Wetiko - Paul Levy - E-Book

Wetiko E-Book

Paul Levy

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Beschreibung

Das Heilmittel par excellence, das uns aus unserer Verblendung erlösen kann, ist das Licht, das wir auf unseren eigenen Schatten und die Existenz des Bösen werfen. Dieses Buch verhilft dazu, Wetiko in seinen vielfältigen Erscheinungsformen und Verkleidungen zu erkennen – sowohl in der äußeren Welt als auch in uns. Dabei stützt der Autor sich nicht nur auf Weisheitstraditionen wie die Kabbala oder das Yoga, sondern ebenso auf Carl Gustav Jung, den er immer wieder anführt, oder Schriftsteller wie Philip K. Dick und Colin Wilson. Bei der Lektüre erschließt sich immer mehr, dass es eine Geisteskrankheit ist, die unserem kollektiven Amoklauf gegen alles Leben (einschließlich unseres eigenen) zugrunde liegt. Nur indem wir diese Krankheit klar diagnostizieren (was ein schmerzhafter Prozess sein kann) und ihre Wirkmechanismen enttarnen, werden wir in der Lage sein, dem zerstörerischen Verlauf unserer Zivilisation eine neue, heilsame Richtung zu geben. Dabei ist entscheidend, den Fehler nicht im Außen und bei anderen zu suchen, sondern den eigenen Schatten anzuschauen und anzunehmen. Wer Wetiko bekämpfen will, ist schon dessen Opfer geworden. Auflösen lässt es sich nur (und so einfach es sich anhört, so schwierig ist es), wenn wir dieses Geistesvirus im Lichte eines erwachten Bewusstseins betrachten und damit erkennen, dass es aus sich heraus gar keine Macht und keine Substanz hat: Es nährt sich von unseren Vorstellungen und unseren Ängsten; hier müssen wir ansetzen, und dafür ist dieses Buch eine unschätzbare Quelle von Einsichten und Inspirationen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 527

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Stimmen zum Buch

»In dieser Zeit beispielloser Krisen auf fast allen Ebenen besteht unsere Herausforderung darin, uns der heimtückischen Trance der Zerstörung, die über uns gekommen ist, bewusst zu werden und sie abzulegen. Nur wenn wir erwachen, können wir zu den spirituellen Kriegern werden, die gebraucht werden, um uns und unsere Welt von diesem lebensbedrohenden Zauberbann zu befreien und in eine prophezeite goldene Zeit einzutreten. In diesem kraftvollen Buch hilft Paul uns, in uns selbst und in diese Krankheit hineinzuschauen, um das erstaunliche Potential zu wecken, das der Schöpfer uns gegeben hat: um als gute Verwalter dieses kostbaren Heimatplaneten und in all unseren Beziehungen zu wachsen und zu gedeihen.«

Brooke Medicine Eagle, Erdbewahrerin, indigene Weisheitslehrerin und Autorin von Buffalo Woman Comes Singing und The Last Ghost Dance

»Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit gab es eine Zeit, in der wir die Einsichten und die tiefe Weisheit, die Paul Levy uns in diesem Buch darbietet, so dringend brauchen. Wie Levy uns klug ermahnt, können wir Wetiko nur dann für immer vertreiben, wenn wir bewusst ein blühendes inneres spirituelles Leben entwickeln. Andernfalls werden wir uns nur mit der Dunkelheit verbünden, die wir zu bekämpfen glauben.«

Carolyn Baker, Ph.D., Autorin von Collapsing Consciously und Love in the Age of Ecological Apocalypse

»Wetiko ist ein Geschenk an die Welt. Paul Levy seziert auf schöne, brillante Weise die Wetiko-Krankheit und zeigt uns, wie wir ihren heimtückischen Bann brechen können. Es gibt keine wichtigeren Themen als dieses, und Paul Levy schreibt genau das, was wir lesen müssen.«

Derrick Jensen, Ökophilosoph und Autor von A Language Older Than Words

»Paul Levys erstes Buch, Dispelling Wetiko, ist ein Klassiker und brachte ein erweitertes Bewusstsein für die dunkle Macht, die in die westliche Kultur eingedrungen ist. Wenn Sie zu denen gehören, die sich fragen, wie wir damit umgehen sollen, jetzt, wo der Geist aus der Flasche ist, ist Levys neuer Beitrag, Wetiko, eine fesselnde Lektüre, die Ihnen neue Werkzeuge für Ihren Werkzeugkasten an die Hand gibt. Ein äußerst wichtiges Buch!«

Hank Wesselman, Ph.D., Anthropologe und Autor von The Re-Enchantment und The Bowl of Light

»In Wetiko gründet die Kraft und Authentizität von Pauls Erzählung in seiner eigenen gelebten Erfahrung der kollektiven menschlichen Psychose von Wetiko. Dieses wichtige und zeitgemäße Buch vertritt die Ansicht, dass der »Geist der Heilung in der Krankheit verborgen ist«, und fordert zu einer schamanischen Reise auf, auf der wir uns wieder an die uns innewohnende Ganzheit unseres wahren Selbst erinnern und sie wieder integrieren. Er drängt auf bewusste Ko-Kreativität und Engagement als heilende Antworten. Wetiko lädt uns ein, unsere Vorstellungskraft zu befreien, um buchstäblich die imaginären Zellen der potenziellen Meta-Morphose unserer Spezies zu verkörpern.«

Jude Currivan, Ph.D., Kosmologin, Heilerin, Autorin von Das kosmische Hologramm und Mitbegründer von WholeWorld-View

»Dieses bemerkenswerte Buch, das tief in der Jung‘schen Psychologie und den Weisheitstraditionen wurzelt, befasst sich mit der ansteckenden psychospirituellen Krankheit der Seele, die die Krise der Menschheit ausmacht. Der Autor integriert auf brillante Weise ein breites Spektrum archetypischer Themen aus Mythologie, Alchemie, Religion und Quantenphysik, um die tieferen Bedeutungen unserer individuellen und kollektiven Seelenkrankheit zu ergründen. Ein Muss für jeden, der an einer Bewusstseinsveränderung interessiert ist.«

Ursula Wirtz, Jungsche Psychoanalytikerin und Autorin von Trauma and Beyond

»Paul Levy hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Wetiko zu studieren, sich damit zu beschäftigen und das Licht des Bewusstseins in der menschlichen Welt darauf zu richten. In diesem Buch untersucht er dieses Virus, das unseren Geist befällt, aus verschiedenen Blickwinkeln und hilft dem Leser, das Wesen von Wetiko, seine schrecklichen Gefahren und die verborgene Gabe, die es enthält, vollständig zu erkennen. Wetiko ist ein Buch von dringlicher Relevanz und lebenswichtiger Bedeutung für uns alle, das uns vor schrecklichen Gefahren warnt und uns die Augen für unser erstaunliches und wundersames Potential öffnet, wenn wir uns mit den vielfältigen gleichzeitigen Weltkrisen auseinandersetzen, denen wir in diesen kritischen Zeiten gegenüberstehen.«

Robert Simmons, Autor von The Alchemy of Stones und Mitautor von The Book of Stones

»Nachdem ich Paul Levys Arbeit über Wetiko gelesen hatte, wusste ich, dass ich ihn treffen musste. Ich fuhr von Boston, Massachusetts, nach Portland, Oregon. Dieser Paul ist etwas Besonderes. Er weiß Dinge. Er erlebt Dinge auf eine Weise, die unmöglich zu erklären ist. Alles, was ich sagen kann, ist, dass Paul Levy gekommen ist, um uns zu helfen – uns zu helfen, die Klimakrise, das sechste Artensterben, die Pandemie, den Rassismus und dieses Wetiko von außen und innen zu lindern, wenn wir nur auf ihn hören. Aber wir alle müssen diese Arbeit tun, wenn unsere Kinder und die Kinder unserer Kinder die Mutter erfahren sollen. Lesen Sie dieses Buch. Mitakuye Oyasin.«

Thomas Balistrieri, Ed.D., Assistenzprofessor für Psychologie und globale Studien am Worcester Polytechnic Institute und Lakota yuwipi (Medizinmann)

Es gibt heute unbedingt viele gute Gründe, das weibliche Geschlecht wieder besser sichtbar zu machen. Dies ist seit mehr als 40 Jahren auch Anliegen unseres Verlages. Ob dies durch Gendern erreicht wird, darf man jedoch hinterfragen, immerhin geht es um unsere Muttersprache. Sicher ist, dass der grammatische Genus nichts über das Geschlecht (Sexus) aussagt. Deswegen halten wir uns als Verlag beim Gendern bewusst zurück. Ausführliche Begründung dazu unter www.neue-erde.de/derdiedas

PAUL LEVY

Wetiko

Das Geistesvirus heilen,das unsere Welt heimsucht

Bücher haben feste Preise.

1. Auflage 2023

Paul Levy

Wetiko – Das Geistesvirus heilen, das unsere Welt heimsucht

Der Titel des englischen Originals lautet »WETIKO – Healing the Mind-Virus That Plagues Our World«.

Cpyright © 2021 Paul Levy

Veröffentlicht im Übereinkommen mit Inner Traditions International Ltd., Rochester, Vermont, USA

Auszüge aus The Exegesis of Philp K. Dick, herausgegeben von Pamela Jackson und Jonathan Lethem, Copyright © 2011 von Laura Coelho, Christopher Dick und Isa Hackett, wurden mit Genehmigung der Houghton Mifflin Harcourt Publishing Company nachgedruckt. Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Übersetzt aus dem Englischen von Andreas Lentz

© für die deutsche Ausgabe Neue Erde GmbH 2023

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln, elektronisch oder mechanisch, einschließlich Fotokopien, reproduziert oder verwendet werden, Aufzeichnung oder durch ein Informationsspeicher- und -abrufsystem, ohne schriftliche Genehmigung des Verlages.

