Wenn Galaxien erlöschen: Science Fiction Fantasy Großband 2/2023 - Alfred Bekker - E-Book

Wenn Galaxien erlöschen: Science Fiction Fantasy Großband 2/2023 E-Book

Alfred Bekker

0,0

Beschreibung

Dieser Band enthält folgende SF-Romane: Alfred Bekker: Verlöschende Sterne Alfred Bekker: Commander im Sternenkrieg Alfred Bekker: Kosmischer Krisenherd Am Morgen einer neuen Zeit. Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen. Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung. Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten. Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 498

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Alfred Bekker

Wenn Galaxien erlöschen: Science Fiction Fantasy Großband 2/2023

UUID: 9d426192-7874-4eed-a302-b55631fba1d5
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Wenn Galaxien erlöschen: Science Fiction Fantasy Großband 2/2023

Copyright

Raumschiff Rubikon 15 Verlöschende Sterne

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

Commander im Sternenkrieg

Kosmischer Krisenherd

Wenn Galaxien erlöschen: Science Fiction Fantasy Großband 2/2023

Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende SF-Romane:

Alfred Bekker: Verlöschende Sterne

Alfred Bekker: Commander im Sternenkrieg

Alfred Bekker: Kosmischer Krisenherd

Am Morgen einer neuen Zeit.

Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen.

Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung.

Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten.

Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Facebook:

https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

Raumschiff Rubikon 15 Verlöschende Sterne

Alfred Bekker

Am Morgen einer neuen Zeit.

Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen.

Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung.

Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten.

Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …

1. Kapitel

Unterwegs nach Samragh

Mecchit!, dachte Sobek. Er hob etwas den gesichtslosen, zylindrisch geformten Kopf. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Was maßest du dir nur an! Kaiser der Foronen nennst du dich! Kaiser von Samragh… Es ist lächerlich und eines Tages wirst du für deinen Hochmut und deinen Verrat bezahlen müssen!

Die Nanorüstung schloss sich im nächsten Moment um ihn. Abermilliarden winziger, wie Insektenschwärme durcheinander strömender Teilchen umgaben seinen Körper und hatten bis jetzt nur den Kopf freigelassen. Doch nun war auch der bedeckt. Sobek wirkte nun wie eine Schattengestalt, ohne näher definierbare äußere Konturen. Aber derartige Anhaltspunkte waren auch allenfalls für Primitivlinge von Bedeutung. Für Menschen zum Beispiel. Oder Menschen, wie man sie auch nannte. Aber ein Wesen, das so außergewöhnlich differenzierte und empfindliche Sinne hatte wie Sobek oder irgendein anderer Forone, brauchte diese äußerlichen Anhaltspunkte nicht, um die Individualität des Gegenübers zu erkennen. Im Gegenteil. Sie störten sogar, lenkten sie doch vom Wesentlichen ab.

Der Präsenz.

Sobek legte sich in den sarkophagähnlichen Steuersitz, den er für eine kurze Regenerationsphase verlassen hatte. Der Sarkophag schloss sich augenblicklich.

Die Sinne des Foronen waren mit dem Rochenschiff SESHA verschmolzen, das von John Cloud RUBIKON II genannt worden war.

SESHA, RUBIKON, SESHA… Ein Wechsel der Namen und der Herrschst über das Schiff. Der Mensch namens Cloud hatte das Schiff einst an sich gebracht und war von der KI als Kommandant akzeptiert worden. Und jetzt war die SESHA wieder in Sobeks Händen.

In den Händen des rechtmäßigen Besitzers, so sah es der Forone, der als Anführer der Hohen Sieben fungiert hatte. Und nicht allein dieses Schiff werde ich mir zurückholen…

Ein Gefühl wilder Entschlossenheit durchströmte Sobek. Der Glaube, dass nichts und niemand ihn aufhalten konnte, erfüllte ihn auf angenehme Weise.

Sobek verlangsamte den Flug der SESHA auf Unterlichtgeschwindigkeit. Zwanzig Lichtjahre war er noch vom Halo der Kleingalaxie Samragh entfernt, und durch das Abhören des Überlichtfunks hatte er bereits viel über die Lage in der ehemaligen Heimat der Foronen erfahren.

Ehemalig?

Das war wohl nicht mehr der richtige Begriff für das, was hier vorzufinden war. Mecchit, der Verräter, der Usurpator, der… Sobek versuchte seine Gedanken zu disziplinieren. Die kalte Logik größtmöglicher Effektivität wird dich ans Zielbringen und dir die Herrschaft zurückgeben, die dir zusteht!, ging es ihm durch den Kopf. Das Notwendige tun und den maximalen Vorteil sichern…

Die Sensoren der SESHA trugen ihm im Moment alles Mögliche zu. Informationen, die die Schiffs-KI, die denselben Namen trug wie das Schiff selbst, unter den Gesichtspunkten filterte, die Sobek zuvor festgelegt hatte, denn selbst ein überlegener Geist wie er hätte Mühe gehabt, all das auf einmal zu verarbeiten.

Sobek lag in einem der sieben Sarkophage in der Zentrale der Sesha und war vollkommen mit dem Schiff verschmolzen. Die Sensoren waren wie Erweiterungen seiner eigenen Sinne, der Körper des Schiffs war zu seinem Körper geworden.

Auf einem Parallelkurs flog das Jay’nac-Schiff seiner alten Gefährtin Siroona. Sie hatte dieses Schiff an sich gebracht, wie sie ihm berichtet hatte. Eine erstaunliche Leistung, wie Sobek fand. Aber vielleicht hatte er Siroona in mancherlei Hinsicht unterschätzt. Zumindest hatte sie bisher treu zu ihm gestanden oder besser: Sie gab es vor, das zu tun. Aber Sobek fand, dass das in neunundneunzig Prozent aller denkbaren Fälle ohnehin auf dasselbe hinauslief. Also machte er sich über diesen Punkt keine weiteren Gedanken.

Sie war ihm auf der Reise von der Milchstraße, am Sonnenhof vorbei, hierher gefolgt, und Sobek hatte keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sie dies deshalb getan hatte, weil sie bereit war ihm zu dienen. Welchen anderen Grund hätte es sonst geben können?

Vielleicht hatte sie ebenfalls einmal von der Herrschaft geträumt. Aber der lange Staseschlaf, den sie hinter sich hatte, war wohl dafür verantwortlich, dass sie viel von ihrer Energie verloren hatte. Etwas war bei dem Verfahren schief gegangen, und sie war schlafend alt geworden. Alt und müde.

Manchmal erinnerte sich Sobek fast mit Wehmut an jene Zeit, als sie als eine der Hohen Sieben an Bord der SESHA geweilt hatte und sie voller Tatendrang einem gemeinsamen Traum gefolgt waren. Sogar ein gemeinsames Kind hatten sie sich vorstellen können ...

Aber der eigentliche Traum war stets der von der Errichtung eines neuen Foronen-Reichs gewesen.

Inwiefern Siroona davon noch wirklich erfüllt war, konnte Sobek schwer beurteilen. Und schon gar nicht, solange sie sich an Bord ihres eigenen Schiffes befand und er ihre Präsenz nicht unmittelbar spüren konnte.

Aber in Sobek war dieser Traum noch sehr wach.

Ein Traum, der ihm geraubt zu werden drohte.

Durch Mecchit, den Verräter…

Er hatte sich an jene Stelle gesetzt, die einzunehmen eigentlich nur einem zustand. Sobek fühlte sich betrogen und verraten, denn in Samragh schien das, was er erschaffen wollte, längst errichtet worden zu sein.

Die Überlichtfunk-Botschaften, die er bisher empfangen hatte, ließen keinerlei Zweifel daran. Mecchit hatte ein Neues Imperium der Foronen gegründet und Sobek damit seinen Traum gestohlen.

Aber der Anführer der Hohen Sieben war entschlossen, sich diesen Traum ebenso zurückzuholen wie sein Schiff, das von ein paar dahergelaufenen, überwiegend menschlichen Primitivlingen eingenommen worden war.

Mit Genugtuung registrierte Sobek, wie Siroonas Jay’nac-Schiff sich der von ihm vorgenommenen Geschwindigkeitsveränderung angepasst hatte. Sei mein Schatten, teure Gefährtin aus uralter Zeit…

Die KI meldete sich und wies ihn auf ein Sonnensystem hin, das der Kleingalaxie Samragh etwa 26 Lichtjahre vorgelagert war. Es gab eine relativ spärliche Funkaktivität und auch Anzeichen für Raumschiffverkehr. Wahrscheinlich ein Vorposten, lautete die Analyse Seshas.

Ist eine Annäherung ohne größeren Zeitverlust möglich?, erkundigte sich Sobek.

Ja, bestätigte SESHA und zeigte dem von ihr anerkannten Schiffskommandanten eine Projektion, die den weiteren Weg des Schiffes und dessen mögliche Abweichung erfassbar machte.

Für einen schwachen Geist mit schwachen, im Grunde nur ansatzweise vorhandenen Sinnen erfassbar!

Gewöhn dir diese primitiven Darstellungsformen ab!, wies Sobek die KI in Gedanken an.

Ich werde es in Zukunft bedenken, gab die KI zurück.

Sobek setzte noch hinzu: Du setzt mich mit diesem Menschen namens Cloud gleich. Mag sein, dass du auf dessen schwachen Verstand Rücksicht nehmen musstest. Aber ich brauche solche Hilfen nicht.

Die KI schien dazu ihre eigene Meinung zu haben, blieb aber in ihrer Erwiderung sehr diplomatisch.

Kommandant, auch wenn deine Sinne eins mit den Schiffssensoren sind, dachte ich, dass diese Art von Hilfe das Verständnis verbessern kann…

Gewöhn dir das ab, verlangte Sobek.

