Wenn wir tanzen - Finja Drewes - E-Book

Wenn wir tanzen E-Book

Finja Drewes

0,0

Beschreibung

Manchmal braucht es einen Neuanfang, um sich selbst zu finden: Seit dem Verlust ihrer Eltern kämpft Mila Torres mit der Frage, wo ihr Platz im Leben ist. In ihrem letzten Jahr an der Highschool steht sie nicht nur vor den Herausforderungen der Zukunft, sondern auch vor einem Wettbewerb, der sie über sich hinauswachsen lässt – und ausgerechnet gegen Audrey Lavoie, die ehrgeizigste Schülerin der Schule. Während Mila sich alten Ängsten stellt und neue Unsicherheiten überwindet, findet sie in ihren besten Freunden Frieda, Josh und Noah einen Halt, der über bloße Freundschaft hinausgeht – sie sind ihre Familie. Doch der zehnte Jahrestag des tragischen Unfalls ihrer Eltern rückt näher und mit ihm die Erinnerungen, die sie nicht loslassen. Zwischen Träumen von der Zukunft und dem Echo der Vergangenheit entdeckt Mila, dass Liebe, Freundschaft und Hoffnung die Kraft haben, selbst die tiefsten Wunden zu heilen. "Wenn wir tanzen" ist eine gefühlvolle Coming-of-Age-Geschichte über Verlust, Neuanfänge und die unsichtbaren Fäden, die uns verbinden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 491

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Prolog

1.Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4.Kapitel

5.Kapitel

6.Kapitel

7.Kapitel

8.Kapitel

9.Kapitel

10.Kapitel

11.Kapitel

12.Kapitel

13.Kapitel

14.Kapitel

15.Kapitel

16.Kapitel

17.Kapitel

18.Kapitel

19.Kapitel

20.Kapitel

21.Kapitel

22.Kapitel

23.Kapitel

24.Kapitel

25.Kapitel

26.Kapitel

27.Kapitel

28.Kapitel

29.Kapitel

30.Kapitel

31.Kapitel

32.Kapitel

33.Kapitel

34.Kapitel

Epilog

Kleine Übersetzungshilfen

Finja Drewes

Wenn

wir

tanzen

Wenn dir jemand nicht mehr aus dem Kopf geht,

gehört er in dein Herz …

Texte: © 2023 by Finja Drewes

Umschlaggestaltung von © Finja Drewes

Verlag:

Finja Drewes

Breite Str. 50

23769 Fehmarn

[email protected]

Herstellung: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Für meine Patenschwester.

Prolog

2008

Es war ein nasskalter Tag im Oktober. Um genauer zu sein, Dienstag, der dreizehnte Oktober. Der Grund, weshalb dieses Datum für mich so wichtig war, war, dass dieser Dienstag, der 13. Oktober 2008, mein Leben vollkommen aus seinen Bahnen werfen würde.

Der Tag begann normal. Meine Mutter Elena kam morgens in mein Kinderzimmer, um mich für meinen Schultag in der Primrose Elementary School zu wecken.

„Guten Morgen, mi hija. Aufstehen. Es ist Zeit für die Schule.“ Sie trat an mein Prinzessinnenbett und streichelte mir sanft über meine Haare. Ich schlug meine Augen auf, blinzelte kurz und blickte in das schöne Gesicht meiner Mutter. Sie hatte lange braune Locken, die ihr wie eine Wolke das Gesicht umrahmten, und hatte sanfte moccafarbene Augen. Sie war eine spanische Schönheit.

„Ich habe dir schon Klamotten rausgelegt. Ich gehe jetzt wieder runter und mache Frühstück. Wenn du dich beeilst, kannst du vor deinem Bruder ins Badezimmer“, meinte sie und zwinkerte mir zu.

Ich nickte, schlug die Bettdecke zurück und schwang meine Beine über die Bettkante. Meine Mutter stand vor dem Fenster und zog die Gardinen beiseite, sodass etwas Licht von draußen hineinfiel.

Ich rieb mir meinen Schlaf aus den Augen und trottete mit den bereitgelegten Klamotten ins Badezimmer, welches ich mir mit meinem älteren Bruder Mateo teilte. Mateo war bereits elf und legte sehr großen Wert auf Körperpflege, weshalb er morgens immer länger im Bad brauchte.

Meine Eltern nannten es la pubertad. Die Pubertät. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete.

Als ich fertig war, ging ich die Treppe hinunter und fand meine Eltern am Frühstückstisch vor.

„Guten Morgen, Kleines. Hast du gut geschlafen?“, begrüßte mich mein Vater Liam. Ich nickte und gab ihm einen Kuss auf seine Wange.

Dann ließ ich mich auf meinen Stuhl sinken und meine Mutter goss mir heiße Schokolade in meinen geliebten Becher von Die Schöne und das Biest.

Auf einem Teller lagen einige Toastscheiben, daneben stand eine Flasche Olivenöl und ein weiterer Teller mit Tomaten und spanischem Schinken. Ich griff nach einem Toast, beträufelte es mit Olivenöl und belegte es mit Tomaten und Schinken.

Mein Bruder kam die Treppen hinunter, brummte „Morgen!“, griff sich beim Vorbeigehen mein belegtes Toastbrot und ließ sich auf den freien Stuhl fallen. „Ey, das ist mein Toast! Mach dir dein eigenes“, rief ich und gab Mateo einen Tritt gegen sein Schienbein.

Unser Vater räusperte sich und blickte von seiner Zeitung auf.

„Mateo, beleg dir dein eigenes Brot! Und gib Mila ihr Toast zurück!“

Ich streckte ihm die Zunge raus. Mein Bruder verdrehte seine Augen, biss von meinem Toast ab und gab es mir zurück.

„¡Idiota!“, fauchte ich ihm entgegen.

Unsere Mutter seufzte und blickte kopfschüttelnd zu uns. Endlich biss ich von meinem Toast ab. Dabei beobachtete ich meine Eltern.

Mein Vater hatte seine Zeitung fertiggelesen und legte sie zusammengefaltet beiseite.

Unser Vater Liam hatte hellbraune Haare und schöne grüne Augen, die besonders strahlten, wenn er meine Mutter ansah. Er nahm die Hände meiner Mutter in seine und küsste diese sanft.

Sie schauten sich verliebt in die Augen. Wie ein König und seine Königin. Meine Eltern blickten zu meinem Bruder und mir herüber und ich strahlte beide breit an. Sie lächelten zurück.

„So, Kinder, bringt euer Frühstücksgeschirr in die Küche und schnappt euch eure Schulsachen, wir müssen langsam los.“

Unser Vater stand auf und klatschte in die Hände. Wir taten wie uns geheißen und brachten unser Geschirr in die Küche und stellten es in den Geschirrspüler.

Mateo und ich schnappten uns unsere Rucksäcke, zogen Schuhe und unsere Jacken an und warteten im Flur auf unsere Eltern.

Um 07:45 Uhr saßen wir alle gemeinsam im Auto und unser Vater steuerte den dunkelroten Peugeot 3008 in Richtung Primrose Elementary School, auf die Mateo und ich gemeinsam gingen.

Er war aber bereits in der fünften Klasse, ich hingegen erst in der dritten. Nach einer guten Viertelstunde Autofahrt parkten wir an meiner Grundschule. Meine Eltern drehten sich zu uns um.

„Habt einen schönen Tag in der Schule. ¡Los quiero!“

Ich beugte mich nach vorne und gab meinen Eltern jeweils einen Kuss.

„Ich habe euch auch lieb!“

Mateo war zwar in der Schule immer der „coole“ große Bruder, aber einen Kuss von unseren Eltern wollte er dennoch nicht missen.

Wir schnappten uns unsere Rucksäcke, verließen das Auto und liefen über den Parkplatz hinüber zum Schulgebäude. Wo sich unsere Wege dann trennten. Bevor ich durch die Tür eintrat, drehte ich mich erneut zum Parkplatz um und beobachtete, wie der dunkelrote Peugeot davon rollte.

Meine Eltern würden selbst zur Arbeit fahren. Meine Mutter arbeitete im Waterford Hospital als Krankenschwester und mein Vater war Feuerwehrmann.

„Hallo Mila! Ich muss dir von meinem Traum erzählen.“

Ich drehte mich um und erkannte Noah. Mein bester Freund! Ich strahlte ihm entgegen.

„Hallo Noah!“ grüßte ich ihn zurück.

Er erzählte mir von seinem Traum, den er letzte Nacht gehabt hatte.

„Ich habe geträumt, dass ich Football mit einem Baseballschläger gespielt habe. Und ich war am Strand und du warst auch da und Joshua und Frieda. Plötzlich waren da im Wasser ganz viele Haie mit Laseraugen. Dann habe ich den Football ins Meer katapultiert und die Haie waren weg. Und dann bin ich aufgewacht.“

„Wie soll man denn Football mit einem Baseballschläger spielen?“, fragte ich und blickte Noah irritiert an.

Er zuckte mit den Achseln. Also nahm ich es einfach hin.

Um 08:25 Uhr tauchte unsere Lehrerin Miss Simmons im Türrahmen unseres Klassenraums auf.

„Guten Morgen, liebe Kinder! Stellt euch bitte in einer Reihe vor der Tür auf und betretet die Klasse.“

Alle Kinder aus unserer Klasse und auch Noah und ich stellten uns vor Miss Simmons auf. Sie hakte einen nach dem anderen von ihrer Klassenliste ab und wir setzten uns auf unsere Plätze.

