WENN DRACHEN SACHEN MACHEN - Regina Schleheck - E-Book

WENN DRACHEN SACHEN MACHEN E-Book

Regina Schleheck

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Beschreibung

Drachen, die menscheln, Menschen, die Drachen sind, intelligente Insekten, furiose Finken und unglückliche Undinen sind die Protagonisten der oft schrägen Schleheckschen Märchengeschichten. Die Autorin »weiß, was sie mit Worten erreichen kann, und setzt ihre Ideen routiniert um« (scifinet.org-Rezension). Motive aus einer ganzen Palette klassischer und weniger bekannter Märchen werden in »WENN DRACHEN SACHEN MACHEN« von Regina Schleheck angespielt. Der Band versammelt aber auch vollkommen originäre Erzählungen, die oft bittere Realität auf berührende Weise märchenhaft verpacken, etwa die eines »Sternenkinds« im Dritten Reich, einer minderjährigen Zwangsprostituierten oder den Nöten alleinerziehender Väter. Wirklich glücklich können solche Geschichten nicht ausgehen, aber die Autorin findet immer wieder überraschende Twists, die haarscharf an der Katastrophe vorbeischrammen und zu einem (schwarz)humorigen oder mindestens tröstlichen Ende führen. Die Texte stammen aus den letzten anderthalb Jahrzehnten, nicht wenige wurden ausgezeichnet, so das Märchen vom unglücklich verliebten Mond, in einem Band zum Grimm-Jahr erschienen, der den Deutschen Phantastik Preis errang.

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Regina Schleheck

Wenn Drachen Sachen machen

und andere Märchengeschichten

Außer der Reihe 68

Regina Schleheck

WENN DRACHEN SACHEN MACHEN

und andere Märchengeschichten

Außer der Reihe 68

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© dieser Ausgabe: Juli 2022

p.machinery Michael Haitel

Titelbild: Jörg Neidhardt

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda

Verlag: p.machinery Michael Haitel

Norderweg 31, 25887 Winnert

www.pmachinery.de

ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 291 1

ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 812 8

»Wohl wahr«, seufzte der Prinz, »dass Drachen blaublütige Jungfrauen grünem Salat vorziehen, ist ein ziemliches Problem. Farblich-geschmacklich aber untadelig.«

Mariechen saß weinend im Zimmer

Als ich klein war, las meine Mutter mir jeden Abend aus dem dicken Märchenbuch vor. Immer, wenn ich mit frisch geputzten Zähnen erwartungsvoll in meinem Bett lag, kam sie, gab mir das Buch, und ich blätterte so lange darin herum, bis ich eine Illustration fand, die mein Interesse weckte. Einmal stieß ich auf das Bild einer dicken rosigen Frau, die in einem Fenster ein Federbett ausschlug, das offensichtlich kaputt war, denn die Daunen wirbelten nur so daraus hervor. Das Bild hatte überhaupt nichts Märchenhaftes an sich. Es erinnerte mich eher an unsere Nachbarin, die immer am Fenster hing. Egal ob ich morgens zu Schule ging oder mittags nach Hause kam, immer saß sie dort, eine dicke Frau auf einem dicken Kissen, und beobachtete alles, was draußen vor sich ging. Der Gedanke amüsierte mich, dass diese Nachbarin ihr Kissen ausschüttelte, das dabei alle Federn verlor.

»Lies das«, sagte ich, und meine Mutter las mir die Geschichte von dem braven und von dem faulen Mädchen vor, die in den Brunnen gefallen waren. Ich weiß heute die Details nicht mehr von dieser Geschichte. Dass sie mir dennoch so lebhaft im Gedächtnis blieb, lag daran, dass meine Mutter am Ende auf einmal anfing zu weinen.

»Das Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, solange sie lebte, nicht abgehen«, las meine Mutter und ich guckte überrascht an ihr hoch, weil ihre Stimme auf einmal so merkwürdig zitterte. Da sah ich, dass ihr Gesicht tränenüberströmt war. Sie klappte das Buch zu, stand auf, ohne mir einen Gutenachtkuss zu geben, und verließ das Zimmer. Die halbe Nacht lag ich wach und sah die Szene immer wieder vor mir, hörte die Worte meiner Mutter, die von dem Pech erzählte, das nie mehr von dem Mädchen abging, und sah ihre Tränen und ihr hastiges Hinausgehen vor mir, ohne den Zusammenhang zu begreifen. War dem Mädchen denn nicht ganz recht geschehen? Es hatte doch nicht gemacht, was es sollte. Ich kriegte doch auch immer Ärger, wenn meine Mutter mich erwischte, wie ich, statt mir die Zähne zu putzen, einfach mit dem Finger ein bisschen Zahnpasta auf den Zähnen zerdrückte, damit es wenigstens so roch, als wären sie frisch geputzt.