Er war überzeugt davon, keinerlei Veranschaulichungen oder Vereinfachungen zu brauchen. Wie konnte die KI ihn nur mit einem Wesen wie Cloud vergleichen? Ein Wesen, das auf Augen und Ohren angewiesen war, um überhaupt ein wenig von seiner Umgebung wahrzunehmen und dessen physiologische Voraussetzungen im Grunde gar nicht zur ausgefeilten Technik der SESHA passten. Kein Wunder, wenn da eine zusätzliche Unterstützung der Bord-KI nötig war. Sobek hingegen, hatte ein Vorstellungsvermögen, das groß genug war, um die Daten auch ohne plumpe Veranschaulichungen zu interpretieren.

Wir statten diesem System einen Besuch ab, verlangte er von der KI.

Jawohl, Kommandant, kam die Bestätigung.

Wir gehen bis auf 260 Astronomische Einheiten an das Zentralgestirn heran und nähern uns ab da im Schleichflug mit minimaler Emission.

Die Zeit, die Sobek bei diesem Umweg verlor war minimal, der Nutzen, den er daraus an Informationsgewinn ziehen konnte, wog das allemal auf.

Ein Überlicht-Funkkanal wurde geschaltet. Siroona nahm von ihrem Jay’nac-Schiff aus Kontakt mit ihm auf. Sie hatte den Kurswechsel der SESHA gewiss registriert, denn über die Sensoren konnte Sobek erkennen, dass sie den Kurs ihres eigenen Schiffes bereits angepasst hatte.

»Sei gegrüßt, Siroona«, meinte Sobek, wobei es einer akademischen Unterscheidung gleichkam, ob dies nun Worte oder Gedanken waren. Die KI verwandelte Sobeks Gedanken in Funkimpulse, die von der KI des Jay’nac-Schiffs in akustisch hörbare Rede übertragen wurden. Foronen, die sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden bevorzugten hingegen häufig die telepathische Kommunikation. Insbesondere dann, wenn es darum ging, sich schnell zu verständigen.

»Sei gegrüßt, Sobek. Du hast den Kurs geändert. Ich nehme an, du willst den Vorposten genauer untersuchen.«

Alt ist sie geworden!, dachte er. SESHA sorgte für eine lebensechte Projektion, die auch die kristalline Umgebung an Bord ihres Jay’nac-Schiffs ausschnittsweise mit einbezog. Sie hatte den Kopf nicht mit ihrer Nanorüstung bedeckt. Ich glaube kaum, dass sie mir wirklich eine große Hilfe sein wird. Die alte Entschlusskraft und Boshaftigkeit fehlt ihr. Das macht sie berechenbarer, ungefährlicher und… nutzloser.

»Ist es denn wirklich ein Vorposten?«, fragte Sobek. »Meine Daten lassen das lediglich als Möglichkeit erscheinen – wenn auch mit hoher Wahrscheinlichkeit.«

»Meine Daten sind da eindeutiger. Ich lasse sie dir gerne zukommen.«

»Schick sie Sesha über einen gesonderten Datenstrom.«

»Ich werde deinen Wunsch erfüllen. Ansonsten möchte ich dich auf etwas hinweisen, das mir Sorgen macht.«

»Und das wäre?«

»Für eine sehr kurze Zeit hat die Ortung meines Schiffs etwas aufgezeichnet, das sich bei näherer Analyse wie eine Virgh-typische Signatur interpretieren lässt. Die Übereinstimmung ist im relevanten Bereich.«

»Ich brauche die Daten für eine genauere Analyse durch die KI!«, verlangte Sobek. Mein diesbezügliches Hilfsersuchen wird dieser eingebildeten KI ein innerer Vorbeimarsch sein!, ging es dem Kommandanten der SESHA dabei gleichzeitig durch den Kopf. Sie wird es als Bestätigung dafür interpretieren, dass ich doch Unterstützung durch Veranschaulichungen brauche und wahrscheinlich dazu übergehen, sie mir in so unaufdringlicher Weise zu präsentieren, dass ich sie kaum bemerke, sie aber dennoch in meine Überlegungen mit einbeziehe.

»Du bekommst die Daten. Es ist allerdings nur eine kurze Sequenz, Sobek.«

»Warum?«

»Das betreffende Objekt verschwand hinter dem Ortungsschatten von Planet II dieses Sonnensystems, bei dem es sich um einen Gasriesen handelt, der auch noch über einen ziemlich ausgeprägtes Magnetfeld verfügt…«

»Ich verstehe…«

Die Sesha näherte sich dem Sonnensystem. Es handelte sich um einen roten Zwerg, der von drei Planeten und 65 Zwergplaneten sowie einem Asteroidengürtel umkreist wurde. In den alten Sternkatalogen der Foronen trug das System den Namen Kana-Samragh, was nichts anderes bedeutete als Auf dem Weg nach Samragh. Es hatte dort bereits in der Zeit des alten Foronen-Reichs einen Beobachtungsposten gegeben und offenbar war der durch Kaiser Mecchit reaktiviert worden. Der größte Teil des Datenstroms war verschlüsselt, und Sesha hatte ihre liebe Mühe damit, die Codes zu knacken. Aber der Teil der Datenmasse, die ohne weitere Mühe entschlüsselbar war, reichte schon aus, um einige wichtige Rückschlüsse zu ziehen.

Planet I und II waren Gasriesen, deren Eigenrotationen mit der großen Nähe zu ihrem Zentralgestirn mit dem Sonnenumlauf so synchronisiert waren, dass sie Kana-Samragh stets dieselbe Seite zuwandten.

Auf einigen der Monde von Nummer II schien es Stationen zu geben.

Der Hauptteil der foronischen Präsenz war allerdings wohl auf Nummer III zu finden, einem kalten, stark eisenhaltigen Brocken, dessen Sauerstoffatmosphäre so dünn war, dass sie einem veritablen Vakuum entsprach und nicht einmal dazu ausgereicht hatte, den Planeten mit einer erkennbaren Oxidationsschicht zu überziehen. Die alte Station befand sich im Inneren des Planeten und verfügte über Raumschiffhangars und gut ausgebaute militärische Anlagen sowie recht feine Ortungsanlagen.

Ob all das inzwischen wieder in Betrieb genommen worden war, musste sich natürlich erst herausstellen, aber Sobek war bewusst, dass er vorsichtig sein musste. Mit einer kleinen Flotte von Kampfraumschiffen können wir es durchaus aufnehmen, erklärte ihm SESHA. Gleichgültig, ob es sich jetzt um foronische Schiffe oder um Virgh handelt…

Die SESHA war schließlich die Arche der Foronen. Ein Schiff, dessen Ausstattung und Kampfkraft allenfalls mit den anderen Kopien des Rochenschiffes vergleichbar war, die in Tovah’Zara entstanden und von dort aus einst ausgeschwärmt waren, um dem Foronen-Reich zu alter Herrlichkeit zu verhelfen.

Sobek empfing die Daten über die angebliche Virgh-Signatur.

Übereinstimmung 78 Prozent mit bisher bekannten Virgh-Signaturen!, lautete Seshas kühle Analyse. Das ließ Raum für Spekulationen.

Eigentlich war es unmöglich, dass es noch Virgh in Samragh gab. Die Satoga hatten den alten Feind der Foronen schließlich restlos vernichtet. Zumindest war Sobek bisher davon ausgegangen.

Noch unwahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass Virgh den Vernichtungsfeldzug der Satoga überlebt hatten, erschien Sobek allerdings die Möglichkeit, dass sie friedlich mit Foronen zusammen lebten – und diesen Schluss musste man ziehen. Schließlich war das Objekt mit der potenziellen Virgh-Signatur in unmittelbarer Nähe von Schiffen mit eindeutig foronischer Kennung geortet worden. Dass die Foroneneinheiten nichts von dem Objekt und seiner Signatur bemerkt hatten, konnte man wohl ausschließen.

Und Anzeichen für Kampfhandlungen irgendwelcher Art waren auch nicht zu erkennen.

Dieser Sache werde ich auf den Grund gehen müssen, bevor wir uns nach Starvanger wenden…, entschied Sobek.

Starvanger…

Der ehemalige Geheimplanet des Foronen-Reichs und das Ziel von Mecchits Reise nach Samragh und wahrscheinlich jetzt das Zentrum seiner Macht…

Starvanger war daher auch Sobeks vorrangiges Ziel.

Hast dich während meiner Abwesenheit offenbar erfolgreich etablieret, Mecchit. Es wird das Klügste für dich sein, diese Macht freiwillig wieder an jenen abzutreten, dem sie zusteht!

John Cloud ließ sich in eines der Sitzmöbel fallen, die sich plötzlich gebildet und seiner menschlichen Anatomie nahezu perfekt angepasst hatten. Man merkt, dass SESHA doch eine ganze Weile unter dem Kommando von Menschen stand, ging es Cloud dabei durch den Kopf. Scobee, Jelto, Jarvis und Jiim befanden sich noch im Raum. Das bedrückte Schweigen hielt jetzt schon zwei volle Minuten lang an, nachdem zuvor in aller Heftigkeit die Lage erörtert worden war.

Die Lage war deprimierend.

Anders konnte man es nicht zusammenfassen. Cloud ärgerte sich maßlos darüber, das Schiff erneut an Sobek verloren zu haben. Eigentlich sollte man denselben Fehler niemals zweimal begehen, aber in diesem Fall war es wohl unvermeidlich…, überlegte Cloud. Die überlegene Technologie, mit deren Hilfe Sobek sich das Schiff zurückerobert hatte, hatte ihn und seine Gefährten schlicht und ergreifend schachmatt gesetzt. Jetzt beginnen wir an einem Punkt, an dem wir schon einmal waren… Und der Schlüssel zur Rückeroberung des Schiffes kann wohl nur Sesha sein…

Aber derzeit stand die Bord-KI fest auf Sobeks Seite. Cloud und seine seit dem Aufenthalt im Angksystem stark aufgestockte Besatzung konnten sich zwar an Bord relativ frei bewegen, waren aber von allen wichtigen Informationen abgeschnitten – und von einer Kontrolle der Schiffssysteme ohnehin. Sesha verweigerte den Zugriff auf die Sensorendaten und so wussten sie noch nicht einmal, wo sie sich derzeit befanden. Irgendwo auf dem Weg von der Milchstraße zur Großen Magellanschen Wolke.

