schon Frauen rücksichtslos andere zur Seite rempeln sehen, weil sie es eilig hatten. Aber ich habe noch nie jemanden erlebt, der sich den Weg zur Toilette wortwörtlich freikämpft.“ Wieder prustete er los. „Woher kannst du sowas? Wieso kannst du sowas?“, fragte er, sich die Lachtränen abwischend.

Die Frage nach dem Wieso überhörte ich bewusst, das ist meine Privatangelegenheit. Das Woher erklärte ich ihm, während er nun auch zu essen begann. Ich erzählte von meinen diversen Kampfsportarten, Schulen, Lehrern und Trainingspartnern. Betonte, dass es immer nur Übungen gewesen waren, in denen ich dieses und andere Manöver ausgeführt hatte.

„Ich wusste nicht, ob ich es im Ernstfall hinbekomme. Das war fast sowas wie eine Kurzschlussreaktion. Nicht mal ein antrainierter Reflex. Einfach Kurzschluss im Hirn. Wenn ich Zeit gehabt hätte drüber nachzudenken, wäre ich vermutlich eher weggerannt als zu kämpfen.“

„Das ist vernünftig. Was kannst du noch in der Art?“

In der Art? Gute Frage. „Was genau ist ‚in der Art‘? Messerabwehr hab ich genauso trainiert wie Verteidigung gegen zwei oder drei Angreifer. Kampf gegen größere und stärkere Gegner. Entwaffnung bei Angriff mit Schlagstöcken oder Baseballschlägern. Aber eben alles immer nur in kontrollierter Umgebung, ohne wirklich in Gefahr zu sein. Ich weiß nicht, ob ich das im Ernstfall umsetzen könnte. Wenn es blöd läuft, bin ich zu langsam, mache was falsch oder bin vor Angst wie gelähmt.“

Er nickte wissend: „Ich verstehe.“

Es entstand eine Pause, in der er nachdenklich einen Tropfen Kondenswasser an seinem Glas beobachtete.

„Willst du es rausfinden?“

„Was?“

„Wie du im Ernstfall zurechtkämst.“

Jetzt geht’s aber los! „Spinnst du? Ich hab zwar eine Macke, aber lebensmüde bin ich nicht.“

Was geht in dem Kopf dieses Menschen vor sich? Wie kommt man auf so eine Idee? Nein, ich möchte nicht in reale Lebensgefahr geraten. Ich möchte nicht von Schlägern, Psychopathen und sonstigem Gesocks bedroht werden. Will er mir jetzt einen Wie-kann-ich-amblödesten-draufgehen-Parcours mit echten Mördern aufbauen, oder was?

Er winkte kopfschüttelnd ab: „Nein, nein, so meine ich das nicht.“

Die Ellbogen auf den Tisch gestützt, die Hände zum Gestikulieren vor sich, lehnte er sich zu mir und fuhr fort: „Pass auf. Für gewöhnlich versuche ich ohne Personenschutz auszukommen. Ich lege keinen Wert auf unbewegliche Schränke im schwarzen Anzug, die sich wichtig vorkommen, immer im Weg sind und im Ernstfall einfach nur dastehen. Das bringt gar nichts. Ist nur lästig und lächerlich.“ Er atmete laut aus: „Dich habe ich kämpfen gesehen. Und kotzen gehört.“

Na super, das muss er mir jetzt reinreiben… Ich verdrehte die Augen.

„Du reagierst spontan, bist vollkommen rational und klar, solange es drauf ankommt. Erst als die Gefahr vorbei war, konnte sich der Schock bei dir durchsetzen. Die Tatsache, dass du einen Schock hattest und gekotzt hast wie ein Reiher, sagt mir, dass du dir der Gefahr bewusst warst. Trotzdem hast du funktioniert. Anders als die beiden Gorillas, die einfach nur blöde vor mir standen und nicht wussten, was sie tun sollten. Die haben sich nachher umso mehr gebrüstet, wie gut sie den armen Irren festgesetzt haben, als er schon am Boden lag.“

Okay.

