Wenn Sex nicht genug ist - Anna Schatz - E-Book
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Anna Schatz

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Beschreibung

Ein Ratgeber zur selbstwertschätzenden Suchtbegleitung bei Pornosucht

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Seitenzahl: 264

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Anna Schatz: Wenn Sex nicht genug ist. Ein Ratgeber zur selbstwertschätzenden Suchtbegleitung bei Pornosucht, Hamburg, Charles Verlag 2022

ISBN: 978-3-948486-89-1

Print: ISBN 978-3-948486-44-0

Lektorat: Bianca Weirauch

Umschlaggestaltung: © Annelie Lamers

Umschlagmotiv: Line Art Couple © ngupakarti/stock.adobe.com

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://www.dnb.de abrufbar.

Der Charles Verlag ist ein Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH, Hermannstal 119k, 22119 Hamburg.

_______________________________

© Charles Verlag, Hamburg 2022

Alle Rechte vorbehalten.

www.charlesverlag.de

Inhalt

Vorwort

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Danke

Vorwort

Du bist schön.

Du bist stark.

Du bist intelligent.

Du bist ein Geschenk.

Der Mensch bleibt Mensch. Dazu kommt die Sucht.

Schätzungen gehen davon aus, dass es in Deutschland 500.000 Menschen mit Pornosucht gibt. Davon sind etwa 20 Prozent Frauen.1 Experten vermuten, dass die Dunkelziffer zehnmal so groß ist.

Mittlerweile haben sich bereits 90 Prozent aller acht- bis sechzehnjährigen Kinder Pornografie im Internet angesehen, viele davon nicht freiwillig.

Im Leben der Menschen mit Sucht zerbrechen Ehen, sie verlieren Freundschaften und Sozialkontakte, können ihren Beruf nicht mehr vollkommen ausführen, werden ihrem eigenen Anspruch als liebevolle Eltern nicht mehr gerecht und verlieren jeden Bezug zur Selbstliebe.

Immer mehr Betroffene finden gute Anlaufstellen, Therapeuten und Selbsthilfegruppen, die sie auf dem Weg aus der Sucht in ein »normales« Leben begleiten.

Doch dieses Buch stellt nicht den Menschen mit Sucht in den Mittelpunkt. Es ist geschrieben für seine Begleiter, für dich und mich. Für Menschen, die im Moment ihres unermesslichsten seelischen Schmerzes eine liebevolle und kraftvolle Entscheidung fällen. Sie entscheiden sich dafür, den Menschen zu sehen.

Den Menschen, der liebt, der lebt und fühlt und der nicht süchtig sein will. Den Menschen, den sie begleiten möchten. Sie begleiten einen Menschen mit Sucht (im Gegensatz zum Begriff des Suchtkranken). Sie werden zum stillen Helden, nur sehen sie sich nie selbst so.

Das Entdecken der Sucht und die Auswirkungen auf ein gemeinsames Leben haben bei dir tiefe Wunden hinterlassen. Du hast vielleicht in ersten Gesprächen tiefe emotionale Verletzungen erlebt, bist verwirrt gewesen und stehst vor einem zerstörten Selbstbild. Du siehst vor dir einen Scherbenhaufen an Erinnerungen, die plötzlich unehrlich und erfunden scheinen.

Und genau in dieser Situation hast du vielleicht das Gefühl, du musst gehen. Aus einem gemeinsamen Leben fliehen, das voller Schmerz und Unsicherheit ist, in dem es so viel gibt, was du nicht verstehst.

Hinzu kommt, dass es nicht nur ein Thema ist, das du nicht verstehst – es ist ein Thema, das in unserer Gesellschaft vor allem für Ablehnung sorgt.

Während das tägliche Glas Wein zu viel fast gesellschaftstauglich geworden ist, findet alles, was mit dem Thema Sex zu tun hat, bitte im eigenen Schlafzimmer hinter verschlossenen Türen statt. Im Internet immerhin bei 70 Prozent der deutschen Bevölkerung, ein Problem hat aber keiner.

Wenn doch, gibt es nur eine Lösung – du gehst!

Genau diesen Satz wirst du immer und immer wieder hören. Deine Familie, Freunde, auch Therapeuten werden dir raten, klare Grenzen zu ziehen und besser früher als später zu gehen. Sie werden dir von Rückfällen erzählen, von Lügen, Depressionen, Co-Abhängigkeit und tiefen Verwundungen.

Solltest du dich dazu entschließen, dieses Buch zu lesen, werde ich das auch tun.

Du wirst alle Phasen einer Suchtbegleitung kennenlernen, ehrlich und schonungslos. Du wirst wissen, worauf du dich einlässt und wie sich dein Leben für immer verändert. Doch du kannst deine eigene Entscheidung treffen. Denn ganz egal, wie deine eigene Geschichte ausgeht, deine Entscheidung ist die richtige.

Wie könnte also ein Leben aussehen, wenn du nicht gehst? Und wie wird das funktionieren?

