Wenn Angst und Liebe sich umarmen - Marina Kaiser - E-Book

Wenn Angst und Liebe sich umarmen E-Book

Marina Kaiser

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Beschreibung

Eine Märchengeschichte wie aus 1001 Nacht, die heilende Prinzipien in sich trägt: Ein gütiger Sultan und eine verstörte, angstvolle Haremsfrau, belastet durch traumatische Erlebnisse, sind die Hauptfiguren dieser Geschichte, die den liebevollen Umgang mit schmerzlichen Gefühlen thematisiert. Die Erzählerin ist die "Kraft der Liebe", die sich im Anschluss an das "Märchen" an den Leser wendet und unterstützende Impulse im Umgang mit Angst und anderen belastenden Gefühlen gibt. Dieses Märchen lädt ein zu einer Traumreise, in der sich Angst in Vertrauen wandelt, Widerstand und Flucht mit Güte beantwortet werden und Ablehnung Annahme erfährt. Alte Wunden der Protagonistin Selina erhalten heilsame Impulse durch freundliche Zuwendung und die Kraft der bedingungslosen Annahme. Interessante, behutsame Wege zur Bewältigung ihrer Ängste tun sich auf. Die Begegnung mit einer weisen Frau, ein Seelengespräch mit ihrem verstorbenen Vater, heilsame Rituale und das Entdecken ihrer inneren weisen Stimme helfen ihr, Vertrauen zu fassen, neue Kräfte zu entwickeln und erste Schritte zu wagen in mehr Lebendigkeit und Freude ...

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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Unser Dank

Hiermit bedanken wir uns herzlich für die Unterstützung unserer Familie, unserer menschlichen und himmlischen Freunde und all unserer LeserInnen, die uns durch ihr Da-Sein und ihr Interesse den Impuls gaben, dieses Buch in die Welt zu bringen!

Rolf:

Mein Dank gilt besonders den LeserInnen meines Blogs https://sultangeschichte.wordress.com/, auf dem diese Geschichte erstmalig veröffentlicht wurde, sowie auch den Leserinnen meines Blogs https://ichwageesjetzt.wordpress.com/, in dem ich meine persönlichen Erfahrungen, Gedanken und einiges von dem, was mich berührt, mitteile.

Marina:

Ich danke von Herzen den BesucherInnen meiner Webseite www.marina-kaiser.de, in der ich mit jeweils neuen monatlichen Beiträgen eine Landschaft voller Gelegenheiten zur Inspiration und Stärkung gestalte (da gibt es „die Tages-Kraft-Impulse“, Engelkarten und andere Energie-Karten zum Online-ziehen, Geschichten, Gedichte, meine beruflichen Angebote, das Gute-Nacht-Stübchen u.v.m…), und ich danke auch den LeserInnen meines Blogs https://innereskind.wordpress.com/

Wir beide danken herzlich all unseren Lesern und Kommentatoren… Danke für die tollen, wertschätzenden Feedbacks, die uns Mut machten zu diesem Buch!

Danke allen liebevollen geistigen Kräften, die diese Geschichte durch uns haben entstehen lassen, und die uns in diesem Buch wie auch im persönlichen Leben leiten und begleiten…

Und wir danken unserer allgegenwärtigen Freundin, der „Kraft der Liebe“, die in diesem Buch als Erzählerin auftritt. SIE gibt im Anschluss an die Geschichte im zweiten Teil des Buches unterstützende Impulse zum Umgang mit Angst und anderen Gefühls-Anteilen in uns.

Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG: Die Kraft der Liebe stellt sich vor

Ein Märchen beginnt

Willkommen

Der Wunsch zu fiehen

Eine offene Tür

Verständnis und Vergebung

Ein Brief des Sultans

Erleichterung

Kostbare Schätze

Erste Berührungen

Eine schwere Entscheidung

Unerwartete Hilfe

Selinas Entscheidung

Ein kleines Licht

Die Liebe des Lebens und Verletzlichkeiten

Etwas geben können

Das Versprechen

Traum oder Wirklichkeit?

