Wider die Irrlehren - Eznik von Kolb - E-Book

Wider die Irrlehren E-Book

Eznik von Kolb

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Beschreibung

Neben seiner Arbeit an der neuen Version der Bibel und verschiedenen Übersetzungen verfasste Eznik von Kolb mehrere Werke, von denen das wichtigste seine bemerkenswerte apologetische Abhandlung "Wider die Irrlehren" ist. Es wurde zwischen 441 und 449 geschrieben und besteht aus vier Teilen: Im ersten, "Gegen die Heiden", bestreitet Eznik die Ewigkeit der Materie und die substantielle Existenz des Bösen. Im zweiten widerlegt er die Hauptlehren des Parseeismus/Zoroastrismus, insbesondere den Zurvanismus. Der dritte Teil richtet sich gegen Aspekte der Glaubensvorstellungen der griechischen Philosophen (Pythagoräer, Platoniker, Peripatetiker, Stoiker und Epikureer). Dies ist der einzige Abschnitt, in dem Eznik seine Argumente aus der Bibel und nicht aus der Vernunft bezieht. Das vierte Buch ist eine Darstellung und Widerlegung des Marcionismus als einer dualistischen Häresie. Ein wesentliches Thema des Werkes ist die Bedeutung des freien Willens in der christlichen Theologie.

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Seitenzahl: 239

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Wider die Irrlehren

 

EZNIK VON KOLB

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Wider die Irrlehren, E. von Kolb

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849659738

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Erstes Buch: Widerlegung  der Irrlehre der Heiden.2

Zweites Buch: Widerlegung  des persischen Heidentums.44

Drittes Buch: Widerlegung  der Religion der griechischen Weisen.78

Viertes Buch: Widerlegung der Sekte des Marcion.95

Fußnoten. 117

 

 

Wider die Irrlehren

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Wider die Irrlehren (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Wider die Irrlehren (De Deo) In: Ausgewählte Schriften der armenischen Kirchenväter / aus dem Armenischen übers.; hrsg. von Simon Weber. (Ausgewählte Schriften der armenischen Kirchenväter Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 57) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1927. Unter der Mitarbeit von: Hans-Josef Born und Rudolf Heumann

 

 

 

 

Erstes Buch: Widerlegung der Irrlehre der Heiden.

 

1.

 Wenn jemand über das Unsichtbare und seine ewige Kraft eine Erörterung anstellen will, so muß er als leibliches Wesen seinen Sinn erhellen, seine Gedanken läutern, die Leidenschaften zügeln, um das vorgesteckte Ziel erreichen zu können. Derjenige, welcher das Licht der Sonne schauen will, muß auch entfernen, was das Auge verdunkelt, Unsauberkeit und Ausfluss, damit nicht sonst Nebel 1 das Auge umflimmern und es hindern, das Licht klar zu schauen.

Da es nun eine, ihrer Natur nach unerforschbare und unerfaßbare Wesenheit2 gibt, so müssen wir vor ihrer Unerforschlichkeit unsere Unwissenheit bekennen, ihrem Dasein gegenüber aber zugestehen, daß wir es erkennen, ohne dasselbe erforschen zu können. Denn der Absolute 3 muß ewig und anfangslos sein 4. Er kann von keinem andern den Anfang des Seins 5 gewonnen haben. Und er hat niemand über sich, der für seine Ursache zu halten wäre oder von dem man glauben müßte, er habe aus ihm den Anfang des Seins erhalten. Denn vor ihm ist niemand und nach ihm ist niemand ihm gleich, er hat keinen Genossen, der ihm gleich steht. Es gibt auch kein Sein, das im Widerspruch zu ihm existierte und nichts besteht als Gegensatz  zu ihm. Kein Wesen besteht, das die Materie darböte für dessen Bedarf, noch gibt es einen Stoff, aus dem er nehmen müßte, was er schaffen wird. Aber er ist die Ursache von allem, was zu Sein und Existenz gekommen ist, aus Nichtseienden wie aus Seienden 6, wie der obere Himmel 7 und was in ihm, und der sichtbare Himmel, der aus Wassern ist, und die Erde und alles, was aus ihr und in ihr ist. Von ihm ist alles, aber er ist von nichts anderem. Er hat jedem 8 nach seiner Ordnung das Sein gegeben, dem unsichtbaren und unkörperlichen Wesen und ebenso den sichtbaren Körperwesen. Wie er imstande ist, das Leben zu schenken, so ist er auch imstande, zur Kenntnis seiner unerschaffenen Wesenheit zu leiten und an seinen Geschöpfen nach ihrer Art zur Befestigung zu bringen. Nicht nur deshalb müssen wir ihn bewundern, weil er das Seiende aus dem Nichts zum Sein rief und die Wesen aus Nichts zum Etwas 9, sondern auch deshalb, weil er unverletzt und unerschütterlich die seienden Dinge erhält. Neidlos gab er denselben auch das Leben, um seine Schöpfergüte zu offenbaren.