Umschlag:

Illustration: Seth Taylor

Gestaltung: Priscilla Harris Baker

Lektorat: Thomas Jahrmarkt und Laura Spies

eISBN 978-3-89060-391-9

ISBN 978-3-89060-818-1

Neue Erde GmbH

Cecilienstr. 29 · 66111 Saarbrücken

Deutschland · Planet Erde

www.neue-erde.de

Ich möchte dieses Buch Rina Sircar widmen, einer meiner ersten Lehrerinnen, deren Liebe die ganze Welt füllen könnte und noch einiges mehr.

Darüber hinaus ist dieses Werk allen Menschen gewidmet, die sich entschieden haben, in dieser besonders herausfordernden Zeit zu inkarnieren. Lasst uns alle dazu beitragen, dass unsere Spezies den ihr zustehenden Platz im Kosmos einnimmt als Verwalter unserer kostbaren Heimat, des Planeten Erde. Mensch zu sein, ist kein leichter Job. Wir alle haben einen Orden verdient.

Wir modernen Menschen stehen vor der Notwendigkeit, das Leben des Geistes wiederzuentdecken; wir müssen es selbst neu erfahren. Das ist der einzige Weg, um den Bann zu brechen, der uns fesselt.

C. G. Jung

Inhalt

Vorwort von Larry Dossey, M.D.

EINFÜHRUNG – Wetiko in aller Kürze

Teil ISpirituelle Traditionen und kreative Künstler

1 Alles eine Frage der Psyche

2 Die bemerkenswerte Idee der Kabbala

3 Die Meister der Täuschung

4 Sri Aurobindo und die feindlichen Mächte

5 Die Gedankenparasiten von Colin Wilson – Fiktion oder Realität?

6 Der aufgeklärte Wahnsinn von Philip K. Dick – Das Schwarze Eiserne Gefängnis und Wetiko

Teil IIWetiko in der Welt und in unserem Geist

7 Sind wir Menschen unheilbar geisteskrank oder wachen wir gerade auf?

8 Ein Krebsgeschwür der Seele

9 Vom Ungeheuer des Krieges hinters Licht geführt

10 Andere Blickwinkel, die helfen, Wetiko zu sehen

11 Sündenbocksuche – Wie sich die Dunkelheit im Licht verbirgt

12 René Girards Ausführungen zum Sündenbock und zum Schatten

Teil IIIDas Coronavirus und das Wetiko-Virus

13 Covid-19 ist ein Symbol für eine viel tiefergehende Infektion

14 Das Coronavirus enthält seinen eigenen Impfstoff

15 Quantenmedizin für das Coronavirus

Epilog

Anhang

Die vier unwürdigen Verblendungen der Wetiko – Ein Spiel mit den Vier Edlen Wahrheiten des Buddhismus

Endnoten

Bibliographie

Danksagung

Über den Autor

Eine Erklärung des Titelbildkünstlers

Index

Vorwort

Larry Dossey, M. D.

Wäre es nicht beängstigend zu erfahren, dass sich ein »Geistesvirus« rasch in der ganzen Welt ausbreitet, unsere Gesellschaft infiziert und sich in Menschen manifestiert, die uns nahestehen – sogar in uns selbst? Es ist ein Wahnsinn, der die Menschheit zwar schon immer geplagt hat, uns aber heute immer bewusster wird. Wir erkennen ihn jetzt als das, was er ist. Manche nennen es »das Böse«. Paul Levy nennt es »Wetiko«.

Wetiko ist das Folgebuch zu Dispelling Wetiko: Breaking the Curse of Evil [Wetiko auflösen: Den Fluch des Bösen brechen], in dem Paul Levy das indianische Konzept von Wetiko erweitert hat: eines scheinbar bösartigen Geistes, der für eine furchterregende Beeinträchtigung der Seele verantwortlich ist. Paul Levy erweitert dieses indianische Verständnis durch sein tiefes Studium der Jungschen Psychologie und sein Wissen über Mythologie, Schamanismus und Quantenphysik, verbunden mit seinen eigenen Einsichten und Erfahrungen. Ganz gleich, ob Sie Paul Levy zum ersten Mal lesen oder bereits seine anderen Schriften gelesen haben, es erwartet Sie ein Leseerlebnis, das zugleich faszinierend und äußerst beunruhigend ist.

Wetiko, so Levy, ist eine psychische Kraft im unbewussten Geist, die uns für unheilvolle Impulse wie Macht- und Kontrollsucht, Gier und Eifersucht empfänglich macht. Menschen, die von Wetiko besessen sind, sind zutiefst egoistisch; sie haben selten ein Interesse am Wohlergehen anderer. Wetiko ist heimlich und listig. Wir haben selten eine Ahnung davon, dass es überhaupt da ist, selbst wenn es unser Verhalten beeinflusst.

Wetiko ist, wie Levy zeigt, etwas, auf das das Konzept des Psychiaters C. G. Jung vom Schatten bereits hindeutet: der unangenehme Anteil unserer unbewussten Psyche, den wir in unserem Bewusstsein nicht wahrhaben wollen. Viele Menschen schrecken vor der Vorstellung zurück, dass nette, wohlerzogene Bürger insgeheim »böse« Gedanken und Impulse hegen könnten, aber diese Gegenkräfte sind bis zu einem gewissen Grad in jedem Menschen vorhanden. Bei bestimmten Auslösern kommen sie ungehindert zum Vorschein. Während ich diese Zeilen schreibe, hat Wetiko auf der ganzen Welt Hochkonjunktur, was sich in den Schlagzeilen und den sich schnell ändernden aktuellen Ereignissen zeigt, die im individuellen und kollektiven Leben Angst, Wut, Chaos und Verwerfungen erzeugen.

Wie verbreitet sich dieser Geistesvirus unter uns? Wir erfahren in diesem Buch genauer, wie Wetiko funktioniert und was es aufhalten kann. Immer mehr Beweise von führenden Vertretern der modernen Wissenschaft deuten darauf hin, dass unsere bewussten und unbewussten Gedanken und Absichten nicht auf unsere individuellen Gehirne und Körper beschränkt sind.1 Vielmehr können sie in der Welt »da draußen« wirken, weit entfernt von unserem individuellen Selbst, jenseits der Einschränkungen und Zwänge des Hier und Jetzt. Dies ist der Bereich des nichtlokalen Geistes – eines Geistes, der ungebunden und grenzenlos ist, nicht durch Raum und Zeit begrenzt und daher mit allen anderen Geistern in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbunden und vereint. Levys Darstellung, wie Wetiko durch das nichtlokale Feld außerhalb der Beschränkungen von Raum und Zeit wirkt, stellt eine Fortsetzung der Darlegungen zu einer echten nichtlokalen Psychologie des Geistes dar.

Darüber hinaus scheint Fernheilung entscheidend von Liebe, Mitgefühl und tiefer Fürsorge beeinflusst zu sein, so wie es Heiler alle Zeiten immer behauptet haben.2 Dies ist eine der wichtigsten Erkenntnisse aus den jüngsten Experimenten: Liebe und Mitgefühl, die durch den nichtlokalen Geist wirken, können aus der Ferne den Zustand des physischen Körpers auf positive und heilsame Weise verändern.

Aber es gibt nicht nur Liebe. Es gibt eine dunkle Seite des Bewusstseins – die Domäne des Schattens, wie Jung ihn genannt hat. Es ist der Bereich, in dem Wetiko lebt und in unserem Leben wirkt, wie Paul Levy zeigt.

Studien zur Fernbeeinflussung zeigen, dass auch Schaden auf Lebewesen übertragen werden kann: Mikroben können gehemmt, Zellfunktionen verzögert, Zellen abgetötet3 und biochemische Reaktionen eingeschränkt werden.4 Negative, nichtlokale Absichten ähneln den Flüchen, Verhexungen und Zaubersprüche, an die wohl alle vormodernen Kulturen geglaubt haben (und an die viele heute noch glauben). Indem sie diese dunkle Seite des nichtlokalen Geistes anerkennen, weisen diese Kulturen ein komplexeres, ausgefeilteres Verständnis von Bewusstsein auf als wir. Sie nehmen eine dunkle Seite des Bewusstseins einfach als gegeben, und sie entwickeln Methoden, um sich zu schützen. Gerade Kulturen wie die unsere, die einen nichtlokalen negativen Faktor des Bewusstseins leugnen, werden oft von ihm überrumpelt, wie Paul Levy zeigt. Auf jeden Fall sollte die Fähigkeit des Menschen, Schaden mental und nichtlokal auf Lebewesen zu übertragen, nicht negiert werden. Stattdessen kann diese Fähigkeit zum Guten, zum Heilen genutzt werden – etwa, wenn Willenskräfte eingesetzt werden, um Krebszellen oder eindringende Krankheitserreger aufzuhalten oder abzutöten.5

Bedenken Sie: Wenn der Geist tatsächlich nichtlokal ist, bedeutet dies, dass einzelne Geister nicht vollständig voneinander getrennt und isoliert sein können, sondern in gewisser Weise miteinander verbunden sind, auch wenn sie sich gleichzeitig als Einzelwesen erleben. In einer gewissen Dimension verbinden sich die nichtlokalen Geister, um einen einzigen, einheitlichen Geist zu bilden. Diese Erkenntnis ist uralt. Sie ist aber auch modern, wie viele herausragende Wissenschaftler erkannt haben.6

Unsere nichtlokale Natur macht Wetiko möglich – aber derselben Bewusstseinsqualität entspringen auch Liebe, Fürsorge und Mitgefühl. Dies ist ein Beispiel für das, was der Physiker Niels Bohr das Komplementaritätsprinzip nannte: die Zusammenführung scheinbarer Gegensätze, um ein zutreffenderes Bild des Ganzen zu erhalten. Man fühlt sich an eine Maxime aus der transpersonalen Psychologie erinnert: Um das Ego zu transzendieren, muss man zuerst eines haben. So können wir sagen, dass Wetiko letztlich durch seine gegensätzlichen Kräfte erlöst wird: Liebe, Empathie, Fürsorge und Mitgefühl. Denn auch diese Qualitäten haben, wie Wetiko, unbegrenzte nichtlokale Wirkungen in der Welt.