Eine sehr vage Beschreibung.

»Sobeks Ziel wird Starvanger sein«, meinte Cloud schließlich und unterbrach damit die Stille.

»Genau dorthin wollten wir ja eigentlich auch«, stellte Scobee fest.

»Nur unter etwas anderen Vorzeichen«, stimmte Jarvis zu. Sein aus Milliarden winzigster Teilchen bestehender Nanokörper stand vollkommen ruhig da. Umso größer war die innere Unruhe seiner Gestalt, die nur den Umrissen nach noch etwas Menschliches an sich hatte. DieNanoteilchen flossen durcheinander. Ströme bildeten sich, verdrängten sich gegenseitig und teilten sich auf. Cloud hatte sich schon abgewöhnt, die Gestalt dieser mit dem Bewusstsein eines GenTec-Menschen beseelten Foronenrüstung länger als unbedingt nötig anzusehen, wenn er sich gleichzeitig auf etwas anders konzentrieren wollte, denn dieses Bild der dauernden Unruhe wirkte ungemein ablenkend. Auf der Erde des 21.Jahrhunderts, deren Kinder Jarvis und ich ja beide sind, hätte man diesen Nanokörper sicher als ein Medium bei Hypnosebehandlungen einsetzen können, dachte Cloud und dabei wurde ihm schmerzlich bewusst, wie fern und unerreichbar die Welt war, der er entstammte. Eine Zeit, in der er als Astronaut, der sich anschickte den Mars zu betreten, ein Held gewesen war und in der die Menschheit gerade ihre ersten schüchternen Schritte ins All unternommen hatte. Noch niemand kannte damals das Wort Menschen…

Jelto und Jiim hatten bisher geschwiegen. Der geflügelte Narge stand in seiner mit ihm verschmolzenen Rüstung da und machte auf Cloud einen ebenso ratlosen Eindruck wie Jelto, der Florenhüter, der sich in der Zeit seit der erneuten Kommandoübernahme Sobeks fast gänzlich zurückgezogen hatte. Die Zwiesprache mit den Pflanzen, die er in seinen Räumen hielt, schien ihm wichtiger zu sein, als der Austausch mit seinen Leidensgenossen an Bord.

Aber vielleicht war diese zurückgezogene Haltung auch nur darin begründet, dass er einfach keine Möglichkeit sah, sich zu wehren. Ein Techniker war Jelto nie gewesen und ohne ein Verständnis der von Sobek angewandten Technologie, war ein erneuter Umsturz wohl nicht möglich.

Scobee verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Sie war die ganze Zeit über hin und her gelaufen wie ein gefangenes Tier in seinem Käfig. Man hatte ihr ansehen können, wie sehr sie darauf brannte, etwas zu unternehmen, irgendetwas, was zumindest die Chance beinhaltete, das Blatt noch einmal zu wenden… Aber danach sah es im Augenblick einfach nicht aus. Alles, was auch nur entfernt nach einer Hoffnung aussah, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als Illusion.

»Mir persönlich wäre es lieber, Sobek würde uns gefangen halten«, bekannte sie. »Dann wüsste ich zumindest, dass wir ihm gefährlich werden können!«

Cloud nickte.

»Du hast recht, er fühlt sich absolut sicher. Nur deswegen gibt er uns so große Freiheiten.«

»Möglicherweise verspricht er sich auch noch irgendeinen Vorteil davon, dass er uns an Bord gelassen hat!«, meinte Jarvis. »Nach allem, was wir von ihm wissen, dürfte man ihn als einen absoluten Utilitaristen bezeichnen können.«

»Fragt sich nur, was das für ein Vorteil sein sollte«, meinte Scobee. »Schließlich kann er sich doch denken, dass wir unsere Freiheit nur dazu nutzen werden, um den Spieß irgendwann wieder umzudrehen und Sobeks Kommando über das Schiff zu beenden…«

»Davon abgesehen wird er technisch in der Lage sein, uns überall auf dem Schiff zu belauschen«, stellte John Cloud fest und erhob sich von seinem Platz. »Sesha ist schließlich auf seiner Seite, und wenn Sobek ihr die entsprechenden Filter vorgibt, müssen wir davon ausgehen, dass er sofort alarmiert wird, wenn in unserer Kommunikation irgendetwas enthalten sein sollte, was ihm bedrohlich erscheint…«

»… was bisher ganz offensichtlich noch nicht der Fall war«, ergänzte Scobee. Sie schüttelte den Kopf. »Aber das kann ja wohl nicht heißen, dass wir jetzt einfach die Hände in den Schoss legen und aufgeben, oder?«

Einige Augenblicke herrschte Schweigen.

»Eine gute Gelegenheit muss abgewartet werden«, sagte schließlich Jelto, der dem bisherigen Gespräch eher teilnahmslos gefolgt war und kaum zu erkennen gegeben hatte, inwiefern er sich inhaltlich überhaupt damit auseinandergesetzt hatte, Sobek zu stürzen.

»Bei Siroona hatte ich den Eindruck, dass sie einiges dazugelernt hat«, meinte Scobee, sich an ihren gemeinsamen Aufenthalt auf Nar’gog erinnernd. »Ich wüsste gerne, wo sie jetzt ist…«

»Und ich finde, wir sollten uns zunächst einmal über unser eigenes Schicksal Sorgen machen«, meinte Jarvis.

Cloud ergänzte: »Im Zweifelsfall ist Siroona nämlich nicht nur eine der Hohen Sieben, sondern auch Sobeks treu ergebene Gefährtin, die ihm wahrscheinlich in die schlimmste Hölle folgen würde. Was immer du auch an Wandlungen in ihrem Charakter festgestellt haben magst, Scobee – ein Wort von Sobek, nein, ein Gedanke von Sobek, und sie tut, was er will.«

»Siroona ist ihm tatsächlich gefolgt«, stellte Jarvis fest. »Es ist mir gelungen, mich für kurze Zeit mit dem Kommunikationssystem zu verbinden und so die Abschirmung des Schiffs zu überwinden. Ich konnte auf diese Weise Teile eines Funkspruchs auffangen, der an Sobek gerichtet war.«

John Cloud runzelte die Stirn. »Und das sagst du uns erst jetzt?«

»So lange ist es ja noch nicht her«, entschuldigte sich Jarvis. »Davon abgesehen war es auch nur ein mehr oder minder sinnloses Fragment. Der Datenstrom enthielt allerdings erstens eine Kennung, die typisch für Siroona ist und zweitens…«

»Ja?«

Jarvis verschränkte jetzt die Arme, was einen eigenartigen Anblick bot, denn nun hatte man den Eindruck, dass die insektenähnlichen Schwärme der Nanopartikel aus denen seine Körpersubstanz bestand, in zwei sich umeinander windenden Bahnen daherströmten, sodass ein menschliches Auge rein optisch den Eindruck bekommen musste, dass Jarvis’ Arme sich zu einem zopfähnlichen Gebilde verdrehten. Seit er KargorsGeschenk erhalten hatte, war es ihm möglich, jedwedes von ihm erfasste Lebewesen täuschend echt zu imitieren. Dazu gehörte auch ein Jarvis aus Fleisch und Blut, wie es ihn früher gegeben hatte.

Eigenartigerweise benutzte er seine ursprüngliche Gestalt zurzeit gar nicht. Warum auch immer… Vielleicht ist seine alte – menschliche – Gestalt für ihn inzwischen nichts weiter als eine schmerzliche Erinnerung an ein verlorenes Leben, das so, wie es war, nicht wiederkehren wird. Auch dann nicht, wenn er äußerlich so erscheint…

»Da war noch die Positionsangabe des Jay’nac-Schiffs, mit dem Siroona ihrem Geliebten Sobek offenbar gefolgt ist«, erklärte Jarvis. »Und da diese Positionsangabe noch nicht sehr alt ist, können wir vermuten, dass wir uns nicht sehr weit davon entfernt befinden müssen.«

»Und was heißt das konkret?«, mischte sich Scobee in einem leicht genervt wirkenden Unterton ein.

»Keine dreißig Lichtjahre mehr bis zur großen Magellanschen Wolke«, sagte Jarvis.

Cloud nickte leicht. »Dann hat Sobek sein Ziel also beinahe erreicht…«

Er atmete tief durch. Wie plant man eine Meuterei, wenn der Kommandant jedes Wort hören kann, das gesprochen wird – und wenn er will, sogar die Gedanken zu lesen vermag?, lautete wohl die Frage, die man sich jetzt stellen musste. Gute Aussichten sahen jedenfalls anders aus.

2. Kapitel

Die Gnade des Kaisers

Der foronische Kommandant des Kriegsschiffes GNADE DES KAISERS betrat die Brücke. Der Erste Offizier lieferte einen kurzen telepathischen Bericht, der alles Wesentliche enthielt. Danach hatte die GNADE DES KAISERS gerade den äußersten Punkt ihres Patrouillengebietes erreicht. Die Sensoren liefen auf höchster Leistungsstufe.

Hemlan war der Name des Kommandanten. Er war ein treuer Diener des erhabenen Kaisers von Samragh.