Das Klassenzimmer war hellgelb gestrichen, an der hinteren Wand standen Regale mit Büchern und Malsachen. Gegenüber der Fensterseite hingen braune Pinnwände mit bunt gemalten Bildern aus unserer Klasse und dem Alphabet. Wir hatten kleine Gruppentische mit je vier Stühlen an den Seiten.

Als alle auf ihren Plätzen saßen, schloss Miss Simmons die Tür und stellte sich vor die Tafel und blickte uns freundlich an.

„Dann fangen wir mal an. Bonjour chers enfants.“

Es war Mittagspause und wir holten unsere mitgebrachten Brotdosen heraus. „Frieda, möchtest du mit mir Essen tauschen?“, wollte Joshua wissen und zeigte den Inhalt seiner Brotdose. Frieda sah es sich an und nickte.

„Okay, hier hast du meins.“

Frieda war meine beste Freundin. Ihre Mutter war meine Patentante, unsere Väter waren beide in derselben Einheit bei der Feuerwehr und zusätzlich war Friedas Vater auch noch der Patenonkel meines Bruders Mateo.

Joshua war der beste Freund von Noah, aber auch von Frieda und mir.

Wir vier saßen zusammen an einem Gruppentisch und teilten regelmäßig untereinander unser Essen.

Wir redeten über unsere Träume und unsere Ideen für Halloween-Kostüme. Halloween rückte immer näher und wir gingen jedes Jahr gemeinsam auf Süßigkeiten-Jagd.

Es klingelte und die Mittagspause war zu Ende. Die nächste Stunde, die wir hatten, war Kunst mit Mrs. Bloomingdale.

Sie betrat den Klassenraum und Miss Simmons verließ ihn.

Wir gingen tischweise nach hinten zum Regal und holten unsere Tuschkästen und Malblöcke heraus.

„Heute malen wir auf, wie unser Traumhaustier aussehen soll. Eurer Fantasien sind dabei keine Grenzen gesetzt. Ich gehe rum und falls ihr Hilfe braucht, meldet euch einfach“, erklärte Mrs. Bloomingdale und lächelte.

Sie war schon eine ältere Frau mit grauen Haaren, die sie meistens offen in langen Wellen trägt.

Ich sah aus dem Fenster. Draußen war es sehr dunkel geworden und es hatte angefangen, stark zu regnen. Der Wind peitschte den Regen gegen die Fenster.

Ich beobachtete das Wetter eine geraume Zeit und riss mich schließlich davon los. Ich öffnete meinen Tuschkasten und fing an zu malen.

Nach einer kurzen Weile klopfte es an der Klassentür und die Sekretärin der Schuldirektorin stand im Raum mit einem suchenden Blick.

„Hallo Mrs. Perry, was kann ich für Sie tun?“, fragte Mrs. Bloomingdale.

„Verzeihung, dass ich Ihren Unterricht stören muss, Mrs. Bloomingdale, aber ich wurde von der Direktorin geschickt und suche Mila Torres“, erklärte die Sekretärin ihr Kommen.

Beim Klang meines Namens blickte ich verwirrt hoch und sah meine Freunde an. Sie hatten ebenfalls ihre Pinsel zur Seite gelegt, wie bestimmt auch die gesamte Klasse.

Mrs. Bloomingdale blickte zu mir und Mrs. Perry folgte ihrem Blick zu mir. „Dann bist du wohl Mila Torres.“

Ich nickte.

„Die Direktorin möchte mit dir sprechen, aber du brauchst keine Angst haben. Magst du deine ganzen Sachen bitte mitnehmen?“

Ich nickte erneut und fing an, meine Malsachen zusammen zu packen.

„Mila, lasse deine Sachen einfach liegen. Noah stellt deine Sachen nachher bestimmt für dich zurück ins Regal“, meinte Mrs. Bloomingdale sanft und sah Noah an.

„Ja, das mache ich für dich“, antwortete Noah.

Ich bedankte mich und nahm nur meinen Rucksack und meine Jacke. Als ich aufstand, spürte ich die Blicke meiner Klassenkameraden auf meinem Rücken. Ich hatte auf einmal ein ungutes Gefühl im Bauch, wusste aber nicht, warum genau.

Ich folgte der Sekretärin in das Büro der Schuldirektorin.

In dem Raum davor sah ich meinen Bruder auf einem der Stühle sitzen.

„Was machst du hier, Mateo?“, wollte ich wissen.

„Ich wurde aus meiner Klasse geholt, so wie du auch. Weshalb wurde mir nicht erzählt“, antwortete er und zuckte mit den Achseln.

Die Bürotür der Direktorin ging auf.

Mrs. Jonas erschien und bat uns, ihr ins Büro zu folgen.

Im Büro standen bereits mehrere Leute. Zwei uniformierte Polizisten und Mateos und meine Patentante Matilda.

Das ungute Gefühl wurde stärker. Matilda lächelte zwar, aber ihren Blick konnte ich nicht richtig zuordnen.

„Nehmt bitte Platz.“ Mrs. Jonas deutete auf die beiden noch freien Stühle.

Was als Nächstes passierte, sollte mein Leben und das von Mateo fortan komplett auf den Kopf stellen.

Mrs. Jonas blickte kurz zu den Polizisten und zu unserer Patentante, dann wandte sie sich mir und meinem Bruder zu.

„Ihr fragt euch bestimmt, weshalb ihr beide hier bei mir im Büro seid, mit der Polizei und eurer Patentante und eure Eltern nicht dabei sind.“

Wir nickten.

Wieder ein Blick zu den Polizisten. Einer der Polizisten, ein schwarzer Polizist mittleren Alters, räusperte sich und trat einen Schritt in den Vordergrund.

Er kniete sich vor uns hin, damit er auf unserer Augenhöhe war. Auf seiner Jacke las ich den Namen Tremblay. Er sah nett aus.

„Ich muss euch leider eine schlimme Nachricht mitteilen.“ Er machte eine kurze Pause und sprach dann weiter.

„Es gab einen schweren Autounfall in Höhe der Midroad Abfahrt. Ein anderes Auto hat das Auto eurer Eltern erfasst und euer Vater hat leider die Kontrolle verloren. Das Auto hat nach dem Aufprall gegen eine Steinwand Feuer gefangen.“

Neben mir fing unsere Patentante an zu schluchzen.

Der Polizist namens Tremblay fuhr fort: „Ich muss euch leider mitteilen, dass wir nichts mehr für eure Eltern tun konnten.“

Ich blickte den Polizisten verständnislos an. Ich kapierte das nicht.

Er bemerkte meinen Blick und meinte dann: „Eure Eltern sind jetzt oben im Himmel.“ Und deutete mit seinem Finger in Richtung Himmel. „Sie passen nun von da oben auf euch auf.“

Ich verstand nun, was die Polizisten uns damit sagen wollten.

Das ungute Gefühl breitete sich zu einem Knoten im Hals aus und ich fing bitterlich an zu weinen.

Unsere Patentante streichelte mir über meine Locken, ihre Hand zuckte bei jedem ihrer eigenen Schluchzer.

Rechts von mir griff Mateo nach meiner Hand und flüsterte mir ins Ohr: „Und ich werde hier unten auf dich aufpassen, hermanita! Ich werde dich nicht allein lassen! Versprochen!“

1.

2018

„Jab, Cross, Hook und Roundhousekick. Und denk an deine Deckung!“

Als Antwort schlug ich kraftvoll in die Pratzen, die mir mein Trainer hinhielt. „Und noch mal.“ Bam, bam, bam und Kick.

„Sehr schön. Aufwärtsellenbogen, Cross, Abwärtsellenbogen.“

Ich tat wie mir geheißen. Es ging noch zwei Runden weiter.

„Okay zum Abschluss noch dreißig Sekunden schnelle, gerade Fäuste.“

Nach dreißig Sekunden war ich erlöst. Mein Trainer Abel ließ die Pratzen sinken und sah mich anerkennend an.

Er war mittleren Alters und vom Kopf bis hin zum kleinen Zeh zierten ihn eine Menge Tattoos. Auch wenn er aussah wie ein Gangster, war er herzenslieb.

„Gute Leistung heute, Mila!“

Da ich noch etwas knapp an Luft war, nickte ich nur. Ich kletterte aus dem Ring, zog meine Handschuhe aus, nahm meinen Zahnschutz raus und trank erst einmal große Schlucke von meinem Wasser.

Es war ein gutes Training gewesen, zwar anstrengend, aber ich fühlte mich echt gut.

„Kommst du am Mittwoch wieder?“, fragte mich Abel.

„Mal sehen, ob ich es nach meinem Termin noch schaffe. Aber am Freitag komme ich, wenn mir nichts anderes dazwischen kommt. Noah wollte dann auch mitkommen“, meinte ich.

„Traut er sich auch mal wieder her?“ Abel grinste vielsagend.

Ich erwiderte sein Grinsen. Das letzte Mal, als mich Noah zum Boxtraining begleitet hatte, hatte Noah nach zwei Runden im Ring mit mir aufgegeben. „Ich glaube, er hat heimlich trainiert“, erwiderte ich.

Abel nickte grinsend.

„Das werden wir dann ja sehen.“

Ich schnappte mir meine Sachen und ging Richtung Umkleiden, um zu duschen. Ich war schweißnass.

Nach der Dusche fühlte ich mich wie ein neuer Mensch und ich verließ den Boxclub. Draußen war es mittlerweile stockdunkel und beim Ausatmen bildete sich eine kleine Atemwolke.