Denn er ist erhaben über allen Mangel und braucht nicht aus solchem Grunde das Leben für sich allein zurückzubehalten; erhaben über Kraftlosigkeit und Schwäche, und braucht seine Macht nicht zu erschleichen 10, erhaben über Unwissenheit und braucht nicht für sich allein sein Wissen zu bewahren, und erhaben über die Beschränktheit in der Weisheit, daß er, wenn er andern Weisheit mitteilt, selbst sich benachteiligen würde. Er ist lebendig und der Quell des Lebens, er spendet allen das Leben und ist selbst voll unendlichen Lebens. Er kräftigt das Schwache mit seiner großen Kraft und  seine schöpferische Macht verringert sich nicht dabei. Den Unwissenden allen schenkt er das Wissen und bewahrt in sich vollkommen die Allwissenheit. Über alle ergießt er die Fülle der Weisheit und bleibt selbst im ungeschmälerten Besitz aller Weisheit.

Die immersprudelnden Quellen 11, welchen er die Ordnung vorgeschrieben hat, fließen immer und nehmen nicht ab; und mit ihrem Reichtum ersetzen sie die Armut anderer, während sie selbst immerdar die gleiche Fülle bewahren; wieviel mehr (muß) derjenige, der ihnen ihre reiche Quellkraft gab, (in seiner Fülle beharren) der Quell der Güte, er, der alles, was er schuf, gut schuf, das Vernünftige und das Unvernünftige 12, die erkennenden und die erkenntnislosen Wesen, die redebegabten und die sprachlosen, die lautmächtigen und stummen Geschöpfe. Und für die vernünftigen und erkennenden Wesen hat er die Anordnung getroffen, daß sie gemäß ihrer Tugendbestrebungen die Güte besitzen sollten, nicht aber die Schönheit. Denn der Geber der Schönheit ist er selbst, aber die Auswirkung der Güte hat er dem eigenen persönlichen Kraftgebrauch als Ursache zugewiesen.

  

2.

Wenn nun einige meinen, daß, was unter den Geschöpfen schön ist, vom guten Schöpfer sei, wie es die heidnischen Griechen, die Anhänger der Magier 13 und Häretiker annehmen, welche an eine wesenhaft böse Substanz im Gegensatz zu einer guten glauben, welche sie ὑλη [hylē] 14, übersetzt Stoff, nennen, so ist unsere erste, zum voraus bemerkte Entgegnung diese: Vom wohltätigen Schöpfer kann nichts Böses herstammen, und: Es gibt nichts Böses, was seiner Natur nach böse wäre, und: Es gibt keinen Schöpfer der bösen Dinge, sondern der guten.

 Und nun, welche Geschöpfe sollen für gut, welche für böse gelten? Vielmals erweisen sich Dinge, die als gut erscheinen, alleinstehend und ohne Verbindung mit andern nach allgemeinem Zeugnis für schädlich. Obwohl 15 die Sonne gut ist, so wirkt sie doch ohne die Mitwirkung der Luft versengend und vertrocknend. In ähnlicher Weise ist der Mond mit feuchter Natur 16 ohne Teilnahme an der Wärme der Sonne schädlich und verderblich. Auch die Luft ist ohne die Feuchtigkeit des Taues und der Wärme schädlich und verderblich. Das Wasser schwemmt den Boden der Erde hinweg und verdirbt ihn, der Erdboden ohne Wasser hinwieder wird rissig und sandig[?] 17. Auf diese Weise sind die vier Naturstoffe, aus denen die Welt zusammengesetzt ist, für sich allein genommen gegenseitig schädlich, mit und durcheinander gemischt aber sind sie nützlich und segenbringend 18. Das sind für alle, welche sich belehren lassen wollen, bekannte Verhältnisse.

Folglich besteht also eine verborgene Macht, welche das, was einander verderblich wäre, durch Untereinandermischung gegenseitig nützlich macht. Und wer bei gesundem Sinne ist, der kann nicht das, was bewegt wird, sondern muß den Beweger preisen; nicht über die Diener, sondern über den Leiter müssen sie staunen, nicht über das, was wandelt, sondern über den, der wandeln macht. Denn jene tuen durch ihre Veränderungen kund, daß irgendeiner ist, der sie verändert, die Sonne, indem sie leuchtet, sich erhebt und zum Untergang sich wendet, der Mond, indem er wächst, voll wird und abnimmt, und ebenso die andern Wesen unter den Geschöpfen, indem sie nach ihrer natürlichen Beschaffenheit bewegt werden und ruhen. Und nun ist es nicht Sache des gesunden Denkens, den Beweger und Veränderer zu verlassen, und dem, was bewegt und verändert wird, zu dienen und Anbetung zu leisten. Denn was bewegt wird und sich ändert, ist nicht das Ursein, sondern ein Sein, das durch jemand  oder von etwas geworden ist oder das gewirkt worden ist aus dem Nichts. Der aber, welcher von sich ist und alles bewegt, wird nicht selbst bewegt oder verändert, da er das Ursein ist und unbeweglich.