Mecchit… Der Forone, der sich auch der Einzige Hohe nennen ließ. Angeblich hatte es früher die Hohen Sieben gegeben und Mecchit war nur einer von ihnen gewesen. Und zwar nicht einmal ihr Anführer. Aber diese Geschichten waren nun als zersetzende Propaganda von Feinden des Imperiums gebrandmarkt worden. Sie zu verbreiten war inzwischen unter Strafe gestellt, ebenso wie die Erwähnung eines Namens, der einmal den des aktuellen Herrschers überstrahlt hatte.

Sobek… Der Erste unter den Hohen Sieben, der diesen zersetzenden und die Herrschaft untergrabenden Geschichten nach den größten Anteil am Überleben des foronischen Volkes hatte. Insbesondere Angehörige jener immer kleiner werdenden Gruppe von Foronen, die die Wahrheit noch kannten und für die Sobek daher mehr war als nur ein Name aus einer dunklen Zeit, fanden es manchmal anmaßend und schändlich, dass der Name des Anführers der Hohen Sieben bereits dermaßen in Vergessenheit geraten war. Ein Vergessen, das Kaiser Mecchit nach Kräften gefördert hatte. Jetzt schien Mecchit seine Macht für so gefestigt zu halten, dass er sich daranmachen konnte, die Geschichte des neuen Foronen-Reichs in Samragh auch offiziell umzuschreiben. In verschiedenen aufeinander folgenden Schritten war dies bereits geschehen. Und bei jedem dieser Schritte war die Rolle Mecchits beim Aufbau des Neuen Imperiums mehr herausgestellt und bedeutsamer dargestellt worden, während man Sobeks Anteil daran nach und nach minimiert hatte.

Kommandant Hemlan hatte von diesen Dingen wenig Ahnung. Er war noch ein sehr junger Kommandant und hatte das Licht Samraghs erblickt, als man sich an den Namen Sobek bereits nur in der Verschwiegenheit vertrauter Gesellschaft zu erinnern wagte.

Die Älteren waren da zumeist unter sich. Jene, die sich aus eigenem Erleben daran zu erinnern vermochten, dass man der Geschichte des Foronenvolkes einst anders gedacht und der Name Sobek einst eine andere Bedeutung gehabt hatte.

Hemlan konnte sich gut daran erinnern, dass die Älteren zumeist verstummt waren, wenn jemand wie er hinzugetreten war. Sie hatten dann weder ein weiteres Wort darüber geäußert, noch irgendeine telepathische Botschaft frei kursieren lassen, sondern vielmehr dafür gesorgt, dass ihre Bewusstseine streng abgeschirmt wurden.

Hemlan hatte zunächst nie verstanden, weshalb diese Vorsicht geboten sei. Bis ihm während seines Dienstes in der Raumflotte des Neuen Imperiums aufgefallen war, dass bestimmten Offizieren der Aufstieg verwehrt blieb, während andere – jüngere wie er – an ihnen vorbeizogen. Und so mancher, der sich dann und wann dahingehend geäußert hatte, dass unter der Führung Sobeks im Imperium vielleicht doch das eine oder andere zum Besseren stünde, war spurlos verschwunden.

Mit einem dieser Foronen hatte Hemlan gegenseitige Wertschätzung verbunden.

Das war unter Foronen bereits eine ungewöhnlich selbstlose und enge Verbindung, die nicht einem Abhängigkeitsverhältnis gleichkam. Und nur aus diesem Grund hatte Hemlan nachgeforscht, was mit diesem Foronen geschehen war, dessen Namen er jetzt nicht einmal mehr auszusprechen wagte. Schon an ihn zu denken, konnte gefährlich sein, wie er festgestellt hatte.

Hemlan hatte festgestellt, dass dieser Wertgeschätzte vollkommen aus allen verfügbaren Datenspeichern getilgt worden war, so als hätte es ihn nie gegeben. Der Kaiser und seine Getreuen schienen das absolute Vergessen als angemessene Strafe für jemanden zu empfinden, der es wagte, an einen Vergessenen zu erinnern.

Der pure Schrecken hatte daraufhin Hemlans Sinne regelrecht eine Weile betäubt, und er hatte das Gefühl, sich davon bis heute nie wirklich erholt zu haben. Die Art des Ausgetilgtwerdens, wie sie seinem Wertgeschätzten widerfuhr, war schlimmer als der Tod, denn nach dem Tod gab es zumindest ein Fortleben im Gedenken der anderen. Aber genau das war in diesem Fall ausgeschlossen. Hemlan war seit damals misstrauischer geworden. Er sorgte dafür, dass seine Gedanken stets sorgfältig abgeschirmt waren und er nicht schon allein durch die spezifische Beschaffenheit seiner Präsenz dafür sorgte, dass andere vielleicht zuviel von seinen Ansichten und Auffassungen erfuhren.

»Übernimmst du die Kontrolle, Kommandant?«, fragte der Erste Offizier.

»Nein«, erwiderte Hemlan. »Das ist im Augenblick nicht nötig. Die Kontrolle kann bei der Schiffs-KI bleiben.«

Die GNADE DES KAISERS war eines von unzähligen neu konstruierten Schiffen, die inzwischen die Werften des Neuen Imperiums der Foronen verlassen hatten, nachdem Mecchit den uralten Plan der Wiederbelebung des Reiches in die Tat umgesetzt hatte – etwas, wofür ihm eigentlich jeder Forone dankbar sein musste.

Das empfand auch Hemlan so und daran änderte auch das einstige Verschwinden seines Wertgeschätzten mit dem jetzt unaussprechlichen Namen nichts, an den jede Art der Erinnerung am Besten zu tilgen war.

Der Kaiser hatte das Recht, hart durchzugreifen, denn er musste sich unbedingt behaupten. Die Stärke des Neuen Imperiums hing in erster Linie davon ab, dass im Inneren Einigkeit bestand. Einigkeit durch eine starke Führung. Einen anderen Weg gab es nicht.

Es war nur eine Frage der Zeit, wann auch das Neue Reich vor seiner Bewährungsprobe stehen und sich seiner Feinde erwehren musste. Nie wieder sollte es dabei den Foronen so ergehen, wie in ihrem erfolglosen Kampf gegen die Virgh, den sie letztlich nur dadurch hatten überleben können, dass die Arche der Foronen an einem sicheren Ort die Zeit überdauert hatte.

Hemlan nahm in seinem Sarkophag Platz. Die Schiffe des Imperiums waren nach dem Vorbilde der SESHA und ihrer Kopien gefertigt worden. Allerdings fehlte ihnen einiges an der Ausstattung dieses legendären Raumers, denn Schiffe wie die GNADE DES KAISERS waren auf eine Massenproduktion hin konzipiert worden. Es war einfach wichtig, eine Flotte zur Verfügung zu haben, die in der Lage war, die Kleingalaxie Samragh gegen äußere Feinde wirksam zu schützen. Und da war Masse wichtiger als Klasse, denn im Ernstfall hatten diejenigen, deren Aufgabe der Schutz des Imperiums war, an unzähligen Stellen gleichzeitig zu sein.

Hemlan verband sich nur teilweise mit den Schiffssystemen. Wenn er wollte, konnte er jederzeit die Steuerung, die Sensoren oder jedes andere System direkt kontrollieren. Aber das war im Moment gar nicht die Absicht. Alle Systeme arbeiteten einwandfrei, und seine Aufgabe bestand eigentlich im Wesentlichen darin, die eingehenden Daten einer genau ausgeklügelten Filterung zu unterziehen, sodass ein Informationsgewinn im eigentlichen Sinn überhaupt erst möglich wurde.

Hemlan erinnerte sich gerne daran, wie Kaiser Mecchit persönlich ihm das Kommando über die Gnade des Kaisers übergeben und ihm den Treueschwur abgenommen hatte.

Ein Schwur, der nicht verbal abgegeben wurde, sondern durch einen besonders konzentrierten telepathischen Impuls. Alles andere wäre auch nicht glaubwürdig genug gewesen. Man musste sich schon auf diese Weise offenbaren, um sich das Vertrauen Mecchits zu ererben.

Noch heute schauderte es Hemlan bei dem Gedanken an die Präsenz des Kaisers. Im Moment des Schwurs wäre es Hemlan vermutlich völlig unmöglich gewesen, etwas anderes zu tun, als Mecchit die Treue zu versichern.

Nein, für den Kommandanten der GNADE DES KAISERS hatte es nie einen Zweifel daran gegeben, dass Mecchit tatsächlich der Einzige Hohe war. Derjenige, der es verdient hatte, das neue Reich der Foronen uneingeschränkt zu führen und damit zu einem Garanten seiner Sicherheit wurde. Dazu war jedes Mittel recht. Hemlan wäre nicht im Traum eingefallen, das je anzuzweifeln. Dass ein Wertgeschätzter dabei ausgelöscht wurde, musste man wohl in Kauf nehmen.

Im Laufe der Zeit war Hemlan immer mehr zu der Einsicht gelangt, dass solche Opfer gerechtfertigt waren. Die Geschichte der Foronen lehrte dies. Zumindest jene Version der Geschichte, die Mecchit propagieren ließ. Die Vergangenheit ändert sich im Licht der Gegenwart, hatte der Wertgeschätzte sich einst Hemlan gegenüber geäußert. In unserer Betrachtung ist sie ebenso einem Wandel unterworfen wie die Zukunft. Nur die Gegenwart ist real. Sie bleibt, wenn auch nur im unmittelbaren Augenblick.

Worte, die Hemlan erst viel später verstanden hatte.

Auf einer Holosäule mitten im Raum wurde das Raumgebiet um Kana-Samragh projiziert. Außerdem waren die Positionen sämtlicher georteter Objekte deutlich markiert. Hemlan erfasste diese Holosäule mit seinen verfeinerten Sinnen, die weit über das hinaushingen, was Augen hätten sehen können. Eine Unzahl von Begleitdaten nahm er wahr. Nichts Auffälliges schien sich abzuspielen, weder bei der Nah-Ortung noch bei der Fernüberwachung.