Während ich dieses Buch geschrieben habe, habe ich Isabels Mann folgende Fragen gestellt:

»Welche Botschaft soll ich den Begleitern unbedingt mitgeben und was war deine wichtigste Erkenntnis?«

Seine Antwort war:

»Alle Gespräche werden für eine sehr lange Zeit auf völlig unterschiedlichen Ebenen stattfinden. Der Mensch, der dich begleitet, fragt und will Antworten und als Betroffener denkst du nach und dein Kopf ist vollkommen leer.«

»Ohne Hilfe funktioniert es nicht. Das zu erkennen dauert. Ich habe es nur aus einem Grund geschafft. Ich hatte dich, die ganze Zeit!«

Am Ende dieses Buches wirst du folgenden Satz von Isabel lesen: »Heute sind wir glücklich. Vor allem haben wir gelernt, was uns wirklich wichtig ist. Es war die bewusste Entscheidung, auch in schlechten Zeiten zueinander zu stehen, die uns genau das gezeigt hat. Die Sucht begleitet uns. Sie ist wie lästiges Unkraut, das wir immer wieder aus unserem Lieblings-Blumenbett entfernen müssen, damit die schönen Blumen sich wohlig entfalten können. Darauf verlassen, dass es nicht mehr wiederkommt, können wir uns nicht, aber es gibt gute Maßnahmen, den Garten zu pflegen. Gartenarbeit war bei uns schon immer meine Sache.«

Ich möchte dich dazu ermutigen, deine Entscheidung zu treffen.

Wie du dieses Buch liest

Ich erzähle dir Isabels Geschichte. Woche für Woche und Monat für Monat nehme ich dich mit und erzähle dir, was sie erlebt hat, an der Seite von Maik, ihrem porno- und sexsüchtigen Mann. Vielleicht interessiert dich genau das und du möchtest lesen, wie ihre Geschichte verlaufen ist. Es ist ihre wahre Geschichte. Ich erzähle sie dir genauso, wie ich sie mit ihr erlebt habe.

Im zweiten Teil der Kapitel sind wichtige Fachinformationen zu den Themen, die dir im Leben mit einem Menschen mit Sucht begegnen werden. Du kannst dich informieren. Hier findest du auch wertvolle Tipps zur Selbststärkung. Ich erzähle dir, wie Isabel es geschafft hat, stark und selbstwirksam durch diese Zeit zu gehen.

Genau diese Tipps habe ich mit ihr gemeinsam erarbeitet und aufbereitet. Ich durfte sie während dieser Zeit begleiten, mit ihr gemeinsam an diesem Thema reifen und wachsen. Ich bin froh, dass wir eine Weile unseren Weg zusammen gegangen sind.

Nimm dir zu jedem Zeitpunkt während des Lesens was du brauchst. Lass dir dabei viel Zeit und gehe behutsam mit dir um.

Sei dir wichtig, deine Anna.

1https://www.focus.de/gesundheit/diverses/gesundheit-wenn-diesucht-nach-pornos-zur-krankheit-wird_id_10732284.html

1. Kapitel

Das zufällige Entdecken

»Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit.«

– Marie von Ebner-Eschenbach

Es war ein Dienstag oder Mittwoch. Der Tag ist irrelevant. Es war mitten in der Woche, ein ganz normaler Tag eben und das machte es relevant. Wie an jedem Abend galt es für mich zu funktionieren. Nach zwölf Stunden im Dauertakt aus perfekter beruflicher und privater Organisation kam ich aus dem Zimmer meiner Tochter, während mein Mann neben dem Bett unseres Sohnes eingeschlafen war.

Wovon war er eigentlich immer so erschöpft?

Schon viele Monate lang fiel mir auf, dass er über alle Maßen müde war. Ich hatte mich daran gewöhnt, mich damit abgefunden, dass er beim gemeinsamen Mittagessen am Wochenende die Augen zumachte und vor allem abends keine Lust mehr auf irgendwelche Kommunikation hatte. Auf Sex schon mal gar nicht. Kuscheln noch weniger. Zumindest nur sehr selten.

Unser Sohn war gerade drei geworden und die Jahre, die hinter uns lagen, waren wirklich erschöpfend. Doch geregelt hatte das meiste ich.

In den ersten zwei Jahren nach Louis’ Geburt hatte Maik die Abende oft sogar bis in die Nacht im Wohnzimmer verbracht und noch entspannt, während ich schon versuchte, Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln.

Das alles war für mich okay. Ich steckte voller Energie und war verzaubert von unserem Leben. Die Hochzeit mit meinem Mann und die Geburten unserer Kinder hatten mich mit einem tiefen Glück erfüllt, von dem ich zehrte.

Maik ist mein Mann. Als wir zusammengekommen sind, war ich bereits ein Jahr unsterblich in ihn verliebt. Wir arbeiteten in derselben Firma, nur eine Bürotür voneinander entfernt. Maik war damals noch verheiratet mit einer anderen Frau und die Ehe hatte von Anfang an gekriselt. Warum wusste keiner, denn Maik war verschlossen wie ein Grab. In unserer kleinen Arbeitsclique mochten wir ihn schon, doch keiner wusste wirklich etwas über ihn und das, was wir wussten, bezog sich auf Sachliches. Er war lange Leistungssportler gewesen und kam morgens oft schon aus dem Schwimmbad. Doch war er nicht der Typ, der üppige Oberarme zur Show stellte. Nein, Maik war anders. Ihn umgab eine geheimnisvolle Atmosphäre.