  

3.

Und daß eine einzige ewige Wesenheit ist und auch für alles die Ursache ist, daß es ist, dafür geben auch jene Zeugnis, welche den Kult einer Vielheit von Göttern eingeführt haben. Sie begründen ihn so: Da wir, so sagen sie, nicht imstande sind, der Ursache aller Dinge uns zu nahen, dem Ursein, der (Ur)substanz, dem Ewigen und Unzugänglichen, deshalb dienen wir ihm durch andere unter ihm stehende Wesen, und nun müssen wir auch die Geneigtheit derjenigen Wesen, durch welche wir ihm Anbetung leisten, mit Opfern und Gaben erwerben.

Wenn nun, wie sie bezeugen, es nur eine Ursache aller Dinge gibt und dieselbe urseiend und ewig ist, so ist es offenbar, daß die anderen Wesen nicht urseiend und nicht ewig sind; wieso nun empfangen die nichturseienden und nichtewigen Wesen an Stelle des Urseienden und Ewigen Anbetung? Und das ganz besonders die körperlichen und sichtbaren Dinge, wie die Sonne und der Mond und die Sterne und das Feuer, das Wasser und die Erde, welchen von den Magiern und Heiden gedient wird?

Sollte jemand aus diesen Kreisen nun sagen: Es ist gut, daß ihr ein einziges Wesen als die Ursache von allem anerkennet; allein, wenn es ein Wesen ist, welches alles in allen Dingen bewirkt und nichts ihm entgegensteht, weshalb mutet ihr uns dann zu, die gütigen und wohltätigen Geschöpfe, welche von ihm hergestellt sind, zu mißachten? Darauf werden wir sagen: Wir muten euch nicht zu, die gütigen und wohltätigen Dinge, die von ihm hergestellt sind, zu mißachten, wohl aber (befehlen wir euch) andererseits den Gott(schuldigen) Dienst auch nicht den Geschöpfen zu leisten. Denn niemand ist wohltätig und gütig außer dem Einen, welcher geschaffen ohne Vorenthalt und welcher die vernünftigen, unsichtbaren Wesen im Leben erhält ohne Neid, die Engel nämlich und die Seelen der Menschen und die sinnbegabten unbeseelten Wesen, jedes an seiner Stelle.

 Gut ist also 19 die Sonne und schön von Natur, uns und allen Geschöpfen, die unter dem Himmel sind, nützlich und zur Fürsorge, wie ein Licht im großen Hause zwischen der Decke und dem Boden leuchtend, um die Finsternis und das Dunkel der beiden großen Gefäße zu verscheuchen. Aber sie weiß selbst nicht, ob sie ist, oder ob sie nicht ist, denn sie gehört nicht zu den vernunftbegabten erkenntnisfähigen Wesen. Ebenso verhält es sich mit den anderen unbeseelten Geschöpfen. Wasser, Feuer, Erde und Luft wissen nicht, ob sie sind, oder ob sie nicht sind, und unaufhörlich vollziehen sie den Dienst, zu dem sie verordnet sind, in Kraft der Führung desjenigen, der sie gebildet hat. Wir verachten sie nicht und dienen ihnen auch nicht, sondern im Hinblick auf sie preisen wir ihren Schöpfer und Beherrscher. Denn sie dienen uns zum Gebrauche, und ihrem Schöpfer zum Ruhme.

Weshalb sollten wir die Sonne anbeten, die bald gerufen wird, wie ein Knecht zum Dienste zu kommen, für den sie bestimmt ist, und bald enteilt und sich wie erschrocken verbirgt und der Finsternis Platz macht, daß sie den Raum im großen (Welten)hause ausfülle? Von Zeit zu Zeit kehrt sie in die Finsternis zurück zur Widerlegung und Beschämung ihrer Anbeter, indem sie dabei offen dartut: Nicht ich bin der Anbetung würdig, sondern derjenige, der mich jeden Tag leuchtend erhält und nachts verbirgt; und von Zeit zu Zeit verfinstert sie sich und, obwohl unbeseelt, spricht sie doch mit beredtem Mund: Nicht Anbetung zu empfangen bin ich würdig, sondern Anbetung zu leisten. Oder weshalb der Mond, der Monat für Monat abnimmt und gleichsam stirbt und dann wieder anhebt, lebendig zu werden, um euch ein Vorbild der Auferstehung darzubieten? Weshalb die Luft, die bald heult, in Aufruhr erregt, nach Befehl, bald furchtsam von ihrem gewaltigen Brausen abläßt? Oder weshalb das Feuer, zu dessen zweitem Schöpfer dich der Erschaffer selber gemacht hat? Denn wenn du willst, entfachest du es, und wenn du willst, löschest du es aus. Oder die Erde, welche wir immer umgraben und betreten und auf welche wir  unsern und unserer Tiere Unrat ausschütten? Oder das Wasser, welches wir immer trinken und dessen Wohlgeschmack wir in unserem Leibe in Übelgeruch verkehren 20, mit welchem wir uns innerlich und äußerlich vom Schmutz reinigen.