Mein Vater war zu der Zeit wochenlang weg, beruflich, hieß es. Aber dann war er eines Abends da und erzählte mir, dass er jetzt eine eigene Wohnung habe und dass ich ihn am Wochenende besuchen kommen sollte. Meine Mutter fuhr mit mir dort hin, es war ein großes Haus mit einem Messingschild, auf dem viele Namen standen, auch der meines Vaters. Mutter drückte auf den Klingelknopf, es summte, und sie ging mit mir in den Hausflur, wo es einen Fahrstuhl gab. Sie schob mich in die geöffnete Aufzugtür, drückte auf den Knopf mit der Drei, hauchte mir einen flüchtigen Kuss auf den schwarzen Scheitel und sagte: »Bis nachher.« Ehe ich recht begriffen hatte, dass sie nicht mitkam, schlossen sich die Metalltüren und der Aufzug setzte sich in Bewegung.

Auf der dritten Etage empfing mich mein Vater. Er legte den Arm um meine Schulter und führte mich zu einer offenen Wohnungstür. »Das ist Marie«, sagte er zu einer platinblonden Frau, die im Flur stand, bestrahlt von der nackten Glühbirne, die direkt über ihr von der Decke baumelte. Ich kann nicht sagen, was mir in dem Moment genau durch den Kopf ging, aber irgendetwas machte Pling und ich wusste plötzlich, warum meine Mutter die Tage geweint hatte. Die Frau war über und über mit Gold behängt. Sie trug große goldene Kreolen, eine Goldkette mit einem rubinroten Anhänger, an beiden Handgelenken hatte sie eine Fülle von Goldreifen und an mehreren Fingern goldene Ringe. Im Licht der Glühbirne gleißte alles an ihr. Ich fürchtete auf einmal, wenn sie mich anlächelte, wären alle Zähne golden, und ich bekam Angst vor diesen Zähnen, Angst vor dieser Frau. Schlagartig wusste ich, dass das Märchen gelogen hatte, dass es gar nicht darum ging, ob jemand seine Zähne geputzt oder sein Zimmer aufgeräumt hatte. Das Leben machte zur Goldmarie, wer ihm gerade in den Sinn kam. Ich fing an zu weinen und hörte nicht auf, bis meine Mutter mich am Abend wieder in die Arme nahm.

Nie wieder wollte ich aus dem Märchenbuch vorgelesen bekommen.

Laura Schlüsselkind

König Magnus machte seinem Namen keine Ehre. Er war der kleinste König, den man sich denken kann.

Als seine Frau, die Königin Margot, noch bei ihm lebte, hatte sie sich immer darüber geärgert, weil sie neben ihm nie ihre hochhackigen Schuhe anziehen konnte, in denen sie so verführerisch aussah. Sie fand, das machte einen blöden Eindruck, wenn die Königin den König um Haupteslänge überragte. Daher trug sie immer flache Schuhe und machte sich klein. Auf die Dauer kriegte sie darüber Minderwertigkeitskomplexe und Rückenschmerzen, und so musste sie irgendwann in Kur, und da lernte sie einen anderen König kennen, der groß war und mit dem sie weglief.

König Magnus vermisste sie nicht sonderlich.

Allerdings ließ die Königin im Schloss noch jemanden zurück, und das war die kleine Prinzessin Laura. Die vermisste ihre Mutter. Zwar hatte sie sie nicht häufig zu Gesicht bekommen, weil die Königin die meiste Zeit ihren offiziellen Dienstverpflichtungen nachkommen musste, aber eine Mutter ist eine Mutter. Laura kam in die Königliche Krabbelstube, dann in den Königlichen Kindergarten und schließlich in die Königliche Grundschule mit integrierter Königlicher Mittagsbetreuung, sodass die kleine Prinzessin immer versorgt war. Aber man kennt das ja, wenn Vater und Mutter sich nicht sonderlich um die Kinder kümmern, zumal wenn die Mutter ganz weg ist und der Vater nach der Arbeit immer erst noch seinen Aktenkram erledigen muss, ehe er in Ruhe die Königlichen Nachrichten lesen will, – die Prinzessin war sich meistens selbst überlassen. Solche Kinder sind immer ein bisschen traurig. Aber das lernen sie mit der Zeit zu verstecken und dann kriegen sie es faustdick hinter den Ohren.