„In letzter Zeit werden die Stalker und Irren immer schlimmer. Die Filmstars der Schwarz-Weiß-Ära und der frühen Farbfilme hatten keine Stalker. Das waren andere Zeiten, eine andere Gesellschaft. Heute gehört es zum guten Ton. Du bist kein Star, wenn du keine Stalker hast. Ich hab leider einige. Egal auf welchem Kontinent ich bin, ständig lauert mir irgendwer auf. Teilweise kommt es zu gefährlichen Situationen, in denen ich keine Zeit mehr habe noch eben schnell nach einem Sicherheitsdienst zu telefonieren. Mich ständig mit den hohlköpfigen Klischeebodyguards umgeben, die mir nach dem Mund reden und sowieso alles super finden was ich mache, will ich aber auch nicht.“

Er war während der letzten Sätze richtig aufgewühlt geworden. Laut. Stark gestikulierend. Nun senkte er die Hände und sah mich fragend an, als würde er eine Antwort oder Reaktion von mir erwarten.

Ich blinzelte ihn verständnislos an. Steh ich auf dem Schlauch? Wieso erzählt er mir das alles? Was will er jetzt von mir hören? Ja, du bist ein ganz armer Star. Du hast dir dieses Leben nicht selbst ausgesucht. Du wusstest nicht, worauf du dich einlässt, als du beschlossen hast berühmt werden zu wollen. Im Gegensatz zu deinen Kindern hattest du keine Wahl, sondern wurdest da reingeboren? Äh…?

„Jetzt bist DU mir in den Schoß gefallen“, lächelte er.

Häh? Was is? „Was bin ich?“

„Mir in den Schoß gefallen. Das sagt man so. Das bedeutet…“

Ich winkte ab: „Ja, ja, ich kenn den Ausdruck. Aber ich versteh dich trotzdem nicht. Was willst du?“

„Dich. Als meinen persönlichen Bodyguard“, verkündete er wie selbstverständlich.

Jetzt lachte ich mich schlapp. „Hahahahaha!“ Fast wäre ich von der Bank gefallen. Die Tränen rollten mir über die Wangen, mein Zwerchfell verweigerte die Atmung. Ich, Bodyguard? Noch dazu ein persönlicher? Das war zu viel. Schnappatmung! Wangenkrampf! Meine sämtlichen Rettungsringe wogten im Rhythmus meines schallenden Gelächters.

„Na sicher“, würgte ich hervor, „ist ja auch naheliegend.“ Ich grunzte und japste vor Lachen. Jetzt machte ich mir schon zum zweiten Mal an diesem Tag fast in die Hose.

Er lehnte währenddessen mit verschränkten Armen ganz relaxt in seiner Ecke. Eine Miene der Gelassenheit, gepaart mit einem selbstsicheren Lächeln. Um seine Mundwinkel spielte immer wieder ein leichtes Zucken, während er in Zeitlupe die Augen öffnete und schloss. Er sah mich die ganze Zeit über an. Die linke Augenbraue wieder leicht erhoben wartete er einfach ab, wann ich damit fertig wäre mich wegzuschmeißen.

Das dauerte lange. Nach diesem Tag tat Lachen so unfassbar gut. Noch dazu über so einen hervorragenden, gut aufgebauten Witz. Aber die ganze Zeit saß mir dieses stoisch entspannte Bild der Überlegenheit gegenüber. Irgendwie verunsicherte mich seine Ruhe allmählich. Ich trank einen Schluck, musste husten und kicherte erneut los.

Er sah mir ungerührt zu, wie ich wieder zu Atem kam.

„Oh Mann! Der war gut!“, brachte ich schließlich hervor.

„Bist du jetzt fertig?“

„Ja, völlig.“

Mit unbewegter Miene, nach wie vor gemütlich zurückgelehnt, fragte er: „Warum ist das so abwegig?“

Von exzentrischen Promis hatte ich ja schon gehört. Aber der Typ war komplett abgedreht. Total gaga. Kuckuck vom Feinsten!