Durch alles dies wird klar, was sie für Götter halten, mißachten sie sehr und entehren sie. Zittern und Zagen befällt die Geschöpfe, wenn jemand ihnen die dem Schöpfer schuldige Anbetung zollt. Die Erde tut es kund in ihrem Beben, die Lichtgestirne durch ihre Verfinsterung, die Luft durch Zittern und Erschütterungen, das Meer durch das ungestüme Drohen seiner Wogen. Denn wenn nicht die Macht des Schöpfers sie zurückhielte, so wäre jedes einzelne von ihnen imstande, alles zu verschlingen, um Rache zu nehmen für die gemeinsame Entehrung des Schöpfers; sei es, daß das Meer, das nur durch schwachen Sand umzäunt ist und gemäß dem Befehl nicht über seine Grenzen schreiten kann, sie bedeckte (= überflute); sei es, daß die Erde, welche über dem Nichts erbaut steht und nicht imstande ist, ins Nichts zurückzukehren und ihre Bewohner dahin zurückzuführen, sie verschlingt; sei es, daß der Wind, der das Leben aller beseelten Wesen ist, und ohne Befehl des Lebensherrn das Leben nicht hindern kann, Erschlaffung brächte; sei es, daß die Luft bald Kälte weht, bald Hitze herbeiführt, und alles zu nichts wird. Die Welt stellt sich also nur unserem Anblick dar, wie ein Wagen, bespannt von vier Pferden; diese sind die Wärme, Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit. Und eine verborgene Kraft ist der Wagenlenker, welcher die vier einander Widerstreitenden zur Verträglichkeit und Eintracht bringt und bändigt. Alle Wagen werden von gleichartigen Rossen bespannt, dieser Wagen allein ist von ungleichartigen bespannt. Auch solche Wagen mit gleichartigem Gespann, stoßen bisweilen an und geraten aus der Bahn, bringen den Wagenlenker in Gefahr und sich selbst. Bisweilen bringen sie den Wagen zum Zerschellen. Und ist der Wagen gut, gut auch der Wagenlenker und die Pferde abgerichtet, da richten sie ihre Aufmerksamkeit nur nach vorn und laufen dahin. Doch dieser Wagen,  so wunderbar miteinander ganz widerstrebenden Pferden bespannt und von unsichtbarer Hand geleitet, läuft nicht nur in einer Richtung gerade nach vorwärts, sondern fährt nach allen Seiten und läuft überallhin, ist immer in Bewegung und ist für alles genügend. Während er seinen Lauf nach Osten nimmt, hindert ihn nichts, auch nach Westen zu gehen, und während er nach Norden eilt, hindert ihn nichts, nicht auch nach Süden sich zu bewegen. Denn die Hand seines Lenkers ist mächtig genug, ihn nach allen Seiten zu lenken und nach den vier Himmelsrichtungen des Erdkreises ihn in Bewegung zu setzen.

  

4.

