Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Veränderungen stehen an, wenn die Familie wächst. Das gilt für die Eltern- und Paarbeziehung, auch das bisher einzige Kind ist davon in besonderer Weise betroffen: von nun an wird es Zeit, Platz und Zuwendung der Eltern zu teilen. Die zahlreichen Aspekte des alltäglichen Lebens, die sich mit der Schwangerschaft und der Ankunft eines zweiten Kindes verbinden, werden in diesem Buch lebensnah und pragmatisch thematisiert. Wie können Eltern das Erstgeborene auf das Geschwisterchen vorbereiten? Wie gehen sie flexibel mit den neuen Herausforderungen um? Wie reagieren sie gut auf die vielleicht manchmal heftigen Reaktionen des ersten Kindes? Dieser Ratgeber weist einen Weg, wie alle gemeinsam die Umstellungen und Anpassungen meistern und zu einem harmonischen Familienleben finden.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2018
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Jeanette Stark-Städele
Wenn das zweite Kind kommt
Als Familie zusammenwachsen
Titel der Printausgabe: Wenn das zweite Kind kommt. Als Familie zusammenwachsen
Bisheriger Titel: Wenn das zweite Kind kommt.
Was ein Geschwisterchen alles ändert
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2018
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
© Urania Verlag in der Verlag Herder GmbH, Freiburg
im Breisgau, 2006
Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von der Verfasserin sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden, ebenso ist eine Haftung der Verfasserin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.
Umschlaggestaltung: agentur IDee
Umschlagmotiv: © petrenkod/thinkstock
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN (E-Book): 978-3-451-81299-6
ISBN (Buch): 978-3-451-60048-7
Inhalt
Aus drei werden vier – Einführung
Noch ein Kind?
Das Ideal der »richtigen« Familie
Brauchen Kinder Geschwister?
Zwei Kinder – doppelte Freude, doppelte Arbeit?
Wann ist der richtige Zeitpunkt fürs zweite Kind?
Wir freuen uns aufs zweite Kind!
Wie die Mutter die zweite Schwangerschaft erlebt
Wie Väter die zweite Schwangerschaft erleben
Bereicherung oder Belastung für die Partnerschaft?
Die Reaktionen der Umwelt
Geburtsvorbereitung: eine wertvolle Zeit
Wann und wie sagen wir’s unserem Kind?
Als Familie die Schwangerschaft erleben
Praktische Vorbereitungen
Das Geschwisterkind ist da!
Die Geburt und die ersten Wochen
Wie Erstgeborene auf den Neuankömmling reagieren können
Groß und vernünftig?
Den Alltag neu erleben
Hilfen für unser »entthrontes« Kind
Entthronung – Was passiert denn da?
Triebfeder: Eifersucht
Aggression: Wie kann ich mich wehren?
Regression: Ich bin auch noch »klein«
Autoaggression: ich gegen mich …
Psychosomatische Beschwerden: plötzlich immer wieder krank?
Den Alltag mit Kindern organisieren
Klare Strukturen machen vieles leichter
Zwei Kinder versorgen – Tipps und Tricks
Das Familienleben partnerschaftlich gestalten
Besondere Situationen im Alltag meistern
Wenn das Baby mobil wird
Special: Unternehmungen mit Papa
Warum Großeltern so wertvoll sind
Liebe, Streit und Solidarität – Geschwisterbande
Die Bedeutung der Geschwisterbeziehung
Wie Eltern die Geschwisterbeziehung fördern können
Der Platz in der Geschwisterreihe: bestimmend für die Entwicklung?
Wenn es bei zwei Kindern bleibt
Geschwister – und doch grundverschieden
Geschwisterrivalität – Geschwistersolidarität?
Geschwister – treibende Kraft für die Entwicklung?
Geschwisterliebe muss wachsen
Was die Jahre bringen werden
Die Sache mit der Elternliebe: Wen habt ihr lieber?
Die Gerechtigkeit: alle gleich behandeln?
Gesprächskultur: Wie reden wir mit unseren Kindern?
