Wendepunkt - Bernd Srabotnik - E-Book

Wendepunkt E-Book

Bernd Srabotnik

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Beschreibung

Robert ist dreiundvierzig, damit im besten Alter, und Single. Er hat einen guten Job, der ihn allerdings nicht erfüllt. Anlässlich seines anstehenden Geburtstages blickt er auf sein Leben und seine letzte Beziehung zurück und entscheidet sich, jetzt endlich aktiv zu werden und seinen tristen Alltag zu verändern. Er geht lange vergessenen Interessen rund um Kunst und Kultur nach, das könnte auch der Schlüssel zu einer Erneuerung in seinem Liebesleben sein! Wird er wieder mit seiner Ex zusammen kommen, oder doch eine neue, frische Liebe finden?

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Seitenzahl: 89

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Dr. Bernd Srabotnik

WENDEPUNKT

Impressum

© 2022 Copyright by Dr. Bernd Srabotnik

Druck: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

KAPITEL

Kaum zu Hause angekommen, ließ sich Robert in seinen Lehnstuhl fallen. Endlich war er allein. Wieder ein Tag im Büro vorbei. Dreiundzwanzig Jahre ging er nun fast täglich dorthin, es hatte sich in dieser Zeit kaum etwas verändert, und heute war er schließlich dreiundvierzig Jahre alt geworden. Es war Mittwoch, und er hatte sämtliche Geburtstagsfeierlichkeiten auf das Wochenende verschoben. Heute wollte er allein mit sich selbst sein. Vielleicht um Zwiesprache mit sich selbst zu halten, vielleicht.

Im Übrigen ging es ihm psychisch wie sonst, wenn er vom Büro angespannt nach Hause kam. Eine anfängliche, eher oberflächliche Zufriedenheit wich bald einer gewissen Unrast und Langeweile. Ich kann einfach zu wenig mit mir anfangen, dachte er.

Robert war hochgewachsen, blond und gut aussehend. Nur ein gewisser Bauchansatz zeugte von seiner sitzenden Beschäftigung. Er war Sachbearbeiter in einer Versicherung, wobei die Arbeit ihn eher kühl ließ. Er versuchte sie in seiner Freizeit so schnell wie möglich zu vergessen. Sie brachte Geld und eine gewisse soziale Sicherheit. Das war so ziemlich alles. Schließlich mussten die meisten Menschen arbeiten, und wer war in seinem Beruf schon glücklich!

Er zog sich die Schuhe aus und schlüpfte in seine Pantoffeln. So fühlte er sich gleich wohler. Den Schlafrock übergeworfen, und er war schließlich ganz zu Hause. Morgen ging es ohnehin wieder los.

In der Küche entdeckte er auf einem Teller ein großes Stück Torte, in welchem eine Kerze steckte. Er nahm sie mit hinein in sein Zimmer, wo er das Stück Torte auf seinen Schreibtisch stellte. Er entzündete die Kerze und setzte sich hinzu. Die Torte stammte von seinen Eltern. Sie hatten ihm schon gestern gratuliert. Heute Vormittag, so hatte Robert auf den ersten Blick gesehen, hatte seine Mutter bei ihm aufgeräumt. Er war ihr dankbar dafür. Früher hatte das Erika gemacht. Zehn Jahre war sie seine Lebensgefährtin gewesen. Dann, vor drei Jahren, hatte sie ihn verlassen. Sie hatte sich in einen Architekten verliebt.

Drei Jahre war das schon her, dachte Robert. Er blickte in die brennende, leicht flackernde Flamme. Er musste an Erika denken. An ihre langen, blonden Haare, ihre wachen blassblauen Augen, ihre schlanke Figur. Sie hatte ein lebhaftes Temperament gehabt, und es hatte sie alles interessiert. Zeichnen und Malen war ihr Hobby und Beruf. Die Wände der Wohnung waren voll von ihren Bildern gewesen. Nun, dachte Robert, sie hatte wirklich mit ihrer Zeit etwas anzufangen gewusst. Langeweile kannte sie nicht.

Vielleicht bin ich ihr zu langweilig geworden, und das hat sie nicht ausgehalten, überlegte Robert.

Schließlich löschte er die Kerze. Er holte sich aus der Küche einen kleinen Löffel und wollte das Tortenstück aufessen. Da fiel ihm ein, das Kaffee dazu gut schmecken würde. Bald arbeitete die Kaffeemaschine und Robert genoss das blubbernde, rhythmische Geräusch, das sie verursachte.