Auf solche wahre Sätze bringen sie nun wieder unpassende Fragen vor. Woher kommen überhaupt, so sagen sie, diese Unstimmigkeiten? Wenn Gott der Schöpfer des Guten ist, und nicht der Schöpfer der bösen Dinge, woher stammt die Finsternis, woher kommen die bösen Sachen, woher die Mühsale, woher die Bedrängnisse bald von Seiten der Kälte, bald von Seiten der Wärme? Oder woher stammen die Verkehrtheiten 21, denn wir sehen doch, wie Männer eines Stammes gegeneinander sich aufreizen lassen und einer nach Tod und Blut 22 des anderen dürstet. Andere wühlen die Gräber auf und entblößen den im Staub begrabenen Leichnam und entehren ihn im Lichte der Sonne, ja geehrte Leichname berauben sie absichtlich ihrer Hülle und werfen sie vielleicht den Hunden und Geiern vor. Manchmal flieht der eine und sucht, irgendwohin sich flüchtend, sein Leben zu erhalten, der andere aber, voll glühenden Zornes, folgt mit dem Schwert hintendrein und lässt nicht nach, bis er seinen Groll gesättigt hat. Woher kommt dieser unersättliche Zorn? Ein anderer zieht dem Nächsten die Kleider vom Leib, und kehrt er sich gegen ihn, dann schafft er ihn aus dem Lichte der Sonne. Ein anderer hat es sich in den Kopf gesetzt, den Nächsten um sein eheliches Recht zu hintergehen. Er naht sich ungerechterweise dem Bette  desselben und hindert denjenigen, Vater an Söhnen zu werden, der nach dem Gesetze vermählt ist. Bald werden Kriege heraufbeschworen, wo der Sünder und der Gerechte miteinander hingeschlachtet werden und frühzeitiger Tod und bittere Schmerzen zu kosten sind. Und wozu wäre es nötig, eines um das andere herzuzählen, statt kurz zu sagen: Woher ist das alles, wer ist der Urheber und Bringer all dieses Widerwärtigen, wenn es nicht eine böse Macht gibt, welche alle diese Störungen eintreten lässt und selbst Urheberin davon ist. Denn Gott den Schöpfer davon zu nennen, gehört sich nicht, auch nicht, von ihm das Sein des Bösen herzuleiten. Wie wäre es möglich, solches von Gott zu denken, denn Gott ist gütig und Schöpfer aller Güte. Das Böse berührt ihn nicht einmal, es gelüstet ihn nicht, daran sich zu weiden, sondern er verabscheut dessen Tat und Täter. Denn das Böse ist mit seiner Natur unvereinbar.

Daher kommt die Meinung, daß es etwas außer ihm gebe, wofür sie den Namen ὕλη [hylē] haben, was Stoff heißt, daraus habe er alle Geschöpfe gemacht und sie mit allweiser Kunst unterschieden und mit Schönheit geschmückt. Diesem Stoffe sei das Böse zuzuschreiben, da er an sich unwirklich und gestaltlos und in ungeordneter Menge zerstreut umhertrieb und der göttlichen Kunstordnung entbehrte. Diesen Stoff habe nun Gott nicht immer im Zustande der Unordnung gelassen, sondern er habe sich angeschickt, die Geschöpfe zu schaffen. Und er wollte aus dem schlecht Beschaffenen daran das Edlere ausscheiden. Und so schuf Gott aus ihm, wie es ihm gefiel, die Geschöpfe zu erschaffen. Und was an ihm Unreines war und ungeeignet zur Schöpfung, das ließ er beiseite. Und aus diesem Bodensatze stamme das Böse unter den Menschen.

  

5.

Antwort: In Wahrheit hat allerdings in vielen das vorkommende Böse Bedenken wachgerufen und viele hervorragende Männer haben darüber sehr große Untersuchungen angestellt. Die einen wollten etwas Anfangsloses neben Gott annehmen, die anderen aber neben ihm die Materie, die sie Hyle (Stoff) nennen, daß er aus ihr das Böse geschaffen habe, noch andere aber gehen der  Frage ganz aus dem Wege, weil man bei der Behandlung derselben doch an kein Ende komme. Allein uns nötigt die Liebe zu den Freunden und die irrig blickende Gegnerschaft, gemäß unserer Schwachheit zur Gnade Gottes unsere Zuflucht zu nehmen und in die Untersuchung dieser Fragepunkte einzutreten, zumal da wir Hoffnung und Vertrauen haben auf die bereitwillige Aufmerksamkeit unserer Zuhörer, welche es möglich macht, ihnen die Wahrheit vorzutragen, und es uns erspart, die Worte eitel und für nichts aufzuwenden. Denn wir bemühen uns nicht etwa, um mit Unrecht zu siegen, sondern um mit Recht das Wahre zu lernen 23.

In dieser vorwürfigen Frage ist es nun offenbar, daß nicht zwei unerschaffene Wesen zugleich miteinander existieren können. Denn wo zwei Wesen irgend zugleich miteinander existieren, da muß etwas da sein, was dieselben voneinander trennt. Was halten sie nun von Gott? Vielleicht daß er gleichsam örtlich überall in der Materie sei, oder etwa bloß in einem Teile derselben? Wollten sie sagen, daß Gott ganz in aller Materie sei, so können sie Gott noch so groß denken, die Materie erweist sich doch größer als er. Denn wenn jemand in einem andern ist, so ist das, in dem (das andere) ist, größer als das, was in ihm ist 24, denn es war fähig, ihn ganz zu umfassen. Wenn er nur in einem Teile von ihr war, so erweist sich auch dann die Materie tausendmal größer, weil schon ein kleiner Teil von ihr ihn ganz aufzunehmen vermochte. Und wenn er nicht in ihr ist und auch nicht in einem Teile von ihr, dann ist offenbar, daß etwas anderes als Zwischenraum zwischen beiden ist, größer als beide. Und nicht nur zwei anfangslose Wesen finden sich dann, sondern drei: Gott und die Materie und der Zwischenraum, dabei ist der Zwischenraum insbesondere größer als beide 25.

