Wer keine Falten hat, hat nie gelacht - Renate Georgy - E-Book

Wer keine Falten hat, hat nie gelacht E-Book

Renate Georgy

0,0

Beschreibung

"Wer keine Falten hat, hat nie gelacht" möchte Frauen (ab 30!) ermutigen, selbstbewusst älter zu werden und dem Jugendwahn eine Absage zu erteilen. Oftmals sind es nicht die Jahre oder die Symptome des Alters, die Frauen beunruhigen, sondern die negativen Bewertungen, die sie mit dem Älterwerden verbinden. Während Männer in ihre "besten" Jahre kommen und vielleicht die Ehefrau noch einmal austauschen, stehen ältere Frauen unbeachtet in der Ecke. Doch stimmt dieses Bild wirklich? Ist es nicht längst an der Zeit, dass Frauen aufhören, das Alter zu fürchten? Ein unterhaltsamer Ratgeber für gelassene Frauen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 171

Veröffentlichungsjahr: 2020

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Renate Georgy

WerkeineFalten hat,hatniegelacht

Vom Glück, eine erfahreneFrau zu sein

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

1. eBook-Ausgabe 2020

© 2020 Scorpio Verlag in Europa Verlage GmbH, München

Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

Lektorat: Désirée Schoen

Layout und Satz: Danai Afrati, München

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-327-6

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Die Nutzung unserer Werke für Text- und Data-Mining im Sinne von §44b UrhG behalten wir uns explizit vor.

Ansprechpartner für ProduktsicherheitEuropa Verlage GmbHMonika RoleffJohannisplatz 1581667 Mü[email protected]+49 89 18 94 [email protected]

Für meine Großmütter Imus und Omiund für alle Frauen, die sich von ihren Faltennicht die gute Laune verderben lassen

Inhalt

Wer keine Falten will, hat nichts zu lachen

Ist es wirklich so toll, jung zu sein?

Neugeborene haben den höchsten Pflegegrad

Warum alle Kinder möglichst schnell älter werden wollen

Die Jugend – Zeit des Selbstzweifels und der Unsicherheit

Müsste frau noch mal vierzig sein?

Tausche Babyface gegen Charakterkopf

Ein paar Mythen, ein paar Fakten

Nichts für Feiglinge: das Leben

Gesundheit und Krankheit

Von nun an geht‘s bergab?

Wie Gehirne jung bleiben

Altern Frauen anders als Männer?

Wechseljahre

Altern ist Kopfsache

Hilfe, ich bin alt!

Die Uhren zurückdrehen – ein Experiment

Du bist so alt, wie du dich fühlst

Der Gehirnwäsche trotzen

Bist du’s, Tod?

Reframe it, sister!

Vom Glück, eine erfahrene Frau zu sein

Wer nicht alt werden will, muss jung sterben

Meisterinnen im Problemlösen

Ich muss nicht, ich könnte

Zeit, das Leben zu genießen

Es ist nie zu spät oder: Mit hundert ziehe ich nach Rom

Die wunderbare Leichtigkeit des Alters

Das Beste kommt noch

Die Jungen sind schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzung

Autonomie – ein Lebenselixier

Beweglich sein, ein Leben lang

Ausgesorgt

Zusammen ist frau weniger allein

Ich kann nicht sterben, ich bin ausgebucht

Reife Selbstsicherheit

Ich weiß, was ich will

Ich weiß, was ich kann

Ich weiß, was ich wert bin

Ich muss nicht alles mitmachen

Ich muss nicht allen gefallen

Ich muss mir nichts mehr beweisen

Mit Zwanzig- oder Dreißigjährigen konkurriere ich nicht

Ich bin alt – und das ist gut so!

Wo bleibt denn da die Würde des Alters?

Wenn Frauen sich im Alter trauen

Nenn mich nicht Oma, ich bin Uroma!

Bin ich (noch) schön?

Die Last mit der Schönheit

Bin ich jetzt unsichtbar?

Darf ich noch Shorts tragen?

Die Knackigkeit kann mich mal!

Gut aussehen heißt nicht jung aussehen

Grey Pride

Bin ich noch begehrt?