Warum ist es wichtig, die nichtlokalen, negativen Aspekte von Wetiko anzuerkennen? Weil Wetiko aufgrund seiner nichtlokalen ansteckenden Natur ein Weltzerstörer ist. Es breitet sich global aus; es ist nicht auf einzelne Köpfe beschränkt. Es hat die Fähigkeit, mehr als nur das Leben eines einzelnen Individuums zu zerstören; es kann eine Spezies vernichten – und zwar die unsere.

Wir sind angesichts von Wetiko keine hilflosen Zuschauer. Das perfekte Gegenmittel gegen Wetiko ist die Liebe; sie ist ihr nichtlokales komplementäres Gegenteil. Doch spezifische Gegenmittel gegen Wetiko haben in der menschlichen Geschichte viele Formen angenommen. Lesen Sie nun die Worte von Paul Levy, einem wahren Gelehrten auf dem Gebiet von Wetiko. Er hat dem Wetiko mehr tiefschürfende Gedanken gewidmet als jeder andere, den ich kenne. Lassen Sie uns sehen, was seine Erkundungen über die Krankheit und ihre Heilung aufgedeckt haben.

Larry Dossey. M.D., Santa Fe, New Mexico

Dr. Larry Dossey schloss sein Medizinstudium an der Southwestern Medical School in Dallas ab und diente dann als Bataillonschirurg in Vietnam, wo er für seine Tapferkeit ausgezeichnet wurde. Er half bei der Gründung der Dallas Diagnostic Association und war 1982 Chefarzt des Medical City Dallas Hospital. Vor der Veröffentlichung seines Buches Healing Words im Jahr 1993 gab es nur an drei medizinischen Fakultäten in den USA Kurse, die sich mit der Auswirkung religiöser Praktiken auf die Gesundheit befassten, während es heute fast achtzig sind. In Recovering the Soul (1989) führte er das Konzept des »nichtlokalen Geistes« ein – eines Geistes, der nicht an das Gehirn und den Körper gebunden ist. Seitdem wurde dieses Modell von vielen führenden Wissenschaftlern als ein neues Bewusstseinsbild übernommen. Im Jahr 2013 wurde er mit dem renommierten Visionary Award ausgezeichnet. Dr. Dossey ist Autor von dreizehn Büchern und zahlreichen Fachartikeln und war früher leitender Redakteur der von Fachleuten begutachteten Zeitschrift Alternative Therapies in Health and Medicine. Derzeit ist er geschäftsführender Herausgeber der von Experten begutachteten Zeitschrift Explore: The Journal of Science and Healing. Dr. Dossey hat in der ganzen Welt Vorträge gehalten, und die Ausstrahlung seiner Arbeit ist bemerkenswert.

Einführung

Wetiko in Kürze

Eine ansteckende geistig-seelische Krankheit, ein Parasit des Bewusstseins, wird durch eine heimtückische kollektive Psychose von gigantischem Ausmaß derzeit auf der Weltbühne massenhaft ausgelebt. Dieses Geistesvirus – von den amerikanischen Ureinwohnern »Wetiko« genannt – wirkt im Verborgenen durch die unbewussten blinden Flecken der menschlichen Psyche, macht die Menschen blind für ihren eigenen Wahnsinn und zwingt sie, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln. Wetiko ist eine Psychose im wahrsten Sinne des Wortes, »eine Krankheit des Geistes«.

Als inneres Krebsgeschwür der Seele beeinflusst Wetiko heimlich unsere Wahrnehmungen, um sich durch uns auszuleben, während es sich gleichzeitig vor unserer Wahrnehmung verbirgt. Wetiko verhext unser Bewusstsein, so dass wir blind werden für die von außen übernommene Sichtweise, mit der wir uns selbst und die Welt wahrnehmen und gestalten und unserer Erfahrung Sinn verleihen. Dieses psychische Virus kann als »Systemfehler« betrachtet werden, der den Wahnsinn, der sich in unserem Leben sowohl individuell als auch kollektiv auf der Weltbühne abspielt, vorantreibt und anfeuert. »Wetiko«, um den Autor und Umweltaktivisten Derrick Jensen zu zitieren, »hat sich so weit ausgebreitet, dass es jetzt die ganze Erde bedeckt, wir alle sind mehr oder weniger infiziert. Es gibt keine Krankenhäuser für diese Krankheit. Wenn wir sie nicht erkennen, wie können wir dann versuchen, sie zu heilen?«1

Bevor wir diese Krankheit, die uns alle befallen hat, behandeln können, müssen wir aus unserer Verleugnung herauskommen; wir müssen die Krankheit sehen, sie anerkennen, sie benennen und versuchen zu verstehen, wie sie funktioniert, um herauszufinden, wie wir mit ihr zurechtkommen können – das ist das Thema dieses Buches.

Der Geist von Wetiko, der im Laufe der Geschichte mit vielen verschiedenen Namen belegt wurde, macht jedes andere Thema zweitrangig. Wetiko ist die übergreifende Klammer, die jede Art von Zerstörung umfasst, beinhaltet und begründet. Es ist jene Verwüstung unserer selbst und anderer, die unsere Spezies in dieser Welt über alle Maßen betreibt. Wenn wir uns nicht damit befassen, was Wetiko uns offenbart, wird nichts anderes von Belang sein, weil es keine menschliche Spezies mehr geben wird.

Die Menschheit steht vor der wichtigsten Frage ihrer Geschichte: ob sie in einer Form überleben wird, die dem, was wir heute kennen, entspricht. Wir beantworten diese Frage mit einer Regierungspolitik und einem kollektiven Verhalten, die vor allem dazu führen, dass wir immer schneller auf eine Vielzahl von Katastrophen zusteuern, während wir wie verrückt miteinander wetteifern, als erste in den Abgrund zu rasen. Wir sind blind geworden – wie in einer hypnotischen Trance –, während eine scheinbar dämonische Kraft unsere Spezies auf ihre eigene Selbstzerstörung zutreibt. Um den bedeutenden Theologen David Ray Griffin zu zitieren: »Unser Kampf scheint sich weniger gegen etwas aus ›Fleisch und Blut‹ zu richten als vielmehr gegen eine dämonische Macht, der die menschliche Zivilisation hörig ist.«2

Wetiko folgt auf mein früheres Buch zum gleichen Thema, Dispelling Wetiko [das heißt so viel wie »Wetiko vertreiben, verbannen, auflösen«]. In diesem neuen Buch versuche ich darzulegen, wie Wetiko aufgefasst und symbolisiert wurde – nicht nur in verschiedenen spirituellen Weisheitstraditionen von alters her, sondern auch von Künstlern und Philosophen im Laufe der Jahrhunderte. Darüber hinaus betrachte ich das aktuelle Geschehen in unserer verrückten Welt aus einem Blickwinkel, der dem Leser hoffentlich helfen wird, Wetiko klarer zu erkennen und besser zu verstehen.

Im wesentlichen versuche ich, die tiefe ursprüngliche indianische Weisheit in ein modernes psychologisches Idiom zu übersetzen, das in unserem gegenwärtigen Bewusstseinszustand leichter verstanden und »online« aufgefasst werden kann. Wir stehen tatsächlich erst am Anfang, dieses schwer fassbare und bisher unsichtbare Virus des Geistes zu verstehen. Meine Bücher über Wetiko wollen dazu verhelfen, unsere Augen zu öffnen und dieses tödliche Geistesvirus zu erkennen, bevor es zu spät ist.

Meine persönliche Erfahrung mit Wetiko

Als ich das erste Mal direkt mit Wetiko in Berührung kam, hat mich diese Erfahrung buchstäblich »um den Verstand gebracht« und meine ganze Familie zerstört (manche Leute glauben, ich sei noch immer nicht wieder hergestellt, aber das ist eine andere Geschichte). Ich habe darüber ein Buch geschrieben: Awakened by Darkness: When Evil Becomes Your Father. [dt.: Geweckt von der Dunkelheit: Wenn das Böse dir zum Vater wird] Eine der Gaben dieser alptraumhaften Erfahrung ist, dass sie mir die Autorität verliehen hat, über so schwierige Themen wie Wetiko und das Böse auf eine Weise zu schreiben, die mir kein noch so gründliches intellektuelles Studium hätte vermitteln können.

Durch diese traumatischen Erfahrungen erlebte ich eine direkte Übertragung oder Transfusion des Wetiko-Virus in die Adern meiner Seele, die mich nicht nur krank machte und fast um den Verstand brachte, sondern auch den Verlauf meines ganzen Lebens veränderte. Dies brachte mich dazu, mich von diesem unglücklichen Ereignis zu heilen und zu versuchen, diese scheinbar jenseitige Kraft zu verstehen, mit der ich in Kontakt gekommen war (oder die sich bei mir gemeldet hatte).

Glücklicherweise haben mir meine »intimen Begegnungen mit Wetiko« geholfen, meine Stimme und meine Aufgabe zu finden – dieses Buch ist nur ein Beispiel dafür. Wenn ich mich nicht mit meiner schöpferischen Natur verbunden hätte, wäre ich in großen Schwierigkeiten gewesen und zweifellos ein weiteres von Wetikos scheinbar zahllosen Opfern geworden. Der Punkt ist, dass ich dieses Buch nicht als Intellektueller, Akademiker oder Gelehrter geschrieben habe, der behaglich in einem Elfenbeinturm sitzt und philosophiert oder Theorien über Wetiko aufstellt. Vielmehr habe ich es geschrieben, um meine eigenen erschütternden Erfahrungen mit diesem Thema zu verarbeiten, wobei ich nur knapp mit meinem Leben und meinem Verstand davongekommen bin.