Der Kaffee schmeckte ihm ausgezeichnet, recht gut auch das Stück Torte, schon wollte sich in Robert so etwas wie ein Gefühl der Gemütlichkeit ausbreiten, als er sich bei der Frage ertappte, was er mit dem Rest des Tages tun sollte.

Irgendwie lebte ich so sinnlos dahin, überlegte er. Ich müsst ein Kind haben. Vielleicht wäre es dann besser. Er hatte ein Kind mit Erika haben wollen, aber es hatte sich herausgestellt, dass sie keines bekommen konnte. Das war wohl der schwerste Schlag gewesen, den sie bis dahin hatte einstecken müssen. Bezeichnend war auch, dass der Diplomingenieur, mit dem sie jetzt zusammen war, geschieden war und aus seiner Ehe ein vierjähriges Mädchen hatte. Das hatte sie natürlich umso stärker zu ihm hingezogen, da hatte ich dann natürlich keine Chancen mehr, kam es Robert in den Sinn.

Was sollte er tun? Schließlich war ein besonderer Tag: Er hatte Geburtstag. Sollte er neue gute Vorsätze fasen für die weiteren Lebensjahre? Vielleicht sollte er wieder einmal ein Buch lesen?

Er stand auf und ging zum Bücherschrank. Allzu viele Bücher waren dort nicht zu sehen. Aber da entdeckte ein Büchlein, dessen Titel lautete: „Autogenes Training“. Robert hatte es noch nicht gelesen. Es musste noch von Erika stammen. Sie hatte sich, wie mit so vielem, auch damit beschäftigt.

Ganz begeistert war sie damals vom AT, wie sie es nannte, gewesen. Schließlich hatte sie nach Monaten intensiven Trainierens damit aufgehört. Sie brauchte es nicht mehr, hatte sie verkündet. Was sie daran so fasziniert hatte? Robert wurde neugierig.

Er zog das Buch aus dem Fach, setzte sich in den Lehnstuhl und knipste, da es Winter war und schon früher dunkel wurde, das Licht der Stehlampe an. Zuerst blätterte er wahllos in dem Büchlein herum, dann begann er, es von vorne zu lesen.

Schon das Vorwort war für Robert ein Schuss ins Schwarze. Da fand er sich selbst wieder. Er fand sich wieder in den dort beschriebenen Fällen von Menschen, die sich selbst noch nicht gefunden hatten. Von herabgeminderter Erlebnisfähigkeit, von Stress und vegetativer Dystonie las er da und er fühlte sich angesprochen. Von mangelnder Selbstbesinnung und Ausgeglichenheit. In der Stille den Frieden mit sich selbst und der Welt schließen, dachte Robert. Warum saß er hier an seinem Geburtstag alleine und überlegte? Warum hatte er heute ein Geburtstagsfest mit Freunden ausgeschlagen? Er wollte ja etwas in seinem Leben verändern. Er wollte leben! Als ihm am Vormittag eine Kollegin alles Gute zum Geburtstag gewünscht hatte, war in ihm der Gedanke aufgestiegen: Das soll alles gewesen sein?

Er las und las. Erinnerungen an Erika überfielen ihn, als sie sich noch mit dem AT beschäftigt hatte. Jetzt verstand er verschiedene ihrer Bemerkungen besser, die sie damals von sich gegeben hate. Schade, dachte er, dass er die Bilder, die sie damals gemalt hatte, nicht mehr besaß. Sie hatte sie alle mitgenommen.

In den Büchlein waren auch Fallbeschreibungen angeben, die Robert besonders interessierten. Es rief Staunen in ihm hervor, in welchen Fällen das Autogene Training schon geholfen hatte. Vielleicht sollte er sich doch mehr mit dieser Materie beschäftigen. Vielleicht half ihm, wie schon so vielen, das AT über seine Lebensklippen hinweg. Er müsste es einmal selbst versuchen, Nun sollte man das Autogene Training nicht ohne einen erfahrenen Arzt machen, aber es reizte in sosehr, einen Versuch zu wagen, dass er sich auf das Bett legte. Er lass noch einmal genau die Formeln für die erste Übung durch und begann er.

Da machte er eine Entdeckung.

Als er sich in entspannte Haltung vorsagte: Ich bin ganz ruhig – wurde er wirklich ganz ruhig. Er atmete tief und Freude durchflutete ihn. Er fühlte sich frei, von den Belastungen des Alltags, der Unrast und der Langweile. Nur so daliegen, dachte er. In bin zufrieden. Dieser erfüllende Zustand dauerte allerdings nicht lange. Dann brach er die Übung ab. Diese Heilverfahren muss ich erlernen dachte er. Ich werde es allein, ohne Arzt vorsichtig versuchen. Erika hatte es auch gemeinsam mit einer Freundin geübt und es hatte ihr nicht geschadet. Er hätte gerne mit Erika über seine neue Entdeckung gesprochen. Aber sie waren ja seit Jahren nicht mehr persönlich in Kontakt miteinander. Schade, dachte er. So lange waren sie ein Herz und eine Seele gewesen und dann sollte alles schlagartig aus sein.