Timing

Seelengefährt*innen

Wie meine Oma auf dem Friedhof eine neue Liebe fand

Ich will keinen Mann, der eine Dreißigjährige will

Sechzig, Single, glücklich

Happy Aging statt Anti-Aging

Bücher

Filme

Dank

Über die Autorin

Wer keine Falten will, hat nichts zu lachen

Viele Frauen fürchten kaum etwas so sehr wie die ersten Falten. Denn sie sind Anzeichen des Alters. Frauen dürfen inzwischen vieles, bloß nicht älter werden. Jedenfalls wird uns das eingeredet. Während Männer in ihre »besten« Jahre kommen, die Ehefrau noch einmal austauschen und ihre zweite oder dritte Familie gründen, stehen ältere Frauen unbeachtet in der Ecke. Nicht mehr schön genug, nicht mehr begehrt, oft allein, nur die Kinder kommen ab und zu mit den Enkeln zu Besuch.

Da ist es kein Wunder, dass viele Frauen alles Menschenmögliche tun, um sich ihr jugendliches Aussehen zu bewahren. Sie liegen mit Schönheitsmasken in der Gegend herum. Sie legen ihr sauer verdientes Geld auf den Tisch für winzig kleine, aber horrend teure Cremetöpfchen, die ewige Jugend versprechen. Sie lassen sich Gift unter die Haut spritzen, um faltenfrei zu werden, oder legen sich sogar unters Messer, um ihre Haut straffziehen zu lassen.

900 000 Schönheitsoperationen sollen in Deutschland im Jahr 2019 vorgenommen worden sein. Das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr.

Selbstverständlich lassen nicht nur ältere Frauen solche OPs machen, sondern Menschen aller Altersstufen. Doch ich vermute, dass mit uns älteren Frauen besonders gut zu verdienen ist. Nichts scheint zu mühselig, zu schmerzhaft und zu absurd, um die Spuren des Alters zu bekämpfen.

Damit wir uns nicht missverstehen: Ich finde es toll, wenn Frauen sich pflegen und etwas für sich tun. Das ist ja bereits ein Gebot der Selbstliebe. Aber um jeden, wirklich jeden Preis das Altern aufhalten zu wollen leuchtet mir nicht ein. Denn was ist eigentlich so großartig daran, jung zu sein?

Ist es wirklich so toll, jung zu sein?

Neugeborene haben den höchsten Pflegegrad

Zugegeben, süß sind sie ja, die Babys. Diese klitzekleinen Händchen und Füßchen, diese Knubbelnäschen, diese Ärmchen und Beinchen mit Speckfalten. Man muss sie einfach knuddeln und wiegen und ans Herz drücken. Das hat die Natur mit der Erfindung des Kindchenschemas sehr klug eingerichtet. Menschen – nicht alle und nicht immer, schon klar – fliegen auf Niedlichkeit. Das Bedürfnis, etwas so Kleines und Hilfloses zu beschützen, entstammt unserem archaischen Erbe. Anders hätten Menschen sich niemals so rasant vermehren und über die Erdkugel verbreiten können. Denn so bezaubernd diese kleinen zarten Wesen sein können, auch die gewünschtesten Wunschkinder bringen ihre Eltern hin und wieder dem Wahnsinn nahe. Schlaflose Nächte, stundenlanges Mark und Bein erschütterndes Schreien und Rund-um-die-Uhr-Sorge sind dabei nur die Spitze des Eisberges, der Mutter- oder Elternschaft heißt. Es wird selten so benannt, aber Neugeborene und Babys haben allesamt den höchsten Pflegegrad. Ganz im Gegensatz zu den meisten Hochbetagten. 60 Prozent der Fünfundachtzig- bis Neunzigjährigen und 40 Prozent der über Neunzigjährigen benötigen nämlich KEINE Pflege. Von den Sechzig- bis Achtzigjährigen sind sogar lediglich 3,5 Prozent pflegebedürftig. Die Neuankömmlinge auf der Erde dagegen können zu 100 Prozent weder alleine essen noch aufs Klo gehen oder sich anziehen. Und noch gravierender: Sie wissen durchweg nicht, was sie gestern Nachmittag gemacht haben und wo ihre Nase ist.

Während wir aber das mühsame Aufrichten und Fortbewegen einer Neunzigjährigen im Pflegeheim oft mitleidig oder gar mit Entsetzen beobachten, klatschen wir bei vergleichbaren Bemühungen eines wenige Monate alten Babys entzückt in die Hände: Guck doch mal, was dieses kleine Wunderwesen schon alles kann!

Ja, ich weiß, zwischen etwas NOCH können und etwas SCHON können besteht ein Unterschied. Im ersten Fall meinen wir die Abwärtskurve geradezu greifen zu können, während wir im zweiten Fall von der Aufwärtsentwicklung überzeugt sind.