Es war Anfang Oktober und die Temperaturen waren in letzter Zeit gefallen. Ich war froh, mit dem Auto gekommen zu sein, nach dem anstrengenden Boxtraining wollte ich einfach nur ins Bett und vorher noch eine Kleinigkeit essen.

Zu Hause angekommen, empfang mich ein leckerer Duft von warmen Köttbullar mit Kartoffeln.

Ich stellte meine Sporttasche ab und folgte dem Duft in die Küche. Dort fand ich meine Patentante Matilda und Frieda vor.

„Hey, da bist du ja. Wie war das Training? Hast du Hunger?“, begrüßte mich Matilda.

„Ich habe einen Bärenhunger.“

Matilda holte einen weiteren Teller aus dem Schrank und füllte mir dampfende Hackbällchen und Kartoffeln auf.

„Das Training hatte ich echt gebraucht. Bisschen den Stress und Aggressionen abbauen.“

Wir setzten uns zu dritt an den Küchentisch. Ryan, Friedas Vater hatte heute Abend Dienst in der Wache.

Mateo und Konrad, Friedas älterer Bruder, sind bereits ausgezogen und kommen nur ab und zu vom College zu Besuch.

Nachdem Mateos und meine Eltern gestorben sind, haben Matilda und Ryan uns beide aufgenommen. Auf einmal hatte ich zwei ältere Brüder und eine Schwester und im Haus war immer etwas los.

Jetzt, wo Konrad die meiste Zeit auf dem College verbrachte und Mateo den Canadian Armed Forces beigetreten ist, blieben nur noch solche Momente wie jetzt.

Matilda, Frieda und ich ließen uns das Abendessen schmecken und redeten über Gott und die Welt. Plötzlich kamen wir auf den bevorstehenden Jahrestag des Unfalles meiner Eltern zu sprechen. Dieses Jahr sollte es sich zum zehnten Mal jähren.

„Wie geht es dir, Mila?“, erkundigte sich Frieda.

Ja, wie ging es mir? In weniger als zwei Wochen waren meine Eltern nun schon zehn lange Jahre tot und ich lebte bei meiner Patentante. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, mir ginge es gut. Der Tod meiner Eltern ist mein Päckchen, welches ich mein Leben lang mit mir mitschleppen würde.

„Sagen wir es so, ich komme zurecht.“ Gelogen war das nicht.

Matilda und Frieda wechselten einen kleinen Blick.

„Wirklich. Ich komme zurecht. Und am Mittwoch habe ich eine Sitzung mit Dr. Campbell.“

Dr. Erin Campbell war meine Therapeutin, die mir seit dem Unfall mit der Verarbeitung half. Je älter ich wurde, desto seltener ging ich hin.

Ich hatte begonnen, damit selbst umzugehen und es zu akzeptieren. Mit dieser Bemerkung schienen sie beruhigt und ließen mich vorläufig damit in Ruhe.

Ich warf einen Blick auf die Uhr.

„Ich glaube, ich gehe mich bettfertig machen. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag.“

Ich stand auf und stellte mein Geschirr in den Geschirrspüler.

Frieda folgte mir und wir wünschten Matilda eine Gute Nacht und gingen die Treppe hoch.

„Hast du dir schon überlegt, welche Rolle du im Weihnachtsspiel spielen möchtest?“

Ich zuckte mit den Achseln und nuschelte: „Weisch nisch.“

„Ich finde ja, du solltest dich für die die Hauptrolle bewerben.“

Ich spuckte die Zahnpasta aus.

„Und warum bewirbst du dich nicht selbst für die Rolle?“, entgegnete ich.

„Ach, weißt du, ich muss nicht unbedingt die Hauptrolle spielen. Du wärst super geeignet für die Rolle.“

„Du willst bestimmt nur nicht, dass Audrey wieder die Hauptrolle bekommt.“ Frieda verdrehte die Augen.

„Du willst doch auch nicht, dass Miss Princess wieder alles in den Arsch geschoben bekommt, nur weil ihr Daddy Hauptsponsor der Schule ist.“

„Punkt für dich!“

Ich hatte echt etwas dagegen, dass die Prinzessin der Schule, Audrey Lavoie, erneut das bekam, was sie wollte, nur weil sie mit ihren perfekt manikürten Fingern schnipste.

„Also schreibst du dich jetzt für die Hauptrolle ein?“, Frieda wiederholte ihre Frage.

„Ich überleg es mir. Ist das in Ordnung? Erst einmal abwarten, welches Stück es überhaupt wird.“

Frieda nickte.

„Bis morgen Nachmittag hast du ja noch Zeit.“

Wir beendeten unsere Nachtpflege und wünschten uns eine Gute Nacht und verschwanden in jeweils unseren Zimmern.

Nachdem unsere Brüder ausgezogen waren, bekamen Frieda und ich jeweils ein eigenes Zimmer, bis dahin teilten wir uns ein gemeinsames Zimmer.

Bevor ich unter meine Decke schlüpfte, nahm ich noch das Foto meiner Eltern vom Nachttisch und küsste es.

„Buenas noches. ¡Los quiero mucho!“, flüsterte ich und löschte das Licht.

„Guten Morgen!“ Ich trat in die Küche und fand dort Matilda und Ryan vor. Hinter mir erschien Frieda wach und munter.

„Guten Morgen, ihr zwei!“, begrüßten uns Matilda und Ryan. Ich ging zum Kühlschrank und holte mir meine Overnight Oats raus.

In der Zwischenzeit goss Ryan heißen Kaffee in meinen Becher.

„Frieda, weißt du zufällig, wer heute Fahrdienst hat?“

„Ja, Josh holt uns heute alle ab“, meinte sie und nahm einen Schluck ihres warmen Tees.

Josh beziehungsweise Joshua war Friedas Freund und die beiden waren bereits eine Ewigkeit zusammen. Joshua war zusätzlich auch mein und Noahs sehr guter Freund.

Wir kannten uns seit dem Kindergarten und gingen sogar in die gleiche Grundschulklasse. Wir vier verbrachten die meiste Zeit gemeinsam und gingen durch dick und dünn.

„Er wollte um 08:25 Uhr hier sein, und danach fahren wir bei Noah vorbei.“

Ich streckte meinen Daumen in die Höhe und nahm einen Schluck von meinem warmen, wohltuenden Kaffee.

„Heute habt ihr doch Theater, oder? Wisst ihr schon, welches Stück ihr in eurem letzten Jahr vorspielen werdet?“, wollte Matilda wissen.

„Monsieur Fortin hat uns noch nichts erzählen. Er wollte heute Nachmittag im Kurs das Geheimnis lüften“, erzählte Frieda.

„Na dann, viel Spaß heute. Wir sehen uns heute Abend“, wünschte uns ihr Vater. Ryan trank seinen Kaffee aus und verabschiedete sich von uns.

Er gab seiner Frau einen Kuss und hielt Frieda und mir die erhobenen Hände hin, wir klatschten beide ab und verließ dann das Haus.

Wir beendeten ebenfalls unser Frühstück und stellten unser dreckiges Geschirr in die Geschirrspülmaschine.

Draußen auf der Straße hupte ein Auto. Das musste Joshua sein.

Ich blickte aus dem Küchenfenster. Ich hatte recht, an der Straße stand ein dunkelgrüner 2017 Toyota Tacoma, Joshuas Tacoma.

Frieda und ich rafften schnell unsere Sachen zusammen, verabschiedeten uns von Matilda und verließen das Haus.

Frieda ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder und ich machte es mir auf der Rückbank bequem.

Joshua beugte sich zu Frieda und gab ihr einen Kuss.

„Dann wollen wir mal.“

Er lenkte den Wagen auf die Fahrbahn und fuhr zu Noahs Haus.

Wir wohnten alle nicht weit auseinander, jeweils im Umkreis von etwa fünf Minuten. Nach genau diesen fünf Minuten in Richtung Westen sahen wir Noah an der Straße stehen.

Joshua hielt an und unser letzter Fahrgast stieg neben mir auf der Rückbank ein. Noah klopfte auf Joshuas Schulter und begrüßte uns alle.

Josh setzte den Blinker und fuhr erneut los.

„Ey Boxchampion, schau mich mal an“, forderte Noah.

Ich drehte mein Kopf verwirrt nach links.

„Wollte nur nachschauen, ob dein Gesicht irgendwelche Blessuren von gestern davongetragen hat“, klärte er auf und grinste sein typisches Noahgrinsen.

Ich verdrehte lachend die Augen.

„Aber nein, dein Gesicht ist makellos wie eh und je.“

Josh meldete sich vom Fahrersitz aus: „Das bedeutet dann ja selbstverständlich, dass Milas Gegner anders aussieht.“

„Selbstverständlich!“, lachte Noah. Ich schüttelte amüsant den Kopf und blickte aus dem Fenster.

Nach ungefähr zwanzig Minuten waren wir an der Prendergast Highschool angekommen, Josh parkte seinen Toyota und wir stiegen aus. Unsere Highschool hatte ihren Namen von dem Aquarellisten Maurice Prendergast, der hier in St. John’s 1858 geboren war.

Zu seinen Ehren veranstaltete unsere Highschool am zehnten Oktober eine kleine Schulfeier in unserer großen Sporthalle.

Josh und Frieda liefen händchenhaltend etwas voraus und Noah und ich gingen hinter den beiden her.

„Was hältst du davon, wenn ich dich am Dreizehnten abhole und wir gemeinsam zum Grab deiner Eltern fahren?“, schlug Noah vor und blickte zu mir hinunter.