Meine persönlichen Begegnungen mit Wetiko haben mich in eine seltsame Lage gebracht. Ich fühlte mich von der tiefgreifenden Bedeutung von etwas überzeugt, das vielen Menschen entweder nicht bewusst zu sein scheint oder an dem sie kein Interesse haben, dem gegenüber sie voreingenommen oder von dem sie besessen sind. Es kann eine sehr einsame Erfahrung sein, etwas zu sehen, was viele andere Menschen nicht sehen. Ich habe jedoch gelernt, an meiner Vision festzuhalten und meine Fähigkeit ständig zu verfeinern, das, was ich sehe, in einer Weise weiterzuvermitteln, die für andere hilfreich ist.

Ich habe festgestellt, dass es typischerweise Menschen sind, die wirklich gelitten haben, sei es durch eine verletzende Erfahrung, ein emotionales Trauma, Missbrauch, Sucht und so weiter – und die dann ihre innere Arbeit vollbracht haben – die erkennen, wovon ich spreche, wenn ich auf das heimtückische Wirken von Wetiko verweise. Es handelt sich in der Regel um Menschen, die festgestellt haben, dass die traditionellen Religionen ihre tieferen spirituellen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen und dass die Werte der Mainstream-Kultur nicht mehr zu ihrer Seele sprechen. Es sind Menschen, die nicht in einem Glauben gefangen sind, die nicht das Gefühl haben, im Besitz einer absoluten Wahrheit zu sein, sondern die wirklich offen sind für das, was mit ihrer unmittelbaren, gelebten Erfahrung übereinstimmt.

Die Normalisierung von Wetiko

Vor ein paar Jahren traf ich einen Freund, den ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Er fragte mich, was ich so mache. Ich antwortete, dass ich über die kollektive Psychose schreibe (und genau das ist Wetiko), der unsere Spezies anheimgefallen ist. Seine Antwort war aufschlussreich: Er fragte mich, wie ich darauf käme, dass es eine kollektive Psychose gäbe. Seine Frage machte mich sprachlos; ich wusste buchstäblich nicht, was ich antworten sollte. Wie kommt er darauf, dass es keine kollektive Psychose gibt, fragte ich mich. Konnte er mir einen einzigen Beweis dafür liefern? Unser kollektiver Wahnsinn war so normal geworden, dass die meisten Menschen – mein Freund war übrigens sehr intelligent – ihn gar nicht bemerkten.

Viele von uns stellen sich vor, dass, wenn wir uns in einer kollektiven Psychose befänden, dies bedeuten würde, dass die Menschen alle möglichen »verrückten« Dinge tun, etwa nackt herumlaufen und schreien. Diese tief verwurzelte Vorstellung hindert uns daran, den sehr realen kollektiven Wahnsinn zu erkennen, an dem wir alle – sowohl passiv als auch aktiv – beteiligt sind. Wenn wir eine Vorstellung davon bekommen wollen, wie eine kollektive Psychose tatsächlich aussieht, dann müssen wir erkennen, dass sie genauso aussieht, wie das, was gerade in unserer Welt passiert.

Wo ist die Stimme des psychiatrischen Establishments, wenn es darum geht zu erkennen, dass unsere Spezies einer psychischen Epidemie von gewaltigem Ausmaß zum Opfer gefallen ist? In einem persönlichen Gespräch, das ich mit dem verstorbenen Harvard-Psychiater John Mack über genau diesen Punkt führte, vertrat er die Meinung, dass es die Psychiatrie nicht als ihre Aufgabe ansieht, sich mit kollektiven Psychosen, wie wir sie heute erleben, zu beschäftigen. Solche kollektiven Psychopathologien existieren einfach nicht auf ihrem Radar. Sie konzentrieren und spezialisieren sich ausschließlich auf die Psychopathologien des (scheinbar) separaten, einzelnen, individuellen Menschen.*

Indem die Psychiatrie diese weltweite systemische psychische Krankheit nicht erkennt, die die globale Politik infiziert hat (und damit auch die Pathologien des Einzelnen beeinflusst), wird sie zum unwissentlichen Erfüllungsgehilfen dieser Krankheit und trägt zu ihrer Ausbreitung bei. Ich habe mich gefragt, wessen Aufgabe es ist, Licht in unsere die ganze Spezies befallene Krankheit zu bringen. Kulturanthropologen? Soziologen? Theologen? Vielleicht liegt die Verantwortung bei jedem einzelnen von uns.

Die Blindheit der Psychotherapeuten gegenüber der psychischen Krankheit liefert wichtige Informationen über die Natur des Ungeheuers, mit dem wir es zu tun haben. Denn die Krankheit hat sich genau jene Instanz einverleibt, die sie eigentlich überwachen und zu heilen versuchen sollte, und sie in einen ihrer Verursacher verwandelt. Solange wir uns ihrer verdeckten Operationen nicht bewusst sind, wird die Krankheit jeden unserer Versuche, sie zu heilen, für sich vereinnahmen, um ihre Krankhaftigkeit noch weiter zu steigern.

Seit der Veröffentlichung von Dispelling Wetiko habe ich viele E-Mails erhalten, in denen mir suggeriert wurde, dass der ständig zunehmende Wahnsinn, der sich in der Welt abspielt, in meinen früheren Schriften über Wetiko vorhergesehen wurde, als ob ich wie eine Art Prophet die Zukunft vorhergesagt hätte. Ich sehe das nicht so, denn aus meiner Sicht bestand alles, was ich tat, als ich Wetiko ans Licht brachte, darin, auf die tieferliegenden Vorgänge hinzuweisen, die die Ereignisse in der kollektiven Politik unserer Welt seit jeher beeinflusst haben.

Anstatt die Zukunft vorauszusagen, versuche ich, eine Dynamik in der menschlichen Psyche zu beleuchten, die ins Unbewusste geriet und daher vergessen wurde – eine Dynamik, die die heutige Zeit prägt und aus der unsere Zukunft hervorgehen wird. Wir werden es nicht schaffen, die vor uns liegenden Schrecknisse zu bewältigen, wenn wir uns nicht den Schrecknissen stellen, die sowohl hinter als auch in uns liegen. Diese tiefere Dynamik findet seit Jahrtausenden im gesamten Verlauf der menschlichen Geschichte statt, aber in jüngster Zeit wird sie immer offensichtlicher und lässt sich immer schwerer leugnen. Ich habe einfach auf ein tieferes, langwährendes Muster hingewiesen – und tue es immer noch –, ein Muster, das sich im Verhalten unserer Spezies offenbart. Wenn wir dieses Wetiko-Muster einmal erkannt haben, können wir es nicht »ungesehen« machen; unsere Fähigkeit zu sehen erweitert sich entsprechend.

C. G. Jungs Beitrag

Der große Seelenarzt Carl Gustav Jung, der sich selbst als verkappten Philosophen betrachtete, war seiner Zeit voraus (und auch jenseits seiner Zeit und ihr Ausdruck) und war Wetiko auf der Spur (auch wenn er es nicht so nannte). Er gab ihm eine Reihe verschiedener Namen (zum Beispiel nannte er oft die Gefahren psychischer Epidemien und kollektiver Psychosen, den Keim oder die Infektion des Bösen, totalitäre Psychosen, imperialistischen Wahnsinn, trügerische Geister, Mächte der Finsternis, den Dämon der Krankheit und so weiter). Jungs Weisheiten und Einsichten zu diesem Thema fließen in dieses Buch ein.

Die Entdeckung von Jungs Werk war für mich entscheidend, um meine persönliche Begegnung mit dem verstörenden Übel Wetiko in den Griff zu bekommen. Es schaudert mich bei dem Gedanken, wo ich wäre, wenn ich nicht auf seine Schriften gestoßen wäre. Es kann so hilfreich sein, wenn wir etwas erleben, das kulturell nicht sanktioniert oder anerkannt ist, und dann jemanden finden, der die Worte für unsere scheinbar unaussprechliche Erfahrung gefunden hat.

Andere Leute haben mich zu meinem Entsetzen als »Jungianer« bezeichnet. (Dabei denke ich an Jung, der sagte: »Gott sei Dank bin ich Jung und kein Jungianer.«) Ich habe noch nicht einmal einen Kurs über Jung belegt. Ich bin einfach ein unabhängiger Forscher und folge dem, was mich inspiriert, und Jung tut das ohne Ende. Was Jung betrifft, so bin ich völlig autodidaktisch. Er war selbst der Meinung, dass sein Werk eher die einfachen Leute anspricht als die Gelehrten und Experten. Ich bin ein typischer Fall. Ich interessiere mich nur für die Teile seines Werkes, die mit meiner persönlichen Erfahrung zu tun haben und mir helfen, mein Leiden zu lindern. Ich hoffe, dass dieses Buch dem Leser zumindest ein tieferes Verständnis für die Genialität von Jung und den immensen Wert seines Werks für unsere Zeit vermitteln wird. Ich kann mir kaum vorstellen, was Jung sagen würde, wenn er heute noch am Leben wäre. Auf diesen Seiten habe ich das Gefühl, dass ich mit ihm eine fortwährende »aktive Imagination« betreibe, sowohl in diesem Buch als auch in meinem eigenen Geist.3

Eine Idee der amerikanischen Ureinwohner

Die Art und Weise, wie ich das Wetiko-Konzept interpretiert habe, ist meine eigene, insofern als ich eine Idee der Ureinwohner genommen und sie in einem westlichen Geist und kulturellen Kontext weiterentwickelt habe. Ich fühle mich lediglich als Übersetzer, der versucht, eine Brücke zu schlagen, damit ihre tiefgreifenden Einsichten der neurotischen westlichen Psyche zugutekommen können. Ich habe nie in der Gegend gelebt, in der die Vorstellung der amerikanischen Ureinwohner von Wetiko entstanden ist: präkolumbianische Wälder und Ebenen, wilde Gewässer voller Kreaturen und ihrer geistigen Gestalten, riesige Wildherden, die über windverwehte Gräser galoppieren. Ich bin ein Kind der Städte, der Maschinen und der westlichen Zivilisation. Als solches habe ich Wetiko in einer typisch dysfunktionalen amerikanischen Familie und in einer praktisch wahnsinnigen westlichen kapitalistischen Gesellschaft erlebt. Ich bringe also neue Paradigmen, westliche symbolische Logik und intellektuelle Formulierungen in ein Konstrukt aus einer anderen Kultur ein.