Doch wer sagt eigentlich, dass das Leben eine Linie und kein Kreis ist? Wenn Babys keine für sie sorgenden Erwachsenen haben, sind sie jedenfalls komplett aufgeschmissen. Es ist gefährlich, so hilflos zu sein. Das wissen Babys zwar noch nicht, aber sie fühlen es, beispielsweise dann, wenn sie ganze Häuserblöcke zusammenschreien, weil sie sich mitten in der finstersten Nacht plötzlich verlassen glauben.

Alles in einem Baby strebt danach, sich zu entwickeln, zu entfalten und die eigenen Fähigkeiten zu entdecken. Das ist schlicht und einfach die wirksamste Überlebensstrategie. Auch wenn das kleine Wesen Hunderte Male auf den Hintern plumpst, bevor es ein paar Schritte allein machen kann, gibt es seine Versuche, laufen zu lernen, niemals auf. Es will unbedingt selbstständig werden, was buchstäblich nichts anderes heißt, als aus eigener Kraft stehen zu können.

Sicher, Babys, die gut versorgt werden, haben eine Menge Spaß. Sie können sich für so etwas Spannendes wie ihre eigenen Zehen begeistern, selig an der Brust ihrer Mutter saugen oder geborgen auf dem Bauch ihres Vaters schlummern. Die ganze Welt ist für sie eine einzige Wundertüte, und sie kommen aus dem Staunen kaum heraus. Doch sobald sich eines ihrer Bedürfnisse unmissverständlich meldet – essen, trinken, trockene Windeln haben, Körperkontakt –, sind sie auf wohlmeinende Erwachsene angewiesen. Sich das, was sie brauchen, selbst zu verschaffen, dafür sind sie noch viel zu jung.

Warum alle Kinder möglichst schnell älter werden wollen

Doch auch dann, wenn ein Kind die grundlegendsten Fähigkeiten wie sitzen, stehen, laufen und alleine aufs Klo gehen beherrscht und nicht bei allem Hilfe braucht, bleibt noch jede Menge zu tun: lesen, schreiben und rechnen, Roller oder Fahrrad fahren lernen, Spaghetti mit Tomatensoße kochen, Wäsche waschen, ein Smartphone programmieren, eigenes Geld verdienen, Freundschaften schließen und beenden und, und, und. Nicht umsonst gibt es T-Shirts, auf denen Aufschriften zu lesen sind wie »Ich bin schon 2« oder »Ich bin jetzt ein Schulkind«, damit alle, die es angeht, gleich wissen: »Mit mir ist zu rechnen. Ich bin kein Baby mehr, auch wenn ich noch fast so aussehe.«

Jeder Geburtstag ist in diesen Jahren Grund zur Begeisterung, nicht nur wegen der Geschenke, sondern vor allem wegen der zunehmenden Autonomie. Denn machen wir uns nichts vor, Kinder müssen mehr oder weniger tun, was ihre Erziehungsberechtigten wollen. Sie werden an die Wünsche und Ziele ihrer Familienangehörigen ebenso angepasst wie an deren Neurosen. Der Satz: »Solange du die Füße unter meinen Tisch streckst, wird gemacht, was ich will!« mag zwar heute seltener fallen. Doch unterm Strich bleibt es dabei: Bevor ein Mensch volljährig ist, ist er nicht frei.

Deshalb klingt älter werden für Kinder nach Freiheit und Abenteuer und kein bisschen nach etwas, das zu fürchten wäre. Die Nostalgie, in die nicht wenige Erwachsene verfallen, wenn von ihrer Kinderzeit die Rede ist, ist deswegen nur die halbe Wahrheit oder eine Seite der Medaille. Ja, es war schön, mit dem Spielzeugtrecker herumzufahren, aber doof, ins Bett gesteckt zu werden, wenn der Spaß gerade erst richtig losging. Ja, es war toll, mit einem Erdbeereis in der Hand am Strand zu stehen, aber blöd, wenn die Erziehungsberechtigten fanden, ein Eis am Tag sei mehr als genug. Ja, es war bequem, sein Essen vorgesetzt zu kriegen, aber unter Umständen misslich, wenn dauernd Brokkoli und Hagebuttentee auf dem Tisch standen.

Und auch im Teenageralter gab es jede Menge zu beklagen: Eltern, die einen nicht allein nach Italien reisen lassen wollten, Lehrerinnen, die von einem verlangten, die große Welle am Reck zu machen, oder Verwandte, die einen nicht für voll nahmen, obwohl man bereits dreizehneinhalb war.