Eine Reihe von Frachtern flog auf Kana-Samragh III zu.

Sie brachten Sand. Sand, der nichts anderes war, als Nanomaterie, die von der Geheimwelt Starvanger stammte und seit Gründung des Neuen Imperiums zu jenen Welten gebracht wurde, die in Zukunft noch von Foronen besiedelt werden sollten. Und auch Kana-Samragh III sollte in Zukunft mehr sein, als nur ein einsamer Vorposten mit einer subplanetaren – und im Übrigen ebenfalls aus Nanomaterie bestehenden – Anlage. Der Stützpunkt wurde ständig mit weiterem Sand von Starvanger ergänzt. Sand, dessen feinste Partikel sich zu Gebäuden, Industriekomplexe, Raumdocks, Atemluft, Wasser oder irgendetwas anderem formen konnten, was Foronen benötigten, um zu überleben. Die Sand-Partikel folgten einem uralten Programm, das einst ersonnen worden war, um die Virgh zu besiegen. Nun kam es erst Generationen nach dem Sieg über diesen ultimativen Feind der Foronen in Aktion. Aber es funktionierte. Und das mit einer Perfektion, die Hemlan immer wieder faszinierte. Wenn ein Schiff mit Nanomaterie seine Ladung abgab, konnte man an Bord der GNADE DES KAISERS verfolgen, was geschah.

Eine Datenleitung stand dazu zur Verfügung, und manchmal vertrieb sich Hemlan die Zeit damit, über diese Leitung sinnlich zu erfassen, wie die Nanomaterie ihrem Programm folgte und sich formte. Eigentlich war diese Überwachungsmöglichkeit aus Sicherheitsgründen geschaffen worden, aber Hemlan war auch aus anderen Gründen froh darüber, dass es sie gab.

Der Posten, auf dem er der foronischen Flotte diente, war nämlich alles andere als abwechslungsreich.

In der Zeit, die er nun schon dabei war, hatte es zumindest in dem Bereich, der vom Kana-Samragh-System aus beobachtet wurde, keinerlei Angriffe auf das Imperium gegeben. Aber das bedeutete nicht, dass man die Vorsicht vergessen durfte.

Im Handumdrehen konnte sich die Situation ändern, so hatte man es Hemlan während seiner Ausbildung in der Kaiserlichen Flotte beigebracht. Und er hatte keinen Grund, daran zu zweifeln. Die foronische Geschichte war ein einziger Beleg dafür.

Die Schiffs-KI der GNADE DES KAISERS meldete sich.

Unidentifiziertes Objekt nähert sich!, lautete die telepathische Botschaft, die in diesem Augenblick sämtliche Offiziere des imperialen Kriegsschiffes empfingen und aus ihrer scheinbaren Lethargie erwachen ließen. Analyse läuft.

Hemlan überprüfte die Daten augenblicklich.

Das unbekannte Objekt verfügte über einen sehr hoch entwickelten Tarnmechanismus, was vielleicht dazu beigetragen hatte, dass es bis jetzt durch das Beobachtungsnetz der Ortungssysteme gefallen war.

Vielleicht hatte aber auch dazu beigetragen, dass seine Signatur teilweise von den Emissionen eines zweiten, als unbedenklich eingestuften Objekts überdeckt wurde. Unbedenklich war das zweite, sich auf einem Parallelkurs nähernde Objekt deswegen, weil die bisher aufgefangenen Fragmente seiner Signatur immerhin ausreichten, um zu dem eindeutigen Schluss zu kommen, dass es sich um foronische Technologie handelte. Genauere Spezifizierungen standen noch aus und die Tatsache, dass man aus dieser Entfernung keine genauern Angaben machen konnte, sprach für einen aktivierten Tarnmechanismus.

Zweifellos unternahm man an Bord von Objekt II einiges an Anstrengungen, um die verräterischen Emissionen zu unterdrücken. Aber nach den Parametern der Schiffs-KI war das bislang kein Grund gewesen, Alarm zu schlagen.

Analyse von Objekt I beendet, meldete die KI schließlich. Die Signatur entspricht einem Muster, das in unseren Datenbeständen unbekannt ist. Soll ein Zugriff auf die Datenbestände des Kaiserlichen Palastes erfolgen?

»Ja«, bestätigte Hemlan. »Was ist mit Objekt II?«

Zum Abschluss der Analyse liegen noch nicht genug Daten vor. Eine Spezifikation wird aber in Kürze gelingen.

»Gut.«

»Wahrscheinlich nur ein Frachter mit Begleitschutz«, äußerte sich der Erste Offizier.

Das war durchaus eine plausible Hypothese. Die meisten Alarm-Ortungen liefen auf etwas Derartiges hinaus, denn die Transport-Kapazitäten des Imperiums waren dermaßen knapp und überlastet, dass nahezu alles, was sich im Raum bewegen konnte, als Frachteinheit benutzt wurde. Da konnten schon einmal recht merkwürdige Signaturen geortet werden.

Und dass Transporte von Nanomaterie bewacht wurden, konnte auch nicht weiter verwundern.

Der Sand von Starvanger war schließlich die wertvollste Substanz im gesamten Imperium. Und es war nicht ausgeschlossen, dass jemand versuchte, etwas davon für seine eigenen Zwecke abzuzweigen.

In diesem Fall sprach die Tatsache dafür, dass sich beide Schiffe relativ weit außerhalb des imperialen Einflussgebietes befanden.

Samragh ist der am weitesten vorgeschobene Außenposten des Imperiums. Es macht einfach keinen Sinn, Nanomaterie so weit in den Außenbereich zu transportieren, weil dort gar keine Welten mehr sind, die man damit bewohnbar machen könnte!, erkannte Hemlan.

Die KI hatte unterdessen per Überlicht-Kommunikation eine Antwort auf ihre Anfrage bekommen.

Der Datenabgleich mit den Alt-Beständen ergibt eine signifikante Übereinstimmung von Objekt I mit Schiffen der Jay’nac, vermeldete die KI.

Hemlan wusste nicht, was ein Jay’nac war. Er war nie in seinem Leben einem Angehörigen dieses Volkes begegnet und es hatte während seiner bisherigen Laufbahn niemals die Notwendigkeit bestanden, sich näher mit diesem Volk zu beschäftigen.

Jetzt nahm Hemlan Zugriff auf diese Informationen. Ein anorganisches Volk der nahen Spiralgalaxie…

Es war keinesfalls ausgeschlossen, dass irgendwann Schiffe dieser Spezies nach Samragh gelangt und vielleicht havariert waren, sodass sie später von der foronischen Transportflotte aufgefunden, umgebaut und instand gesetzt worden war. Die imperiale Technik war fortgeschritten genug, um nahezu alle nur denkbaren Raumfahrzeuge mit ein paar Modifikationen in den eigenen Bestand zu integrieren.

Warum also nicht auch ein Schiff der Jay’nac, auch wenn das, was Hemlan nun per Datenzugriff über deren anorganische Natur in Erfahrung brachte, durchaus erahnen ließ, dass sich diese Spezies von den Foronen sehr unterschied.

Sosehr, dass selbst die Virgh dagegen wie nahe Verwandte erschienen wären!, dachte Hemlan.

Der Alarmimpuls – gleichzeitig akustisch, optisch und telepathisch an sämtliche Besatzungsmitglieder der GNADE DES KAISERS gegeben – entsprach der Prioritätsklasse 0. Die Parameter, nach denen dieser Alarm ausgelöst wurde, unterlagen der Geheimhaltung und so hatte Hemlan im ersten Moment auch keine Ahnung, was genau ihn ausgelöst hatte. Die KI wurde von allein tätig. Das Votum des Kommandanten wurde in dieser Prioritätsklasse gar nicht erst abgewartet. Es erfolgte eine sofortige Meldung an den Kaiserpalast.

»Eine Begründung für den Alarm bitte!«, verlangte Hemlan.

Begründung ist derzeit nicht erforderlich, war die knappe Erwiderung der KI. Weitere Befehle kommen per Direktverbindung zum Kaiserpalast.

»Aber ich muss doch etwas über das Gefahrenpotenzial wissen, das den Alarm ausgelöst hat!«

Dies ist dein erster Alarm der Klasse O, nicht wahr?, stellte die KI fest. Das Prozedere unterscheidet sich in einigen Punkten vom Vorgehen in allen anderen Alarmklassen. Es wird dir niemand zum Vorwurf machen, dass du dies nicht weißt, denn diese Informationen unterliegen strengster Geheimhaltung.

Tatsache war, dass der Alarm ausgelöst worden war, nachdem eine nähere Analyse von Objekt II abgeschlossen und über eine Anfrage mit den Datenbeständen des Kaiser-Palastes verglichen worden war – und das im Gegensatz zur Abfrage in Bezug auf Objekt I, ohne den Kommandanten auch nur zu informieren, wie Hemlan jetzt erkannte.

Wenig später waren die Befehle aus dem Kaiserpalast da.

Beide Objekte vernichten!, lautete die unmissverständliche Anweisung. Funkbotschaften ignorieren und die Daten über den Vollzug des Befehls unmittelbar über einen verschlüsselten Kanal an den Kaiserpalast senden…

Mecchit erhob sich von seinem Thron. Er hatte gerade ein paar frisch gebackenen Raumschiffkommandanten den Eid abgenommen. Sie waren eine der Säulen, auf denen seine Herrschaft beruhte. Eine zweite Säule war der Nanosand von Starvanger…

Seine Präsenz war auf einmal so übermächtig, dass es die anwesenden Kommandantenanwärter schon als schmerzhaft empfanden. Sie brauchten nicht laut aufzustöhnen oder irgendeine körperliche Reaktion darauf zeigen – die Reaktion auf telepathischer Ebene war schon ausgesprochen heftig.