Ich tue dies mit Bescheidenheit, Respekt und in dem Bewusstsein, dass ich mir aus einer bestimmten Sichtweise heraus ein Konzept aneigne, ohne seine ursprüngliche existenzielle Grundlage und Phänomenologie zu kennen. Ich schreibe aus meiner Perspektive über die indigene Idee von Wetiko, um die großen indigenen Weisheitstraditionen zu ehren. In gewissem Sinne ist meine Arbeit über Wetiko die Zusammenarbeit zwischen mir und unbekannten amerikanischen Ureinwohnern: Philosophen, Psychologen und Schamanen. Sie lebten in der Welt einer engen Gemeinschaft mit gegenseitiger Verantwortung für das tägliche Überleben und im Einklang mit der Natur. Sie hatten keine Autos, keine Massenvernichtungswaffen, keine Aktienmärkte und keine Telekommunikation.

Aber sie waren Menschen wie wir. Auch sie hatten mit den Tücken der menschlichen Psyche zu kämpfen. Sie führten Kriege und hatten mit Psychosen, Verbrechen, dem Bösen und Lügnern zu tun. Sie mussten sich selbst und ihre Gesellschaft schützen. Wenn dunkle Kräfte innerhalb der Gruppe auftauchten, mussten sie diese identifizieren und wissen, was der Stamm handhaben und umwandeln konnte und was so giftig war, dass es zur Sicherheit der anderen verbannt werden musste. Ihre Schamanen und Medizinfrauen und -männer verstanden die Natur der Dämonen, der Besessenheit und des Bösen auf eine Weise, die für die heutige Menschheit sehr lehrreich sein kann. Sie vermitteln uns sowohl eine brillante Diagnose als auch eine dringende Warnung.

Die Anhänger des buddhistischen Pfades können die Idee der »Buddha-Natur« nicht für sich allein beanspruchen, denn sie weist auf etwas hin, das der lebendigen Erfahrung des Menschseins innewohnt. In gleicher Weise ist das, was die indianischen Weisheitsträger in ihrem Konzept von Wetiko beleuchten, eine universelle, archetypische Erfahrung, die ein wesentlicher Aspekt unserer Erfahrung des Menschseins ist.4

Die indianische Vorstellung von Wetiko kann die Erscheinungsweisen dieser Krankheit in anderen spirituellen Traditionen ergänzen, vervollständigen und vervollkommnen. Die Cree beschreiben Wetiko als Riesen, die mit jeder Menschenmahlzeit wachsen, so dass sie zugleich riesig, aber dabei ausgemergelt sind – nie in der Lage, ihre innere Leere zu füllen – und verzweifelt bis zum Exzess ihr nächstes Opfer suchen. Als ich bei den amerikanischen Ureinwohnern auf die Vorstellung und die Beschreibung von Wetiko stieß, erkannte ich es sowohl in meinem Leben als auch in meinem Geist wieder. Ich habe keinen Zweifel daran, dass das, was die amerikanischen Ureinwohner als Wetiko bezeichnen, ein universeller Zustand ist, der jeden Menschen betrifft; es ist etwas, mit dem wir alle in unserem Leben umzugehen lernen müssen.

Was ist Wetiko wirklich?

Wetiko ist eine kannibalische Kraft, angetrieben von unersättlicher Gier, Appetit ohne Befriedigung, Konsum als Selbstzweck und Krieg um seiner selbst willen, gegen andere Stämme, Arten und die Natur und sogar gegen die eigene Menschlichkeit. Es ist eine Krankheit der Seele, und deswegen haben wir alle potentiell Wetiko, da es das zugrunde liegende Bewusstseinsfeld durchdringt und »in-formiert«. Jeder von uns kann sich in jedem Moment in seinem Unbewussten verfangen und unwissentlich zu einem Instrument des Bösen, für Wetiko werden, das durch uns wirkt und sich in unserer Welt inkarniert. Wenn wir jemanden sehen, der von Wetiko befallen zu sein scheint, und wir denken, dass er diese Krankheit hat, obwohl dem nicht so ist, sind wir selbst in den Bann des Virus geraten, weil wir ihn als von uns getrennt betrachten.

Wetiko weckt in uns die Neigung, die Quelle unserer eigenen Krankheit außerhalb von uns selbst zu sehen – im Anderen. Wetiko ernährt sich von Polarisierung und Angst und dem Schrecken des Anderen. Die Welt durch eine von Wetiko inspirierte Brille der Trennung, der Abgetrenntheit zu sehen, belebt das, was Jung »den Gott des Schreckens, der in der menschlichen Seele wohnt«5 nennt und was sich gleichzeitig sowohl in unserer Seele als auch in der Welt insgesamt abspielt.

Wetiko richtet unser kreatives Potential zur Erschaffung von Realität subversiv* gegen uns selbst, so dass wir von den Projektionen unseres Geistes betört werden. Wenn wir in den Bann von Wetiko geraten, werden wir von unseren eigenen, uns innewohnenden Gaben und Talenten der Realitätserschaffung in einer Weise verzaubert, die nicht nur uns nicht mehr zugutekommt, sondern vielmehr im Dienst von Wetiko steht (dessen Agenda unserer entgegensteht). Unsere Kreativität fällt dann wie ein Bumerang auf uns zurück, wir hypnotisieren uns mit unserem kreativen Genie, und das lähmt unser evolutionäres Potential.

In dem Maße, in dem wir unbewusst vom Geist von Wetiko besessen sind, ist es so, als ob ein psychischer Bandwurm oder Parasit unser Gehirn übernommen hätte und uns, seinem Wirt, vorgaukelt, wir würden uns selbst ernähren und stärken, während wir in Wirklichkeit den Parasiten ernähren (ein Prozess, der letztendlich seinen Wirt – also uns – töten wird). Bei der Wetiko-Krankheit nimmt etwas, das nicht wir sind, heimlich und unterhalb unserer Wahrnehmung den Platz dessen ein, der wir eigentlich sind, und spielt dessen Rolle. Dieses launenhafte Raubtier, das seine Form verändert, um sich in unsere Gestalt zu hüllen, geht uns unter die Haut und »zieht uns an«. Indem wir uns selbst imitieren, werden wir zu einer Kopie, einem falschen Duplikat unseres wahren Ichs. Wir spielen dann tatsächlich eine reale Version des Schwindlers.

Die Krankheit der Ausbeutung

Wetiko ist machtlos, wenn es darum geht, unsere wahre Natur zu kontrollieren, aber es kann die falsche Identität, die es in uns aufbaut, kontrollieren und manipulieren. Wenn wir der Wetiko-Illusion verfallen, identifizieren wir uns mit dem, was wir nicht sind, während wir uns von dem entfernen und vergessen, wer wir eigentlich sind – und dabei unsere Eigenständigkeit aufgeben, ganz zu schweigen von unserem Selbst. Um den radikalen Psychiater R. D. Laing zu zitieren: »Damit [sind wir] der Illusion verfallen, wir seien einsame ›hautverkapselte Egos‹. Nachdem wir gleichzeitig unser Selbst verloren und die Illusion entwickelt haben, wir seien autonome Egos, erwartet man von uns, daß wir uns in innerem Konsensus äußeren Zwängen fügen bis zu einem fast unglaublichen Ausmaß.«6Entkoppelt von unserer uns innewohnenden Handlungsfähigkeit, öffnen wir uns dafür, von äußeren Kräften benutzt, manipuliert und ausgebeutet zu werden.

Der indigene Autor Jack D. Forbes, der den Klassiker über Wetiko mit dem Titel Columbus and Other Cannibals [Kolumbus und andere Kannibalen] geschrieben hat, bezeichnet Wetiko als »die Krankheit der Ausbeutung«.7 Wetiko kann als ein böser kannibalistischer, vampirischer Geist verstanden werden, der Menschen, die unter seiner Herrschaft stehen, dazu bringt, die Ressourcen und die Lebensenergie von anderen ausschließlich für den eigenen Profit auszubeuten, ohne etwas Wertvolles zurückzugeben. Wetiko verstößt damit gegen das heilige Gesetz der Wechselseitigkeit sowohl in menschlichen Angelegenheiten als auch mit der natürlichen Welt insgesamt.

Wetiko ist, wie jedes Virus, im Grunde »tote« Materie, und wie ein Vampir dürstet es nach dem, was ihm fehlt – der Essenz unserer Seele, unserer Lebenskraft. Als »Untoter« »übernimmt« und ahmt das vampirische Wetiko-Virus das Leben selbst nach. Nur in einem Lebewesen und durch es erwirbt es ein Pseudoleben. Die so übernommene Person wird zu einem Vehikel für Wetiko, um dessen schmutzige Arbeit zu erledigen.

Der Daseinszweck von Viren wie Wetiko besteht darin, sich ständig zu reproduzieren. Das Wetiko-Virus ist jedoch nicht in der Lage, sich durch seine eigene Energie zu replizieren, so dass es gezwungen ist, uns zu benutzen, indem wir das Virus an andere »weitergeben« und übertragen. Der Hauptkanal für die Übertragung von Wetiko ist durch Beziehungen. Es existiert durch unsere Beziehungen zu uns selbst, zueinander und zur Welt im allgemeinen. Wie ein Vampir, der das Licht des Tages nicht verträgt, kann das Wetiko-Virus es nicht ertragen, beleuchtet zu werden. Wenn wir jedoch erkennen, wie es im Verborgenen durch unser eigenes Bewusstsein wirkt, nehmen wir ihm die scheinbare Unabhängigkeit, Autonomie und Macht über uns, während wir uns gleichzeitig selbst stärken.