»Ich bin doch kein Kind mehr!«, dieser empörte Aufschrei war einer der am meisten gebrauchten Sätze dieser Jahre. Allein, kaum jemand wollte einem so recht glauben.

Karl Lagerfeld hat das Dilemma der Kindheit auf den Punkt gebracht und dabei kein Blatt vor den Mund genommen. Kinder seien Menschen zweiter Klasse, hat er einmal konstatiert. Kein Wunder also, wenn Kinder möglichst bald den Upgrade in die erste Klasse schaffen wollen.

In die Kindheit – besser gesagt zwischen Kindheit und Jugend – fällt die Pubertät, also eine Zeit, in der kein Stein auf dem anderen bleibt und in der man größte Mühe hat, die rasanten Änderungen irgendwie geregelt zu bekommen. Man schießt in die Höhe, weiß nicht mehr, wohin mit den Armen und Beinen. An den unmöglichsten Stellen sprießen einem Haare und andere interessante Sachen. Und man fühlt sich so unverstanden, wie wahrscheinlich nie mehr wieder im Leben. Vor allem aber geht es in der Pubertät um die Befreiung von den Personen, die vor Kurzem noch wie Superheld*innen aussahen und jetzt auf einmal weit unter Normalmaß geschrumpft sind – den Eltern. Je klüger diese agieren, desto weniger Geschrei und Gerangel gibt es, aber einfach ist anders. Es ist eben ein Freiheitskampf, der nicht ohne Verletzungen auf beiden Seiten abgeht.

Auch deswegen ist der gerade sehr beliebte Ausdruck »Alterspubertät« auf den ersten Blick ganz lustig, trifft jedoch den Kern nicht. Denn mit vierzig, fünfzig oder sechzig Jahren haben wir glücklicherweise niemanden mehr über uns, von dem wir uns losreißen und befreien müssten.

Die Jugend – Zeit des Selbstzweifels und der Unsicherheit

Endlich ist es so weit. Die Kindheit ist vorbei und die goldene Jugendzeit kann beginnen. Weißt du noch? Ich kann mich jedenfalls ziemlich gut daran erinnern.

Doch zuerst sollten wir klären, was eigentlich Jugend heißt. Wann genau findet sie statt?

Einige sagen, es sei die Zeit zwischen Kindheit und Erwachsensein, also etwa das Alter von vierzehn bis höchstens zwanzig. Doch ist man mit zwanzig schon erwachsen? Ich habe da meine Zweifel.

Andere teilen die ungefähr neunzig Jahre, auf die wir mittlerweile hoffen dürfen (gerade wir Frauen übrigens), so ein: von null bis dreißig Jugend, von dreißig bis sechzig mittlere Jahre und von sechzig bis neunzig Alter.

Sicherlich hängt die Beurteilung, wann die Jugend aufhört oder das Alter beginnt, von der allgemeinen Lebenserwartung ab. In Zeiten, in denen viele Menschen kurz nach Erreichen des sechzigsten Lebensjahres starben, galten mann und frau schon mit vierzig als alt.

Dabei fällt mir ein, wie meine fast neunzigjährige Mutter mir eines Tages verkündete, sie habe jetzt einen tollen, neuen, ganz jungen Arzt. Auf meine Frage: »Wie alt ist er denn?« kam ihre prompte Antwort: »Etwa so alt wie du.« Ich war zu diesem Zeitpunkt über fünfzig. Ja, Jugend und Alter sind relativ. Und ich freue mich schon auf den Moment, wo ich im Brustton der Überzeugung zu einer zwanzig Jahre Jüngeren werde sagen können: »Sie sind ja erst achtzig!«

Was macht Jugend aus? Erfrischende Unbedarftheit, um nicht zu sagen Naivität, radikale Ansichten über alles und jeden und eine ziemlich unerschöpfliche Energie. Und äußerlich? Dieser zarte Schmelz aus schimmernden Haaren, glatter Haut und großer Beweglichkeit. Nicht übel also. Doch schauen wir uns nicht nur die äußere Hülle an. Gehen wir nach innen. Dort lauert eine tiefe Unsicherheit sich selbst, anderen und der Welt gegenüber. Nicht selten wird diese seelische Fragilität mit einem Auftritt kompensiert, der besonders selbstbewusst wirken soll. Denn das Problem der Kindheit, nicht ernst genommen zu werden, hat sich mit achtzehn oder zweiundzwanzig Jahren nicht plötzlich in Luft aufgelöst. Es gilt nach wie vor, die Mitmenschen davon zu überzeugen, dass man zwar jung ist, aber trotzdem schon etwas kann und beizutragen hat.