 War aber jemals die Materie ungeschmückt, eigenschaftslos und gestaltlos und hat sie Gott geschmückt, weil er sie aus dem niedrigen Zustand in den besseren erheben wollte, da gab es also eine Zeit, während welcher Gott im Ungeschmückten, Eigenschaftslosen und Gestaltlosen sich befand, und er und die Materie mußten in chaotischem Durcheinander schweben.

Und wenn Gott, wie sie sagen, in der ganzen Materie war, worin konnte er, als er sie zur Ordnung, Beeigenschaftung und Gestaltung emporführte, sich selbst einschließen, da er doch allezeit unumschließbar ist. Hat er sich etwa selbst mit der Materie zur Ordnung, Beeigenschaftung und Gestaltung erhoben, da ja nirgends ein Ort war, sich abzuschließen. Das (anzunehmen) wäre doch die größte Ruchlosigkeit.

Wollten sie jedoch ferner sagen, daß die Materie in Gott war, so müßte man in gleicher Weise fragen, ob als etwas von ihm Getrenntes 26, wie die Tiere in der Luft, die in ihr sind und doch von ihr getrennt sind, ob wie in einem Orte, gleichwie das Wasser auf der Erde.

Von der Materie behaupten sie, daß sie unbestimmt, ungeordnet, eigenschaftslos und böse war. Wenn es sich ihrer Ansicht nach verhielte, so wäre Gott der Ort des Bösen, denn das Wirre und Ungeordnete wäre in ihm. Es ist aber eine unerträgliche Gottlosigkeit, von Gott zu meinen, daß er jemals das Böse als seinen Gast aufgenommen hätte und noch der Schöpfer des Bösen wäre. Ja auch für teilbar müßte man ihn noch halten, weil es örtlich in ihm war.

  

6.

Es ist hier notwendig, zu den Ursachen des Übels zu kommen und zu zeigen, sowohl, woher die Übel kommen, als auch, daß Gott nicht die Ursache des Übels ist, und zwar gerade damit, daß sie ihm die Materie zur Seite setzen.

Was für eine Materie denn stellen sie für Gott bereit? Nicht etwa jene, aus welcher er die Welt gemacht  hat, die gestaltlos, ungeordnet und roh gefügt war? Denn wir sehen die Welt in mannigfaltigen Gestalten, Ordnungsweisen und Zierden. Also wäre Gott der Schöpfer der Gestalten, Ordnungsweisen und Zieraten, nicht aber des Wesens. Gehört es nun aber zum Werk Gottes, die Wesenheiten zu schaffen und nicht allein die Zieraten und die Ordnungsweisen und Gestalten, so erhellt, daß es ganz überflüssig ist, zu meinen, daß Gott aus einer ihm vorliegenden Materie die Welt erschaffen habe, sondern, (daß festzuhalten ist, daß er sie schuf) aus dem Nichts und dem Nichtseienden.

Wir sehen, daß auch die Menschen aus nichts etwas hervorbringen. So z. B. bauen die Baumeister nicht aus Städten Städte und nicht aus Tempeln Tempel, da diese nicht imstande sind, etwas überhaupt aus nichts zu machen, so nennen sie doch die Steine, die sie zu Bauten zusammenfügen, nicht auch wieder Steine, sondern Städte und Tempel. Denn nicht ein Werk der Natur sind 27 die Städte oder Tempel, sondern der Kunst, die in der Natur ist. Und die Kunst nimmt nicht nach irgend etwas (in der Natur) Vorhandenen die Kunstfertigkeit, sondern nach den Eigenschaften, welche an den Naturen vorkommen. Denn das für sich Bestehende kann nicht am Fürsichbestehenden (als solchem) die Kunst zeigen, sondern an den Eigenschaften, welche eintreffen. So zeigt in der Schlosserei der Schlosser (seine Kunst) und in der Tischlerei der Tischler. Denn der Mensch ist vor der Kunst 28. Aber die Kunst wäre nicht, wenn nicht der Mensch wäre. So muß man sagen, daß im Menschen die Kunst aus nichts bereitet ist. Wenn sich das beim Menschen so verhält, wieviel mehr ziemt es sich, von Gott zu denken, daß er nicht allein der Schöpfer von Eigenschaften und Ordnungsweisen und Gestaltungen ist, sondern daß er die Kraft besitzt, die Naturen selbst aus nichts zu schaffen und nicht bloß Beschaffenheiten der Materie, indem Gott aus dieser das Gute auf die eine Seite ausschied und das Böse in wirrer Mischung auf die andere, weshalb dann das Wirrvermischte das Reine zu trüben sucht.

  

7.

 Woher kommt das Böse, das geschieht? Fragen auch wir danach. Ist das Böse Substanz oder Eigenschaft an Substanzen? Man antwortet, es liegt nahe, zu glauben, daß es Eigenschaft an Substanzen ist.