Furcht…, dachte Mecchit. Auch sie ist eine Säule der Herrschaft. Ich habe so viel von Sobek lernen können. Unter anderem auch dies…

Zu Beginn seiner Kaiserzeit hatte Mecchit manchmal vollkommen unvermittelt Würdenträger des Imperiums umgebracht oder sie des Hochverrats bezichtigt und dann durch seine Geheimpolizei ermorden lassen. Das war es, was man einen wohldosierten Schrecken nennen konnte. Der Stabilität des Imperiums hatte es sehr genützt. Aber noch war die Aufbauarbeit nur zu einem Bruchteil geleistet.

Es durfte nicht geruht werden. Die Anstrengungen mussten auf demselben hohen Niveau bleiben, wenn das Ziel erreicht werden sollte.

Aber die Dosis an Entsetzen, die der Kaiser verbreitete, hatte sich reduziert. Die Idee, dass die Foronen mehr abstumpften, wenn man sie auf diese Weise behandelte, traf nicht zu. Das Gegenteil war der Fall. Sie wurden immer sensibler. Jetzt brauchte Mecchit Gewalt nicht einmal mehr anzudrohen, wenn er sich seiner Gefolgschaft versichern wollte.

Die Kommandantenanwärter gaben ihren telepathischen Impuls ab, mit dem sie den Kaiser ihrer Treue versicherten. Wie oft war das schon geschehen? Mecchit hätte es nicht mehr zählen können. Aber nichtsdestotrotz nahm er es mit dieser Zeremonie und mit allem, was damit zusammenhing, sehr genau. Keiner von ihnen wird diesen Augenblick jemals vergessen, war er sich sicher.

Der Alarm mit der Priorität der Klasse 0 erreichte ihn vollkommen unvorbereitet.

Ein Sensorsystem übertrug die Impulse direkt in seine Foronenrüstung. Zunächst war er einige Augenblicke lang völlig konsterniert, was er mit einer besonders starken Präsenz zu überspielen wusste. Niemand durfte merken, wie erschüttert er war. Und so führte er die Zeremonie zunächst zu Ende.

Die zukünftigen Kommandanten wurden hinausgeführt.

Manch einer wirkte etwas verunsichert. Sie hatten gespürt, dass irgendetwas anders war als sonst. Aber keiner von ihnen hätte es gewagt, sich dazu zu äußern.

Mecchit wartete, bis man die Kommandantenanwärter hinausgeführt hatte.

So oft habe ich an Sobek gedacht!, ging es ihm durch den Kopf. Aber ich hatte eigentlich gehofft, ihm nicht mehr begegnen zu müssen.

Aber nun bahnte sich genau dies an.

Ich habe gewusst, dass dieser Moment eines Tages kommen wird. Und ich bin vorbereitet, Sobek! Gut vorbereitet…

Eine Holosäule aktivierte sich. Die Gestalt eines Foronen wurde in dreidimensionaler Qualität dargestellt. Es handelte sich um Geraflon, den Chef seiner Geheimpolizei.

»Ich nehme an, Ihr habt den Klasse 0-Alarm inzwischen auch registriert«, sagte Geraflon mit überraschender Kühle. Seine Stimme klirrte wie Eis.

»Es soll alles planmäßig vor sich gehen«, meinte Mecchit.

»Bis jetzt wissen wir nicht einmal exakt, wer an Bord ist!«

»Aber Sobek ist an Bord«, widersprach Mecchit. »Das ist sicher, denn in den Daten sind mehrere Funksprüche enthalten, die Sobek mit dem parallel fliegenden Jay’nac-Schiff ausgetauscht hat. Nein, wir können sicher sein, dass er es ist, der zurückgekehrt ist! Ein Paar, wie man so schnell keines mehr finden wird: Sobek und Siroona….«

Mecchit befahl die völlige Vernichtung der beiden Raumschiffe.

Und zwar sofort.

Ich will keine Verzögerung!, lautete der telepathisch gegebene Befehl an Geraflon.

Der Chef der Geheimpolizei neigte leicht den Kopf. »Bis jetzt hat sich Sobek nicht zu erkennen gegeben.«

Ich weiß.

»In dem Moment, in dem er das tut, werden wir die Kampfhandlungen einstellen müssen.«

Auch das ist mir bewusst, Geraflon. Sobek ist eine Legende – und obgleich ich mich bemüht habe, das Andenken an ihn auszulöschen, ist es bei vielen Älteren leicht zu reaktivieren… Darum muss ein harter, schneller Schlag geführt werden.

»Ich darf Euch beruhigen, mein Kaiser«, sagte Geraflon. »Mit einer einzelnen SESHA-Kopie kann Sobek niemals Samragh erobern. Militärisch ist er vielleicht in der Lage, unsere Pläne zu verzögern. Aber das ist auch schon alles!«

Doch Mecchit war in diesem Punkt weitaus weniger optimistisch. Es ist nicht irgendeine der SESHA-Kopien, mit der Sobek nach Samragh zurückkehrt. Den Daten nach, die man mir übersendet hat, ist es die Original-Arche…

»Das Heiligtum der Foronen?«

Als das wird sie noch immer von der Mehrheit unseres Volkes gesehen, bestätigte Mecchit.

Mit langsamen Bewegungen durchschritt er den Thronsaal seiner Residenz. Säulen aus Nanomaterie bauten sich auf und bildeten Skulpturen. Konkrete und abstrakte Formen wuchsen aus dem Material heraus und lösten sich wieder auf. Die Nanomaterie wurde direkt von der Präsenz des Herrschers geprägt. Wenn er wollte, konnte er ein Spiegelbild seiner Seele damit erschaffen – und oft genug tat er dies, wenn er glaubte, dass es ihm in seiner Funktion als Herrscher nützlich war.

»Eine diplomatische Lösung kommt für Euch nicht in Frage, mein Kaiser?«, fragte Geraflon.

Mecchit blieb stehen. Er antwortete zunächst nicht. Weder telepathisch noch akustisch.

Stattdessen sorgte dafür, dass sich eine Seite des Thronsaals veränderte. Sie wurde transparent – oder besser gesagt, es schien so als würde sie transparent, denn ob es sich um eine täuschend wirklichkeitsnahe Holoprojektion handelte oder die Nanomaterie tatsächlich sich dahingehend strukturierte, dass sie einen Blick ins All gestattete, war nicht einmal von den Sinnen eines gewöhnlichen Foronen zu erfassen. Was Angehörige der Hohen Sieben anging, sah das vermutlich anders aus. Aber bisher hatte für Mecchit auch nicht die Notwendigkeit bestanden, einen von ihnen zu beeindrucken.

Der Blick war frei auf die vermeintliche Wüstenwelt Starvanger, in deren Orbit diese Kaiserliche Residenz schwebte. Frachter erreichten in ununterbrochener Folge die ehemalige Geheimwelt der Foronen. Gegen die Virgh hatte ihnen die Nanomaterie nicht mehr helfen können, da diese unbarmherzigen Angreifer einfach zu schnell vorgegangen waren und dem alten Imperium der Foronen keine Möglichkeit mehr zur Gegenwehr gelassen hatten. Aber nun konnte Kaiser Mecchit dafür um so mehr aus dem Vollen schöpfen. Es war, als ob Samragh nur auf sein Erscheinen gewartet hätte…

Ich habe diese Entscheidung vor langer Zeit getroffen!, beantwortete der Kaiser der Foronen die Frage seines Geheimpolizei-Chefs mit einem telepathischen Impuls. Und sie ist unwiderruflich… Die Dinge haben sich geändert. Sobek blieb verschwunden und ich musste den Aufbau in Samragh allein bewältigen. Was hier geschaffen wurde, ist das Ergebnis meiner Herrschaft. Ich habe Pläne. Großangelegte, ehrgeizige Pläne, die ich mir von niemandem durchkreuzen lasse!

»Trotzdem könnte es ein Akt der Klugheit sein, sich mit ihm zu einigen, falls es nicht gelingt, ihn mit einem Schlag auszuschalten. Die Verehrung für ihn ist groß, und es könnte sein, dass sich trotz der harten Hand, mit der Ihr regiert habt, eine Opposition bildet, die sich auf seine Seite schlägt…«

Ältere, erwiderte Mecchit verächtlich. Ein Großteil unseres Volkes aber erblickte erst das Licht Samraghs, nachdem Sobek bereits verschollen war…

»Vielleicht auch Jüngere, für die Sobek gerade durch den Versuch, seinen Namen dem Vergessen anheim fallen zu lassen, zum legendäreren Helden wird – denn sie kennen seine Schattenseiten nicht.«

Mecchit beobachtete eine gewaltige Transportseinheit, die in den Orbit einschwebte. Kleinere Transporter sorgten für den Verkehr zwischen Oberfläche und Orbit. Wie ein Bienenstock wirkte Starvanger. Die Transportschiffe brachten den Nanosand von hier aus zu zahllosen Foronenwelten, aber auch Planeten, die nie Teil des alten Reichs gewesen waren, um dort Lebensbedingungen zu schaffen, die für Foronen annehmbar waren.

Selbst die von den Virgh verglasten Welten konnten durch Einsatz von Nanomaterie wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden, um in Zukunft wieder als Hauptwelten des Imperiums dienen zu können. Samragh erblüht – und Sobek kommt pünktlich zur Ernte, dachte Mecchit. Aber das werde ich ihm nicht gestatten.

Mecchit war nicht bereit die Macht, die er so mühsam errungen und so lange gehalten hatte, jetzt mit jemandem zu teilen, der keinerlei Anteil an diesen Aufbauleistungen hatte. Notfalls wird es Krieg zwischen uns geben. In den Hangars der Kaiserlichen Residenz befanden sich zahlreiche kleinere Kampfschiffe in Rochenform – einzig und allein zu dem Zweck geschaffen, Starvanger zu verteidigen.