Streiten gehört dazu
»Meins!«
Zur Familie zusammenwachsen
Sie sind bereits eine kleine Familie und erwarten nun Ihr zweites Kind? Wunderbar! Herzlichen Glückwunsch! Oder Sie überlegen noch, wünschen sich ein zweites Kind, sind aber unsicher, was das für Sie bedeutet und wann der richtige Zeitpunkt ist? Dann lassen Sie sich einfach ein auf dieses »Abenteuer«, das aus Ihrer Kleinfamilie eine veritable Familie macht. Sie werden dabei neue Herausforderungen erleben, eine veränderte Familiendynamik, wohl auch wieder schlaflose Nächte – und ungeahnte Glücksmomente!
In einer Familie mit mehreren Kindern aufzuwachsen ist heute nicht mehr selbstverständlich. Trotz aller familienpolitischen Bemühungen des Staats, junge Eltern zu unterstützen, überlegen sich viele Eltern den Schritt zum zweiten Kind gut – angesichts hoher Mieten, fehlender Betreuungsplätze usw.
Doch wer Kinder hat, will in aller Regel nicht mehr tauschen. Kinder sind eine Lebensentscheidung. Wer Familie hat, der strebt nicht nur nach Selbstverwirklichung, beruflichem Erfolg und Besitz, sondern findet Erfüllung und Glück in der Gemeinschaft, in gemeinsamen Unternehmungen, im bewussten Erleben des Alltags, im ständigen Wechsel von Situationen und Lebensphasen. Leider ist dies nach wie vor oft nur schwer mit den Berufsbiographien beider Elternteile zu vereinbaren. Ein Kind lässt sich vielleicht noch irgendwie »unterbringen« – doch zwei Kinder oder mehr? Heute wächst bereits beinahe jedes zweite Kind in einer Ein-Kind-Familie auf. Ja, es ist tatsächlich anders, zwei oder mehr Kinder zu haben als nur eines. Als Eltern erfahren Sie dabei vieles nochmals bewusster und entspannter, aber Sie erleben auch völlig unerwartete Situationen und Herausforderungen. Für die Kinder ist es zweifellos in vielerlei Hinsicht bereichernd, mit einem Geschwisterkind aufzuwachsen.
Denn es stehen durchaus Veränderungen an, wenn die Familie wächst – besonders betroffen ist dabei natürlich auch das bisher einzige Kind, das meist im Zentrum der elterlichen Aufmerksamkeit stand. Nun muss es Zeit, Zuwendung und Schmuseeinheiten teilen. Doch wenn Sie sensibel auf Ihr »großes« Kind eingehen und es umsichtig auf den kommenden Nachwuchs vorbereiten, werden Sie miteinander ein wunderbares Familiengefühl entwickeln.
Und nicht zu vergessen: Auch die Elternbeziehung verändert sich durch die Ankunft eines Geschwisterkindes aufs Neue. Die Rollen wollen überdacht und bewusst ausgestaltet werden – und dabei werden beide Partner ihre Beziehung zu den Kindern immer wieder überdenken, aber auch die Beziehung zueinander wird immer wieder neu ausgerichtet werden.
Es können sich in der Familie auch neue Konstellationen bilden: Erstgeborenes und Vater gehen eine Koalition ein und unternehmen vieles gemeinsam. Oder die Großeltern kommen – wenn sie erreichbar sind – verstärkt ins Spiel und »übernehmen« öfter mal das ältere Kind – meist eine sehr wünschenswerte Entwicklung.
Die vielen Aspekte des alltäglichen Lebens, der seelischen Verfassung des Kindes und die Familienbeziehung, die von der Ankunft eines Geschwisterkindes beeinflusst werden, sollen in diesem Buch angesprochen werden – damit Sie gut vorbereitet, aber auch flexibel auf die Veränderungen reagieren können. Dabei wird hier ganz bewusst das erstgeborene Kind im Mittelpunkt stehen.
Erfahren Sie, wie es die Geburt eines Geschwisterchens entwicklungsbedingt erlebt. Dabei werden auch mögliche Probleme thematisiert. Diese können auftreten, müssen aber keineswegs deutlich zutage treten. Wir möchten Sie sensibilisieren dafür, was in Ihrem Kind vor sich geht, und mögliche Verhaltensweisen des Kindes erklären, damit Sie umsichtig und vorausschauend handeln können. Sie finden dazu viele Tipps sowie praktikable Vorschläge, falls einmal schwierige Situationen entstehen.