Ich wollte unbedingt in seiner Nähe sein.

Alles, was er tat, tat er so intensiv, fanatisch. Er ließ nie locker. Er arbeitete über alle Maßen, er feierte über alle Maßen, er tat einfach alles über alle Maßen.

Ich erwischte ihn einmal dabei, wie er Fotos von mir im Bikini auf seinem großen Grafikbildschirm ansah. Nah. Sehr nah. Es verwirrte mich, ich war nervös und konnte es nicht deuten. Doch gleichzeitig wollte ich, dass er es immer wieder tat. Ich wollte, dass er sich auf mich fokussierte. Es war wie ein Geheimnis, das nur wir beide kannten. Angesprochen hatte ich das nie. Ich beobachtete es vielmehr spannungsvoll, in der Hoffnung, dass mehr daraus wachsen würde und Maik irgendwann den ersten Schritt machte.

Und auch die Entscheidung, mit mir zusammen zu sein, traf Maik kompromisslos. Von jetzt auf sofort verkündete er der Welt (drei Wochen nach seinem Ehe-Aus wohlgemerkt), dass er mit mir zusammen sei. Sechs Monate später war ich schwanger, mit Emma.

Noch heute würde ich Maik vor allem als kompromisslos beschreiben, hinterfragend, sachlich, stur, egozentrisch, doch auch kompromisslos liebend.

Wann immer ich gefragt wurde, wie wir es hinbekamen, dass unsere Ehe, unser Familienleben so glücklich verlief, war meine Antwort: »Wir lassen einander so, wie wir sind, und genießen jeden Atemzug gemeinsam. Wir lachen gemeinsam, schweigen gemeinsam, leben gemeinsam.« Bei Maik war es mir das erste Mal gelungen, wirklich tief zu vertrauen und auch ich war der erste Mensch, der jemals in »seinem Lebensbuch« lesen durfte.

Dass ich von diesem Buch noch nicht mal den Prolog gelesen hatte, sondern nur eine unbedeutende Seite, die aus jedermanns Buch stammen konnte, sollte ich erst viel später bemerken.

Eines Abends vor … Jahren war ich wie so oft unzufrieden mit mir und meiner Mutter-Leistung. Ich wünschte mir eine bessere Perfomance, zufriedene, glückliche Kinder beim Einschlafen und dass ich irgendwie wieder das Talent entwickeln konnte, meinen Mann abends zu verzaubern. Ich wollte in seine Nähe. Mit ihm reden, ihn spüren. Das alles war in der letzten Zeit zu sehr verloren gegangen.

Schon wieder sind wir zu müde, um den Abend miteinander zu verbringen. Ich muss etwas ändern.

Also nahm ich sein Handy, das zufällig auf dem Nachttisch neben mir lag, und fing an zu googeln: Einschlafen Mädchen hypersensibel. Ich surfte durchs Netz.

Wie es genau passierte, weiß ich nicht mehr. Doch dass es der völlige Zufall war, der mich in den Verlauf seiner letzten Tage brachte, werde ich nie vergessen.

Klick!

Es öffnete sich die Verlaufsliste des Handybrowsers. Und dann war es da: das zufällige Entdecken.

Vor mir Hunderte von Pornoseiten, eindeutig am Linknamen zu erkennen.

• Natürliche Brüste

• Größere Brüste

• Sexy Studentinnen

• MILFs in Leder *2

• Kleidertauschbörse Lederrock

• Dating-Portal Frankfurt

• Natürliche MILFs (übrigens ein Begriff, den ich bis dahin nicht kannte)

Ich scrollte und scrollte und scrollte.

Mir wurde schlecht, ich bekam kaum Luft und mein Herz raste.

Pornoseiten, Datingseiten, Klamotten- Tauschbörsen …

Betrügt er mich? Was soll das? Das ist einfach absurd.

Warum finde ich das alles gerade jetzt?

Ich kannte meinen Mann besser als jeder andere Mensch, wobei das schon immer harte Arbeit war. Er war verschlossen wie ein Buch. Aber konnte ich so etwas wie den Hang, mich zu betrügen, übersehen haben?

Ich setzte mich also aufs Bett und versuchte, irgendwie zu ordnen, was ich sah. Doch es gelang mir nicht.

Muss ich das ansprechen? Bin ich prüde? Ist das normal? Soll ich es mir ansehen? Das war nur ein Bruchteil der Fragen, die in diesem Moment über mich hereinbrachen.

Zwar war ich mit diesen Themen noch nicht oft in meinem Leben in Berührung gekommen, doch naiv war ich nicht. Ich spürte sofort, dass hier etwas nicht stimmte. Trotzdem wollte ich zu diesem Zeitpunkt das Ausmaß dessen, was klar vor meinen Augen stand, nicht an mich heranlassen. Ich wollte es häppchenweise zu mir nehmen, mit der leisen Vorahnung, dass etwas Größeres auf mich zukommen würde.