Bodyguards sind gut trainierte Exsoldaten oder Profikampfsportler. Von mir aus auch ausgediente Footballspieler. Aus dem Polizeidienst ausgeschiedene schwarze Schafe meinetwegen. Auf jeden Fall große Männer, die nur aus Muskeln und Sehnen bestehen. Ein Bodyguard muss Eindruck machen, wenn er jemanden zur Seite schiebt. Ein bisschen lebensmüde muss man auch sein, wenn man sich vor jemanden werfen soll, auf den geschossen wird. Zumindest das letzte Kriterium erfülle ich ja. Aber den Rest? Der spinnt doch. Ich und Bodyguard? Sonst noch Wünsche? Ideen? Anregungen? Oh Mann! Was für eine Knalltüte!

Er saß da und sah mir seelenruhig in die Augen. Dieser Vogel erwartete allen Ernstes eine Antwort von mir. Das gibt’s doch nicht.

„Du meinst das ernst? Wie kommst du auf die Schnapsidee?“

„Denk mal darüber nach. Ohne die grünen Haare und etwas anders gekleidet, wärst du wesentlich unauffälliger als jeder Klischeeleibwächter. Dich nimmt man kaum wahr, wenn du irgendwo zufällig in meiner Nähe stehst. Einen weiblichen Leibwächter kann ich notfalls als Tischdame ausgeben. Dein Erscheinungsbild spricht für wenig Hemmungen. Also brauch ich mir keinen Kopf machen, dass du vor etwas zurückschrecken könntest. Angst vor Neuem oder Unbekanntem kennst du nicht, wenn ich mir ansehe, wie der heutige Tag verlaufen ist. Jedenfalls hast du mehr Schneid als die Jungs, die ich heute Nachmittag dabei hatte. Kämpfen kannst du auch besser. Reicht dir das?“

Aha! Das hat er sich ja fein überlegt. Stellt er sich aber ein bisschen zu einfach vor.

„Das ist ein gefährlicher Job. Warum sollte ich das machen? Was hätte ich davon?“

„Du hast keine Familie, nach deinem Auto zu schließen keinen besonders tollen Job und wenig Geld. Was hält dich hier?“ Gut aufgepasst. Gute Frage.

„Ich biete dir eine gut bezahlte Weltreise an, wenn du so willst.“

Der hat doch nicht mehr alle Sternchen auf dem Walk of Fame. Gut bezahlte Weltreise? Wie gut bezahlt? Das Spielchen kann ich auch spielen. Jetzt will ich‘s wissen.

„Wie sieht’s mit Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und Altersvorsorge aus? Ein Bodyguard lebt gefährlich.“

Das herausfordernde Funkeln in meinen Augen brachte ihn endlich dazu, seine stoisch entspannte Haltung aufzugeben. Langsam hatte sie mich geärgert. Er lehnte sich zu mir über den Tisch. Die Arme ausgebreitet, umgriffen seine Hände die Tischkannten. Er sah aus wie ein Verschwörer, der seinem Kameraden ein gefährliches Geheimnis zuflüstern wollte. Die Augenbrauen leicht zusammengezogen, die Augen verengt, zeigte er Zähne: „Das ist Verhandlungssache.“

Er fing tatsächlich gleich an sein Angebot zu erläutern, Rahmendaten auszuweisen und Anforderungen darzulegen. Er überfuhr mich mit einem Schwall an Informationen und Gedankengängen, die ich nicht wirklich für voll nahm und spaßeshalber mit wirren Nachfragen versah.

Die Verhandlungen waren von seiner Seite aus professionell und durchdacht geführt worden. Er hatte sich Notizen im Handy gemacht, überlegt, diskutiert, angeboten, verworfen, zugestanden. Ich hatte mir eher einen Jux daraus gemacht, zu sehen wie weit ich ihn pushen konnte. Anmerkungen, Forderungen und Bedenken meinerseits kamen in stark überspitzter Form auf den Tisch oder waren zum Teil geradewegs absurd. Er ging trotzdem darauf ein und bot für alles eine Lösung an. Faszinierend. Wenn so meine früheren Gehalts- und Zusatzleistungsverhandlungen gelaufen wären, hätte ich mir die eine oder andere Kündigung vielleicht zweimal überlegt.

