Werden sie uns mit FlixBus deportieren? - Mely Kiyak - E-Book

Werden sie uns mit FlixBus deportieren? E-Book

Mely Kiyak

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Beschreibung

„Je leichtfüßiger, amüsanter und Leckt-mich-am-Arsch-hafter du schreibst, desto mehr drehen die Leute durch. Ich nenne es gefährlich schreiben.“

Mely Kiyak ist die Meisterin der literarischen Weltbetrachtung. Schonungslos und aufrichtig entlarvt sie das Desaströse, Politische und Dramatische in der Gegenwart. Wo sie ist, gibt es keinen Safe Space.
Die „Frau mit der beängstigenden Intelligenz und ozeanischen Zärtlichkeit“ (Milo Rau) hat eines der umfangreichsten Kolumnenwerke der deutschen Literatur geschaffen. Mit grausamem Scharfsinn und prächtigen Pointen munitioniert die „Seidenstickerin unter den deutschen Kolumnistinnen“ (Jury des Kurt-Tucholsky Preis) ihren künstlerischen Widerstand. Immer in wilder Hoffnung auf Glamour, Witz und Menschlichkeit. Erhellend, erheiternd, erschütternd.

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Über das Buch

»Je leichtfüßiger, amüsanter und Leckt-mich-am-Arsch-hafter du schreibst, desto mehr drehen die Leute durch. Ich nenne es gefährlich schreiben.«Mely Kiyak ist die Meisterin der literarischen Weltbetrachtung. Schonungslos und aufrichtig entlarvt sie das Desaströse, Politische und Dramatische in der Gegenwart. Wo sie ist, gibt es keinen Safe Space.Die »Frau mit der beängstigenden Intelligenz und ozeanischen Zärtlichkeit« (Milo Rau) hat eines der umfangreichsten Kolumnenwerke der deutschen Literatur geschaffen. Mit grausamem Scharfsinn und prächtigen Pointen munitioniert die »Seidenstickerin unter den deutschen Kolumnistinnen« (Jury des Kurt-Tucholsky Preis) ihren künstlerischen Widerstand. Immer in wilder Hoffnung auf Glamour, Witz und Menschlichkeit. Erhellend, erheiternd, erschütternd.

Erster Teil

Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Kolumnistinnen.

Max Frisch, 1965

Vorhang auf, Vorhang auf!

Sehr geehrtes Publikum, piekfeine Herrschaften, Junkies, Penner, Quartalstrockene, Bordsteinexzellenzen, Abitur-Sörens und Hauptschul-Ingos, Mittleres-Management-Manager, Matrosen, Muftis, Minister, auf dem zweiten Bildungsweg Gescheiterte, aus Versehen zur Welt Gekommene, Wunsch-Lea-Lara-Laura-Larissas und andere In-vitro-Lieblinge, ZDF-Fernsehgarten-Graduierte, von der gesetzlichen Klassenlotterie Abgezockte, Hartz IV-Abonnenten, Kranke, Kiffer, Kränkelnde, Tankwarte, Bademeister, Stand-upper, Start-upper, ermäßigt Umsatzsteuerpflichtige, Wikipedia-Adel, Schreibtischpöbler, Kommentarspaltenplebs, Armleuchter, unaufhörlich um »Quelle, Quelle, Quelle« bettelnde Twitterreferenten, Zurechtrücker, Geradebieger, Facebook-Forschungsstipendium-Fellows, Telegram-Speaker und »Danke für Ihren Hinweis, wir haben den Fehler korrigiert!«-Korrigierende und -Korrigierte, Korrupte, Kaputte, Gekränkte, Osteopathieeingerenkte, vor aller Augen in den Weltmeeren Ertrinkende, Abgeschobene, Vergessene, Verdammte, von der Menschheit Verlassene, Ossis auch, na klar — hallööö, Grieese!, sich mühsam durchs Leben Schleppende, vom Schicksal Leinengebeutelte, von Schicksalswahl zu Schicksalswahl Taumelnde, in alle Extreme Stürzende, Dinkeldeutsche in Vollkornsandalen, auf Zoom, auf dem Land, auf der Kirmes, an allen Gleisen und Gates unserer schönen Heimat von Herne bis Tchibo, von Mönchengladbach bis Manufactum, vom Norden bis Abendbrot um sieben, von Mallorca hat auch schöne Ecken bis Prostatakrebs muss nicht zwingend operiert werden:

Herzlich willkommen, selam, hûn bi xêr hatin, Bützchen rechts, öptüm links, brankos, brankas, ich küsse Ihre Augen, ich hatte solche Sehnsucht nach Ihnen, wollen wir uns nicht duzen?

Quatsch, war nur ein Witz. Nicht duzen, auf keinen Fall duzen. Ich heiße — und ich hoffe, ich buchstabiere das jetzt richtig — Kiyak.

Nicht Kilak, Kelek, Kikak, auch nicht Kijak, Küjak, Kajak, sondern KIYAK. Das ist serboindolekisch und heißt übersetzt: jemandem einen Gefallen tun. Womit wir bei meiner Tätigkeit, meinem Beruf, meinem Hobby, meiner Leidenschaft, meinem Leben oder sagen wir einfach meinem Nebenjob sind, nämlich Kolumnistin. Ein berühmter Neuköllner Sozialarbeiter, der genau wie ich Deutsch als Berufssprache benützt, fragte mich einmal, ob man als »Kommunistin« gut leben könne und was man als »berühmte Zeitungskommunistin« verdiene, und ich habe das nie zurechtgerückt, denn je genauer ich nachdenke, desto weniger erschließt sich mir der Unterschied zwischen einer Kolumnistin und einer Kommunistin.

Ich gehe mit Fragen nach meinem Lebensstil offen um, und ja, in gewisser Weise bin ich genau die Art von Salonkolumnistin, auf die man von der oberen Mittelschicht aus so gerne herabblickt. All die Kanzlei, Praxis, Bauernhof, Immobilien oder Geldsummen vom Vater übernommen habenden Erben, die es in ihrem Leben zu wenig mehr brachten als bestenfalls zu einem Mandat im Landtag und wenigstens einer Scheidung mit geregelter Alimentezahlung, kriegen Nervenzusammenbrüche, wenn sie sehen, dass man einzig aufgrund von Alphabetisierung und dem Wunder der Syntax im gleichen Lokal speist wie sie. Von solchen Leuten wird einem das mondäne und prächtige Leben, das man wahlweise »da oben«, unter »ihresgleichen« oder »in der eigenen Filterblase« vermeintlich führt, am meisten vorgeworfen. Einmal saß ich mit Wolfgang Bosbach in einer Diskussionsrunde vor den Gewerkschaftern der IG