Die Art und Weise, wie das vampirische Wetiko im Verborgenen in der menschlichen Psyche agiert, spiegelt sich in der Außenwelt wider. Der indigene Autor und Therapeut Eduardo Duran schreibt in seinem Buch Healing the Soul Wound [Heilung der Seelenwunde] über den Völkermord, den die Europäer an den amerikanischen Ureinwohnern verübten, und die Kolonialisierung: »Der koloniale Prozess, den diese Menschen [die Ureinwohner] erlebten, kann als ein kollektiver Vergewaltigungsprozess der Psyche oder Seele sowohl des Landes als auch der Menschen beschrieben werden […] Im Grunde hat der Vampir die Lebenswelt gebissen, die als Turtle Island [Schildkröteninsel] bekannt ist – so wird die westliche Hemisphäre in der Kosmologie der Ureinwohner genannt –, und die Infektion durch das vom Vampir injizierte Gift ist nicht geheilt worden.«8

Jung wurde nicht müde, uns zu warnen, dass die größte Gefahr, die der Menschheit heute droht, die Möglichkeit ist, dass Millionen, ja Milliarden von uns gemeinsam in einer kollektiven Psychose völlig unbewusst werden und den Wahnsinn der anderen so verstärken, dass wir unwissentlich zu Komplizen unserer eigenen Zerstörung werden. Wenn dies geschieht, finden wir uns als Menschheit in einer Situation wieder, in der wir mit den ursprünglichen, grundlegenden und elementaren Kräften unserer eigenen Psyche konfrontiert und von ihnen zermalmt werden.

Die inneren Ursprünge von Wetiko

Das Schlimmste daran, in den Bann von Wetiko zu geraten, ist, dass dies letztlich die Zustimmung unseres eigenen freien Willens voraussetzt; niemand außer uns selbst ist für unsere Lage verantwortlich. Es gibt keine objektive Entität namens Wetiko, die außerhalb von uns selbst existiert und unsere Seele stehlen kann – das eingebildete und dadurch realisierte Phänomen Wetiko verführt uns, unsere Seele zu verschenken. Menschen, die unter die Herrschaft von Wetiko geraten sind, haben ihre eigene Versklavung herbeigeführt und tragen sie bereitwillig mit. Das geht so weit, dass sie oft gewaltsam reagieren, wenn man ihnen einen Ausweg aus ihrem bequemen Gefängnis anbietet. Sie versuchen symbolisch – und manchmal auch buchstäblich – den Boten zu töten, der ihnen den Weg in die Freiheit zeigt.*

Letztlich werden wir bei der Wetiko-Krankheit nicht von einem physischen, objektiv existierenden Virus außerhalb von uns selbst infiziert. Vielmehr sind der Ursprung und die Entstehung der Wetiko-Psychose endogen: Ihre Wurzeln sind in der menschlichen Psyche zu finden. Die Tatsache, dass Wetiko der Ausdruck von etwas in uns ist, bedeutet, dass die Heilung für Wetiko ebenfalls in uns liegt. Obwohl der Wetiko-Erreger nicht objektiv existiert, hat er eine »virtuelle Realität«, die uns so beeinflussen kann, dass er unsere Spezies möglicherweise auslöschen wird. Die Tatsache, dass etwas, das nur als Funktion von uns selbst existiert, uns zerstören kann, verweist uns auf die unglaublich große, unsichtbare und noch weitgehend ungenutzte schöpferische Kraft, die unser angeborenes Geburtsrecht ist, und führt uns an sie heran. Wenn wir diese schöpferische Kraft jedoch nicht bewusst einsetzen, wird sie zerstörerisch.

Wetiko kann mit der Dunkelheit (die in diesem Beispiel die Unwissenheit symbolisiert, die für Wetiko charakteristisch ist) in einem Raum verglichen werden, in dem es kein Sonnenlicht gibt. Solange es kein Licht gibt, scheint diese Dunkelheit wirklich zu existieren. Doch sobald wir die Jalousien öffnen und das Sonnenlicht (symbolisch für das Erwachen) in den Raum strömt, wird die Dunkelheit augenblicklich vertrieben und ist nicht mehr da – so, als hätte sie nie existiert. Wenn das Licht erschienen ist, können wir die Dunkelheit als nichts anderes als die Abwesenheit von Licht betrachten. Doch bevor das Licht kam, hatte die Dunkelheit reale Auswirkungen und erfüllte alle Kriterien, um an und für sich real zu sein. (Ich denke dabei an Jungs Idee, dass im Bereich der Psyche etwas dann real ist, wenn es »funktioniert«, also reale Auswirkungen hat.) Das ist das Paradoxe: Im Vergleich zur Existenz aufgrund einer Fähigkeit, existiert Wetiko nur aufgrund der »Ermangelung der Fähigkeit«, unsere eigene Natur zu erkennen.

Wetiko ist insofern nicht lokal, als es sich um eine innere Krankheit der Seele handelt, die sich auf der Leinwand der Außenwelt offenbart.9 Dieses Geistesvirus hat die scheinbar magische Fähigkeit, sich in die Welt auszudehnen und äußere Ereignisse zu konfigurieren, um sich selbst eine lebendige materielle Form zu geben. Nicht durch die konventionellen Gesetze des dreidimensionalen Raums und der Zeit eingeschränkt, formiert Wetiko die Ereignisse in der Welt auf nichtlokale Weise ebenso wie unsere Reaktionen auf sie, um sie synchron zum Ausdruck zu bringen – und zu offenbaren.

Wie in einem Traum sind die Ereignisse in der äußeren Welt symbolhaft, sie spiegeln uns einen Zustand tief in der Psyche eines jeden von uns zurück. Das Erkennen dieses Zusammenhangs hilft uns, die Fähigkeit zu entwickeln, Wetiko zu erkennen. Wenn wir nicht verstehen, dass unsere gegenwärtige Weltkrise ihre Wurzeln in der menschlichen Psyche hat und ein Ausdruck der Psyche ist, sind wir dazu verdammt, unbewusst endloses Leiden und Zerstörung in immer stärkeren Formen zu wiederholen und immer wieder neu zu erschaffen, wie in einem sich stets wiederholenden Alptraum.

Nach meinem Verständnis »erträumen« wir unsere innere Situation in materialisierte Form in, durch und als die Welt. Im Wachzustand »erträumen« wir ständig direkt unterhalb der Schwelle des Bewusstseins, vor allem wenn wir unter dem Einfluss unserer unbewussten Komplexe stehen. Mit anderen Worten: Wenn wir »unter dem Einfluss« unseres aktivierten Unbewussten stehen, erschaffen wir unbewusst unsere innere Landschaft über das Medium der Außenwelt. Was kann traumartiger sein als das?

Was heute in der Welt geschieht, spiegelt etwas Unbekanntes in unserer eigenen Psyche wider und offenbart es uns sowohl buchstäblich als auch symbolhaft. Gleichzeitig werden die Ereignisse in unserer Welt in einer nichtlinearen akausalen Rückkopplungsschleife, die sowohl außerhalb als auch innerhalb der Zeit stattfindet, durch den inneren psychologischen Prozess, den sie widerspiegelt, informiert und geformt. Das Innere und das Äußere treten gleichzeitig in Erscheinung und beeinflussen sich gegenseitig. Das heißt, dass das, was in uns geschieht, und das, was in unserer Welt entsteht, auf geheimnisvolle Weise miteinander verknüpft sind; das Innere und das Äußere sind letztlich weder getrennt noch trennbar.

Das Erkennen des Zusammenhangs zwischen dem Inneren und dem Äußeren, zwischen dem Mikro- und dem Makrobereich, ist das Tor, durch das wir in der Lage sind, Wetiko zu sehen und zu der traumähnlichen Natur zu erwachen, die Wetiko gleichzeitig verbirgt und enthüllt, je nach unserem Blickwinkel und unserem Bewusstseinsstand. Wenn wir erkennen, dass wir – als Mikrokosmos – den Makrokosmos (das Universum als Ganzes) widerspiegeln, offenbart uns dies, dass es einen Weg in uns gibt, der nicht zu unseren besonderen psychologischen Eigenarten führt, sondern zu dem, was wirklich wichtig ist. Das Erkennen der Verknüpfung zwischen dem, was draußen in der Welt geschieht, und dem, was in unserem Geist stattfindet, wird zu einem Kanal oder einer geheimen Tür, die über unsere rein persönlichen psychologischen Probleme hinausführt und uns befähigt, uns mit dem wesentlichen Problem unserer Zeit auseinanderzusetzen.

Wetiko erträumen

Die Wetiko-Psychose ist ein erträumtes Phänomen, was bedeutet, dass wir alle potentiell an der Wetiko-Epidemie teilhaben und sie in jedem einzelnen Moment aktiv mitgestalten. Wie jeder kollektive Traum, ist die Wetiko-Epidemie die Manifestation von etwas aus unserem gemeinsamen kollektiven Unbewussten, das materielle Form annimmt.

Wetiko fordert unmissverständlich, dass wir der grundlegenden Rolle der Psyche (als Quelle unserer Träume) bei der Erschaffung unserer Erfahrung von uns und der Welt Aufmerksamkeit schenken. Wenn wir die entscheidende Rolle der Psyche vergessen, die sie bei der Erschaffung unserer Erfahrungen spielt, marginalisieren wir unsere eigene Autorität und erfinden auf tragische Weise sowohl innere als auch äußere autoritäre Kräfte, die unsere Freiheit einschränken und unsere Erfahrungen für uns formen. Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit war eine Gesellschaft gezwungen, sich mit den numinosen, weltverändernden Kräften der Psyche in so großem Ausmaß auseinanderzusetzen, wie die unsere.

Selbst angesichts der zahlreichen Katastrophen, die sich in unserer Welt abspielen, liegt es nicht außerhalb des Möglichen, dass die Dunkelheit, die sich heute abzeichnet, zu dem Mutterboden wird, aus dem ein regeneratives Zeitalter und eine edlere Kultur erwachsen. Obwohl Wetiko die Quelle der Unmenschlichkeit der Menschheit ist, ist es gleichzeitig ein potentieller Katalysator für unsere Evolution als Gattung. Das Erkennen der erträumten Natur der Wetiko-Epidemie kann für uns zum Anstoß werden, zur traumartigen Natur des Universums selbst zu erwachen.