Im Laufe der Zeit werden Sie feststellen, dass nicht die perfekte Organisation, die absolute Gerechtigkeit oder der ständige Versuch, es allen recht machen zu wollen, die Basis sind für das Wachsen als Familie, sondern Humor und Flexibilität sowie das Vertrauen in die eigenen Instinkte. Sie werden dabei Selbstvertrauen, Stärke, Lebensfreude, Optimismus gewinnen und im Laufe der Jahre ein Stück Gelassenheit. Und Ihr Erstgeborenes wird ein Geschwisterchen haben – eine Beziehung, die einmalig ist im Leben.
Vertrauen Sie darauf, dass Ihre Liebe und Ihr Verständnis den Weg weisen – und die Freude an einem lebendigen Familienleben!
Vater, Mutter und zwei Kinder – so stellen wir uns die Idealfamilie vor. Und es ist tatsächlich etwas ganz anderes, zwei oder mehr Kinder zu haben als nur eines.
Eltern erleben ganz neue Situationen und Herausforderungen. Für Kinder ist es zweifellos schön und in vielerlei Hinsicht auch bereichernd, mit einem Geschwisterkind aufzuwachsen. Doch selbstverständlich ist das zweite Kind heute nicht mehr und vielerlei Fragen wollen im Vorfeld geklärt werden.
Sie haben ein Kind und lieben es über alles. Der Alltag in Ihrer kleinen Familie hat sich eingespielt, jeder kommt inzwischen zu seinem Recht. Sie und Ihr Partner haben den Übergang von der Paarbeziehung zum Elternsein »geschafft« und jeder hat für sich inzwischen sogar kleine Freiräume zurückerobert. Auch finanziell ist alles einigermaßen geregelt und die Frage der Berufstätigkeit und der Kinderbetreuung haben Sie gemeinsam gelöst.
Eigentlich ist alles perfekt. Doch dann stellt sich so ein seltsames Gefühl ein und immer häufiger steht eine Frage im Raum: »Wäre es nicht schön, noch ein Kind zu haben? Eine »richtige« Familie zu sein?« Manche Frauen – und Männer – sind richtiggehend froh, wenn es einfach »passiert« und sich das zweite Kind ungeplant ankündigt.
Viel wird in den Medien und im Privaten von der »richtigen« Familie geredet: Mutter, Vater und zwei oder mehr Kinder. Das ist das Ideal. Doch unsere Gesellschaft ist bunt und vielfältig geworden. Und so ist heute auch Familie viel mehr: alleinerziehende Mütter oder Väter mit einem oder mehreren Kindern, Patchworkfamilien in vielerlei Gestalt, »deine« Kinder, »meine« Kinder und vielleicht noch gemeinsame Kinder. Das Modell »Familie« umfasst heute eine breite Lebensrealität und – nebenbei bemerkt – auch auf diese Weise kann ein Kind Geschwister bekommen, nicht nur niedliche kleine Babys, sondern Mitbewohner in jedem Alter, was sich auf eine Familienbeziehung, die dabei erst aufgebaut werden muss, wie auch auf die Psyche jedes einzelnen betroffenen Kindes stark auswirken wird.
Doch zurück zum Normalfall, der heute schon gar nicht mehr so normal ist: Sie haben ein Kind und Sie wünschen sich ein zweites Kind. Welche Gründe bewegen Sie, außer dem »Bauchgefühl«, das sich tief im Innern meldet?
Vielleicht sind Sie selber oder Ihr Partner mit Geschwistern groß geworden und haben Ihre Kindheit und das Gefühl der Gemeinschaft in bester Erinnerung und als stabile Grundlage Ihres Lebens erfahren. Geblieben nach all den Jahren ist die Erinnerung an die Geschwistersolidarität; die Erinnerung an Rivalitäten und Zankereien ist in den Hintergrund getreten.
Vielleicht sind Sie aber auch als Einzelkind aufgewachsen und wünschen sich gerade deshalb Geschwister für Ihr Kind, weil Sie immer etwas vermisst haben: als Kind jemanden zum Spielen, zum Reden, als Beistand, als Verbündeten. Die Eltern sind sowieso immer die Stärkeren und außerdem sind sie zu zweit.