In diesem Moment musste ich erst Klarheit gewinnen. Ich brauchte mehr Informationen und musste mich sortieren.

Ich war bis jetzt äußerst selten in meinem Leben in Situationen gekommen, in denen ich keine Handlungsoptionen hatte. Just in diesem Moment hatte ich sie aus meinem Blickfeld verloren.

Mir war klar, dass es völlig falsch wäre, ihn ad hoc damit zu konfrontieren. Ich würde keine Antworten bekommen, ich wollte keinen Streit. Vielleicht bin ich auch schuld? Das musste ich vorher herausfinden. Vielleicht hatte ich mich so sehr darauf konzentriert, Mutter, erfolgreiche Personalerin und ich selbst zu sein, dass ich ihn übersehen hatte.

Unweigerlich wanderte mein Blick in den großen Spiegel an unserem Kleiderschrank. Schon oft hatte ich darüber nachgedacht, ob es an der Zeit wäre, mein Äußeres wiederherzustellen. Nach Schwangerschaften und den Strapazen der ersten Jahre mit den Kindern sowie diversen anstrengenden Leadership-Experts-Seminaren war ich deutlich gealtert. Doch Maik hatte mir immer wieder das Gefühl gegeben, schön zu sein. Genau in diesem Moment veränderte sich mein Blick. Bin ich die MILF, die es gilt zu sein?

Ich beschloss, das Thema vorerst auf sich beruhen zu lassen und erst mal für mich zu bewerten. Ein Teil in mir, den ich bis jetzt noch nicht kannte, fertigte Screenshots der Seiten an und schickte sie an mein eigenes Handy. Der Beginn einer gefährlichen Kontrollsucht, um die ich mich später noch genau kümmern musste.

Ich hörte, wie mein Mann aufstand und sich in meine Richtung bewegte: Ohne zu zögern prustete ich los: »Kannst du mir sagen, was das ist!« Heute weiß ich, dass meine Augen damals einem Todesfeuer gleichgekommen sein müssen.

Was tue ich da? Ich hatte doch eben erst beschlossen, ihn nicht zu konfrontieren. Es funktioniert nicht, zu groß ist der Druck, der in mir entstanden ist.

»Ach das? Ja mein Gott, habe ich nur mal so draufgeklickt ab und zu, vor allem wenn du weg warst«, sagt Maik vollkommen beiläufig. Doch mir entging nicht, dass er anders war. Ich wusste nicht, ob er Angst hatte oder wütend war.

Aha, das ist es. Ich war weg. Auf einmal hat er abends Energie? Haben die Kinder es mitbekommen? Bist du nicht selbst schuld? Jeder kann genau das nachlesen. Frauen, die sich verselbstständigen und ihre Männer allein zu Hause zurücklassen.

»Du triffst andere Frauen auf Datingseiten? Hier sind sogar Klamotten, die du gesucht hast. Hast du sie ihnen geschenkt?«

»So ein Quatsch, da bin ich zufällig draufgekommen; Werbeseiten. Und die Klamotten habe ich für dich gesucht.« Ende des Gesprächs. Maik sagte einfach gar nichts mehr. Er verharrte in seiner Körperhaltung und starrte ins Leere.

Das Ende des Gesprächs kam so prompt, wie die Links auf meiner Bildfläche erschienen waren. Und noch heute kenne ich diese akuten Gesprächsabbrüche. In zwei Jahren wird mein Mann zumindest sagen können: »Sorry, mein Kopf ist jetzt leer.« Doch eine lange Zeit ist das Gespräch einfach zu Ende. So auch an diesem Abend.

Später im Bett wälzte ich mich hin und her und spürte ein tiefes Unbehagen. Das Unbehagen, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Ich war voll, voller Fragen. Fragen, die noch eine Ewigkeit unbeantwortet bleiben werden. Für Maik war das Thema erst mal beendet, doch dieses Thema sollte uns von nun an für Jahre nicht verlassen …

Der rationale Teil in mir hatte noch vor dem Einschlafen eine WhatsApp an Lena geschickt: »Lena, ich habe das gerade auf Maiks Handy gefunden. Es sind Tausende von Seiten. Oh mein Gott, Hilfe!«

Die Antwort darauf las ich am nächsten Morgen: »Ja, mein Gott, jeder Mann schaut doch Pornos. Datingseiten ist natürlich komisch, aber wer weiß. Hast du sein Handy durchsucht?«

Die Fakten

Sucht Frau im Internet oder auch in der Fachliteratur nach Antworten auf die Frage »Wie viel ist normal?«, steht sie besonders in Deutschland noch vor einem großen Dilemma. Denn hierzulande wird die Pornosucht vor allem zu einem »von Frauen erfundenen« Problem gemacht.