Ich nickte: „Ja danke, das wäre schön.“

Wir stiegen die Treppen vor dem Eingang hinauf. Hinter uns räusperte sich jemand. Und allein an der Art und Weise, wie diese Person sich räusperte, erkannte ich den Verursacher beziehungsweise die Verursacherin: Audrey Lavoie, Prinzessin der Prendergast Highschool.

Genau die Person, die ich am wenigsten ausstehen konnte. Alle anderen Mädchen der Schule, ausgenommen von Frieda selbstverständlich, wollten mit Audrey und ihren beiden Schatten Abigail und Alice befreundet sein oder so sein wie die Drei. Die männlichen Highschool-Gänger wollten sie entweder ausführen oder flachlegen.

Sie war afrokanadisch und kam aus Québec. Sie glättete ihre Locken, weil sie es hübscher fand. Sie war immer perfekt geschminkt und trug Markenklamotten. Im ersten Jahr auf der Highschool war sie neu auf unserer Schule und wir hatten uns ganz gut verstanden.

Mit der Zeit hatte sie sich verändert.

Ich versuchte die Anwesenheit von Audrey zu ignorieren, aber Miss Ich-bekomme-alles räusperte sich erneut.

Ich verdrehte die Augen und drehte mich zu ihr um.

„Vielleicht solltest du dein Halsproblem einmal untersuchen lassen. Ich kenne einen guten Arzt.“

Audrey verdrehte die Augen und wandte sich an Noah. Bei seinem Anblick umspielte sofort ein Lächeln ihre perfekt geschminkten Lippen.

„Ich wollte mich bei dir erkundigen, ob du Lust hast, dieses Jahr die männliche Hauptrolle an meiner Seite selbstredend zu spielen. Heute verkündet Monsieur Fortin ja schließlich das Stück, welches wir diese Weihnachtszeit zum Besten geben werden.“

Audrey klimperte mit ihren Wimpern und warf Noah ihr bestes Lächeln zu. Ich unterdrückte ein Lachen. Drei Augenpaare blickten mich an.

„Ach, oder hattest du etwa vor, dich für die diesjährige weibliche Hauptrolle zu bewerben? Ach Pardon, versuchst dich zu bewerben.“

Audrey zeichnete mit ihren Fingern Anführungszeichen in die Luft, dabei klimperten ihre zahlreichen Armreifen.

„Weißt du, Audrey, ich habe es nicht nötig, mich ständig in den Vordergrund zu schieben“, erwiderte ich ruhig.

„Das hat sie nicht gesagt.“

Einer ihrer Schatten, Audrey 2, um präziser zu sein Abigail blickte schockiert zu Audrey und Alice.

„Doch, das hat SIE“, antwortete ich.

Audrey schnaubte kurz und wandte sich dann erneut Noah zu, der das ganze Spektakel amüsiert mitangesehen hatte.

„Also? Was sagst du?“

„Die Bühne ist wirklich nicht mein Spielfeld. Ich kümmere mich lieber um die Technik, damit alles perfekt ausgeleuchtet ist“, entgegnete er.

„Du kannst es dir ja noch mal überlegen“, säuselte sie und legte beiläufig ihre Hand auf Noahs Arm. Oh, wow. Ist das ihr Ernst?!

Audrey und ihre Gefolgschaft ließen uns schließlich stehen und gingen ins Schulgebäude.

„Du kannst es dir ja noch mal überlegen“, säuselte ich und legte wie Audrey eben meine Hand auf Noahs Arm.

„Süßer“, fügte ich mit einem Augenzwinkern hinzu. Ich schüttelte mich.

Noah lachte.

„Du solltest wirklich die Hauptrolle spielen.“

Ich sah Noah verwirrt an.

„Nein, wirklich, du hast Talent.“

Ich winkte Noahs Kommentar ab und wir gingen endlich ins Schulgebäude. An unseren Spinden warteten Josh und Frieda.

„Habt ihr euch verlaufen, oder weshalb habt ihr so lange gebraucht, für einen Weg von drei Minuten?“, wollte Josh wissen.

„Schatz, vielleicht wollten sie auch nur etwas Zeit alleine haben.“

Frieda zwinkerte Josh zu und grinste vielsagend.

„Ah ja, verstehe!“ Josh stieg mit ein und grinste.

„Erwischt!“ Noah legte seinen Arm um mich und zog mich näher an sich ran.

„Es hat scheinbar keinen Sinn mehr, es länger vor euch zu verheimlichen, wenn ihr sowieso Bescheid wisst.“

Ich spielte mit und umschlang Noahs Bauch.

„Wir wollten zwei kleine Minuten für uns haben. Das versteht ihr doch sicherlich“, meinte ich.

Frieda und Josh schauten uns leicht verdattert an.

„Moment mal…was haben wir denn jetzt verpasst?“ Josh fuchtelte mit seinem Finger zwischen uns hin und her. Ich nickte.

„Ey Mann, ich hab dir doch gesagt, ihr wärt ein tolles Paar“, freute sich Josh und klatschte in die Hände.

Ich fing an zu grinsen und an der Atmung von Noah zu urteilen, konnte er sich auch nicht länger mehr zusammenreißen. Wir lösten unsere Umarmung.

„Hach, herrlich. Ihr hättet mal eure Gesichter sehen müssen“, lachte Noah.

„Oscarreife Leistung, ihr beiden! Ich hatte es für einen Moment euch echt abgekauft“, gab Frieda zu.

Ich machte einen kleinen Knicks und stellte mich vor meinen Spind, um meine Nummer einzustellen.

„Und warum habt ihr jetzt länger gebraucht?“, wollte Josh wissen, er sah etwas enttäuscht aus.

„Miss Princess und ihre Gefolgschaft haben uns aufgehalten, oder soll ich besser sagen, haben Noah Schatz aufgehalten“, erklärte ich.

Frieda und Josh blickten mich fragend an.

„Audrey hat Noah gefragt, ob er Lust hätte, an ihrer Seite die männliche Hauptrolle in dem diesjährigen Weihnachtsstück zu spielen.“

„Oh Mann“, stieß Josh hervor. „Wenn sie wüsste, dass …“

Noah versetzte Josh einen kleinen Schlag gegen den Arm. Ich drehte mich um.

„Wenn sie was wüsste?“, hakte ich nach.

„Ach nichts!“

Noch bevor Frieda oder ich etwas erwidern konnten, ertönte der Schulgong und teilte uns mit, dass die erste Stunde gleich beginnen würde. Wir rafften unsere Sachen zusammen und machten uns auf zu unseren ersten Stunden. Frieda hatte Creative Writing mit Miss Hartfield, Joshua und Noah gingen zu ihrer Mathestunde mit Mr. Bishop und ich machte mich auf den Weg zu meiner Kunstgeschichtsstunde mit Mr. Padrock. Padrock war ein älterer, etwas skurriler Lehrer, aber er gestaltete seinen Unterricht super interessant und ich ging gerne hin.

„Wie ich sehe, haben Sie alle an die Schwarz-weiß-Porträts gedacht für die heutige Stunde. Sehr schön, sehr schön. Dann können wir ja direkt anfangen.“

Mr. Padrock ging um sein Pult und lehnte sich in den Raum blickend an. „Holen Sie bitte Ihre Zeichenbleistifte und Blöcke heraus. Ein Wischtuch oder auch ein Taschentuch, wenn Sie kein Wischtuch haben, sollte Ihnen heute ebenfalls behilflich sein.“

Alle begannen in ihren Taschen und Rucksäcken zu kramen, und beförderten die benötigten Materialien zu Tage.

„Einige von Ihnen, meine Damen und Herren, haben sicherlich schon bereits Erfahrungen mit Porträts zeichnen. Einige von Ihnen mögen auch bereits die hilfreiche Rastermethode angewendet haben. Für diejenigen, die es nicht kennen, werden wir es heute durchgehen und Sie werden dazukommen die Porträts, die Sie mitgebracht haben, zu zeichnen.

Wir werden heute sehr wahrscheinlich nicht fertig werden, also werden die nächsten zwei bis drei Stunden hierfür verwenden, damit Sie am Ende ein fertiges Porträt vorliegen haben, welches ich dann benoten werde. Also geben Sie sich Mühe!“

Mr. Padrock fing an, die Rastermethode zu erklären und ging die Schritte mit der Klasse durch, wie man beim Zeichnen vorzugehen hat, inklusive wie man richtig schattiert.

Diejenigen, die das bereits kannten, durften direkt mit ihrem mitgebrachten Porträt anfangen. Ich hatte mir eine zusätzliche Herausforderung ausgesucht und ein altes Foto meiner Eltern genommen. Es war mein Lieblingsfoto meiner Eltern von ihrer Hochzeit.

„Wow, da hast du dir aber was vorgenommen.“

Ich blickte auf. Es war Kayla Bergé.

„Na sicher. Sonst ist es ja langweilig“, entgegnete ich.

Sie nickte zustimmend und deutete dann auf das Foto.

„Das sind bestimmt deine Eltern, oder?“

Ich nickte.

„Ja das kann man sehen. Du bist eine perfekte Mischung aus deinen Eltern.“

Ich blickte auf das Foto und lächelte traurig.

„Danke. Das habe ich schon öfter gehört.

2.

Unsere letzte Stunde des Tages war Theater bei Monsieur Fortin. In den nächsten Minuten sollten wir erfahren, welches Stück wir zur Weihnachtszeit aufführen würden.