Sie haben dagegen noch in allzu guter Erinnerung, dass Sie sich oft allein gefühlt haben und vermissen heute als Erwachsener immer noch weitere Familienbande und -verbündete. Besonders spürbar ist dieser Mangel an den typischen Familienfesten, z.B. an Weihnachten, wenn inzwischen erwachsene Einzelkinder nicht im Kreise einer großen Verwandtschaft zusammenkommen können.
Doch das Einzelkindargument sollte nur zählen, wenn Sie es wie geschildert als eigene Lebenserfahrung mitbringen und empfinden. Die bewusste, sozusagen kopfgesteuerte Entscheidung für ein weiteres Kind, damit das erste kein »verwöhntes« Einzelkind bleibt, ist eher mit Vorbehalt zu betrachten (mehr dazu in Kapitel »Brauchen Kinder Geschwister?«.). Nicht aus pädagogischen Gründen heraus sollten sich Eltern für ein weiteres Kind entscheiden, sondern aus der Freude am Leben mit Kindern.
Ebenso zweifelhaft ist der Wunsch nach einem weiteren Kind, weil man sich noch einen Jungen – oder ein Mädchen – wünscht. Ist die Persönlichkeit vom Geschlecht abhängig? Zweifellos sind Jungs anders als Mädchen, das will heute niemand mehr wegdiskutieren. Doch jedes Kind hat seine ganz eigene Persönlichkeit – da gibt es wilde Mädchen und sanfte Jungs. Wird man das Kind tatsächlich weniger lieben, wenn es nicht das ersehnte Geschlecht hat?
Nicht selten drängt sich durch das soziale Umfeld die Frage nach einem weiteren Kind auf. Freundinnen aus der Krabbelgruppe sind wieder schwanger, Mütter im Kindergarten, in den das eigene Kind vielleicht schon geht, ebenfalls. Aus den Ein-Kind-Familien im Wohnviertel werden Zwei-Kind-Familien – da kommt man selbst bald ins Grübeln.
Überlegen Sie, ob Sie wirklich selbst einen starken Kinderwunsch verspüren oder Ihr Umfeld hierbei eine Rolle spielt. Würden Sie auch noch ein Kind wollen, wenn Sie inmitten lauter Singles wohnen würden?
Vielleicht ist Ihr Kind aber auch schon so groß, dass es selber nach Geschwistern fragt, sich so sehr ein Brüderchen oder Schwesterchen wünscht – doch Vorsicht: Bitte keine falschen Erwartungen wecken. Da kommt zunächst kein Spielkamerad auf die Welt, sondern erst einmal ein kleines Wesen, das manches durcheinanderbringt.
Letztlich entscheidet das Gefühl – oder der Bauch. Man kann sich noch so viele Gedanken über Vor- und Nachteile von ein, zwei oder mehreren Kindern machen, vernünftige Argumente abwägen, die Frage nach Beruf und sozialer Absicherung stellen – wenn man noch ein Kind will, dann sollte – und wird – man es auch bekommen! Freuen Sie sich darauf!
Führen wir aber dennoch unsere rationalen Überlegungen, die sich gleichwohl aufdrängen, zu Ende, damit keine Fragen oder Zweifel offen bleiben.
»Typisch Einzelkind« – die Stereotype vom verwöhnten, egoistischen Prinzen oder der überbehüteten Prinzessin geistern durch viele Köpfe. So wünscht man sich das eigene Kind sicher nicht. Doch das Vorurteil hält einer sachlichen Überprüfung nicht unbedingt stand. Einzelkinder bekommen mehr elterliche Aufmerksamkeit, sind mit zunehmendem Alter meist vernünftiger, sprachlich gewandter und, so belegen Studien immer wieder, in der Schule oft besonders erfolgreich. Aber: Ähnliches gilt tendenziell auch für Erstgeborene. Da Einzelkinder häufig das »Ein und Alles« ihrer Eltern sind, alleiniger Hoffnungsträger, werden sie nicht selten von den vielfältigen Ansprüchen und Erwartungen ihrer Eltern überfordert. Bei Geschwistern verteilen sich Aufmerksamkeit, aber auch Ansprüche auf mehrere Köpfe. Das kann durchaus von Vorteil sein. Kein Kind muss allein die Projektionen aller elterlichen Wünsche tragen oder gar erfüllen; das bedeutet unter Umständen auch, dass jedes Kind sich freier entfalten kann.