Ein neues Zuhause

Magische Momente

Vielleicht... ist es wirklich Liebe?

Die Waschung

Wandlungen

Geborgenheit

Neue Erfahrungen

Liebe und Hilfe

Das Bäumchen

Das Ritual

Die letzte Tür

Die Kraft der Liebe umarmt alles

!

Heilungsimpulse für Angst und andere schwere Gefühle

Ein Brief von Selina und Raoul an dich

EINLEITUNG:

Die Kraft der Liebe stellt sich vor

Sei gegrüßt, lieber Mensch!

Du kennst MICH,

und doch erkennst du MICH oft nicht.

ICH wirke in Deinem Leben,

und doch unterschätzt Du oft meine Wirksamkeit,

dabei präge ich Deine Wirklichkeit,

denn ohne MICH gäbe es dich nicht!

ICH bin in vielfältiger Weise präsent,

trage die unterschiedlichsten Masken,

spiegele mich in abertausenden von Gesichtern,

strahle in allen Lichtern…

ICH bin, die ICH bin –

und verleihe dem Leben seinen Sinn.

ICH bin die Kraft der Liebe.

ICH bringe dir

ein Märchen,

in dem sich

Frau und Mann,

Angst und Güte,

Zartheit und Kraft,

Verzagtheit und Macht,

Unruhe und Gelassenheit,

Widerstand und Hingabe begegnen,

um miteinander zu leben und zu tanzenzunächst

in ihren verschiedenen Rhythmen,

die schließlich zu einem gemeinsamen Rhythmus

von Frieden, Vertrauen und Lebendigkeit zusammen finden.

Wie so viele Geschichten möchte ICH auch diese,

die übrigens gut in den Räumen der Märchen von

Tausend-und-einer-Nacht angesiedelt werden könnte,

beginnen mit dem uns allen bekannten

„ES WAR EINMAL...“

...wohl wissend, dass es richtiger heißen müsste

„ES IST...“

Denn nichts war jemals, das nicht heute noch ist.

Gestern und heute sind eins

jenseits der Welt des irdischen Scheins…

Ein Märchen beginnt

Die Kraft der Liebe erzählt:

Es waren einmal… ein Mann und eine Frau.

Das erste, was ICH, die Kraft der Liebe, zu tun hatte, war, dafür zu sorgen, dass sich die beiden begegneten. So gab ICH dem Mann Raoul, der ein mächtiger Sultan war, den Impuls, eine Reise ins Nachbarland zu unternehmen, um dem dort herrschenden Sultan Ohmada einen Besuch abzustatten. Dort traf er auf eine Frau, die noch nicht sehr lange zum Harem dieses Sultans gehörte.

ICH sorgte dafür, dass er sie nicht nur zu Gesicht bekam, sondern in ihr Gesicht, genauer gesagt in ihre Augen schaute – und damit Einblick in ihr Inneres gewann.

Mit ihrer Verzweiflung, ihrer Zartheit und ihrem Schmerz berührte sie sein Herz. Und er fand den Sinn dieser Reise darin, in seiner Weise für sie zu sorgen - so schuf er ihr ein neues Morgen, indem er sie „kaufte“ und mit sich nahm in seinen Palast. Das schien ihr erst einmal als neue Last. Doch er wollte dafür sorgen, dass sie bald einen neuen GUTEN Morgen darin erblicken konnte.

Noch schien eine neue Hoffnung für sie weit entfernt. Zu bitter und schmerzlich war die vergangene Zeit, zu heftig ihr bereits erlebtes Leid, als dass sie auch nur ein Hauch von Zuversicht finden konnte.

Ja, hier ist MEINE Kraft, die Liebe, sehr von Nöten! Und da der Sultan einen guten Draht zu MIR hat, werde ICH in dieser Beziehung viel tun können. Mal sehen, wie die beiden MICH in ihrem Miteinander erkennen werden…

Willkommen

Die Kraft der Liebe erzählt:

Unsichtbar, wohl aber deutlich für ihn fühlbar, begleite ICH den Sultan zurück in seinen Palast. Er begrüßt seine neue Harems-Frau gerade in diesem Moment und ist berührt von ihrer Zartheit und Verletzlichkeit.