Frieda und ich stießen die purpurrote Doppeltür des Schultheaters auf und traten in den großen Raum, der mit dunkelroten Stuhlreihen ausgestattet war. Von der Decke leuchteten Lichterkugeln, die unterschiedlich tief hingen und unterschiedlich groß waren.

Frieda und ich ließen uns in einer Reihe nieder und warteten mit den anderen Kursmitgliedern auf unseren Lehrer.

„Ich muss dir etwas sagen“, begann Frieda plötzlich. Sie machte eine kleine Kunstpause und ich blickte sie wartend an.

Als sie erneut ihren Mund aufmachen wollte, betrat Fortin die Bühne. Er stellte sich an die vordere Kante, genau in die Mitte, breitete seine Arme feierlich aus und rief: „Être ou ne pas être: telle est la question.“

Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage. Die berühmte Phrase aus der Tragödie Hamlet.

Monsieur Fortier begann seinen Unterricht gerne mit einem dramatischen Auftritt und einer bekannten Phrase aus dem Theater. Gerne auch mal auf Französisch, denn Fortin war Frankokanadier und kam ursprünglich aus Gatineau, Québec.

Ich wandte mich unauffällig zu Frieda.

„Was wolltest du mir sagen?“

Sie tat meine Frage mit einer abwinkenden Handbewegung ab. Ich zuckte mit den Achseln und schenkte unserem Lehrer wieder meine Aufmerksamkeit. „Sie wollen bestimmt wissen, welches Stück wir diese Weihnachten spielen werden.“ Alle nickten gespannt.

Er fuhr fort: „Dann will ich sie nicht mehr länger auf die Folter spannen.“ Fortin verschwand hinter der Bühne und kam mit einer Rolltafel wieder hervor.

„Dieses Stück wird ein wenig anders sein als die anderen Stücke, die Sie die letzten Male zum Besten gegeben haben. Das Besondere daran ist, dass dieses Stück nicht bekannt ist, denn es wurde von einer von Ihnen geschrieben“, legte er offen und deutete mit einer ausladenden Armbewegung auf uns im Zuschauerbereich sitzende Schüler.

Ein allgemeines Raunen ging durch die Stuhlreihen.

„Wie ich sehe, sind Sie alle überrascht. Das freut mich, dass mir diese kleine Überraschung gelungen ist.“

Er klatschte in die Hände und drehte die Tafel um. Auf dem dunkelgrünen Untergrund stand mit weißer Kreide geschrieben: „Neuer Weihnachtsmann gesucht!“ Dadrunter stand: Eine Geschichte von F. Andersson.

Ich starrte mit offenen Mund nach vorne auf die Tafel. Da stand der Name von Frieda und der Titel sagte mir ebenfalls etwas.

Ich klappte den Mund wieder zu und drehte mich zu Frieda. Sie blickte mich entschuldigend an.

Bevor ich sie zur Rede stellen konnte, ertönte irgendwo rechts aus der ersten Reihe eine bekannte Stimme. Sie klang aufgebracht.

„Was soll das heißen, Monsieur Fortin? Seit wann werden unsere Stücke von Schülern geschrieben und dann auch noch aufgeführt? Und wieso hatten wir anderen keine Möglichkeit, eine Idee abzugeben?“

Es war selbstverständlich Miss Audrey Lavoie. Sie hatte sich von ihrem Platz erhoben und stemmte ihre Arme in die Seiten.

„Das kann ich Ihnen, Miss Lavoie und auch Ihnen anderen, gerne erklären.“ Monsieur Fortin trat die Treppenstufen hinunter.

„Nun gut, mir wurde die Geschichte von Miss Hartfield vom Creative Writing zu getragen, denn sie ist auf die Geschichte gestoßen und kam zu mir. Sie wusste, dass ich auf der Suche nach einem interessanten, modernen und neuen Stück war.

Mir gefiel die Idee des Stückes und mit dem Einverständnis von Miss Andersson passte ich das Stück noch an, et voilà, wir haben ein Weihnachtsstück, welches noch niemals aufgeführt wurde. Wenn es keine weiteren Fragen oder Einwände gibt, würde ich die Storyline gerne verteilen und Sie können sich selbst ein Bild davon machen. Danach nehme ich gerne Rollenwünsche entgegen.“

Audrey sah zwar nicht annähernd begeistert aus, ließ sich dennoch nach kurzem Überlegen wieder auf ihren Platz sinken. Fortin war zufrieden und teilte die Blätter mit der Storyline und den zu besetzenden Rollen aus.

„Sag mal, ist das die Geschichte, die wir uns mal zusammen ausgedacht hatten?“, fragte ich sie.

Frieda nickte.

„Und wann hattest du vor mir davon zu erzählen?“

„Oh, sorry. Das war meine letzte Hausaufgabe in Creative Writing und war so in unserer Geschichte drinnen, dass ich vollkommen vergessen habe, um deine Erlaubnis zu fragen, als Fortin mich gefragt hatte.“ Sie sah mich entschuldigend an. „Bist du mir jetzt sehr böse?“

„Ach quatsch, aber eine kleine Info vorweg wäre nett gewesen“, versicherte ich ihr und schenkte dem Blatt in meiner Hand meine Aufmerksamkeit.

„Nun gut, dann wollen wir mal sehen, was aus der Geschichte von F. Andersson geworden ist.“

Die Geschichte beginnt an dem wohl kältesten und nördlichsten Ort der Erde – dem Winterland.

Hier schneit es fast das gesamte Jahr über und alles sah aus wie mit Puderzucker bestreut. Wenn die Sonne schien, begannen die winzigen Eiskristalle an zu glitzern und zu funkeln.

An diesem magischen Ort lebt ein alter Mann mit seiner Frau, seinen Rentieren und den Dorfbewohnern des Winterlandes.

Es ist niemand geringeres als Santa Claus und seine zahlreichen Helfer, die Wichtel. Das kleine Dorf ist in heller Aufruhr, denn schon bald steht der Heilige Abend vor der Tür.

In jeder Ecke, auf jeder Straße wuseln kleine Wichtel herum. In der großen Weihnachtsfabrik werden zahlreiche Geschenke verpackt, verklebt, dekoriert und in dem Schlitten verstaut, der hinter dem Haus auf seinen Einsatz wartet.

Auch die Rentiere sind nervös und warten mit den Hufen scharrend auf ihren jährlichen großen Einsatz.

Aber diese Weihnacht sollte etwas anders werden als gewohnt, denn der Weihnachtsmann ist auf der Suche nach seinen Nachfolgern. Im Winterland laufen einige geschäftige Nachwuchsweihnachtsmänner herum und erfüllen eine Aufgabe nach der anderen, die der Weihnachtsmann ihnen stellt.

Auch die beiden Schwestern Misty und Missie Mistletoe wollen mitmachen, aber sind von der Suche ausgeschlossen worden, denn sie sind keine Männer.

Der Weihnachtsmann besteht darauf, dass seine Nachfolger männlich sein sollen. Er ist der festen Überzeugung, dass nur Männer diese Aufgaben erfüllen können und Santa Claus war selbstverständlich selbst ein Mann.

Frauen sind daher von der Suche ausgeschlossen.

Was die beiden Schwestern jedoch nicht davon abgehalten hat, sich als die neuen Nachfolger des Weihnachtsmannes zu bewerben.

Sie entschließen sich dazu, sich als Männer zu verkleiden und den Wettbewerb zu unterwandern.

Es gelingt ihnen und sie absolvieren unerkannt eine Aufgabe nach der anderen und das mit Bravour. Doch die ganze Geschichte droht aufzufliegen, als sich eine Dorfbewohnerin in eine der verkleideten Schwestern verliebt.

Zusammen schaffen es Misty und Missie das androhende Chaos unter Kontrolle zu bekommen und werden tatsächlich als Santas Nachfolger ausgewählt.

Sie beschließen endlich ihr Geheimnis zu enthüllen und ganz Winterland ist schockiert. Schließlich steht Mrs. Claus für die beiden ein, die schon lange einen Verdacht gehegt hatte, und Santa Claus sieht ein, dass auch Frauen die Welt bewegen können und zum ersten Mal in der Geschichte des Winterlandes gibt es zwei weibliche Weihnachtsmänner – besser gesagt Weihnachtsfrauen.

„Was meinst du, wollen wir uns für die Rollen der beiden Schwestern bewerben?“, wollte Frieda von mir wissen, als ich mir die Storyline zu Ende durchgelesen hatte.

„Ach, ich weiß nicht.“

„Was würde deine Mutter jetzt sagen?“

„Quien no arriesga, no gana. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“

„Muss ich noch weitere Überzeugungsarbeit leisten?“

Da ich zögerte, fuhr Frieda fort: „Das ist deine Chance, es Miss Princess da vorne zu zeigen. Ich kann auch Noah schreiben, aber er würde genau die gleichen Sachen sagen, wie ich dir sagen würde.“

„Schon gut, schon gut,“ winkte ich ab und versprach ihr, dass wir uns für die beiden Hauptrollen eintragen werden.

Einerseits hoffte ich, Erfolg zu haben, andererseits mag ich es nicht besonders im Mittelpunkt zu stehen.

„Nun gut, die Zeit sollte gereicht haben. Wie Sie sicherlich bemerkt haben, ist die Geschichte etwas besonders und ich dachte, das passt zu Ihrem letzten Schuljahr ganz gut. Jetzt würde ich Sie bitten, nach vorne zu kommen und sich wie üblich unter den Namen der Rolle, die Sie gerne spielen würden, einzutragen“, sagte Monsieur Fortin den nächsten Schritt an.