Bei Laura war das so: Hinter dem rechten Ohr saß Luzi, der kleine Teufel, der ihr Blödsinn eintrichterte, und links hockte Lelia, der kleine Engel. Laura stellte ihr linkes Ohr meist auf Durchzug, weil ihr Lelia ziemlich auf den Zwirn ging. Luzis Anstacheleien hingegen fand sie ziemlich cool.

Und so wunderte sich der König über seine Manschettenknöpfe in der Kaffeetasse, über die mit Schnurrbärten und komischen Brillen verzierten Fotos seiner Minister in den Königlichen Nachrichten und über den versalzenen Sonntagsnachmittagstee, obwohl er doch hätte schwören können, dass er einen Löffel Zucker aus der Zuckerdose hineingerührt hatte.

Da König Magnus Wichtigeres zu tun hatte, schenkte er solchen Vorfällen wenig Beachtung. Aber eines Tages platzte ihm der Kragen. Es ging darum, wer den Königlichen Müll in den Keller des Schlosses bringen sollte.

»Laura«, sagte König Magnus würdevoll, »die letzten beiden Male war ich dran. Geh du jetzt!«

»Der spinnt doch wohl!«, rief Luzi Laura ins Ohr. »Wie redet der denn mit dir!«

»Er hat recht«, wisperte Lelia. »Er ist sogar schon dreimal dran gewesen. Mach ihm die Freude!«

»Du hast ja wohl einen Vogel«, sagte Laura. »Ich geh doch nicht in den Keller!«

Des Königs Miene verfinsterte sich.

»Mein liebes Kind«, sagte er. »So sprichst du nicht mit deinem Vater!«

Lelia hatte es für einen Moment die Sprache verschlagen.

»Sag ihm, du hättest Angst allein im Keller!«, raunte Luzi auf der anderen Seite.

»Ich trau mich nicht«, jammerte Laura. »Da ist es dunkel!«

»Dafür gibt es Lichtschalter«, entgegnete der König.

»Schwarzer Mann!«, gab Luzi Stichwort.

»Aber da ist ein schwarzer Mann versteckt!«, klagte Laura.

Der König seufzte.

»Komm. Wir gucken jetzt gemeinsam, ob wir einen schwarzen Mann finden. Wenn nicht, gehst du beim nächsten Mal allein, klar?«

Was blieb Laura anderes übrig? Sie holte den Kellerschlüssel vom Schlüsselbrett, ging mit dem Vater in den Keller, schloss ihm die Tür auf, weil er ja die Hände voller Müllbeutel hatte, und blieb mit dem Rücken an die Tür gelehnt stehen, während der König die Tüten in die Tonnen warf.

»Los, die Tür!«, rief Luzi.

Noch ehe die nichts ahnende Lelia reagieren konnte, hatte Laura die Tür zugeschlagen, den Schlüssel zweimal im Schloss herumgedreht und war die Treppe hinaufgelaufen auf die Straße. Sie hüpfte fröhlich die Bordsteinkante entlang.

Das linke Ohr hielt sie sich zu, während sie in der rechten Hand den Schlüssel schwenkte.

»Gulli!«, schrie Luzi.

Da ließ Laura den Schlüssel in den Gulli an der Straßenkreuzung fallen.

Durch die Eisenstangen des Gullis konnte man ihn unten liegen sehen.

»Wie willst du den wieder rausfischen?«, jammerte Lelia.

Aber Laura war jetzt am Schlosspark angekommen, wo der Königliche Bauspielplatz war. Keiner war in der Nähe. Laura kletterte die Leiter zu einem der Baumhäuser hoch. Das Haus war um den Baumstamm herum gebaut und zu der einen Seite mit einem richtigen Dach versehen. In dem Baumhaus war eine Zigarrenkiste, in der Schätze versteckt waren. Laura öffnete sie vorsichtig. Da waren Kerzenstummel, Streichhölzer, ein Stück Wäscheleine, Malsteine, ein rostiges Küchenmesser und sogar ein kleiner Taschenspiegel. Eben hatten Lauras Finger den Spiegel ertastet, als sie ein Räuspern hinter sich vernahm. Sie fuhr herum.

In der dämmrigen Ecke des Baumhauses hatte ein Bündel gehockt. Es war eine kleine zerlumpte Frau mit einem karierten Kopftuch.

»Wow, eine Hexe!«, schrie Luzi begeistert.

Aber Lelia jammerte: »Laura, pass auf!«

Die Frau hatte sich aus ihrer Kauerstellung erhoben und sah Laura verärgert an.