So findet man haufenweise Aussagen von teilweise sogar bekannten Psychologen, wie: »Wenn der männliche Partner in einer Beziehung ein häufigeres Bedürfnis nach sexueller Betätigung hat als die Frau, dann ist Internet-Pornografie sogar ein guter Weg, die Beziehung zu stabilisieren, sicherlich viel besser als zusätzliche ›Affären‹ oder Bordellbesuche.«

Doch Sexual- und Pornosucht sind kein rein männliches Problem und haben nichts mit einem gelegentlichen Vergnügen vor dem PC zu tun.3 Besonders solche Aussagen machen es Betroffenen schwer. Oft merken sie schon jahrelang, dass sie die Kontrolle verloren haben und ihr Alltag, ihr Sozialverhalten und der berufliche Werdegang erheblich gestört sind, bevor sie es schaffen, überhaupt eine Anlaufstelle zu finden.

Die Universität Gießen forscht führend auf dem Gebiet des sexsüchtigen Verhaltens und der Pornografie-Sucht und macht zwei wichtige Aussagen, die man am Anfang einer Suchtbegleitung oder als betroffener Mensch mit einer Suchterkrankung kennen sollte:

1. Woran erkenne ich eine Sucht?

Das Hauptmerkmal einer sexuellen Sucht ist der Kontrollverlust: Die Betroffenen sehen sich gezwungen, ihr problematisches Verhalten auszuführen, nämlich zum Beispiel übermäßig viel Pornografie zu konsumieren. Erst wenn dadurch ein subjektives Leiden entsteht, zum Beispiel weil die Partnerschaft in Mitleidenschaft gezogen wird, kann man von einem sexsüchtigen Verhalten sprechen.

Trotz erheblicher negativer Konsequenzen (zum Beispiel berufliche Schwierigkeiten, Probleme in der Partnerschaft, oder Depressionen) sind Betroffene nicht in der Lage, ihren Konsum nachhaltig zu reduzieren, sie sind folglich süchtig.

2. Wo beginnt Pornosucht?

Bei der Erforschung dieses Phänomens stehen wir vor mehreren Problemen. Zum einen verfügen wir über keine allgemeingültigen Zahlen darüber, was »normales« menschliches Sexualverhalten bedeutet. Die Intimität dieses Themas erschwert die Erfragung über beispielsweise die Anzahl sexueller Kontakte oder darüber, wie oft masturbiert oder Pornografie konsumiert wird. Zum anderen können wir nicht direkt von einem Problem ausgehen, wenn Personen außerhalb dieser »Norm« liegen und zum Beispiel ein extrem niedriges oder hohes sexuelles Verlangen zeigen. Der entscheidende Faktor ist, ob das Verhalten Leiden verursacht. Und dies ist von Person zu Person verschieden.

Mittlerweile schlägt die Weltgesundheitsorganisation bei der oben beschriebenen Problematik die Diagnose der zwanghaften sexuellen Verhaltensstörung vor, die durch unkontrollierbares Wiederholen eines sexuellen Verhaltens gekennzeichnet ist. Die sexuellen Aktivitäten werden zentral für das Leben der Person bis zu dem Punkt, an dem Gesundheit, Selbstfürsorge und andere Interessen in den Hintergrund rücken. Weitere Kriterien sind mehrfache gescheiterte Versuche, das sexuelle Verhalten zu reduzieren, und das Aufrechterhalten des Verhaltens trotz negativer Konsequenzen oder der Abnahme bzw. des Ausbleibens der Befriedigung durch dieses Verhalten. Die Kriterien müssen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten vorhanden sein und für die Person bedeutende Beeinträchtigungen im familiären, sozialen, personellen oder im beruflichen Alltag nach sich ziehen. Leidensdruck, der ausschließlich auf moralischer Beurteilung oder gesellschaftlicher Ablehnung sexueller Impulse oder Verhaltensweisen beruht, ist für die Diagnose unzureichend.

So viel sagt die Theorie. Am Anfang wird es vor allem für Betroffene selbst schwer sein zu differenzieren, ob sie sich im Bereich des »normalen« Verhaltens befinden oder nicht.

Zur eigenen Klarheit und Beurteilung können folgende Fragen, die auch zur Klassifikation anderer Suchterkrankungen genutzt werden, hilfreich sein. Treffen mehr als drei dieser Aussagen auf den Menschen mit eventueller Suchterkrankung zu, dann scheint das Alltagsleben erheblich beeinflusst zu sein und die Wahrscheinlichkeit einer Sucht ist hoch. Die Aussagen dienen dazu, ein erstes Gefühl für das Maß der Lebensbeeinflussung zu bekommen. Auf dich selbst wirken diese Aussagen wahrscheinlich im ersten Moment erschreckend, erschütternd, gar unmöglich und absurd. Menschen mit Suchterkrankungen haben oft ein fast lebenslanges Netz entwickelt, ihre Sucht zu verbergen, und verwenden eine wahnsinnige Energie auf das Erschaffen von Doppelwelten an.

Diese Aussagen bringen Klarheit: Beantwortest du 3 davon mit Ja, kann dies darauf hindeuten, dass eine Sucht vorhanden ist.