Alle Kursmitglieder standen nach und nach auf und gingen hinauf zur Tafel und trugen sich unter den jeweiligen Rollennamen ein, die zu besetzten sind.

Als ich an die Tafel trat, ließ ich schnell meinen Blick über die Namen wandern.

Audreys Name stand unübersehbar unter der Rolle der Misty, ihre Gefolgschaft hatte sich unter der zweiten Hauptrolle eingetragen – war klar. Friedas Name stand ebenfalls unter der Spalte der Missie, also trug ich mich in die Namensspalte der Misty ein und verließ die Bühne.

Alle Schüler hatten sich eingetragen und saßen wieder auf ihren Plätzen im Zuschauerraum. Fortin trat vor die Tafel und begutachtete diese.

„Ah, Mila, wie ich sehe, trauen Sie sich endlich an eine Hauptrolle ran. Ich habe Ihnen immer schon gesagt, dass Sie es mal wagen sollen.“ Er lächelte mir zu.

Audrey drehte sich theatralisch um und starrte mich feindselig an. Dieser Blick könnte selbst einen Waldbrand sofort einfrieren. Ich ignorierte sie einfach.

Frieda knuffte mir in die Seite und flüsterte mir zu: „Habe ich es dir nicht gesagt?!“ Ich verdrehte die Augen.

Fortin notierte sich die Listen und gab Robert Langford die Skripte, damit er sie austeilte.

Bis zum nächsten Mal sollten wir jeweils einen kleinen Part unserer gewünschten Rolle aus dem ersten Akt vorbereiten, damit Fortin die Rollen zuteilen konnte.

Die letzten zwanzig Minuten verbrachten wir mit Theaterübungen und kleinen Spielen auf der Bühne. Schließlich ertönte der Gong und Fortin entließ uns mit den Worten: „Wie William Shakespeare in Hamlet so schön schrieb: Die Zeit ist aus den Fugen.“

Wir rafften unsere Sachen zusammen und verließen das Theater.

An unseren Spinden trafen wir auf Noah und Joshua, die sich gerade mit zwei Footballkollegen unterhielten.

„Na, was geht?“, begrüßte uns Zane Addison und nickte uns zu.

„Alles bestens“, entgegnete ich und gab meine Zahlenkombination ein.

Ich legte meine Bücher in den Schrank und holte meine Jacke. Ich spürte einen Blick auf meinen Rücken und drehte mich um.

Caleb Tremblay, einer der Wide Receiver, sah mich an und als ich seinen Blick bemerkt hatte, schaute er schnell in eine andere Richtung.

Ich schmunzelte.

Calebs Augen waren tiefbraun und er hatte dichte Wimpern, für die ihn jedes Mädchen beneiden würde. Er war athletisch gebaut und groß. Alles in einem sah er nicht schlecht aus.

Ich löste meine Aufmerksamkeit von Caleb und hörte bei der Unterhaltung zu. Sie unterhielten sich über das nächste Spiel gegen die Ravens der Rosehill High aus Avondale.

„Meint ihr, ihr schafft es dieses Spiel zu gewinnen?“, beteiligte Frieda sich an der Unterhaltung.

„Auf jeden Fall! Coach Bennett schiebt uns ständig Extratraining zu. Wenn wir nicht gerade trainieren, träumen wir vom Training. Dieses Spiel wird unser Sieg sein!“, entgegnete Zane und regte seine Faust in die Höhe.

„Das stimmt!“, stimmte Caleb zu, „Also wenn nicht, dann fresse ich einen Besen.“

„Darauf komme ich bestimmt zurück. Wir haben bestimmt noch einen im Keller stehen, den bringe ich dir dann mit. Aber hoffen wir das Beste!“, meinte ich und zwinkerte ihm zu.

Er schenkte mir ein Lächeln, wobei seine strahlendweißen Zähne zu sehen waren. Echt nicht schlecht.

Eine Weile später verabschiedeten wir uns von Zane und Caleb und verließen das Schulgebäude. Im Auto fragten uns die Jungs dann bezüglich der Theaterstunde aus und wollten wissen, für welche Rollen wir uns eingetragen hatten.

„Ich konnte Mila überreden, dass wir uns gemeinsam für die Hauptrollen eintragen. Jetzt heißt es Text üben und überzeugen.“

„Ach, das bekommt ihr hin. Ich finde das echt mega, dass du die Geschichte für das Stück geschrieben hast. Du hast echt Talent!“, lobte Noah.

„Du wusstest davon?“, fragte ich entgeistert und blickte zu Noah und dann zu Frieda.

„Das ist dann wohl meine Schuld“, meldete sich Joshua.

Er sah mich durch den Rückspiegel an. „Frieda hatte mir davon erzählt und ich habe es dann Noah gesagt. Ich wusste nicht, dass du es nicht wusstest.“

„Todo bien!“, versicherte ich ihm.

Der nächste Schultag verlief unterspektakulär. Ich hatte in der ersten Stunde Russisch bei Mr. Kusmin gemeinsam mit Noah, danach Psychologie bei Mrs. O’Loughlin mit Frieda, Noah und Joshua und um 12:05 Uhr hatten wir fünfzig Minuten Mittagspause.

Nach der Mittagspause hatten Noah und ich Chemie bei Mr. O’Neill und den Abschluss machte Kunstgeschichte bei Mr. Padrock. Dort schaffte ich den Großteil meiner Zeichnung und Mr. Padrock lobte meine bisherige Arbeit.

Nach dem regulären Unterricht hatten wir noch eine Stunde Sport.

Die beiden Jungs gingen zu ihrem Footballtraining, Frieda ging zum Cheerleading und ich hatte Volleyball. Das Volleyballtraining ergänzte meine sonstige Kampfsportaktivität und es machte manchmal auch echt Spaß.

Um 16:30 Uhr verließ ich die Umkleide und ging zum Schülerparkplatz. Dort entdeckte ich Frieda an unserem Auto, die Jungs hatten heute nach dem Training noch eine Lagebesprechung, deshalb fuhren Frieda und ich alleine nach Hause.

„Wollen wir heute den Text gemeinsam durchgehen?“, fragte Frieda mich, als wir an einer roten Ampel hielten.

„Wenn ich von Campbell zurück bin, können wir das machen.“

Heute hatte ich einen Termin bei meiner Therapeutin Dr. Erin Campbell, denn nächsten Samstag war schließlich der zehnte Todestag meiner Eltern.

Ich glaubte nicht, dass ich heute noch zum Boxen gehen werde. Nach den meisten Therapiesitzungen war ich so aufgewühlt, dass ich am liebsten auf den Friedhof ging und danach nichts weiter tun wollte.

„Alles klar. Dann gehe ich bis dahin meinen Teil durch.“

Danach erzählte sie mir von ihrem Cheerleading Training und ihren Stunden, die wir nicht gemeinsam hatten.

Schließlich erreichten wir unser Haus und Frieda stellte den Wagen in der Auffahrt ab, da ich bereits in einer halben Stunde wieder losmusste.

3.

„Hallo Mila, setz dich doch bitte. Willst du etwas trinken?“, begrüßte mich Erin Campbell und deutete auf die Sitzecke.

Ich setzte mich auf einen der gemütlichen Sessel.

„Ein stilles Wasser reicht mir heute, danke.“

Dr. Erin Campbell war eine ältere afrokanadische Frau mit schulterlangen Locken, die sie gerne hochgebunden und mit einem Tuch trägt. Um ihren Hals hing neben ihren bunten Ketten auch ihre Lesebrille. Ihre Ohren schmückten farblich passende Ohrringe.

Sie ging zu einem kleinen Tisch und holte ein Glas und eine Flasche stilles Wasser und stellte diese auf den kleinen Couchtisch vor dem Sessel, auf dem ich saß. „Dankeschön.“

Schließlich ließ sie sich auf den Sessel mir gegenüber nieder und überkreuzte ihre Beine.

„So, wie geht es dir denn heute?“, fragte sie mich.

„Eigentlich ganz gut soweit.“

„Eigentlich?“ Erin Campbell sah mich direkt an.

„Frieda hat eine Geschichte für ihren Creative Writing Unterricht geschrieben, besser gesagt eine Weihnachtsgeschichte. Eine Weihnachtsgeschichte, die wir uns vor einiger Zeit aus Spaß ausgedacht haben. Ihrer Lehrerin hat die Geschichte gefallen und es unserem Theaterlehrer gezeigt. Und jetzt spielen wir diese Geschichte für unsere diesjährige Weihnachtsaufführung“, erzählte ich ihr.

„Und sie hat dir vorher nichts davon erzählt?“, hakte sie nach. Ich schüttelte den Kopf.

„Und jetzt hatte Frieda die Idee, dass wir uns für die beiden Hauptrollen eintragen, was wir gestern dann auch getan haben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das hinbekomme. Audrey spielt normalerweise immer die Hauptrolle.“

„Ich erinnere dich gerne daran, was du einmal gesagt hattest.“

Sie setzte ihre Brille auf und begann in ihren Unterlagen zu blättern, bis sie das gefunden hatte, was sie suchte und zitierte meine Worte: „Mich nervt es, dass Audrey Lavoie immer die Hauptrollen bekommt.“ Sie setzte ihre Brille wieder ab und blickte mich an.