Andererseits, sollte er ihr nicht das Büchlein zurückgeben? Er bräuchte sie nur anzurufen. Aber das hatte ja doch keinen Sinn. Nein. Er würde sie nicht anrufen. Schließlich hatte er auch seinen Stolz. Allerdings erschien ihm dieser Gedanke schon bald irgendwie lächerlich. Er würde ja sehen. Vielleicht rief er sie irgendwann einmal an. Heute jedenfalls nicht. Heute wollte er seine Ruhe haben.

Was könnte er noch tun? Er könnt eine Platte auflegen. Beethoven – vielleicht Klaviersonaten. Oder war vielleicht schöne Musik im Radio? Er schaltete das Radio ein. Nein, heute nicht Ö 3, dachte er und er und drehte an den Knöpfen. Schließlich fand er Ö 1 und es war Ö 1 und es war tatsächlich ernste Musik, die er zu hören bekam.

Was das wohl für ein Komponist war; was für eine Stilrichtung? Robert hatte zwar Matura, aber manchmal fragte er sich, ob er von seinem Wissen überhaupt noch etwas übriggeblieben war. Vielleicht sollte er dort fortsetzen. Mehr Sachbücher lesen, Literatur. Und was die Musik betraf: Er hatte einmal Gitarre spielen gelernt. Aber da hatte er sich ausgedrückt, wo er nur konnte. Nein, es war nicht viel los mit ihm. Er hatte ja seit der Matura nicht viel aus sich gemacht. Und das muss ihm natürlich heute durch den Kopf gehen, heute, wo er Geburtstag hatte. Aber schließlich wollte er ja allein sein und nachdenken.

Er setzte sich in den Lehnstuhl und höre Musik zu Aber es war ihm unmöglich, sich einzugliedern. Sie kam ihm irgendwie barock vor, andererseits modern. Nun, er hatte von Ingrid gehört, die Musiklehrerin für die Hauptschule war, dass moderne Komponisten gerne auf barocke Musik zurückgriffen, vielleicht war das hier so ein Fall. Sie hatte damals als Beispiel Hindemith erwähnt. Vielleicht sollte er sich einmal von Paul Hindemith eine Platte kaufen. Er nahm es sich zumindest vor. Dann könnte er Ingrid zum Anhören einladen; sie könnten sich eine schöne Stunde mit Musik machen und nachher darüber plaudern. Obgleich er wahrscheinlich nicht viel dazu zu sagen haben würde. Nun, solch ein musikalischer Idiot war er auch wieder nicht. Schließlich hatte es eine Zeit gegeben, da hatte ihm ernste Musik ziemlich viel bedeutet. Das war gewesen, als Erika kennengelernt hatte. Was hatten sie da nicht gemeinsam Musik gehört. Und es war immer nur wertvolle Musik gewesen, eine andere hätte Erika auch nicht geduldet.

Ich habe einen gar nicht kleinen Teil meines Lebens verblödet. Mit Arbeitskolleginnen und Freunden über Nichtigkeiten gesprochen. Kaum etwas Ernsthaftes. Furchtbar, ging es ihm durch den Kopf. Ich komme mir vor wie in der Hochpubertät, da habe ich auch solche Sachen gedacht. Aber da habe ich wenigstens noch gelebt!

Nun wurde es etwas ruhiger in ihm, da ihn eine Stelle der Musik ergriff. Ein neuer Satz hatte begonnen.

Ein langsamer Satz und er stach ganz krass von der eher aufgeregten Dissonanzen reichen Musik des vorigen Satzes ab. Nun, es kamen auch hier genug Dissonanzen vor, wie er bald feststellte, aber sie wirkten weicher und ein warmer Glanz lag über dem Cellopart, der gerade gespielt wurde. Was das wohl für ein Komponist war, und wie konnte man überhaupt so etwas komponieren? Da durfte man nicht so ein abgestumpfter Bruder sein, wie er einer war. Da musste man sich noch für etwas begeistern können.

Zum Fernsehen hatte er heute kaum Lust, aber es sah in der Zeitung nach, was es gab. Lauter Mist. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er sich alles angeschaut. Aber dann hatte es ihm vor sich selbst gegraust. Er hatte diese Unsitte abgestellt.