Lasst uns nun hier gemeinsam in die Geschichte eintreten und schauen, wie ihre erste Begegnung in seinem Palast verläuft...

***

Raja, eine langjährige Dienerin, saß neben dem Sultan auf dem mit weichen Fellen und Kissen bedeckten Boden. Ihre Hand streichelte sanft seinen Arm, als Sarah, eine der Haremsfrauen, in Begleitung der gerade angekommenen jungen Frau sein Gemach betrat. An der Tür knieten beide nieder.

„Erhebt euch und tretet näher!“ forderte der Sultan die Frauen auf. Sarah legte der anderen Frau die Hand auf die Schulter und schob sie sanft weiter in den Raum, bis beide dicht vor ihm standen.

„Ich danke dir, Sarah. Lass uns jetzt bitte allein.“ Auch Raja verließ leise den Raum, nicht ohne der neuen Frau noch ein warmes, freundliches Lächeln geschenkt zu haben.

Als die beiden den Raum verlassen hatten, schaute er sie nachdenklich an. Er erinnerte sich an die etwas zerrissene Kleidung, in der er sie bei Sultan Ohmada gesehen hatte. Sie trug jetzt ein ärmelloses, langes, Kleid, dessen Träger über den Schultern zusammengerafft waren. Es war äußerst geschmackvoll für sie ausgewählt worden, aber vielleicht entsprach es doch nicht ganz dem, was sie selbst gern getragen hätte…

Der Blick aus ihren großen Augen war starr auf den Boden gerichtet, ihre Lippen waren wie ein schmaler Strich in ihrem Gesicht. Das mittellange, braune Haar war sorgfältig gekämmt und fiel ihr in weichen Wellen auf die Schultern. Sie wirkte sehr ängstlich, schien regelrecht in sich zusammen gezogen zu sein, und ihr schlanker Körper verstärkte diesen Eindruck noch.

Der Sultan lehnte sich zurück und wies auf den Platz vor sich. „Setz dich bitte.“

Die Frau schaute ihn ungläubig an, sah auf den Platz vor ihm, der mit einem weichen Fell bedeckt war. Erst nachdem sie erneut ihren fragenden Blick auf den Sultan richtete und dieser nickte, setzte sie sich widerstrebend.

„Wie heißt du?“ fragte der Sultan leise.

„Selina.“ Sie hatte die Hände in ihrem Schoß liegen und sah kaum hoch.

„Ich möchte dich zunächst einmal in meinem Palast herzlich willkommen heißen, Selina. Erzähle mir etwas von dir,“ forderte der Sultan sie freundlich auf.

Als sich ihre Blicke begegneten, sprach er weiter: „Sag mir, woher du kommst und was du bisher erlebt hast.“

„Ich komme aus einem Land aus dem Norden. Dort wuchs ich als Tochter eines Priesters auf…“ Selina stockte und schluckte, „…bis der Krieg kam. Unser Ort wurde abgebrannt. Ich wurde mit vielen anderen Frauen verschleppt… und an den Sultan Ohmada verkauft...“ Selina rang mit den Tränen, „…als Haremsfrau!“ Ihre Stimme erstarb, und wieder blickte sie zu Boden.

„Du hast dich ihm verweigert?“ fragte der Sultan leise.

„Ja,“ antwortete Selina - und noch leiser: „Es hat mir nichts genützt. Sultan Ohmada hat… mich mit Gewalt genommen und geschlagen - als Strafe… und jetzt… “

Raoul ahnte, welche bedrückenden Gedanken ihr durch den Kopf gingen.

„Du bist zwar auch bei mir eine Haremsfrau,“ der Sultan lächelte sie freundlich an, als er weiter sprach, „aber du brauchst keine Angst zu haben - es gibt bei mir keine Strafen!“

„Keine Strafen?“, fragte Selina. Sie sah den Sultan ungläubig an.