Geschwister untereinander – das bedeutet Spiel, Spaß, Hilfestellung und gemeinsame Verantwortung. So stellen wir es uns vor. Geschwister müssen aber auch lernen zu teilen, Rücksicht zu nehmen, Kompromisse auszuhandeln, zurückzustecken – es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Auf diese Weise erwerben sie wichtige soziale Kompetenzen im spielerischen Miteinander und in der alltäglichen Auseinandersetzung. Sie suchen nach Lösungen – auf der gleichen Ebene. Sie müssen nicht nur materielle Dinge teilen und abgeben lernen (was Kinder auch in Kindergruppen lernen können), sondern auch elterliche Aufmerksamkeit – und das können die sozialen Kontakte in Kindergruppen nicht leisten.
Kinder, das wissen wir heute aufgrund zahlreicher Studien, lernen voneinander – oft mehr und besser als von Erwachsenen.
Sie orientieren sich aneinander und eifern einander nach. Was die große Schwester schon kann, will der kleine Bruder auch können. Und so guckt er zu, schaut sich Fähigkeiten ab und probiert so lange, bis er es kann. Es ist ein Lernen durch Tun, ein selbstbestimmtes Lernen entsprechend der eigenen Interessen. So lernen Kinder am besten, viel besser als durch Erklärungen und bewusstes Vormachen durch Erwachsene.
Doch es soll nicht verschwiegen werden, dass Geschwister auch aneinander leiden können. Es besteht durchaus die Gefahr, dass ein Kind zu kurz kommt. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn ein Kind dauerhaft besonderer Aufmerksamkeit bedarf, z.B. wegen chronischer Krankheit, Lernbeeinträchtigung o.Ä. Man darf auch nicht vergessen, dass es trotz aller familiären Bande Geschwister gibt, die sich nicht besonders gut verstehen und vertragen. Jedes Kind hat seine individuelle Persönlichkeit und Geschwister können höchst unterschiedlich sein und völlig konträre Interessen entwickeln, mit wenig Verständnis für den anderen. Eine solch ungünstige Konstellation, die oftmals nur phasenweise auftritt, dürfen Eltern nicht ignorieren. Achten Sie in solch einem Fall sensibel auf die Bedürfnisse jedes Kindes und schaffen Sie jedem Kind möglichst eigene Freiräume.
Geschwisterbeziehungen können sehr unterschiedlich aussehen, ganz verschieden erfahren und erlebt werden. Nur wenige Merkmale lassen sich verallgemeinern. Eines allerdings, das hat die Geschwisterforschung gezeigt, steht fest: Die typischen Entwicklungsaufgaben, die Geschwister in der Kindheit und Jugend gemeinsam zu bewältigen haben und von denen sie in sozialer und persönlicher Hinsicht am meisten profitieren, sind die wechselseitige emotionale Unterstützung und der Aufbau von Freundschaft und Kameradschaft. Die älteren Geschwister helfen den jüngeren, man erweist sich kleine Gefälligkeiten und steht einander bei. Und wenn man noch so viel streitet – in schwierigen Situationen solidarisiert man sich und hält zusammen gegen Dritte (das können auch mal die eigenen Eltern sein).
Vielerlei Überlegungen stellen sich ein, wenn man an ein zweites oder noch weitere Kinder denkt. Neben den Vorstellungen einer liebevollen Familie sind es durchaus auch Fragen wie: »Sind wir nicht mit einem Kind schon an der Grenze der Belastbarkeit?«. Doch auch die Frage nach der Berufstätigkeit, nach Kinderbetreuung oder Wohnungsgröße sowie weiteren zusätzlichen finanziellen Belastungen und möglichen Einschränkungen muss neu bedacht werden.
Immer wieder hören Sie: Erst mit zwei oder mehreren Kindern wissen Eltern wirklich, was eine richtige Familie ist.
Zunächst einmal: Einiges daran stimmt. Mit einem Kind ist man, vor allem wenn es dann etwas größer ist oder man Großeltern in der Nähe hat, die sich gerne und flexibel in die Betreuung einbringen, noch relativ flexibel in Berufs-, Freizeit- und Abendgestaltung, mit zweien sieht das oft schon anders aus.