Ich amüsiere mich immer, wenn so ein einundzwanzigjähriger Rapper mit aufgeblasenem Oberkörper, dunkler Brille und dicker Hose loslegt und mir im Stakkato die Welt erklären will. Fast ebenso lustig finde ich Jungmänner, die ihre zarte, glatte Stirn in dekorative Falten legen, damit bloß niemand auf die Idee kommt, dahinter würde sich nicht viel abspielen. Die jungen kichernden Frauen, die in Grüppchen zusammenstehen und über denen wie eine übergroße Denkblase die Frage schwebt: »Bin ich schön?«, machen mich dagegen eher nachdenklich. Doch das ist bestimmt meiner feministischen Prägung geschuldet.

Jung zu sein ist schön, aber auch ganz schön anstrengend. Alles ist offen, alles ist neu. Man will so viel und kann so wenig. Vergessen wir nicht, dass das menschliche Gehirn erst mit ungefähr fünfundzwanzig Jahren voll entwickelt ist. Ständig müssen junge Leute beweisen, dass sie schon erwachsen sind. Wer bin ich? Was will ich? Und was tue ich hier eigentlich? Diese Fragen mögen sich immer mal wieder im Leben stellen. Doch in der Jugend sind sie besonders drängend. Berufswahl, Wohnort, Partnerschaft, Kinder oder nicht: Das alles sind keine leichten Entscheidungen. Es braucht oft Jahrzehnte, um sich selbst einigermaßen gut zu kennen: die eigenen Bedürfnisse, Vorlieben, Fähigkeiten und Unfähigkeiten. Auch der Umgang mit anderen Menschen will gelernt sein. In der Jugend haben wir höchstens eine Ahnung von alldem, mehr nicht.

Müsste frau noch mal vierzig sein?

Wir haben gesehen, dass weder die Babyjahre noch die Kindheit und nicht einmal die euphorisch besungene Jugend paradiesische Zeiten sind. Aber was ist mit den Jahren um die vierzig herum? Jung sind wir dann zwar nicht mehr, aber alt ebenso wenig.

Zwar werden einige Menschen bereits ab dreißig von einem seltsamen Phänomen ergriffen, das Midlife-Crisis genannt wird: Die Jahre gehen, erste Falten kommen, beim männlichen Teil der Menschheit werden die Haare schütter, beim weiblichen Teil tickt die biologische Uhr hörbar. Beide Geschlechter fragen sich, ob sie noch cool oder schon spießig sind, und beginnen mit der Schwerkraft zu kämpfen. Trotzdem: Könnten die Vierziger die wirklich goldenen Jahre sein? Frau und mann haben schon einiges an Erfahrung und Durchblick gewonnen, etliche Niederlagen erlebt und viele Siege errungen. Und auch körperlich fühlen die meisten sich in diesem Alter einigermaßen fit und leistungsfähig.

Silvia Bovenschen schreibt in ihrem lesenswerten Buch Älter werden von einer kleinen, nicht repräsentativen Umfrage in ihrem Freundinnen- und Bekanntenkreis. Diese habe ergeben, dass die Jahre um vierzig von fast allen inzwischen deutlich Älteren als besonders erfreuliche Zeit angesehen werden. Auch ich selbst kann die Frage »Möchtest du noch mal zwanzig sein?« sofort verneinen, komme jedoch bei der Überlegung »Und vierzig?« kurz ins Grübeln. Andererseits: Verglichen mit heute, also mit Mitte sechzig, war ich mit vierzig doch noch in vielem ahnungslos. So kommt es mir heute jedenfalls vor. Oder sagen wir es so: Vierzig zu sein war schon ziemlich gut, aber über sechzig zu sein ist besser. Konkret: Mit vierzig wusste ich noch wenig von dem, worüber ich heute schreibe. Ich wusste weder, woher die Gefühle kommen, noch, wie sie vergehen. Ich wusste nicht, dass meine Lieblingsstadt nicht Hamburg, sondern Berlin heißt. Ich kannte nur einen Teil meiner Bedürfnisse und traute mich erst nach und nach, sie zu bemerken und zu leben. Ich glaubte noch, dass es Kriege gibt, die aus humanitären Gründen geführt werden. Um nur einige Punkte zu nennen.