„Nein, es gibt bei mir weder Strafe noch Zwang und Gewalt“, wiederholte der Sultan geduldig. „Du lebst zwar in meinem Harem, aber ich werde von dir nichts verlangen, was deinen Gefühlen entgegen steht.“

Selina sah ihn mit großen Augen an. „Und was soll ich hier machen?“ fragte sie.

„Ich möchte, dass du dich hier in der nächsten Zeit von deinen Strapazen bei Sultan Ohmada erholst. Du kannst dir den Palast ansehen, durch den großen Garten spazieren, im See des Gartens baden, mit den anderen Frauen reden, mit ihnen etwas unternehmen… was du möchtest. Ich gestatte dir jedoch nicht, den Palast und das ihn umgebende Gelände zu verlassen!“

In ihren Augen konnte er deutlich erkennen, dass sie an seinen Worten zweifelte. „Ich soll mich erholen?“ fragte sie ungläubig.

„Ja“, antwortete der Sultan ruhig, „Ich möchte, dass sich die Frauen in meinem Haus wohlfühlen. Sie können sich auf jede erdenkliche Weise vergnügen. Sie können lesen, tanzen, singen, musizieren, spielen… was immer sie wollen. Und ich verlange von keiner etwas, wozu sie nicht im Innersten bereit ist.“

„Und Sie verlangen keine... nicht, dass ich...“ Selina suchte beklommen nach Worten, „ich muss nicht...?“

„Nein, du musst es nicht tun! Aber ich möchte, dass wir uns näher kennen lernen. Ich wünsche, dass du jeden Abend bei Sonnenuntergang zu mir kommst.“

Selina zuckte zusammen. Als sie den Sultan ansah, fuhr er fort: „In dieser Zeit werden wir uns näher kennen lernen und die verschiedensten Dinge gemeinsam machen. Was es sein wird, kann ich dir heute noch nicht genau sagen. Bald wirst du merken: Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich werde dir niemals weh tun.“

„Ich kann das gar nicht glauben“, sagte Selina. „Sie haben mich als Haremsfrau gekauft und …ich soll mich erholen?! Sie verlangen keine Liebesdienste… Was wollen Sie?!“

„Ich möchte, dass du dich hier wohl fühlst, dass du dich erholen kannst, und dass du deine Angst vor mir nach und nach verlierst“, wiederholte der Sultan freundlich, obgleich er sah, dass sie seinen Worten keinen Glauben schenken konnte.

„Manches braucht einfach Zeit und viele neue Erfahrungen. Du wirst es irgendwann verstehen, Selina. Für heute möchte ich unser Gespräch erst einmal beenden. Ich glaube, du brauchst jetzt erst einmal Zeit für dich. Du darfst jetzt in dein Gemach zurück gehen.“

Als sich Selina erhoben hatte und zur Tür wandte, sagte der Sultan: „Morgen Abend bei Sonnenuntergang sehen wir uns wieder. Du findest mich hier.“

Als Selina gegangen war, lehnte sich der Sultan zurück und schloss die Augen.

Er war beeindruckt von ihren großen Augen und ihrer zarten, schönen Gestalt. Dabei ahnte er auch, wie kraftvoll und lebensfroh sie sein könnte, wenn sie nicht so von ihrer Furcht beeinträchtigt wäre. Sie saß vor ihm wie ein ängstlich zusammen gekauertes Kind, das seine Strafe erwartet.

Sie haderte verständlicherweise mit sich und ihrer Situation. Jeder Satz von ihm wurde, ausgelöst durch ihre jüngst erlebten schlimmen Verletzungen und Demütigungen, argwöhnisch hinterfragt. Sie war so in ihrer Angst gefangen, dass ihre Hände zitterten, und sie wirkte auf ihn so zusammengezogen, dass er fast körperlich spürte, wie unwohl sie sich fühlen mochte.