1. Craving, starkes Verlangen oder eine Art Zwang zum Pornokonsum (ist zum Beispiel der Fall bei Abbruch oder Verkürzung von Treffen mit Freunden zugunsten von Pornokonsum)

2. Kontrollverlust bezüglich des Beginns und der Menge (zum Beispiel Pornokonsum auch am Arbeitsplatz, stundenlanger nächtlicher Pornokonsum statt Schlaf)

3. Körperliches Entzugs-Syndrom (so nur bei Alkohol, nicht bei psychischen Abhängigkeiten bekannt)

4. Toleranzentwicklung gegenüber der Wirkung (bei Alkohol wäre das die Steigerung der Menge, um die gleiche Wirkung zu erhalten; bei der Pornografie könnte dem der Zwang zum Konsum immer brutalerer Inhalte entsprechen)

5. Einengung des Verhaltens und Vernachlässigung anderer Interessen (Freizeitbeschäftigung reduziert sich nahezu ausschließlich auf den Genuss von Pornografie)

6. Anhaltender Konsum trotz eindeutiger schädlicher Folgen (gesundheitlich, psychisch, sozial): beispielsweise der Pornokonsum am Arbeitsplatz trotz Verbots durch den Arbeitgeber

Ein Gespräch über diese Aussagen kann zum Befreiungsschlag werden – für den Menschen mit Suchterkrankung, der das erste Mal in seinem Leben über die Thematik spricht, und für dich. Denn du kannst dich bald entscheiden.

Doch führe dieses Gespräch in keinem Fall zu früh. Nutze die Fragen zunächst nur zu einer Einschätzung der derzeitigen Lage.

Die meisten Betroffenen haben keine Ahnung, woher ihre Suchterkrankung kommt, und können sie deshalb auch nicht erklären oder darüber sprechen.

Wenn du jetzt etwas gefunden hast, was jahre- oder ein Leben lang versteckt wurde, dann ist das mit großer Wahrscheinlichkeit aus einem bestimmten Grund passiert. Der Mensch, der sich dir offenbart, sieht die Chance, begleitet zu werden. Es ist ein Hilfeschrei.

2 MILF – Mom I’d Like to fuck

3https://www.sexualtherapie.online/blog/sexsucht-und-hypersexualitaet/#Sexsucht_und_Hypersexualitaet, entnommen 27.03.2022

2. Kapitel

Die erste Konfrontation

»Das Schwierigste in der Kommunikation ist es, nicht von sich selbst auszugehen.«

– Anna Schatz

Eine Woche verging, vielleicht auch zwei, in der wir kein Wort über das Thema sprachen. In meinem Kopf war es omnipräsent, doch ich wollte Informationen. Ich fühlte mich wie Sherlock Holmes, nur war der unbekannte Täter, den ich verfolgte, ein Familienmitglied.

Nach unserem Gespräch hatte ich sofort das Gefühl, dass Maik log. Seine Abwehr kam zu überzeugend, es war zu beiläufig, er war so cool und beendete das Gespräch zu abrupt. Ich wusste, dass ich ihm wichtig war. Das alles passte nicht zusammen.

Außerdem erinnerte ich mich in einem Gespräch mit Lena an etwas, was mich bis heute nicht losgelassen hatte. Maik und ich hatten uns bei der Arbeit kennengelernt. Maik war der Nerd unserer Grafikabteilung. Er zog mich magisch an und das von der ersten Sekunde an. Lena war eine der wenigen, die sich wirklich gut mit ihm verstand. So wusste ich, dass die Ehe mit seiner Frau ziemlich schlecht lief. Sie war beruflich viel unterwegs und er wünschte sich Familie. Sie dachten nach kaum einem Jahr über Scheidung nach. Die meisten Frauen, vor allem junge Trainees, mochten Maik nicht, nein, er schüchterte sie ein. Denn er wirkte kühl, abweisend, manchmal arrogant. So schmetterte er zum Beispiel Kolleginnen oder Kollegen, die eine Frage zu seinem Fachbereich hatten, mit einer kühlen Antwort wie etwa »Kannst du auch kluge Fragen stellen?« ab. Das alles wirkte auf die anderen suspekt. Doch auf mich nicht, für mich steckte schon damals hinter dieser Fassade ein großes Geheimnis. Mit der Zeit bildete sich eine kleine Arbeitsclique, in der Lena, ich, Maik und ein paar Jungs ihren Platz fanden. Und ich weiß nicht mehr wer, doch irgendjemand benannte Maik in einem lockeren Gespräch eines Tages bei einem Spitznamen. »Pornomaik«.