Unsere Diskussion dauerte an, bis die Kellnerin uns rauskomplimentierte. Also eigentlich redete sie nur wieder mit ihm und ließ mich links liegen. Soweit stimmte seine Behauptung, ich würde in seiner Nähe gar nicht auffallen. Selbst mit den angeprangerten grünen Haaren hatte ich keine Probleme unsichtbar im Hintergrund zu bleiben. Zumindest bei dieser Bedienung.

Draußen vor der Tür wandte ich mich automatisch nach links, zurück zu meinem Auto.

„Wo willst du hin?“

„In der Richtung steht mein Auto.“

„Wolltest du nicht hierbleiben?“

Ach ja, da war ja was. Meine Uhr verriet mir, dass ich keinen Erfolg mehr haben würde, bei der Suche nach einer günstigen Pension oder Ähnlichem.

„Heute werde ich nichts mehr finden, ist jetzt schon zu spät. Bringst du mich noch ein Stück oder musst du in die andere Richtung?“

„Nein.“

Ich hasse es, wenn jemand Oderfragen nur mit ja oder nein beantwortet. Meine linke Augenbraue wanderte nach oben, als ich ihn fragend anblinzelte.

„DU bringst MICH und bleibst. Fünfhundert Meter da lang“, zeigte er die Straße nach rechts hinunter.

Ich bleibe? In einem Hotel, das seinen Standards entspricht? Das glaub ich eher nicht. Das glaubt vor allem mein Geldbeutel beim besten Willen nicht.

„Ich habe ein Appartement gemietet. Es gibt drei Schlafzimmer, einen Wohnraum und zwei Bäder. Meinst du, du kannst damit leben?“

Ist mein Kiefer gerade auf dem Boden aufgeschlagen? Nein, ich glaube nicht. Aber das Gelenk dürfte ausgerenkt sein, so wie mir die Kinnlade runterfiel.

Seit wann nehmen Menschen, die laut eigener Aussage Personenschutz brauchen, Wildfremde mit in ihre Wohnung? Okay, ist so gesehen nicht seine Wohnung, aber eine Wohnung, in der er mit einem wildfremden Menschen alleine wäre. Ich könnte seine Sachen durchsuchen, mich in sein Bett schleichen, ihn meucheln oder was klauen. Ich würde keinen Wildfremden in meine Wohnung lassen. Geschweige denn jemanden, den ich gar nicht kenne, bei mir übernachten lassen. Im Schlaf ist man ja doch relativ wehrlos.

„Normal muss ich nicht zweimal fragen“, unterbrach er meine Gedanken. Mit Kopf und Hand wies er in die Richtung, die er angegeben hatte: „Komm schon, Goblin. Jede Tür hat ein Schloss. Ich weiß, du führst nichts im Schilde und du weißt, ich kann nicht kämpfen. Außerdem werden wir demnächst viel Zeit miteinander verbringen. Schließlich wirst du mein persönlicher Bodyguard.“

Das brachte mich zum Lachen. Das gibt’s doch nicht. Er ist tatsächlich der Meinung, ich würde den Blödsinn mitmachen. Ich hätte meine Gehaltsvorstellungen und erforderlichen Vergünstigungen noch übertriebener zum Besten geben sollen. Bis auf einen goldenen Löffel für mein Frühstücksei hatte ich ohnehin schon alles gefordert, was mir spontan eingefallen war. Das Spiel war lustig gewesen, aber langsam war ich zu müde, um den Scherz noch weiter zu treiben.

„Okay, ich komm mit. Nett von dir. Aber über das mit dem Leibwächter müssen wir noch mal reden.“

„Morgen wieder“, nickte er, während er sich in Bewegung setzte.

Das Appartement war geräumig und modern eingerichtet. Zu modern für meinen Geschmack. Für seinen auch. Meine gerümpfte Nase quittierte er mit: „Mein Geschmack ist es auch nicht, aber für eine Woche okay.“

Naja, ob das hier überhaupt irgendjemandes Geschmack war? Die Bude schrie förmlich: „Ich bin eine pflegeleichte, praktische Businessmeeting-Location.“

Im langen weißen Flur hing einsam und alleine eine metallene Garderobe, die an eine verdorrte Dornenhecke erinnerte. Die grausilbernen Ausläufer bogen sich über- und untereinander hinweg, wie um sich gegenseitig zu erwürgen. An den spitz zulaufenden Enden wiesen scharf geschnittene Kanten aufeinander zu, als wollten sie ihrem Gegenüber ein Auge auspieken.