Ihm war bewusst, dass es viel Geduld und Liebe erfordern würde, ihr Vertrauen zu gewinnen, um ihr zeigen zu können, dass es auch für sie und in ihr Liebe gab, die unter all ihrer Angst darauf wartete, entdeckt und gefühlt zu werden.

***

Nun, lieber Leser, hast du MICH in dieser ersten Begegnung schon ein Stückchen durchschimmern sehen, MICH, die Kraft der Liebe?

Was Selina anbelangt – nun… sie hatte natürlich noch Mühe, MICH zu entdecken. Da brauchen wir noch viel Zeit, Geduld und etliche gute Ideen und liebevolle neue Erfahrungen…

Auch die zweite Begegnung mit dem Sultan war für sie angstbesetzt und höchst verwirrend. Seine gleichbleibende ruhige Freundlichkeit konnte sie noch nicht erreichen.

In der Nacht - da sind übrigens MEINE Einflussmöglichkeiten besonders groß - gab ICH dem Sultan eine Idee, um ihr die erste Zeit in seinem Palast etwas zu erleichtern: Er wollte ihr schönes Schreibzeug und ein leeres Büchlein schenken, um ihre Gefühle ausdrücken zu können. Da es hier noch keinen Menschen gab, dem sie vertrauen konnte, so war das Tagebuch möglicherweise ein „Gegenüber“, dem sie alles erzählen konnte, was sie bewegte...

Der Wunsch zu fliehen

Selina war überrascht über dieses schöne Geschenk. Da sie des Schreibens kundig war und es als hilfreich empfand, ihre Gedanken auf Papier zu bringen, nutzte sie es und schrieb über ihre ersten Eindrücke der Begegnung mit dem Sultan:

Hier nun meine erste Eintragung in dich, du mein Tagebuch. Ich will dich als meinen Gefährten betrachten, als Freund in der Fremde!

Nun bin ich seit kurzem hier im Palast meines neuen Gebieters. Bei unserer heutigen Begegnung schenkte er mir dich und das andere edle Schreibzeug. Ich könne alles, was mich bewegt, unbesorgt nieder schreiben. Vielleicht würde mir das Schreiben beim Bewältigen meiner Gefühle helfen…

Ganz sicher würde es niemand lesen – versprach er mir. Mein Zimmer würde niemand betreten, der nicht von mir eingeladen wird. Auch er würde diese Regel, die er selbst aufgestellt hatte, nicht brechen - es sei denn, es gäbe zwingende Gründe dafür.

Mein Geschriebenes wäre also nur für mich zugänglich… Kann ich das wirklich glauben? Gibt es hier tatsächlich ein wenig Privatsphäre für mich? Nach all dem Schlimmen, was ich bei Ohmada durchgemacht habe, kann ich es kaum fassen. Ich werde vorsichtig sein! Aber es tut gut, das, was mich bewegt, aufzuschreiben. Ich habe ja auch zuhause damals gern geschrieben... Ein winziges Stück Hoffnung wächst in mir, dass alles doch nicht ganz so schlimm wird…

Außerdem ist auch Briefpapier dabei. Er sagte, wenn ich ihm einmal einen Brief schreiben wolle, würde er sich freuen. Manches könne man schriftlich leichter ausdrücken als im persönlichen Gespräch. Ich war verblüfft über solche Gedanken aus dem Kopf eines Mannes.

Schon die erste Begegnung mit ihm hatte mich erstaunt. In meiner Panik vor dem, was mich wohl hier erwarten würde, brachte ich kaum ein Wort heraus. Es wundert mich noch jetzt, wie ruhig, geduldig, ja sogar freundlich er zu mir war. Ob er in den ersten Begegnungen zu jeder Frau so ist?

Ob seine Worte wirklich der Wahrheit entsprechen?

Keine Gewalt… kein Zwang… keine Strafe…?

Kann das wirklich wahr sein?

Dafür muss ich täglich zu ihm gehen! Das ist häufiger als vorher bei Ohmada.