»Was hast du da?«, fragte sie heiser.

Laura folgte ihrem Blick und merkte jetzt erst, dass sie in der Hand den kleinen Spiegel hielt.

In der Kehle hatte sie einen Knoten, und so hielt sie ihn der Alten nur stumm hin.

»Ah«, krächzte die alte Hexe, »ein Spiegel für das Prinzesschen!«

Sie streckte ihre runzlige Hand aus: »Gib her!«

Die Hexe hielt sich den Spiegel vor das Gesicht. Sie spuckte auf die Hand und strich sich mit der feuchten Handinnenfläche eine verrutschte Haarsträhne unter das Kopftuch. Dann hielt sie Laura den Spiegel vor und lachte. »Guck rein, mein Vögelchen, guck! Was siehst du?«

Laura sah in den Spiegel und erschrak. Sie sah einen kleinen Spatzen, der sie aufmerksam musterte, sonst nichts.

»Einen Vogel«, stammelte sie.

Die Alte kicherte. »Ist das nicht lustig? Ein Vögelchen! – Was meinst du, warum du einen Vogel siehst?«

Lelia wisperte: »Oh je, das kommt davon!«

Laura war es innerlich ganz heiß geworden.

»Ich hab mich mit meinem Vater gezankt«, sagte sie leise. »Ich hab ihm gesagt, er hätte einen Vogel.«

Wieder kicherte die Hexe. »Wie recht du hattest, Prinzesschen! Er hat ja nur dich! Sein Vögelchen!« Sie gackerte beinahe.

»Oh je«, jammerte Lelia.

»Cool«, juchzte Luzi, »du kannst jetzt fliegen!«

»Und?«, fragte die Alte weiter, »hat dein Vater dir den Hintern versohlt?«

Die Vorstellung schien sie besonders spaßig zu finden.

»Nein … äh …« Laura zögerte.

»Na, was ist passiert?«, krächzte die Alte, und Laura spürte, dass sie es genau wusste.

»Die will dich nur ärgern, die alte Schachtel«, ereiferte sich Luzi.

»Wie willst du das nur wieder in Ordnung bringen?«, klagte Lelia.

»Na?« Die Hexe hielt den Spiegel drohend an Lauras Gesicht. Laura wich zurück und flatterte. Sie merkte zu ihrem Erstaunen, dass sie tatsächlich fliegen konnte.

Die Hexe lachte gellend, und Laura flog verschreckt aus dem Baumhaus. Das Lachen verfolgte sie bis zur Straße.

Nachdem sie mit ein paar flatternden Flügelschlägen ihren Schwindel überwunden hatte, ließ sie sich mit größeren Bewegungen durch die Luft gleiten. Sie flog bis an die Straßenecke und setzte sich auf den Bordstein. Der Gulli lag vor ihr. Wenn sie das Köpfchen schief legte, konnte sie den Schlüssel unten blinken sehen.

»Los, flieg!«, juchzte Luzi. »Du kannst jetzt überall hin!«

»Halt’s Maul!«, sagte Laura böse.

Laura zwängte sich durch die Gullistäbe. Sie hatte Mühe, den Schlüssel mit ihrem kleinen Schnabel zu packen zu kriegen. Ein paar Mal rutschte er ihr weg, als sie gerade hoch flattern wollte, doch dann schaffte sie es endlich, ihn durch die Stäbe zu schubsen und sich selbst hinterher zu zwängen.

Atemlos hockte sie sich auf die Bordsteinkante und begann sich das zerzauste Gefieder zu putzen. Ihr Blick fiel auf eine kleine Pfütze, die sich vor dem Gulli angesammelt hatte. Zu ihrem Erstaunen sah sie in dem Spiegelbild sich selbst, Prinzessin Laura, die sich ihren Mund am Ärmel abzuwischen schien. Laura erstarrte. Sie tastete mit den Händen ihren Körper ab.

»Du bist wieder ein Mensch!«, jubelte Lelia.

Luzi sagte nichts. Aber Laura spürte, wie er ihr verärgert ins Ohr kniff. Laura schnappte sich den Schlüssel und lief zum Königlichen Schloss. Im Keller steckte sie ihn ins Schloss und drehte ihn herum.

Der kleine König Magnus lehnte mit verschränkten Armen nachdenklich an der Wand. Er blickte überrascht auf.

»Papa, entschuldige bitte!«, rief Laura und fiel ihm um den Hals. »Es tut mir leid, dass ich so gemein war!«

Der König fasste sie an den Schultern und hielt sie so vor sich, dass er ihr in die Augen schauen konnte.