„Das stimmt auch irgendwie. Sie bringt die Rollen meiner Meinung nach nicht authentisch rüber, sondern spielt so überdreht. Aber ich habe mich nie wirklich getraut, gegen sie anzutreten“, erklärte ich.

„Dann ist das jetzt deine Chance, dein Talent zu zeigen.“

Ich nickte. Ich sah ein, dass das wirklich meine Chance war. Meine Therapeutin machte sich Notizen.

„Ich würde jetzt gerne wissen, wie es dir bezüglich des bevorstehenden Todestages deiner Eltern geht? Nächsten Samstag, am Dreizehnten, jährt sich der Unfalltod deiner Eltern zum zehnten Mal.“

Ich benötigte einen kurzen Moment und nahm schnell einen Schluck von meinem Wasser, um gegen den Knoten anzukämpfen, der sich in meinem Hals entwickelte.

„Lass dir ruhig Zeit.“

Ich atmete tief ein und begann dann zu reden.

Der bevorstehende Highschoolabschluss und der Wechsel auf ein College, und das ohne meine Eltern machten mir Angst und ich wollte nicht wegziehen. St. John’s war meine Heimat, hier haben mich meine Eltern geboren, mich und meinen Bruder Mateo.

Hier habe ich meine Freunde kennengelernt. Ich hatte Angst, meine Freunde zu verlieren, wenn wir auf verschiedene Unis gehen würden. Die Zukunft machte mir schlichtweg einfach Angst.

Erin Campbell hörte mir aufmerksam zu und unterbrach mich kein einziges Mal. Sie machte sich hier und da Notizen und als ich aufgehört hatte zu reden, wartete sie einen kleinen Moment, bevor sie sprach.

„Angst vor der Zukunft zu haben, ist normal. Man weiß nicht, worauf man sich einlässt. Das Ungewisse gibt den Menschen zu denken.“

Sie machte eine Pause, bevor sie weiter sprach. „Der Wechsel von der Highschool auf die Universität ist ein großer Schritt und es ist sehr verständlich, dass du besonders davor Angst hast, weil deine Eltern nicht hier sein können. Ein kleiner Trost könnte sein, dass deine engen Freunde dabei sein werden und auch deine Zieheltern. Vergessen darfst du auch nicht, deine Eltern sind immer bei dir und zwar in dir drinnen.“

Ihre freie Hand legte sie dabei auf ihr Herz. Ich starrte auf meine Hände.

Ich konzentrierte mich auf etwas anderes, damit ich nicht anfing zu weinen. Ich wollte jetzt nicht weinen. Erin Campbell verhielt sich still und ließ mir Zeit.

Ich rührte mich wieder und nahm einen Schluck Wasser.

„Danke.“

Sie lächelte mir aufmunternd zu.

„Wie geht es mit deinen Panikattacken?“, wollte sie wissen.

„Ich hatte lange keine mehr“, antwortete ich stolz.

„Das klingt gut. Wann hattest du deine letzte?“

Da musste ich tatsächlich etwas überlegen. Meine erste Panikattacke hatte ich auf der Beerdigung meiner Eltern bekommen.

Die ersten Jahre nach dem Unfall hatte ich häufig welche bekommen, wusste aber nicht genau, was sie ausgelöst hatte. Bis heute wusste ich nicht, was mich genau triggert und meine Panikattacken hervorruft.

„Das ist eine gute Frage.“

Ich überlegte und sie wartete ab, bis ich weiter sprach.

„Ich glaube tatsächlich die Letzte, die ich hatte, war im März, als Noah und ich Auto gefahren sind und durch das Blitzeis ins Schlingern geraten sind.“

Dr. Campbell schrieb sich etwas auf.

„Obwohl im Juli hatte ich auch noch mal eine. Aber die war nicht so stark und ich hatte sie schnell wieder im Griff. An dem Tag war es so unfassbar heiß gewesen und ich war in einem Fahrstuhl, der merkwürdige Geräusche gemacht hatte. Ich hatte Angst, der würde jeden Moment stehen bleiben. Das Licht hatte geflackert und es gab einen kleinen Ruck, aber er war zum Glück nicht stehen geblieben“, fiel mir wieder ein.

„Und was hat dir dabei geholfen? Wie hast du es geschafft, deine Attacke in den Griff zu bekommen?“, wollte sie von mir wissen.

„Ich habe Ihre Imaginationstechnik angewandt, die Sie mir gezeigt hatten. Ich habe mir schnell mein Handy geschnappt, meinen Lieblingssong angemacht und mir meinen Lieblingsort vorgestellt. Dazu versucht, ruhig und kontrolliert zu atmen. Es hat dieses Mal sehr schnell geholfen.“

„Sehr schön. Dann machen wir Schluss für heute, wenn du nichts mehr hast, worüber du gerne mit mir sprechen möchtest. Und wenn doch noch was ist, weißt du ja, wie du mich erreichen kannst.“

„Vielen Dank!“, bedankte ich mich und verließ ihre Praxis.

Es klopfte an meiner Zimmertür. Frieda streckte ihren Kopf in mein Zimmer. „Wollen wir den Text durchgehen?“

„Komm rein.“ Ich klopfte neben mir aufs Bett.

Sie trat ein und schloss die Tür hinter sich.

„Willst du über die Sitzung heute reden?“, fragte Frieda und ließ sich auf mein Bett fallen.

Ich schüttelte den Kopf. Frieda sah mich intensiv an, aber nahm meine Entscheidung hin.

„Mir geht es wirklich gut. Die Sitzung lief gut. Wollen wir jetzt die Texte durchgehen?“

„Na dann, Misty Mistletoe“, lachte Frieda.

„Los geht’s, Missie Mistletoe“, grinste ich.

Die Ablenkung tat gut. Ich ging zum Schreibtisch und kramte meine Textunterlagen für das Theater hervor.

Wir stellten uns in der Zimmermitte gegenüber. Wir hatten uns eine Szene zusammen ausgesucht und noch jeweils eine Passage alleine.

„Ich würde sagen, wir fangen mit der gemeinsamen Stelle an“, schlug ich vor. Frieda stimmte mir zu.

„Missie, mich nervt, dass nur Männer zugelassen sind. Als würden wir nicht die Arbeit genauso gut absolvieren können.“ Ich seufzte.

Friedas Part: „Da stimme ich dir vollkommen zu. Frauen können auch mitanpacken, schleppen, Schlittenfahren und vieles mehr! Unten bei den Menschen wird seit Jahrzehnten für Frauenrechte gekämpft und das schon mit Erfolg.“

„Das habe ich auch gehört. Es gibt so unfassbar viele starke Frauen auf der Welt, und warum gibt es hier keine Chance auf einen weiblichen Santa Claus, die das Geschäft für die Weihnachtszeit führt?“

„Wir sind nur die Wichtel. Zuständig für das Keksebacken, Schmücken und Geschenke verpacken.“ Frieda seufzte und verdrehte die Augen.

Für ihren nächsten Satz breitete sie ihre Arme aus: „Ich will auch einmal zu den Menschen und das zauberhafte Leuchten der Kinderaugen sehen, wenn sie die Geschenke unterm Weihnachtsbaum aufmachen.“

„Das muss so schön sein! Die geschmückten Häuser mit den Tannenbäumen und der Freude und Herzlichkeit der Menschen.“

Wir hielten für einen Moment inne und sahen uns dann mit großen Augen an.

„Ich habe eine Idee!“, riefen wir dann gleichzeitig wie aus einem Mund. Wir lachten. Ich deutete auf Frieda aka Missie Mistletoe.

„Du zuerst, auch wenn ich denke, dass wir die gleiche Idee haben.“

Frieda grinste und nickte: „Das glaube ich auch. Auf drei sagen wir es gleichzeitig.“

„Eins …“

„…zwei …“ Und auf drei sagten wir unseren Gedanken gleichzeitig.

„Wir verkleiden uns einfach als Männer und machen mit!“ Wir lachten.

„Super, das lief ja schon ziemlich gut. Willst du deine Einzelpassage mir jetzt vorspielen?“, schlug Frieda vor.

„Okay, kann ich machen.“

Die nächste Stunde gingen wir mehrmals unsere Texte durch, bis Matilda ihren Kopf ins Zimmer streckte und uns zum Essen holte.

Nach dem Abendessen ging ich wieder in mein Zimmer und wollte eigentlich alleine meinen Gedanken nachgehen, als mein Laptop einen eingehenden Skype-Anruf ankündigte.

Noah Reeds ruft an … und ein Bild, was ich an seinem Geburtstag von ihm geschossen hatte, ploppte auf meinem Bildschirm auf.

Ich setzte mich auf meinen Stuhl und nahm den Videoanruf an.

„Reeds“, meldete ich mich.

„Torres.“ Noah nickte erst ernst und grinste dann breit.

Er hatte ein Grinsen, das Mädchen zum Schmelzen brachte. Sowieso sah Noah nicht gerade schlecht aus. Er hatte schwarze, leicht lockige Haare, dunkelbraune Augen, in denen man sich verlieren könnte, und eine tolle gebräunte Haut. Er war 1,83 m groß und sehr muskulös. Ganz zu schweigen von seinem tollen Charakter.

„Wie lief das Training?“, fragte ich.

„Anstrengend, aber lief ganz gut soweit. Coach Bennett hat uns echt hart drangenommen.“

„Naja, ihr müsst ja auch gegen die Ravens gewinnen“, entgegnete ich.

„Aber jetzt zu dir. Wie war deine Sitzung mit Dr. Campbell?“, erkundigte er sich bei mir.