Denn diese Sandwelt war der Schlüssel zu Mecchits Macht – und das war ihm auch sehr bewusst.

Der Kaiser war der Herr der Nanomaterie und damit hatte er die Möglichkeit, den Aufbau des Neuen Imperiums fast nach Belieben zu steuern.

Die einzige Einschränkung, die es dabei gab, war zunächst einmal nicht die Menge der zur Verfügung stehenden Nanomaterie, sondern die Frachtkapazitäten, sodass praktisch jeder freie Kubikmeter Transportraum genutzt wurde.

Der Strom des Nanosandes durfte nicht ins Stocken geraten, wenn der weitere Aufbau des Neuen Imperiums erfolgreich fortgesetzt werden sollte.

»Es ist ein riskantes Spiel«, gab der Chef der Geheimpolizei zu bedenken.

Mecchit wandte sich zu ihm um.

Mit seinen Sinnen nahm der Kaiser Zeichen der Angst bei Geraflon wahr. Es kam nicht oft vor, dass sich jemand wie Geraflon eine derartige Blöße gab.

Es ist in der Tat ein riskantes Spiel. Für uns alle, gestand Mecchit zu. Aber Sobek würde es an meiner Stelle auf dieselbe Weise spielen.

»Und du denkst, dass er deshalb Verständnis für dich hätte?«

Für jemanden, der nichts anderes sucht als einen Vorteil bei der Behauptung seiner Machtposition? Ein telepathischer Impuls folgte, der vielleicht das foronische Pendant zu einem schallenden Gelächter war. Für eine solche Handlungsweise hätte Sobek immer Verständnis! Und er selbst würde genau dasselbe tun!

»Genau das befürchte ich«, erwiderte Geraflon.

3. Kapitel

Schlag und Gegenschlag

Der Schwarm von Nanoteilchen wirbelte durcheinander. Ein chaotisches Gebilde von durcheinander schwirrenden kleinsten Teilchen entstand. Dieser Schwarm sank in den Boden ein und wurde eins mit dem Schiff.

Die Nanoteilchen durchdrangen den Raum zwischen den Molekülen, aus denen die Innenwände jenes Raumschiffs bestanden, das von den einen RUBIKON, von seinem gegenwärtigen Kommandanten aber SESHA genannt wurde. Alles, was mir früher als Barriere erschien, war reine Illusion, dachte Jarvis, dessen Körper zwar im Moment seine feste Form aufgelöst hatte, dessen Bewusstsein aber dennoch auf eine nur schwer vorstellbare Weise mit jener Nanomaterie verbunden war, aus der sein Körper bestand.

Er durchdrang mehrere Räume.

Dann hatte er die Außenwandung der SESHA erreicht. Mithilfe von Dunkler Energie reiste das Raumschiff durchs All. Aus der Perspektive eines fiktiven Beobachters macht dieses Schiff jetzt Bewegungen, die an die Schwimmbewegungen eines Rochen erinnern… Aber das ist wohl auch nur eine Illusion. Wahrheit ist ein Standpunkt, von dem aus wir Dinge betrachten. Spätestens seitdem Einstein die Relativitätstheorie entwickelte, sollte das jedem klar sein…

Nur einen winzigen Anteil der Materie, die zu seinem Körper gehörte, streckte Jarvis durch die Außenwand des Rochenschiffs.

Es war immer ein gewisses Risiko dabei, dass dieser Teil seiner körperlichen Existenz verloren ging. Etwa dann, wenn unerwartete Raummanöver geflogen wurden. Auch Anomalien in der Schwarzen Energie, die das Rochenschiff zur Fortbewegung brachte, konnten gefährlich werden.

Aber kleinere Materieverluste konnte Jarvis verkraften, ohne dass er ernsthaften Schaden nahm. Und er glaubte, das diesbezügliche Risiko inzwischen sehr sicher einschätzen zu können.

Wenn es nicht Sobek gewesen wäre, der im Sarkophag gelegen und das Schiff gesteuert hätte, so wäre selbst ein kompletter Ausstieg kein Problem gewesen. Jarvis liebte es, sich im All treiben zu lassen. Er brauchte keine Atemluft und keine Welt, auf die er seinen Fuß setzen konnte. Sein Nanokörper gab ihm ein maximales Maß an Freiheit.

Freiheit, die keiner Menschenseele jemals zuteil geworden war. Er hatte daher nach einigem Hadern aufgehört, sein Schicksal zu beklagen. Die Möglichkeiten, die sich ihm inzwischen eröffnet hatten, waren bedeutsamer als das, was er verloren hatte – seine Menschlichkeit.

Sein Nanokörper formte eigene Sensoren aus, die in einem gewissen Umkreis Ortungen vornehmen konnten und sowohl Überlicht-Funk als auch ganz normale Funkwellen empfingen. Er konnte die Resonanz des Jay’nac-Schiffes wahrnehmen, mit dem Siroona dem Rochenschiff gefolgt war.

Für einige kurze Momente gelang es Jarvis auch, sich in die Bordsysteme einzuschalten.

Er saugte so viele Daten in sich hinein, wie ihm dies in so kurzer Zeit möglich war. Er gab sich ein Limit von wenigen Sekunden und zog sich dann zurück.

Schließlich sollte Sobek nicht auf ihn aufmerksam werden.

Angriffsmanöver!, meldete Sesha.

Für Sobek, der in seinem Sarkophag lag und nach wie vor die Schiffssteuerung innehatte, kam das nicht unerwartet. Aber die Tatsache, das sich Seshas Analyse mit seiner eigenen deckte, stellte eine zusätzliche Bestätigung dar.

Soll ich die Gegenmaßnahmen übernehmen?, fragte Sesha.

Nein, das werde ich selbst tun, erwiderte Sobek.

Die sich nähernden Kampfeinheiten aus dem Kana-Samragh-System gingen auf Abfangkurs, und die Extrapolation einiger anderer Schiffbewegungen zeigte, dass man offenbar beabsichtigte, ihn einzukreisen. Es schien, als wäre die Sesha entdeckt worden.

Aber Sobek registrierte auch Geheimkommunikation unter den Schiffen und mit einer fernen Instanz, deren Ursprung zunächst nicht zurückzuverfolgen war. Diese Geheimkommunikation war zunächst nicht zu entschlüsseln. Es wurde ein Codierungssystem benutzt, das auf nichts von dem beruhte, was Sobek kannte oder gar selbst entwickelt hatte. Sesha würde einen Großteil ihrer Kapazitäten brauchen, um den Code zu knacken. Und dann ist es vielleicht zu spät!, erkannte Sobek.

Er wusste nur eins – dass der ferne Kommunikationspartner dieser Kampfschiffe sehr wahrscheinlich der selbsternannte Kaiser war.

Mecchit… Du wolltest nicht länger Statthalter für mich sein! Das verstehe ich. Das verzeihe ich sogar. Aber ich kann es nicht dulden. Niemals! Und ich werde ein Zeichen setzen müssen…

Genau in dem Augenblick, als zwei der ankommenden Schiffe die Gefechtsdistanz erreichten, feuerte Sobek ohne Vorwarnung. Ihr hättet mich erkennen sollen – denn fliege ich nicht in der Arche der Foronen, dem Heiligtum unseres Volkes? Aber vermutlich habt ihr mich sogar erkannt. Wahrscheinlich weiß auch Kaiser Mecchit längst Bescheid, wer sich da Samragh nähert. Und genau das ist der Grund dafür, dass diese Einheiten mir den Weg abschneiden, ohne auch nur eine Identifizierungs-Sequenz zu senden!

Die ersten beiden Einheiten explodierten.

Der Angriff der Sesha erfolgte so massiv, dass ihnen kaum eine Abwehrchance blieb.

Sobek hatte lange gezögert, sich zu erkennen zu geben.

Aber jetzt tat er es. Er sandte einen Überlichtfunkspruch aus, der von allen foronischen Raumschiffen oder planetaren Stationen in Samragh empfangen werden konnte.

Sesha hatte die Sendeleistung so konfiguriert, dass mit maximaler Breitbandwirkung emittiert wurde.

»Hier spricht Sobek. Der Erste unter den Hohen Sieben und rechtmäßiger Anführer des Volkes der Foronen!«, so begann er – keinen Zweifel daran lassend, dass er nicht mehr und nicht weniger als Unterwerfung forderte.

Ohne Wenn und Aber.

Ich darf dich daran erinnern, dass unsere militärischen Möglichkeiten im Vergleich zu denen Mecchits nach unserer bisherigen Analyse verschwindend gering sind, erklärte ihm Sesha, nachdem die vollständige Transmission zum ersten Mal abgesetzt worden war.

Sobek ließ sie gleich darauf in einer Endlosschleife wiederholen. Er war überzeugt davon, dass zumindest ein Teil seiner Präsenz auch trotz der Vermittlung durch einen Kommunikationskanal, für viele Foronen sehr beeindruckend sein musste.

Ein verschollener Held aus der Vergangenheit, wandte er sich an Sesha.Ist das nicht der Stoff, aus dem Legenden sind?

Aber ihm war auch klar, dass er Mecchits Position keineswegs unterschätzen durfte.

»Ich fordere die Treue und Gefolgschaft aller Foronen von Samragh, denn mir allein steht die Herrschaft zu«, so endete Sobeks Botschaft.

Und jetzt werden wir sehen, wie der Kaiser darauf reagiert!, überlegte er.

Die gegnerischen Schiffe drehten ab und blieben außerhalb der Gefechtsdistanz.

Bis jetzt gab es keine offizielle Reaktion. Der Kaiser ließ sich offenbar Zeit. Er kann mich jetzt nicht mehr einfach vernichten lassen und behaupten, das sei irrtümlich geschehen, weil die SESHA nicht erkannt wurde!, war Sobek sicher.