Dass es besser sein kann, sechzig als vierzig zu sein, widerspricht zwar so ziemlich allem, was Tag für Tag allüberall behauptet wird, vor allem dann, wenn es um eine Frau über sechzig geht. Doch dafür kann ich ja nichts.

Tausche Babyface gegen Charakterkopf

Ja, die Erfahrung, die Erkenntnisse, das Wissen, das Standing, all das ist sicher mit zunehmendem Alter erstrebenswert, denkst du jetzt vielleicht. Aber was ist mit dem Aussehen?

Gerade Frauen legen es nicht selten darauf an, noch mit fünfzig irgendwie in das schon erwähnte Kindchenschema zu passen: große, erstaunt aufgerissene Augen, Schmollmund, Löckchen, glatte Haut und eine hohe Stimme. Das soll jede halten, wie sie will. Doch mein Ding ist es nicht. Ich suche nämlich keinen, der mir ein Eis kauft, und auch niemanden, der mir sagt, wo es langgeht. Ich kann alleine über die Straße gehen, und wenn ich Streicheleinheiten brauche, hole ich sie mir. Und ich finde, all das darf man(n) durchaus schon auf hundert Meter sehen.

Mir gefallen Frauen und Männer, denen ich ansehe, dass sie viel erlebt und viel begriffen haben. Kluge Augen, vielsagende Münder, Individualität, Gesichter, die einiges darüber verraten, was sich dahinter abspielt, die wie ein offenes Buch sind, in das ich gerne reinlese und mich vielleicht darin vertiefe. »Von einem bestimmten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich«, hat Albert Camus geschrieben. Genau das meine ich. Es fällt nicht immer leicht, sämtliche der äußeren Anzeichen dieser Selbstwerdung zu akzeptieren. Doch alles an uns ist wandelbar und veränderlich, auch Gesichter und Haltungen. Nichts bleibt, wie es war. Aber auch: Nichts muss bleiben, wie es ist.

Wir können nicht zurück in die Vergangenheit. Was wir können, ist, vertrauensvoll und mutig voranzugehen. Zugegeben, in einer Gesellschaft, die dem Jugendwahn verfallen ist, bedeutet das altersgemäße Aussehen ein ständiges Schwimmen gegen den Strom. Es gilt, sich gegen eingefahrene Sehgewohnheiten zu behaupten. Auch ich muss mir dies immer wieder klarmachen und es im Alltag praktizieren. Wir sind von so vielen fremdbestimmten Bildern umstellt, dass es eine Menge Autonomie erfordert, eigene Vorstellungen zu entwickeln und den Fokus auf das zu richten, was sonst unbeachtet bliebe.

Wenn ich in Berlin unterwegs bin, sei es zu Fuß oder mit dem Doppeldecker, schreibe ich regelmäßig den Germanys-Next-Top-Oldie-Contest aus und halte Ausschau nach interessanten und schicken grauhaarigen Männern und vor allem Frauen. Dabei kommen viele Menschen zusammen, die anzusehen mir große Freude bereitet. Zur Nachahmung empfohlen!

Sehgewohnheiten zu verändern kann etwas Spielerisches haben. Wer sich für Mode interessiert, weiß das. Jede Saison kommen neue Styles auf den Markt. Anordnungen von oben wie »Diese Hosen sind im Herbst in und diese nicht mehr« sind out! Wir tragen, was uns gefällt, und entdecken mit jeder neuen Farbe und jedem neuen Schnitt bestenfalls eine neue Seite an uns. Was gestern als hässlich und geht-gar-nicht angesehen wurde, erscheint heute im neuen Licht. Plötzlich gibt es »ugly sneakers« zu kaufen, Socken in Sandalen sind hip und Pullunder der letzte Schrei. (Wahrscheinlich gilt sogar der Ausdruck »der letzte Schrei« bald nicht mehr als retro.) Warum sollte das, was in der Mode geht, nicht auch beim Blick auf ältere Frauen möglich sein: dass die Begriffe von »attraktiv« und »unattraktiv« sich wandeln und Charakterkopf statt Babyface gefragt ist.

Ein paar Mythen, ein paar Fakten

Nichts für Feiglinge: das Leben

Jedes Lebensalter hat seine Vorzüge und seine Glücksmomente, aber auch seine Herausforderungen, um nicht zu sagen: Krisen und Katastrophen. Das Alter ist nichts für Feiglinge. Ja klar, aber das gilt für das Leben insgesamt.