Er erklärte mir, erst einmal sollten wir uns kennen lernen, miteinander über einiges reden… Und dann? Was folgt wohl nach dem „erst einmal“…?

Ich sollte vorsichtig sein… mir keine falschen Hoffnungen machen! Schließlich bin ich als Frau in seinen Harem eingekauft worden. Da werden gewisse Dienste auf Dauer wohl unabwendbar sein… Oh Gott, ich habe davor eine so große Angst! Auch wenn er nun wirklich keinen brutalen Eindruck macht – er ist schließlich ein Mann, der Herrscher hier – und kann alles mit mir machen, alles von mir verlangen, was er will! Irgendwann ist das mit dem Kennenlernen vorbei – und dann…

Warum nur bin ich in diese Situation geraten? Wieso spielt das Schicksal ein so hartes Spiel mit mir?

Doch ein Fünkchen Hoffnung ist in mir, dass es wenigstens nicht ganz so hart und brutal werden wird wie zuvor bei Ohmada. Vielleicht hätte ich nicht sagen sollen, dass ich ihm keine Liebesdienste geben will… Hoffentlich habe ich mir sein anfängliches Wohlwollen damit nicht verdorben!

Er benutzte das Wort „Verweigerung“, und ich gab zu, mich bei Ohmada verweigert zu haben. Hoffentlich habe ich damit nicht einen rebellischen Eindruck hinterlassen…

Vielleicht hätte ich auch nicht sagen sollen, dass ich die Tochter eines Priesters bin. Hier herrscht sicher eine völlig andere Gottheit, und gerade in religiöser Hinsicht gibt es oft viel Kampf!

Hoffentlich habe ich nicht gleich am Anfang alles verdorben. Ich hätte lächeln sollen und freundlich erscheinen, wenigstens so tun als ob… aber ich kann das einfach nicht!

Oh Gott, hilf mir! Schenke mir doch eine Gelegenheit, allem hier zu entkommen und nach Hause zurück zu gelangen…

Die Kraft der Liebe erzählt:

Der Sultan hatte recht: Noch war sein neuer Schützling ausschließlich von Furcht beherrscht. In ihrer Angst und ihrem Misstrauen kreisten Selinas Gedanken immer wieder um die Frage: „Wie kann ich von hier weg kommen? Welche Möglichkeiten könnte ich finden, unbemerkt zu fliehen?“

Da ihr Denken fast nur um diese Thematik kreiste, musste ICH es aufgreifen und ihr zeigen, wohin es führte - auch wenn dieser notwendige Umweg für sie kurzfristig nochmals zu belastenden Gefühlen führen würde…

Ihre Gedanken wurden durch ihre Intensität zu Aufträgen, die das Leben erfüllen musste. ICH würde allerdings dafür sorgen, dass die Umsetzung dieses Auftrages und die Folgen, die daraus entstehen würden, so mild wie möglich abliefen...

Eine offene Tür

Die Kraft der Liebe erzählt:

Der Dienst für Selina, der MIR als die Kraft der Liebe möglich war, bestand darin, ihren Wunsch zu erfüllen und ihr eine Gelegenheit zur Flucht zu schaffen, obwohl ICH ihr die dadurch resultierenden Gefühle lieber erspart hätte. Denn glücken durfte diese Flucht nicht! Das wäre nicht vereinbar gewesen mit ihrem Lebenskonzept, das ihre Seele gestaltet hatte vor Urzeiten – oder vielleicht sollte ICH besser sagen: auf einer anderen Ebene ihres Seins im immerwährenden JETZT. Der Aufenthalt beim Sultan sollte zu einer tiefen, heilenden Erfahrung ihres Lebens führen. Ihrer beider Seelen hatten sich dazu verabredet.

Um ihr zu dienen, musste ICH zunächst ihren Wunsch erfüllen, weil er mit sehr starken Gefühlen besetzt war. ICH gestaltete diesen Weg jedoch so schmerzarm wie es irgend möglich war.