Pornomaik. Es hallte in meinem Kopf. Das konnte kein Zufall sein. Ich schnappte mir in diesen zwei Wochen also bei jeder Gelegenheit Maiks Handy und durchsuchte Internetverläufe und die Websiteeinstellungen (dort findet man alle besuchten Internetseiten, auch wenn sie aus dem Verlauf gelöscht sind). Und ich fand jedes Mal, was ich suchte: Kleidertauschbörsen für Frauen, Billigbekleidungsseiten für Frauen im Internet und wenige Pornoklicks, was mich verwunderte. Was mir jedoch immer wieder auffiel: Es gab Hunderte Klicks auf Seiten mit Bademode und billiger Sportbekleidung für Frauen. Ich fühlte mich regelrecht verfolgt von Frauen in Badeanzügen und Leggins, denn wann immer ich irgendwo im Internet surfte, auch in meinem Facebook Messenger oder meinen völlig themenfremden, eigenen Seiten, tauchten sie auf. Werbeanzeigen und Linkvorschläge voller Brüste und Hinterteile in glitzernden Bikinis. Litt ich jetzt schon unter Verfolgungswahn?

Ich wusste noch nicht, was das zu bedeuten hatte, doch es war ein Muster erkennbar. Eine Frage blieb: Wann zum Teufel schaute er sich diese Links an?

Nach der Abfuhr von Lena, die auch im Telefongespräch später nicht besonders erschrocken von meiner Entdeckung war, sprach ich erst mal mit niemandem mehr.

Es fehlte mir noch an Klarheit, um zu wissen, wie ich reagieren sollte. Und diese Klarheit sollte am folgenden Wochenende mit aller Macht in mein Leben treten.

Es war also Freitagabend. Maik hatte sich zu einem Treffen mit Freunden verabschiedet und würde erst am nächsten Vormittag zurückkommen. Ich wusste, dass er trinken würde, sodass ich sicher war, dass er in der Nacht nicht nach Hause kommen würde.

Nachdem ich die Kinder ins Bett gebracht hatte, schrieb ich Maik eine Nachricht: »Ich brauche Unterlagen von deinem Laptop, ich möchte noch arbeiten. Gibst du mir bitte dein Passwort?«

Seine Antwort und das Passwort kamen prompt.

Mein Herz raste, denn noch nie zuvor hatte ich derart in das Privateigentum eines Partners eingegriffen. Doch nun brauchte ich Klarheit und ich hatte das verdammt miese Gefühl, dass es hier mehr zu entdecken gab, als ich mir wünschte. Und dann passiert es.

Ich schaltete Maiks Laptop ein und öffnete den Internetbrowser. Ich stellte mich auf eine lange Recherche ein, doch Fehlanzeige.

Zwei Klicks weiter, angelangt in den Lesezeichen, die er gespeichert hatte fand ich sie: die Parallelwelt meines Ehemannes.

Abgespeichert fand ich Hunderte von Pornovideos. Favorisierte Frauen, Themen, Seiten und Links.

Ich fiel. Ich fiel von Wolke sieben und knallte hart auf den Boden.

In diesem Moment beging ich wahrscheinlich einen der größten Fehler in meiner ganzen Begleiter-Geschichte; wobei ich ihn später sogar noch vertiefen würde. Die Details, die ich dort zu sehen bekam, würden mich nun für viele Jahre immer wieder heimsuchen. Ich musste mich, in einem emotional labilen Zustand mit meinen moralischen Grundsätzen auseinandersetzen.

Ich öffne die ersten Videos.

1. Klick »Natürliche Braunhaarige, große Brüste«.

Vor meiner Kamera sitzt eine schöne Frau. Sie trägt eine weiße Bluse und zeigt ihre makellosen Brüste. Sie befriedigt sich selbst und schaut dabei frontal in die Kamera. Sie ist kaum geschminkt (genauso wie Maik es mag) und ihr Körper wirkt absolut natürlich und vom Leben verschönert.

2. Klick »Geile Schlitze in Leggins«.

Über eine Mauer gelehnt wippen drei Frauenhintern in glänzenden Mesh-Leggins hin und her. Ende.

3. Klick »Tauschbörse für Kleider, Lederrock«.

Eine junge Frau bietet einen Lederrock zum Verkauf an und zeigt ihn an sich selbst fotografiert vor dem Spiegel.

4. Klick »Studentin natürlich kickt ihren heißen Po«.

Eine junge Frau (vielleicht 18) mit ihrem langen, braunen Zopf und kurzer, roter Sporthotpants tanzt vor der Kamera. Das Video ist in einem Schlafzimmer aufgenommen. Immer wieder schlägt sie sich auf ihren kleinen, knackigen Po. Dazu macht sie immer lauter werdende Stöhn-Geräusche.

Ich konnte nicht mehr und klappte den Laptop zu. Alle weiteren Links schickte ich an meine E-Mail-Adresse für später mal. Heute reichte es.

Ich stand auf und öffnete eine Weinflasche. Seit der Schwangerschaft hatte ich kaum einen Tropfen getrunken. Jetzt wirkte es wie ein logischer Schritt, wie eine Beruhigungstablette, die ich einwarf. Ich schüttete mir ein Glas ein und setzte mich wieder an den Küchentisch. Was machst du jetzt?

Mein Geist war erstaunlich ruhig. Sollte ich mich ekeln? Sollte ich wütend sein, schreien, weinen? Welche Reaktion ist richtig?

Ich saß schweigend in der dunklen Küche.

Minuten vergingen, vielleicht eine halbe Stunde. Ich fühlte mich betrogen, ausgetauscht. Er hat mich durch andere Frauen ersetzt.