»Laura, mein Prinzesschen«, sagte er rau, »ich glaube, ich bin auch nicht immer ganz nett zu dir. Vielleicht brauchen Menschen in deinem Alter doch ein bisschen mehr Papa.«

Lelia und Luzi hatte es ausnahmsweise mal gleichzeitig die Sprache verschlagen. Laura schmiegte sich an ihren Vater. Er war so groß, dass sie ihr Gesicht unter seiner Achsel verstecken konnte.

Der König schnupperte.

»Sag mal, du riechst ja, als hätten sie dich aus dem Gulli gezogen!«, sagte er. »Höchste Zeit, dass ich dir mal wieder den Kopf wasche!«

Und das war ja wohl auch höchste Zeit.

Die Raubritter

Etwa alle Vierteljahr mussten wir uns ihnen unterwerfen, den roten Rittern.

Unsere Hofmarschallin fuhr jede Woche mit der Kutsche vor und zahlte einen hohen Tribut, damit wir weiterhin Wegerecht erhielten. Es nützte nichts.

Die roten Ritter blickten stets grimmig und suchten uns mit beißendem Gestank zu benebeln. Sie richteten ihre Lanzen drohend gegen die Kutsche und prüften sie mit ihren Turbosensoren. Wenn sie fertig waren, musste die Hofmarschallin zu dem Hauptmann und den ständig steigenden Tribut bezahlen. Wenn er gnädig winkte, wussten wir, dass wir passieren konnten.

Aber das war ihnen nicht genug.

Sie mussten uns ihre Macht spüren lassen. Und sie waren sehr mächtig. Weil sie über magische Kräfte verfügten. Deshalb konnten sie alles mit uns machen. Es machte ihnen Freude, uns zu quälen.

Der Schlossherr überließ diese unangenehmen Dinge immer der Hofmarschallin. Viermal im Jahr schickte er sie zu dem Unterwerfungsritual. Weil wir wussten, dass sie panische Angst davor hatte, begleiteten wir sie.

Wieder musste sie mit dem Hauptmann verhandeln. Anders als bei ihren wöchentlichen Tributzahlungen suchte sie ihn gleich vorab mit Silber und Gold zu beschwichtigen. Aber er kannte kein Erbarmen, niemals.

Kaum hatte er das Geld eingestrichen, hob er das Laserschwert, woraufhin die Hofmarschallin sich zitternd in der Kutsche verkroch. Das machte ihn erst recht wütend. Er richtete einen heißen Dampfstrahl gegen die Karosse. Von allen Seiten attackierte er sie, bis uns Hören und Sehen verging.

Dann spürten wir, wie wir mitsamt der Kutsche weggeschoben wurden. Ein Schneegestöber hob an, bis wir in völliger Finsternis versanken.

Sie ließen alle Elemente gegen uns toben: Hagelschauer prasselten auf unser Verdeck. Ungeheuer tauchten rechts und links des Weges auf. Sie bedrängten uns von allen Seiten, unten und oben und suchten uns zu verschlingen, spritzten Gift und leckten mit gierigen Zungen an unserer Kalesche. Wir hatten Fenster und Türen fest verschlossen und klammerten uns aneinander, während die Hofmarschallin magische Gebete sprach. Da wichen die Ungeheuer.

Noch wollten die roten Ritter uns jedoch nicht ziehen lassen. Sie hatten einen Baumstamm quer über unseren Weg gelegt.

Wenn wir dann mit dem Mut der Verzweiflung flehten und baten, dass sie uns durchlassen sollten, dann hob sich schließlich der Schlagbaum wie von Zauberhand, und wir konnten darunter hergleiten.

Ein letztes Mal ließen sie schwarze Netze vom Himmel fallen, um uns zu schrecken. Aber wir ballten die Fäuste in den Taschen und riefen: »Lasst uns ziehen! Lasst uns ziehen!«

Auf einmal spürten wir einen Sonnenstrahl, und noch einen und immer mehr.

Und schließlich waren wir ihnen entkommen.

Jubelnd fielen wir uns in die Arme und umarmten die Hofmarschallin, die immer noch am ganzen Leibe zitterte und die Pferde mit der Peitsche antrieb, dass wir schnell nach Hause kamen.

Bis zum nächsten Mal. Bis der Schlossherr wieder meinte, der Wagen habe es nötig. Bis die Hofmarschallin uns wieder zusammentrommelte und wir wieder in die Schlacht zogen. Obwohl von vornherein feststand, dass wir keine Chance hatten gegen die Barone von Tank und Wasch.

Oder gerade deswegen.