Er gab der Schiffs-KI einen Befehl.

Kurs Starvanger. Die Steuerung überlasse ich dir. Bei unvorhergesehenen Ereignissen will ich umgehend informiert werden.

Jawohl, bestätigte die KI.

Sobek öffnete den Sarkophag und entstieg ihm. Er spürte sogleich die Präsenz von jemandem, den er kannte…

Ah, dieser Narr! Was will er hier?

Über einen der Türtransmitter, mit denen man an Bord des Rochenschiffs von einem Raum zum anderen gelangen konnte, betrat eine menschliche Gestalt den Raum.

Ein Mann.

John Cloud.

Sobeks Sinne tasteten ihn ab, und für einen Augenblick war Sobek irritiert über diese Begegnung.

Hatte er vergessen, die Türtransmitter zur Brücke zu schließen? Weder Cloud noch die zusätzlichen Besatzungsmitglieder, die das Rochenschiff im Angksystem an Bord genommen hatte und seitdem beherbergte, durften derzeit auf die Brücke.

Etwas stimmt nicht mit deiner Präsenz, John Cloud…

»Und etwas stimmt nicht mit dem Schiff, Sobek. Es gibt Anzeichen dafür, dass wir in Kampfhandlungen verwickelt wurden.«

Ich habe nicht die Absicht, dies mit dir zu erörtern, Barbar!

»Du hast uns ja seit deiner Kommandoübernahme von sämtlichen Datenströmen abgeschnitten, aber…«

Wie hast du es geschafft, hierhereinzukommen?

»Wir nähern uns Samragh. Vielleicht sollten wir zusammenarbeiten. Ist es nicht denkbar, dass die Besatzung der RUBIKON dir nützlich sein könnte?«

Wenn ich nicht zumindest diese Möglichkeit in Betracht zöge, dann wäre keiner von euch noch an Bord, erwiderte Sobeks Gedankenstrom. Er tastete sein Gegenüber ein zweites Mal mit seinen Sinnen ab und versuchte, es noch eingehender zu erfassen. Du dachtest wirklich, mich auf diese Weise täuschen zu können, John Cloud?, sandte er dann einen telepathischen Impuls, dessen Intensität sein Gegenüber aufstöhnen ließ.

Clouds Körper zerfiel in kleinste Teilchen, die wie Sand wirbelten und setzte sich anschließend wieder zusammen. Jarvis! Das war eine schlechte Maskerade. Und dass sie überhaupt gelingen konnte, ist nur der Tatsache zu verdanken, dass sich die Präsenz eines Menschen – und der bist du in deinem tiefsten Inneren eben doch noch – kaum von der Präsenz anderer Menschen unterscheidet.

Jarvis hatte nun eine Gestalt angenommen, die einer Foronenrüstung glich.

Ein dunkler Umriss, der von unzähligen kleinsten Teilchen durchflossen wurde. Wie ein wirbelnder Schwarm winziger Insekten, der groteskerweise eine Formation bildete, die der Gestalt eines Menschen entsprach.

»Es war keine bewusste Täuschung!«, behauptete Jarvis.

So? Mein Sinn für Heiterkeit ist im Moment nicht sehr ausgeprägt!

»Ich habe gehofft, von dir ins Vertrauen gezogen zu werden.«

Und du hast geglaubt, dass dir dies in Clouds Gestalt leichter fiele? Verlass jetzt die Brücke. Ich werde künftig sehr genau auf dich achten und dir nicht mehr gestatten, dich in die Systeme der SESHA einzuschalten. Vielleicht werde ich deinen Bewegungsspielraum sogar ganz einschränken und dich einsperren müssen, was mit einem entsprechenden Kraftfeld auch bei einem Wesen, das nur aus Nanopartikel besteht, möglich wäre…

»Du könntest mich noch brauchen, Sobek!«

Ja, ich weiß…

»Es scheint Virgh-Schiffe in der näheren Umgebung zu geben…«

Anscheinend hast du dich kurzfristig in die Ortungssysteme hineingeschaltet, in der Hoffnung, dass ich das nicht merke. Du hättest dir etwas mehr Zeit nehmen sollen!

Allerdings dachte Sobek nicht im Traum daran, Jarvis genauere Informationen zu geben, auch wenn sie in diesem Fall wahrscheinlich gar keine weitergehende Relevanz hatten. Die scheinbaren Virgh-Signaturen hatte Jarvis offenbar registriert. Aber inzwischen hatte Sobek mit Seshas Hilfe durch eine Kombination der bisher aufgefangenen Funkdaten mit dem, was die Ortung lieferte, herausgefunden, was des Rätsels Lösung war.

In Mecchits Kaiserreich war Transportkapazität offenbar so knapp, dass man auch von den Virgh zurückgelassene Raumschiffe umgebaut und für die eigenen Zwecke modifiziert hatte.

Der Nanosand von Starvanger musste schließlich in die entlegendsten Teile des Neuen Imperiums gebracht werden – koste es, was es wolle. Und die Virgh-Schiffe waren auf Grund ihrer Größe hervorragend für diese Transporte geeignet.

Zerbrich dir ruhig deinen Nanokopf darüber, spottete Sobek. Irgendeine geistige Beschäftigung braucht schließlich selbst ein schwacher Menschen-Geist!

Die Präsenz des Anführers der Hohen Sieben wurde erdrückend.

Und nun geh!

»Es war ein Fehler«, sagte Scobee später in einem ziemlich strengen Tonfall.

Sie trafen sich in Jeltos Gartenreich, in dem die Pflanzen nur so wucherten. Der Florenhüter sprach einzeln mit ihnen. Manchmal murmelte er auch nur vor sich hin und schien dann auf nonverbale Weise Kontakt zu ihnen aufzunehmen.

Er brauchte das.

Pflanzen waren einfach sein Element, und man hatte ihn schließlich dafür geschaffen, sie zu hegen und zu pflegen.

John Cloud befand sich ebenfalls im Raum.

»Wir müssen jetzt damit rechnen, dass unsere Spielräume noch enger werden. Du hättest nicht auf eigene Faust handeln dürfen, Jarvis.«

»Irrtum, John! Es war nur auf eigene Faust möglich«, widersprach Jarvis.

»Jedenfalls wird es lange dauern, bis wir irgendeine Chance bekommen werden, den Spieß noch einmal umzudrehen«, glaubte Scobee. Und John Cloud konnte sich in diesem Punkt ihrer Meinung nur anschließen. Es sei denn, es gelingt, Sesha wieder auf unsere Seite zu ziehen, dachte er. Aber angesichts der Umstände war das mehr als unwahrscheinlich. Wie soll man unseren Status im Moment bezeichnen?, fragte er sich. In früherer Zeit hätte man vielleicht von Gefangenen mit Offiziersprivilegien gesprochen…

Aber darüber, dass sie jetzt Gefangene waren, konnte kein Zweifel bestehen.

Und Sobek hatte den Vorfall mit Jarvis noch einmal dazu genutzt, um eindeutig klarzustellen, wer an Bord des Rochenschiffes der Herr war.

Jarvis veränderte das Aussehen seines Körpers. Er bildete seine menschliche Gestalt nach. Die vertraute Gestalt jenes GenTec, mit dem zusammen John Cloud und Scobee einst zum Mars geflogen waren.

Aber das ist in einem anderen Leben gewesen, dachte Cloud. Zumindest kam es ihm manchmal so vor.

»Ich glaube, Sobek setzt alles auf eine Karte«, sagte Jarvis schließlich. »Ich habe nur Datenfragmente bekommen, aber das Wenige, was ich habe, muss man nur zusammensetzen, um ein einigermaßen stimmiges Bild der Lage zu zeichnen.«

»Und die ist wie?«, fragte Scobee mit einem deutlich genervten Unterton. Die Zuversicht, die Jarvis trotz seines jüngsten Erlebnisses zur Schau trug, war für sie nicht nachvollziehbar. Aber vielleicht war ja jemand, der in gewisser Weise schon einmal gestorben war, zum Optimismus verurteilt.

»Sobek scheint in Samragh auf Schwierigkeiten zu stoßen, mit denen er nicht gerechnet hat. Wer weiß, was Mecchit hier inzwischen so getrieben hat und...« Er sprach nicht weiter. »Ich fürchte, Sobek versucht, die Probleme mit Gewalt zu lösen. Ein Vabanque Spiel ohne Rücksicht auf Verluste. Ich bin mir sicher, dass es Kampfhandlungen gab, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die RUBIKON stark genug ist, um Sobeks Ambitionen durchzusetzen.«

»Wer weiß, was Mecchit hier in der Zwischenzeit aufbauen konnte!«, stimmte Scobee zu.

»Unglücklicherweise sind wir bei der Sache Sobeks Geiseln, sodass unser Schicksal wohl auf Gedeih und Verderb mit dem seinen verbunden ist!« Jarvis trat ein paar Schritte zurück und blickte hinauf, zur Decke von Jeltos Garten. Die Pflanzen wucherten bis dort hinauf. Die Versorgung mit künstlichem Sonnenlicht und die gute Pflege des Florenhüters machten es möglich, dass hier, inmitten eines Raumschiffs, eine Art Dschungel entstanden war. »Ja, hör uns nur zu, Sobek!«, rief Jarvis. Dann machte er eine ärgerliche, wegwerfende Handbewegung.

Mecchit wirkte unruhig. Er ging auf und ab. Die Nanomaterie in seiner Umgebung schien sich nicht für eine feste Form entscheiden zu können und glich einem Spiegelbild seiner Verwirrung.

Erst einige energische telepathische Impulse brachten sie dazu, einfache, sehr schlichte Säulen zu bilden, die Erhabenheit ausstrahlen sollten.