Doch zu mehr war ich noch nicht bereit, in mir breitete sich ein unerträglicher Schmerz aus, den ich noch nicht einordnen konnte.

Doch eines sah ich klar: Wir mussten reden, doch noch hatte ich gerade keine Ahnung, worüber genau.

Ich schrieb Maik eine Nachricht: »Maik, ich habe alles entdeckt. Du hast mich eiskalt belogen und ich weiß es jetzt. Es liegt alles auf dem Tisch, ich habe jeden Link, alle gespeicherten Seiten, ich habe alles gesehen und es ist genau jetzt an der Zeit, dass du deine Ehe rettest. Ich bin zu vielem bereit, aber nicht dazu, mich weiter belügen zu lassen. Triff jetzt deine Entscheidung, in diesem Haus warte ich und deine beiden schlafenden Kinder, für die ich jetzt sofort eine schützende Verantwortung übernehme.«

Ich schickte die Nachricht ab und wartete. Dabei dachte ich vor allem noch an eines: Wieso hat er es nicht versteckt? Maik hat das komplette Know-how, alles zu verstecken, was er will. Doch es ist offen zugänglich.

Mein Handy klingelte. Ich drückte weg. Ich konnte nicht. Ich wollte seine Stimme nicht hören. Ich wollte, dass er nach Hause kommt. Und das tat er. Seine Antwort lautete: »Ich sitze im Taxi, bin in 20 Minuten da.«

Hätte er diese Entscheidung damals nicht getroffen, wäre wahrscheinlich alles anders verlaufen. Denn ich brauchte ein Zugeständnis, eine kleine Botschaft, dass er bereit war.

Maik kam in die Küche. Er war kreidebleich. Doch vor allem schaute er wehleidig, selbstmitleidig. Das kotzte mich an.

Ich sagte: »Maik, du hast mich eiskalt belogen. Es sind Hunderte, Tausende von Seiten. Du hast favorisierte Frauen. Es geht hier nicht um Kleidung, es geht um andere Frauen. Du guckst dir andere Frauen an. Was soll das?«

Mist, ich mache ihm Vorwürfe, schon wieder, dabei weiß ich, dass genau das zum Ende jeder Konversation führen wird.

Maik druckste rum: »Ja, es ist so. Dieses Thema gibt es schon immer, also seit ich jung bin. Es gab Zeiten, da war es gar nicht da, auch in unseren ersten zwei Jahren. Wenn es dann nicht so gut läuft, dann ist es wieder da, besonders wenn du nicht da bist, natürlich. Es hat nichts zu bedeuten und schon gar nichts mit dir zu tun. Du bist toll. Warum? Keine Ahnung. Langeweile, Einsamkeit.«

Okay, die Klassiker. Und schön auf mich schieben. Ich fing an zu weinen. »Maik, wir haben zwei kleine Kinder. Du willst mir sagen, ich bin weg und du liegst direkt neben den Kindern im Zimmer und schaust dir stundenlang Pornos an und onanierst?«

Maik sagte noch ein paar Worte und beendete das Gespräch. Das Einzige, was ich noch hörte, war, dass es ihm leidtat und er natürlich jetzt aufhörte. Ich gehe ohne Antworten ins Bett.

In den nächsten Jahren passierte das noch oft. Denn Antworten hatte Maik nicht. Sein Kopf ist beim Thema Porno leer. Ich stellte Fragen, er hatte keine Antworten. Dieses Anzeichen für eine Suchterkrankung ist typisch und macht es Menschen mit Sucht oft schwer. Sie brauchen professionelle Begleitung, um zunächst selbst Antworten auf die große Frage des Warums zu finden, bevor sie überhaupt artikulieren können, was in ihnen vorgeht. Für Begleiter bedeutet das, die Prioritäten zu verschieben, weg vom Antwortensuchen, hin zum Alltag stabilisieren.

Nach diesem Gespräch lag ich die ganze Nacht wach. Zu viele Fragen gingen mir zu wirr durch den Kopf.

Welche Rolle spiele ich überhaupt in dieser Ehe? Habe ich mir diese wahnsinnige Liebe vielleicht nur eingebildet und diene zum Wahren eines Scheins? Muss ich meine Kinder schützen?

Revuepassierend kam mir alles gelogen vor. Jeder Moment, für den ich Maik so sehr geliebt hatte, alles, was unsere Beziehung stark gemacht hatte, war kaputt.

In dieser Nacht dachte ich über die wichtigsten Meilensteine unseres gemeinsamen Lebens nach.

Die Schwangerschaften mit beiden Kindern waren schwer. Ich war die meiste Zeit krank und lag schließlich mehrere Wochen vor der Geburt von Louis im Krankenhaus, ohne mich bewegen zu dürfen. Emma verbrachte die Zeit wohlbehütet bei ihrer Oma. Maik besuchte mich oft nach der Arbeit. Er war so erschöpft, dass ich ihm sagte, es reicht, wenn er alle paar Tage käme, dabei brauchte ich ihn mehr denn je.