Und die Materie, welche sie eigenschaftslos und gestaltlos nennen, weshalb soll sie, die eigenschaftslose und gestaltlose, an anderen Eigenschaften hervorbringen können, wenn nicht das Böse vom Zufälligen stammte, und nicht von ihr? Denn der Mord ist keine Substanz und auch der Ehebruch ist keine Substanz, und so weiterhin die andern Übel, eines nach dem andern. Sondern wie vom Schreiben der Schreiber 29 seinen Namen hat, und von der Kunst der Künstler 30 und von der Krankenheilung der Arzt, und das nicht, weil sie als solche Substanzen sind, sondern sie von den Sachen den Namen erhalten, so empfängt auch das Böse seine Benennung vom Zufälligen 31.

Wenn dann auch ein anderer als Anstifter und Anzeiger zum Bösen gilt, der es den Menschen in den Sinn einflößt, so erhält auch dieser vom Werk, das er ausübt, den Namen der Bosheit. Man muß freilich das bedenken, daß keiner das ist, was er schafft. Wenn z. B. der Töpfer Geschirre macht, so wird er nicht selbst zum Gefäß, sondern er ist nur der Hersteller der Gefäße. So bekommt er auch die Bezeichnung seines Handwerkes. In derselben Weise empfängt der Übeltäter von der Vollbringung des bösen Werkes den Namen seiner Bosheit, mag es nun ein Ehebrecher sein oder ein Mörder. Es werden also die Menschen mit Recht als Täter des Bösen bezeichnet, denn sie sind die Ursache, daß es geschieht oder nicht geschieht. Und die Übel dürfen wir nicht als etwas Substanzielles bezeichnen, sondern als Eigenschaften der Substanzen und als bös.

Wenn sie nun mit gleicher Hartnäckigkeit darauf bestehen bleiben, daß die Materie wirklich eigenschaftslos und gestaltlos war, und Gott sie in den Zustand der Form,  Gestalt und Beeigenschaftung übergeführt habe, so halten sie also Gott für den Urheber des Bösen. Es wäre besser gewesen, daß sie ungeformt und eigenschaftslos geblieben wären, als mit Eigenschaften und Gestalt versehen zu werden und anderen zur Ursache des Bösen zu sein. Indes, wie wäre es möglich, daß etwas werden könnte, was da ist, wenn es gestaltlos wäre? Schon wenn man etwas gestaltlos nennt, weist man auf Gestaltung hin. Wenn aber hinwiederum (die Materie) Substanz und gestaltet gewesen wäre, so wäre es überflüssig, Gott als (ihren) Schöpfer zu bezeichnen.

Jedoch sie behaupten, deshalb, daß er aus Eigenschaftslosigkeit und Ordnungslosigkeit sie zur Ordnung und Gestaltung führte, wird er mit Recht Schöpfer genannt.

Das ist dem ähnlich, wenn jemand aus Steinen ein Gebäude aufführt. Da kommt ihm nur die Herstellung der Zubereitung und des Gefüges zu, nicht aber die der natürlichen Wesenheit. Zu was nun hätte Gott das Formlose erschaffen, zum Guten oder zum Bösen? Wenn sie sagen zum Guten, so muß man fragen, woher das Böse kommt, das geschieht. Es müßten also 32 die Eigenschaften nicht so geblieben sein, wie sie waren, sondern weil sie zum Guten gewendet waren, hätten sie auch als gut erscheinen müssen. Haben sie sich aber zum Schlechten gewendet, werden sie dann noch sagen können, daß Gott die Ursache des Übels sei, da er ja die Eigenschaften zum Guten wandte?

Doch sie behaupten, daß er das Reine auswählte auf die eine Seite und daraus die Geschöpfe gemacht habe, aber das wirre Gemenge beiseite ließ.

Darauf müssen wir bemerken: Da er auch die Macht hatte, dies zu reinigen und das Böse hinwegzuschaffen, so müßte man, wenn er es nicht hinwegschaffen wollte, ihn die Ursache des Bösen heißen. Denn dann hatte er aus der Hälfte davon gute Geschöpfe geschaffen, die andere Hälfte aber vernachlässigte er so, daß sie den guten Geschöpfen zum Untergang wurde. Und wenn jemand die  Sache wahrheitsgemäß überlegt, so findet er, daß die Materie in viel schlimmere Gefahr gekommen ist, als früher bei ihrer anfänglichen Strukturlosigkeit; denn vor der Ausscheidung und vor dem Gefühl der Gefahr des Bösen war sie in Sicherheit und Sorglosigkeit; nun aber beim Gefühl des Bösen befindet sie sich in Gefahr und Zweifel. Wenn es dir gefällt, so nimm den Menschen zum Beispiel. Bevor er gebildet war und zum Leben kam, war er des Bösen unteilhaft. Wenn er aber das Maß des menschlichen Alters erreicht hat, dann stürzt er sich in das Böse mit eigener Macht 33. So ergibt sich auch bezüglich der Güte, welche sie der Materie als (ursprüngliche) Gabe Gottes beilegen, daß sie der Verschlechterung anheimfiel.