Wir sind in gewisser Weise die Nachkommen von Wetiko, da diese besondere Krankheit dazu beiträgt, einen neuen Teil von uns wachsen zu lassen, der uns möglicherweise auf eine höhere Stufe unserer Evolution »hebt« (wenn sie uns dabei nicht umbringt!). Anstelle der linearen Kausalitätsperspektive (bei der eine Sache eine andere verursacht,) müssen wir, um die Natur der Situation, mit der wir es zu tun haben, zu begreifen, bidirektional (gleichzeitig in zwei Richtungen) denken. In einem kreisförmigen Vorgang ohne Anfang und Ende werden wir vom Universum erträumt und erträumen zugleich das Universum. Dies zu erkennen, erfordert nicht nur eine Erweiterung des Bewusstseins, es ist die Erweiterung selbst.

Je weniger Wetiko jedoch erkannt wird, desto mächtiger und gefährlicher wird es scheinbar. Wetiko kann nur gesehen werden, wenn wir die traumartige Natur unseres Universums erkennen, aus der illusorischen Sichtweise des getrennten Selbst heraustreten und das darunterliegende Feld wahrnehmen, dessen Ausdruck wir sind, in dem wir alle enthalten und durch das wir alle miteinander verbunden sind. Dies sind miteinander verknüpfte Einsichten derselben vielschichtigen Erkenntnis. Der energetische Ausdruck dieser Erkenntnis und der Wetiko-Auflöser par excellence, ist Mitgefühl. Wenn wir uns mit dem Mitgefühl, das unsere Natur ist, verbinden, befinden wir uns in sehr guter Gesellschaft.

Da Mitgefühl der unvermittelte Ausdruck des Erkennens der traumähnlichen Natur ist, entsteht es wechselseitig mit geistiger Klarheit. Mit anderen Worten: Wenn wir wirklich zur traumähnlichen Natur der Realität erwachen, werden sowohl Klarheit als auch Mitgefühl untrennbar vereinte Bestandteile unserer Erfahrung sein.

Wie ein Instrument einer höheren Intelligenz lädt Wetiko buchstäblich dazu ein – oder verlangt es –, dass wir uns unserer innewohnenden schöpferischen Kraft und Handlungsfähigkeit bewusstwerden und sie nutzen, oder wir haben unter den Folgen zu leiden. Anstatt zu mutieren, um gegen unsere Versuche, es zu heilen, resistent zu werden, kann das Wetiko-Virus uns dazu zwingen, dass wir mutieren – uns im Verhältnis zu ihm weiterzuentwickeln.

Wetiko ist ein Quantenphänomen, denn es birgt in sich das Potential, entweder das tödlichste Gift oder die heilendste Medizin zu sein. Wird Wetiko uns zerstören? Oder wird es unsere Entwicklung voranbringen und uns aufwecken? Wie sich Wetiko letztendlich manifestiert, hängt von nichts anderem ab als davon, ob wir erkennen, was es uns offenbart. Eben das, was uns möglicherweise tötet, hilft uns gleichzeitig, uns zu erinnern, wer wir sind. Wie Wetiko sich manifestiert, hängt davon ab, wie wir es erträumen.

Bevor ich den indigenen Begriff »Wetiko« kennenlernte, nannte ich diese pathologische Abweichung der Psyche Maligne Egophrenie – deren Akronym »ME«-Krankheit (zu deutsch »Ich«-Krankheit) ist. Denn Wetiko rührt letzten Endes von unserer Fehleinschätzung dessen her, was wir zu sein glauben (unser Gefühl des »Ich-Seins«). In einem sehr realen Sinne sind wir nicht die, für die wir uns halten, wenn wir uns als separiertes Selbst erleben, das getrennt von anderen (erträumten) separierten »Selbsten« existiert – ganz zu schweigen vom ganzen Rest des Universums. Aus diesem fehlgeleiteten Gedanken entsteht eine falsche Identität, aus der die Pest von Wetiko erwächst.

Goldschmiedekunst

Beim Schreiben dieses Buches musste ich mich mit dem Dilemma herumschlagen, nicht zu wiederholen, was in meinem früheren Buch über dasselbe Thema gesagt wurde, und dem Leser dennoch einen echten Eindruck von der Tiefe von Wetiko zu vermitteln, falls er das frühere Werk nicht gelesen hat. Hier, mit diesem Buch, möchte ich ein möglichst umfassendes Bild von Wetiko vermitteln, für den Fall, dass dies das einzige Buch ist, das der Leser jemals zu diesem Thema lesen wird. Jeder dieser Bände steht für sich allein – er braucht den anderen nicht –, doch ergänzen sie sich.

Aufgrund der vielschichtigen Natur von Wetiko sind alle seine unzähligen kreativen Ausdrucksformen Variationen eines Grundthemas, was einige Wiederholungen nicht nur schwer vermeidbar, sondern sogar notwendig macht. Diese Wiederholungen erscheinen mir für die Struktur dieses Buches wichtig, als würde ich einen Mittelpunkt umkreisen, eine Beschwörung rezitieren und bestimmte Punkte mehr als einmal unterstreichen, um ihre Bedeutung zu betonen. Ich wende das an, was der Schriftsteller Alan Watts die »Goldschmiedekunst« nannte, indem ich denselben Punkt wiederholt aus leicht unterschiedlichen Blickwinkeln anspreche, um dem Leser zu helfen, das, was ich beleuchten möchte, aufzunehmen und zu verarbeiten.

Wenn wir wiederkehrende Träume haben oder ein wiederkehrendes Thema in einem einzelnen Traum, dann ist das Ausdruck dessen, dass unser Unbewusstes uns immer wieder – in leicht veränderter Form – etwas Wichtiges ins Bewusstsein holt, das wir bewusst erkennen sollten. Ich denke gerne, dass die Wiederholungen, die ich in diesem Buch bewusst belassen habe, auf dieselbe Weise gesehen werden können.

Oder vielleicht erträume ich mir das auch nur.

* Es ist bemerkenswert, dass es letztlich kein solches abgetrenntes individuelles Selbst gibt. Das Selbst ist relational, denn wir existieren nur in Relation zu anderen, zur Umwelt und zum Universum als Ganzem.

* subversiv von lat. subvertere: umkehren, umstürzen, vernichten [A.d.Ü.]

* Christus ist eines von zahllosen Beispielen dafür.

TEIL 1

Spirituelle Traditionen und kreative Künstler

Es sollte uns aufhorchen lassen, dass jeder, der Wetiko entdeckt hat, es für das wichtigste Thema hält, das es an unserer heutigen Welt zu verstehen gilt. In diesem ersten Abschnitt versuche ich aufzuzeigen, dass die Idee von Wetiko nichts Neues ist, sondern vielmehr von kreativen Visionären im Laufe der Jahrhunderte auf einzigartige Weise erschlossen wurde. Wenn diese Gesichtspunkte zusammen betrachtet werden, bieten sie uns eine multiperspektivische Vision, die eine höhere Auflösung bietet, als jeder einzelne Gesichtspunkt für sich allein es könnte. Dies kann uns helfen, diesen bisher unsichtbaren Geistesvirus auf eine Weise zu sehen, die Wetikos (und nicht unseren) schlimmsten Alptraum darstellt.

1

Alles eine Frage der Psyche

In der heutigen globalen Gesellschaft hat sich Wetiko auf den Planeten selbst ausgewirkt und bedroht das Überleben aller Menschen sowie vieler anderer Spezies und die Bewohnbarkeit der Erde selbst. Obwohl es sich ursprünglich um eine Idee der amerikanischen Ureinwohner handelt und aus der Sprache der Algonkin stammt, ist Wetiko eine universelle menschliche Krankheit, die aufgrund unserer Verbundenheit alle von uns befällt, unabhängig davon, woher wir stammen. Wetikos Übel gedeiht prächtig und wird in der Petrischale der modernen industriellen Welt sogar zur Pandemie. Es gibt keine Möglichkeit mehr, diese Krankheit zu vertreiben. Wir müssen sie diagnostizieren und versuchen, sie zu behandeln, indem wir ihr in uns selbst entgegentreten. Das ist der einzige Weg, um eine bewohnbare Zukunft für uns alle zu verwirklichen.

Ich denke an Jungs Behauptung, dass in der Geschichte nichts wirklich Neues passiert. Es ist, als lebten wir in einem endlos wiederkehrenden Traum und erlebten jeden Tag unseres Lebens den »Murmeltiertag«. Die Menschheit scheint ihre ungeheilten unbewussten Wunden, Traumata und Missbrauchsthemen ständig, unerbittlich und endlos zu wiederholen. Jung war der Meinung, dass wir nur dann von etwas Neuem in der Welt sprechen können, wenn das bisher Unvorstellbare eintritt: Wenn wahre Vernunft, echte Menschlichkeit und Liebe einen dauerhaften Sieg erringen. Ich bete, dass diese Arbeit – unterstützt durch den Segen derer, die im Laufe der Geschichte ihr Leben eingesetzt und sogar geopfert haben, um Licht in diese tödliche Krankheit zu bringen – dazu beitragen wird, dass das bisher Unvorstellbare gelingt.

Eine rettende Idee

Wenn es sich um eine Massenpsychose handelt, können uns, wie Jung betont hat, nichts anderes als »neue symbolische Ideen« aus unserem selbst geschaffenen kollektiven Alptraum retten. Diese Ideen müssen das entstehende Chaos und die Unordnung einschließen und ausdrücken und uns helfen, sie auf eine neue Art und Weise und in neuen Zusammenhängen zu sehen. Der konventionelle Verstand ist in dieser Hinsicht völlig nutzlos. Er kann uns nicht dabei helfen, uns aus diesem Dilemma zu befreien, weil er selbst ein Produkt des Wahnsinns ist, von dem wir uns befreien müssen, und weil er diesen Wahnsinn selbst geschaffen hat. Wie Albert Einstein sagte: »Wir können Probleme nicht lösen, indem wir dieselbe Art des Denkens nutzen, mit der wir sie geschaffen haben.« Und »die einzigen echten Ideen«, um den spanischen Philosophen Jose Ortega y Gasset zu zitieren, sind »die Ideen der Schiffbrüchigen«.1 Hier ist eine neue Idee: Der Retter selbst kann im Blitz einer wirklich neuen kreativen Idee erscheinen.