„Gut. Ich bin auf einen guten Weg, meinte sie. Meine letzte Panikattacke ist schon drei Monate her, und die hatte ich auch sehr schnell im Griff“, erzählte ich stolz.

„Super, das klingt gut. Bin echt stolz auf dich.“

„Gracias. Schöner wäre es, wenn ich keine mehr bekommen würde, aber bis dahin ist noch ein langer Weg. Wenn ich überhaupt dahin komme.“

„Ich bin da für dich, das weißt du!“, meinte Noah.

„Ich weiß! Danke. Hast du dir schon überlegt, ob du Freitag wieder mit zu Abel kommst?“, wechselte ich das Thema.

„Ich denke schon. Wenn du mir versprichst, mich nicht wieder k.o. zu schlagen.“

„So weit ist es doch letztes Mal gar nicht gekommen“, lachte ich. „Du hast nach zwei Runden freiwillig aufgegeben.“

Noah legte einen Finger auf die Lippen und lachte.

„Ja schon gut. Aber dieses Mal werde ich nicht aufgeben.“

„Das werden wir dann am Freitag sehen“, lachte ich.

Wir unterhielten uns noch über das bevorstehende Footballspiel gegen die Ravens, das Schulfest zu Ehren des Namengebers am kommenden Mittwoch und das Thanksgiving-Essen mit Joshuas und Noahs Familien.

„Nächste Woche ist echt super viel los“, meinte ich.

„Das stimmt. Montag Thanksgiving, Mittwoch Schulfest, Freitag Spiel gegen die Ravens und Samstag …“, stoppte Noah.

„Du kannst es ruhig aussprechen, Noah. Am Samstag ist der zehnte Todestag meiner Eltern.“

Noah studierte mich durch die Kamera. Das machte die ganze Verarbeitung nicht gerade einfacher. Immer wurde ich wie ein rohes Ei behandelt, wenn der Todestag näher kam. Von allen. Von Noah, Frieda, Joshua und Ryan und Matilda.

Der Donnerstag verlief wie im Flug und nichts Spektakuläres passierte. Am Freitag hatten Frieda und ich erneut eine Theaterstunde mit Monsieur Fortin.

Heute sollten wir die Textpassagen auf der Bühne vor unserem Lehrer und dem Rest der Klasse vortragen.

Fortin würde dann jeweils die Erstbesetzung und eine Zweitbesetzung bestimmen. Nach der Mittagspause gingen Frieda und ich zum Theatersaal. Wir ließen uns auf unseren Plätzen nieder und warteten ab.

Mir war schon den ganzen Tag über übel und ich musste ständig auf Toilette laufen. Noah hatte die ganze Zeit versucht, mich zu beruhigen, was nicht geklappt hatte. Worauf hatte ich mich bloß eingelassen?

Frieda nahm meine Hand in ihre und flüsterte mir ins Ohr: „Das schaffst du! Du rockst das!“

Sie drückte mir einmal kurz die Hand, als dann Monsieur Fortin pünktlich auf der Bühne auftauchte.

„Es war die Nachtigall und nicht die Lerche!“, rief Fortin von der Bühne. Ein weiteres bekanntes Zitat von Shakespeare – aus dem Stück Romeo und Julia.

„Heute werden wir die Rollen vergeben. Sie kennen die Vorgehensweise. Ich rufe die jeweilige Rolle und die Bewerber auf, die dann auf die Bühne kommen und uns den ausgewählten Text vortragen.“

Fortin begann mit den kleineren Rollen und fuhr dann mit den größeren Sprechrollen fort, bis er bei den Hauptrollen endete.

Die Rolle der Mrs. Claus ergatterte sich Noella DuPont und Sarah-Mary Benson bekam die Zweitbesetzung. Die letzte Entscheidung vor den Rollen der Missie und der Misty wurde zwischen Robert Langford und John Lin entschieden.

„Die Rolle des Santa Claus geht an: John Lin. Das heißt Sie, Robert, sind dieses Mal die Zweitbesetzung.“ Die beiden Jungs gingen von der Bühne.

„Nun bitte ich für die Rolle der Missie Mistletoe, Frieda Andersson, Abigail und Alice Côté und Tina Lin auf die Bühne.“

Ich streckte meine gedrückten Daumen in die Höhe, als Frieda aufstand, um auf die Bühne zu gehen.

Sie lächelte mir zu und ging an mir vorbei. Frieda war als Letzte der Gruppe dran.

Die beiden Anhängsel von Audrey Lavoie, Abigail und Alice, fingen nacheinander an. Es war mehr schlecht als recht. Entweder verhaspelten sie sich oder sie mussten vom Zettel ablesen.

Fortin bedankte sich bei den beiden und bat, als Nächste Tina vor zu tragen. Sie war echt gut. Es würde sich jetzt wohl zwischen ihr und Frieda entscheiden.

Tina beendete ihre Passage und nun war Frieda an der Reihe.

„Ich habe es satt, all die Zeit, nur Kekse zu backen, Geschenke zu verpacken oder Schmücken zu helfen. Ich möchte die Welt sehen. Die Freude der Kinder. Das Zusammenkommen der Familien. Die geschmückten Tannenbäume. Es ist unfair, dass nur Männer die Nachfolge von Santa sein können. Frauen sind genauso geeignet wie Männer. Und das gilt es, der Welt und besonders dem Winterland zu zeigen!“

Frieda toppte alle. Sie hatte noch nicht einmal einen Zettel in der Hand.

Fortin bedankte sich erneut und kündigte dann nach kurzem Überlegen seine Entscheidung an. Ich drückte noch stärker meine Daumen zusammen.

„So, ich bin zu einer Entscheidung gekommen. Die Rolle der Missie Mistletoe geht an … Frieda Andersson. Und Tina Lin übernimmt dann die Zweitbesetzung.“

Tina Lin ging zu Frieda und gab ihr kollegial die Hand, um sie für ihren Erfolg zu beglückwünschen. Die beiden Côté-Schwestern stampften trotzig die Treppen hinunter.

Bei Audrey angekommen, fingen sie sich sofort an zu entschuldigen. Es fehlte nur noch, dass sie sich vor Audrey auf die Knie werfen würden.

Frieda kam zurück zum Platz und ich streckte ihr begeistert meine Hände hin, damit sie einschlagen konnte.

Sie schlug feierlich ein und ließ sich auf ihren Stuhl plumpsen.

„Und jetzt bist du an der Reihe. Zeig es allen!“

Mir wurde schon wieder schlecht. Als Frieda auf der Bühne war, hatte ich für einen kleinen Moment vergessen, dass ich gleich gegen Audrey antreten musste. Am liebsten würde ich aufstehen und wegrennen.

Bis jetzt hatte sich niemand in der Theaterklasse getraut, Audrey die Hauptrolle streitig zu machen.

„Stelle dir einfach vor, dass du im Boxring stehst. Vielleicht entspannt es dich eher als die klassische Vorstellung, wir alle seien nackt“, gab mir Frieda den Tipp. Ich nickte abwesend.

Ich musste mich erst einmal darauf konzentrieren, um mich nicht gleich übergeben zu müssen.

„So, dann kommen wir nun zur letzten Auswahlrunde. Die Rolle für Misty Mistletoe. Bitte kommen Sie, Mila Torres und Audrey Lavoie, auf die Bühne und tragen Sie uns ihre Textpassage vor, die sie vorbereitet haben.“

Ich atmete noch einmal tief ein und wieder aus und trat auf die Bühne.

Audrey warf mir einen giftigen Blick zu und trat dann in den Vordergrund. Sie hatte sich genau die gleiche Textstelle ausgesucht wie ich.

Das konnte doch nicht sein. Jetzt konnte ich einpacken!

Ich ließ im Hintergrund meinen Blick unauffällig über die Stuhlreihen schweifen und blieb bei Frieda hängen. Sie reckte beide Daumen in die Höhe und imitierte dann kleine Faustschläge.

Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Vor meinem inneren Auge stellte ich mir den Boxring im Lucky Punch von Abel vor und mein Atem wurde viel ruhiger.

Audrey beendete ihren Text und ihre Anhängsel klatschten begeistert Beifall. Ich schlug die Augen wieder auf und war so konzentriert, dass mir nicht mehr übel war und auch nicht bemerkte, dass Noah sich in den Raum schlich und in der hinteresten Reihe setzte.

Fortin machte eine Handbewegung, die mir mitteilte, dass ich anfangen konnte.

Ich trat in den Vordergrund und blickte offen ins Publikum, ich atmete noch einmal tief ein und fing an: „Ich kann das alles nicht mehr!“ Ich seufzte.

„Wir müssen euch allen etwas gestehen.“

Ich machte eine Kunstpause und tat so, als würde ich eine Perücke abnehmen. „Wir sind keine Männer! Wer uns nicht kennt: das ist meine Schwester Missie und ich bin Misty. Ja, ganz recht, wir sind Frauen! Und wie ihr sehen konntet, haben wir es geschafft. Wir haben alle anderen Männer aus dem Wettbewerb geschlagen und wurden als Santas Nachfolger auserwählt. Das zeigt doch, dass Frauen genauso gut sind wie Männer. Missie und ich haben alle Aufgaben mit Bravour bestanden! Es ist endlich Zeit zum Umdenken! Mr. Claus, ohne Ihnen auf die Füße zu treten, Ihre Ansichten sind langsam überholt und ich bitte Sie, überlegen Sie, ob es nicht endlich Zeit für Weihnachtsfrauen ist.“ Wieder eine kleine Pause.