Wenn ferner Gott das Böse in dieser Art zuließ, weil er es nicht hinwegschaffen konnte, so übertragen sie damit eine Schwäche auf Gott, mag er nun von Natur schwach sein, oder mag er furchtsam einem unterlegen sein, der stärker war als er. Ist er erschreckt vor einem andern unterlegen, der größer war als er, dann muß das Böse von ihnen als Gebieter seines Willens betrachtet werden. Warum wurden dann gemäß ihren Worten die Übel nicht Götter, die über Gott obsiegen konnten.

  

8.

Kehren wir zurück zur Materie und fragen wir: War sie eine einfache Natur, oder war sie zusammengesetzt. Denn die mannigfachen Wirkungen der Dinge bringen uns auf solche Untersuchungen. Denn wenn die Materie eine einfache Natur und eingestaltig, die Welt aber aus Zusammensetzungen und aus mannigfaltigen Naturen und Mischungen hergestellt ist, so ist es unmöglich zu sagen, daß sie 34 stofflich sei. Es ist ja nicht möglich, daß die zusammengesetzten Dinge aus einer einfachen Natur ihren Bestand erlangt haben. Denn die  zusammengesetzten Dinge werden aus einfachen Naturen (in Mehrheit) zusammengesetzt.

Und wenn sie aus einfachen Naturen zusammengesetzt ist, so gab es einmal eine Zeit, wo die Materie nicht war, denn aus der Zusammensetzung des Einfachen ist die Materie erst geworden. Also ist die Materie etwas Gewordenes und nicht unerschaffen. Denn wenn die Materie aus Zusammengesetztem besteht, und die zusammengesetzten Dinge ihre Substanz aus den einfachen haben, so gab es eine Zeit, wo noch keine Materie war, bis die einfachen Elemente miteinander in Verbindung getreten waren, und gab es eine Zeit, wo keine Materie war, dann gab es keine Zeit, in der sie unerschaffen gewesen wäre. Denn wenn Gott unerschaffen war, und die einfachen Elemente, aus denen die Materie zusammengesetzt wurde, auch noch unerschaffen wären, dann wären offenbar nicht bloß zwei Unerschaffene, sondern deren fünf.

Und nun wollen wir weiter sehen: Waren die Wesenheiten, aus denen die Materie zusammengesetzt ist, miteinander in Übereinstimmung oder lagen sie zueinander im Widerspruch? Wahrlich, wir sehen, daß die Elemente zueinander im Widerspruch stehen. Denn zum Feuer ist das Wasser im Gegensatz, zum Licht die Finsternis, zur Kälte die Wärme, zum Trockenen das Feuchte. Und das einzelne ist für sich nicht gegensätzlich und schädlich, sondern nur mit Beziehung auf das andere. Und daraus geht hervor, daß sie nicht aus einer Materie herstammen, und daß es nicht eine aus vier gegensätzlichen Elementen zusammengesetzte Materie ist. Wenn eine Materie irgend war, so kann sie nicht in sich gegensätzlich gewesen sein, sondern nur gegenüber einem andern, wie das Weiße gegenüber dem Schwarzen und das Süße gegenüber dem Bitteren.

  

9.

Verlassen wir jetzt die Untersuchung über die Materie, welche sie als Grundstoff von allem bezeichnen, und gehen wir zur Untersuchung des Übels, welches sie von jener herleiten. Denn wenn es klar ist, daß die Übel nicht etwas Substanzielles sind, so wird auch die Materie zurückgewiesen, weil sie einst nicht war und weil sie  keine Substanz ist. Fragen wir zunächst nach dem Bösen bei den Menschen. Ist hier das Böse Eigenschaft einer Substanz oder selbst Substanz? Die Bewegungen, welche im Leib und in der Seele des Menschen verlaufen, kann man nicht als den Menschen selbst ansprechen, sondern nur als freiwillige Bewegungen. Denn der Mensch ist eine Substanz, aber die Sitten sind keine Substanzen wie der Mord oder der Ehebruch, welche von den Sitten bewirkt werden.

Wenn diese also substanzielle Geschöpfe wären, dann wäre es auch nötig, die Ursache, die sie aufstellen, für eine geschöpfliche Substanz zu halten 35. Denn wenn von einer Sache ein Teil geschöpflich ist, dann ist offenbar das Ganze geschöpflich. Und wo ein Teil unerschaffen ist, da ist auch das Ganze nicht geschöpflich. Nun aber gab es doch eine Zeit 36