Der Wohnraum enthielt einen durchsichtigen Glastisch mit Alubeinen und dazu passenden, seltsam geformten Alu-Wippstühlen, die einen schon beim Hinsehen seekrank werden ließen. Eine Sitzkombination aus schwarzem Glattleder mit Aluarmlehnen, ein riesiger schwarzer Flachbildfernseher an der Wand, dunkelgrauer Marmor auf dem Boden, schwarzweißgraue Kunstdrucke an den weißen Wänden und eine weiße Bodenvase vervollständigten das Bild. Nirgends ein Teppich, ein Läufer, ein Vorhang oder auch nur der kleinste Fetzen Stoff oder Farbe. Einfach nur kalt.

„Fühl dich wie zu Hause. Getränke sind im Kühlschrank, im Bad findest du alles, was du brauchst, alles wurde vom Zimmerservice für dich hergerichtet. Nimm das Zimmer ganz hinten links. Da ist es am ruhigsten. Ich muss noch ein paar Telefonate führen. Gute Nacht.“

Mit diesen Worten verschwand er im Wohnzimmer und ließ mich im Gang stehen.

Okay…

Zehn Meter weiter erreichte ich besagtes Zimmer ganz hinten links. Er hatte nicht übertrieben, es war alles hergerichtet worden. Ein Kingsize-Bett mit bauschigen Kissen erwartete mich. Die Bettdecke war zurückgeschlagen, die Jalousien geschlossen. Im angrenzenden Bad brannte Licht, das durch die offene Tür in den Raum fiel. Flauschige Handtücher hingen neben der Dusche, kleine Shampoofläschchen, in sämtlichen erdenklichen Farben und Geschmacksrichtungen, wie Pralinen eingepackte Seifenstücke, Zahnbürste, Bademantel, diverse Deosprays und, und, und. Besser ausgestattet als jedes Hotelbadezimmer, das ich je betreten hatte. Sogar ein grasgrüner Satinschlafanzug in meiner Größe lag bereit. Wow…

Er hatte definitiv lange vor mir gewusst, dass ich hier schlafen würde.

Ich wachte auf, sah Sonnenstrahlen durch die Schlitze der Jalousien scheinen, drehte mich noch mal um, kuschelte mich in die weichen Kissen und fuhr dann wie von der Tarantel gestochen hoch.

Wo war ich? Wie spät war es?

Im spärlichen Licht, das durch die Jalousien schien, erkannte ich die Umrisse einer Nachttischlampe neben mir. Ich suchte den Schalter, tastete vergeblich nach einem Kabel oder einer Kordel und berührte dabei den Fuß der kleinen Stehlampe. Bing, ging sie an. Aha!

Nochmal auf den Sockel getippt und das Licht wurde heller. Jetzt konnte ich mich orientieren. Meine Klamotten lagen auf einem Haufen am Boden neben dem Bett. Ich hatte am vergangenen Abend einfach alles fallengelassen, wo ich stand und war selbst ins Bett gefallen. Zum Licht ausschalten und zudecken hatte es gerade noch gereicht, dann waren mir selbst die Lichter ausgegangen. Duschen und Zähneputzen wurde ohnehin überbewertet.

So saß ich stinkend wie am Vorabend in einem strahlend weißen Bett, in der Mitte eines minimalistisch aber hochwertig eingerichteten Zimmers. An der Wand links von mir hing der obligatorische schwarze Flachbildfernseher – Großformat selbstverständlich. Darunter, auf einer weißen Kommode mit silbernen Griffleisten, stand eine stylische Stereoanlage in Silber. Das Fußende des Bettes war dem Badezimmer zugewandt, rechts von mir ein kleiner weißer Nachttisch und die Tür zum Flur. Über dem Kopfende des Bettes, also hinter mir, eine durchgängige Fensterfront mit geschlossenen Jalousien. Zugbänder zum Hochziehen der Jalousien gab es nicht.