Die Ideen, die Plato als »Augen der Seele« bezeichnet, können ein Ausdruck der Seele selbst sein und diese offenbaren. Im Gegensatz zu abstrakten, immateriellen Nichtigkeiten, die kein Gewicht und keine Substanz haben, haben Ideen echte Macht. Sie sind das Mittel, mit dem wir die Welt sehen und unserem Leben schöpferisch einen Sinn verleihen. Neue Ideen verändern die Art und Weise, wie wir über Dinge denken, das Denken an sich und auch das, was wir glauben. Neu auftauchende archetypische Ideen können die kreative Vorstellungskraft der Menschen aktivieren. Diese Ideen sind Ausdruck und Katalysator für eine tiefere, umfassendere Vision der Welt und unseres Platzes in ihr. Eine neue Idee kann unser ganzes Dasein verändern: unsere Vorstellung von uns und unsere Wahrnehmung dessen, was in der Welt geschieht. Ideen sind nicht bloß Nebensächlichkeiten.

Neue Ideen, die wie eine Lotusblume aus den dunklen Tiefen des kollektiven Unbewussten auftauchen, können als lebendige psychische Organe betrachtet werden, die sich entwickeln – und uns dabei helfen, uns zu entwickeln –, wenn wir uns mit der Integration ihrer tieferen Bedeutung beschäftigen. Diese lebendigen Ideen sind nicht nur abstrakte Dinge, über die man passiv nachdenkt, sondern erfordern unser aktives Engagement bei der Integration und Entfaltung dessen, was sie uns offenbaren. Bewusstes Mitwirken an der Entstehung dieser lebendigen Ideen hat eine magische Wirkung, die die aufkommenden zerstörerischen Kräfte des Chaos und der Unordnung in Schach halten kann.

Was man als rettende Idee bezeichnen kann (das heißt neuartige, kreative, erlösende, archetypische Vorstellungen), kann ein Volk davor bewahren, der – in Jungs Worten – »Infektion durch eine ebenso einheitliche wie einseitige Überzeugung« zu erliegen.2 Es ist bemerkenswert, dass Jung eine einseitige Idee als Infektion beschreibt, aber sie schafft tatsächlich ein Ungleichgewicht und Unwohlsein in der Psyche. Es ist gefährlich, von einer veralteten fixen Idee besessen zu sein, denn sie kann eine Verkümmerung des Bewusstseins hervorrufen, die unsere innere Blindheit verschlimmert. Wenn wir uns unbewusst im Griff einer unreflektierten (und einschränkenden) Idee befinden, werden wir – ohne es zu merken – zu den Instrumenten der Idee, um sie in der Welt und in den Köpfen anderer Menschen zu reproduzieren. Die Idee »infiziert« dann nicht nur unser Denken, sondern auch alle anderen, die sie ebenfalls in ihren Köpfen übernommen haben. Diese einschränkenden Ideen werden unreflektiert über die Generationen hinweg weitergegeben. Einer der wichtigsten Verbreitungswege von Wetiko ist der konzeptionelle Bereich, das Reich der Ideen.

Jung vertrat die Ansicht, dass es heute »besonders notwendig« sei, uns von überholten Ideen zu befreien, die uns nicht mehr dienen. Bestimmte Ideen (und sicher einige, die wir für »selbstverständlich« halten,) haben ihr Verfallsdatum erreicht und halten uns auf, anstatt uns in unserem Evolutionsprozess voranzubringen. Vorstellungen darüber, wer wir sind (im Verhältnis zueinander), über die Beschaffenheit unserer Welt, unseren Platz in ihr und unsere schöpferische Kraft (oder deren Fehlen) werden in Anbetracht des Geistesvirus in Frage gestellt. Jung war der Ansicht, dass die kollektiven wahnhaften Ideen gefährlicher sind als alle physischen Gefahren, denen wir ausgesetzt sind. Um den Psychologen James Hillman zu zitieren: »Ich glaube, wir sind krank von Ideen.«3

Die Menschheit hat eine lange Geschichte des kollektiven Massenwahns. Nur weil eine Idee von der Mehrheit der Menschheit vertreten wird, ist sie noch lange nicht wahr, denn die Menschen können eine übereinstimmend vereinbarte, gemeinsame Halluzination aufbauen. Tatsächlich ist es so, dass aufgrund der Unbewusstheit der Menschheit in Verbindung mit ihrer Beeinflussbarkeit ein weitverbreiteter dogmatischer Glaube mit großer Wahrscheinlichkeit falsch oder mit unsichtbaren Fehlern behaftet ist. Stark vertretene Überzeugungen und Meinungen haben mehr Menschen getötet als Beulenpest und Pocken zusammen.

Wir sollten uns nicht auf einen starren Standpunkt versteifen (der unsere Freiheit einschränkt, kreativ auf die sich ständig ändernden Umstände zu reagieren). Vielmehr sollten wir unsere Situation aus so vielen Perspektiven betrachten, wie wir uns nur vorstellen können. Wenn wir auf unseren Standpunkt fixiert sind, leiden wir, um es mit den Worten des Psychologen Erich Neumann auszudrücken, an einem »Verschlossensein gegenüber der Offenbarung«,4 die eine Form der psychischen Blindheit ist, die wir selbst mitverursachen. Mit anderen Worten: Wenn wir uns dogmatisch auf unsere Sichtweise versteifen, verschließen wir uns vor dem, was die Welt uns offenbaren könnte.

Neue kreative, lebendige Ideen hingegen sind psychoaktivierend (sie aktivieren die Psyche) und eröffnen der menschlichen Psyche potentiell neue Erkenntnisströme. Eine neuartige sinnbildhafte Idee wie Wetiko kann mit einem Symbol verglichen werden, das in einem Traum auftaucht, denn wie ein Symbol ist es ein Transformator und Befreier von psychischer Energie. Neue symbolhafte Ideen können therapeutisch und befreiend sein, so als ob wir einen Stein, der auf einem keimenden Samen liegt, angehoben hätten, so dass der Keim sein natürliches Wachstum beginnen kann. In diesem Beispiel ist die Menschheit der keimende Same und unsere begrenzten und einschränkenden Vorstellungen sind der Stein, der unsere organische intellektuelle, emotionale, seelische, moralische und spirituelle Entfaltung blockiert. Neue Ideen sind dazu da, dass man über sie nachdenkt und sich mit ihnen beschäftigt. Der Wert einer Idee hängt davon ab, wie sie auf uns wirkt. Bringt sie uns auf andere Ideen, regt sie uns zum Nachdenken an, inspiriert sie uns, über Dinge auf eine neue Art und Weise nachzudenken, entfacht sie unsere Kreativität oder weckt sie etwas in uns? Ideen sind mit Wissen und Bewusstsein verbunden. Dies kommt in unserer Alltagssprache zum Ausdruck. Wenn jemand nicht weiß, was er tut, sagen wir normalerweise: »Er hat keine Ahnung, was er tut.«

Ideen können uns wachrütteln für das, was wirklich möglich ist, oder sie können uns blind machen, je nach ihrer Art. Die Idee von Wetiko ist ein ideelles Virus, das unser Bewusstsein erweitern kann, wenn wir es zulassen. Die Wetiko-Idee ist eine Form der Offenbarung, die unsere Klarheit stimulieren kann, da sie sowohl unser Bewusstsein erweitert als auch Ausdruck eines erweiterten Bewusstseins ist.

Einige Denker, wie Philip K. Dick (von dem wir später noch mehr lesen werden), betrachten Ideen als lebendige Wesen oder Entitäten. Solche Ideen werden nicht von uns »gemacht«, ebenso wenig wie Träume. Aus Dicks Sicht finden wir nicht die Ideen, sondern die Ideen finden uns. Wenn die Zeit für eine Idee gekommen ist, in die Welt zu gelangen, sucht sich die Idee – die nach Dicks Auffassung ein Eigenleben hat – einen empfänglichen Geist, der sie vertritt. Diese lebendigen Ideen können Menschen ergreifen und sich ihrer bedienen, um sich im Strom der menschlichen Geschichte zu materialisieren. Oft beginnt eine neue Idee zu entstehen, indem sie ein unbewusstes Verhalten in einer Gruppe oder einem Volk informiert und ihm Gestalt gibt, und erst viel später wird sie erkannt und zu einer bewussten Idee.

Ideen gehören nicht dem jeweiligen Erfinder, und sie sind auch nicht das Eigentum des Erfinebd. Ideen entspringen aus etwas Größerem als dem einzelnen Menschen. In einem sehr realen Sinne machen wir nicht unsere Ideen, sondern unsere Ideen machen uns. Und doch, wenn wir von Wetiko befallen sind, denken wir wohl, dass wir ein Monopol auf unsere Ideen haben und glauben, dass wir sie besitzen. Wir beschuldigen andere, sie würden sie uns stehlen, obwohl sie sich in Wirklichkeit auf denselben höherdimensionalen Ideenspeicher einstimmen könnten wie wir.

Angesichts unserer gegenwärtigen Weltkrise ist ein kreativer Durchbruch, eine neue Sichtweise der Dinge – eine rettende Idee –, die grundlegend neue Einsichten in die Natur unseres Universums und unseren Platz darin aufscheinen lässt, zwingend erforderlich: eine absolute Notwendigkeit für unser Überleben. Wetiko und alles, wofür es steht, ist genau eine solche neue symbolische Idee. Wetiko ist jedoch mehr als eine bloße Idee, denn es hat eine ganz eigene lebendige Realität, die die Art und Weise, wie sich unsere Erfahrungen in der Welt manifestieren, verändern kann.