Allerdings ist die Rechnung nicht ganz so einfach: Zwei Kinder sind in aller Regel zwar erst mal anstrengender, machen aber nicht unbedingt die doppelte Arbeit – und später kehrt sich das Ganze um, dann können die Älteren sich mit den Kleineren beschäftigen und die Eltern durchaus entlasten. Und außerdem sieht man als Eltern im Laufe der Zeit auch manches lockerer. Doch auf jeden Fall sind zwei kleine Kinder erst mal eine Herausforderung. Egal, wie weit die Kinder auseinander sind. Nachts muss man wieder raus, Wäscheberge türmen sich und alle beanspruchen die elterliche Zeit und Aufmerksamkeit. Nischen, Rückzugsmöglichkeiten finden sich seltener. Und wo es noch möglich war, ein Kind auch mal »abzugeben«, sei es an Freunde oder Großeltern, oder ein Kind einfach mal zum Spielen zum Freund ging, lassen sich zwei Kinder nicht mehr so einfach »unterbringen«.
Die Folge ist: Die Eltern haben zunächst einmal weniger Zeit füreinander und für sich selbst.
Anfangs belastet oft chronische Müdigkeit. Später kann sich ein latentes Gefühl der Überforderung einstellen.
Nicht selten empfinden Mütter und Väter im Laufe der Monate, wenn die anfängliche Aufregung und die Zeit der ersten Umstellung vorüber sind, so etwas wie Überdruss. In der Elternzeit kann dann auch mal der Eindruck entstehen: Jeden Tag dasselbe, am Wochenende auch … Kochen, Putzen, Waschen, Liedchen singen und Sandkuchen backen; es gibt sicher manchmal auch Spannenderes. Und wenn beide Eltern rasch wieder berufstätig sind, kann Hektik den Alltag prägen, das Gefühl, sich auf nichts richtig einlassen zu können. Und dabei meint man oft, sich selbst solche Gefühle noch nicht mal eingestehen zu dürfen. Doch das muss man, so früh wie möglich, und aktiv gegensteuern, durch die Schaffung von Freiräumen, neuen Kontakten oder einer – wenigstens zeitweiligen – Anpassung der Berufstätigkeit.
Stress kann aber nicht nur durch mehr Arbeit entstehen, sondern auch durch nervliche Belastung. Rund um die Uhr sind Eltern präsent. Ein Kind machte irgendwann mal Mittagsschlaf. Dann konnten sich Mutter und/oder Vater ebenfalls ausruhen. Doch zwei Kinder schlafen, zumindest tagsüber, selten zur gleichen Zeit. Wenn das Baby schläft, steht mit Sicherheit das Erstgeborene da und beansprucht endlich »seine« Zeit.
Später dann kann es sein, dass Kinder sich anders entwickeln als gedacht und auch den Umgang miteinander erst lernen müssen. Und dass man selbst manches anders macht, als man sich fest vorgenommen hatte. Eigentlich wollte man immer geduldig mit seinen Kindern umgehen, um irgendwann festzustellen, dass man manchmal auch genervt reagiert …
Sobald auch das Kleine mobil wird und die beiden miteinander spielen, kommt häufig die Angst dazu, dass etwas passieren könnte. Ist man nicht immer wieder besonders alarmiert, wenn beide Kinder außer Sichtweite sind und man zehn Minuten lang nichts mehr von ihnen gehört hat?
Mehrere Kinder zu haben, das bedeutet oft auch: Abschied von Idealen, vom Wunsch, alles perfekt zu machen, von dem festen Vorsatz, immer ruhig und gelassen zu bleiben. »Ich werde trotzdem immer …« – vergessen Sie diesen Satz und seien Sie vor allem sich selbst gegenüber nachsichtig und tolerant. Kinder bedeuten Veränderung – auch für die eigene Persönlichkeit, die eigenen Einstellungen, die eigenen Werte. Und daran wachsen wir ebenso wie die Kinder.
Die Entscheidung für ein Leben mit Kindern bedeutet in vielen Bereichen, dass die Eltern zurückstecken und sich einschränken müssen. Das gilt auch für materielle Dinge. Natürlich ist Geld nicht entscheidend für Lebensglück – das ist durch viele Studien belegt. Kinder geben so viel mehr und lehren, was wirklich wichtig ist im Leben. Dennoch darf man nicht ignorieren, dass eine starke finanzielle Einschränkung das Familienleben sehr belasten kann. Daher tun Eltern gut daran, bei der Planung für ein zwei