Na toll, und wie bekomm ich die jetzt auf? Meine Aufmerksamkeit wandte sich einem Tablet zu, das auf dem Nachttisch lag. Wohl so eine Art Universalfernbedienung für das Smart-Home, ging es mir durch den Kopf. Dann wollen wir mal.

Gedacht getan, nahm ich das Tablet in die Hand, schaltete es ein und versuchte, mir einen Reim auf das erscheinende Menü zu machen. Zig kleine Symbole – wie Handy-Apps – quetschten sich dicht aneinander. Alles recht unübersichtlich und stark stilisiert. Eines der kleinen Icons begann zu blinken. Es stellte so etwas wie einen altmodischen Wecker dar. Ich betrachtete noch interessiert das Blinken, als gleichzeitig Fernseher und Stereoanlage in ohrenbetäubender Lautstärke losbrüllten, die Nachttischlampe von alleine ausging und die Jalousien hochfuhren. Wie wild hämmerte ich auf das blinkende Symbol und ein paar weitere ein. Zur Antwort meiner Prügelattacke auf das Tablet stoppten die Jalousien ihre Aufwärtsfahrt, im Bad ging das Licht an, der Fernseher wechselte den Sender und die Stereoanlage schaltete von Rockmusik zu Hiphop um. Restlos überfordert wollte ich gerade aus dem Bett steigen, um die Stecker der brüllenden Geräte zu ziehen, als die Tür zum Gang aufflog.

Ups, abgeschlossen hab ich auch nicht.

Mr. Superstar kam flott, aber nicht hektisch, auf mich zu, setzte sich wie selbstverständlich neben mich auf die Bettkante, nahm mir das Tablet aus der Hand und tippte ein paarmal darauf herum. Der Fernseher schaltete sich stumm, die Stereoanlage ging aus, die Jalousien fuhren hoch und ich guckte wie ein Auto.

Sein einziger Kommentar, in komplett neutralem Ton, lautete: „Gut, du bist wach.“

Er legte das Tablet auf den Nachttisch zurück, wandte sich mir zu und wirkte leicht überrascht. „Hat der Pyjama nicht gepasst?“

Hä? Pyjama?

Oh Mist!

Den Pyjama hatte ich gar nicht angezogen, sondern war in Unterwäsche schlafen gegangen. Mit den Beinen unter der Bettdecke starrte ich für eine Sekunde auf meinen löchrigen roten Spitzen-BH. Darunter wölbte sich eine Speckrolle, die wenige Zentimeter weiter unten in der Decke verschwand. Mein entsetzter Blick wanderte zu seinen lausbübisch aufblitzenden Augen. Ich versuchte, die Decke hochzuziehen. Aber er saß darauf. Völlig ungerührt. Der bewegte sich keinen Millimeter. Grinste nur immer breiter. Also ließ ich mich zurückfallen und robbte so schnell es ging tiefer unter die Decke. Wodurch ich nun neben Mr. Superstar im Bett lag. Mit meinem Star im Bett sein bekam eine ganz neue Perspektive…

Das schadenfrohe Grinsen wurde zu einem glucksenden Lachen. Endlich stand er gemächlich auf und ging Richtung Tür. Den Türgriff bereits in der Hand, drehte er sich noch einmal um: „Geh duschen, zieh dich an, ich warte im Wohnzimmer.“

Eine halbe Stunde später – es war schon fast Mittag – erschien ich ausgiebig geschrubbt im grasgrünen Satinschlafanzug im Wohnzimmer. Wie sehr meine eigenen Sachen stanken, hatte ich erst wahrgenommen, nachdem ich selbst wieder angenehm roch. Die konnte ich einfach nicht wieder anziehen, keine Chance. Mein Magen hatte sich umgedreht bei der Geruchsprobe am Pulli. Etwas der Galle, die ich am Vortag von mir gegeben hatte, musste auf dem Pullover statt in der Porzellanschüssel gelandet sein. Die