Widerstand (Disgardium Buch #4) LitRPG-Serie - Dan Sugralinov - E-Book

Widerstand (Disgardium Buch #4) LitRPG-Serie E-Book

Dan Sugralinov

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Beschreibung

Die Armeen der Allianz, des Imperiums und der Neutralen sowie alle Spitzenspieler und Verhinderer-Clans sind von Nergal dem Leuchtenden aufgerufen worden, in der Lakharianischen Wüste unter seinem Banner gegen den schrecklichsten Feind allen Lebens in den Krieg zu ziehen: Scyth. Doch Scyth muss sich dem Kampf nicht allein stellen. Er hat die Unterstützung einer Legion von hirnlosen, wilden Völkern und grauenhaften Monstern wie dem Zombie-Gitarrenspieler Infect, dem Todesmagier Crawler und dem untoten Krieger Bomber.

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Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung der bisherigen Bücher

Prolog: Taranis

Kapitel 1: Vermächtnis des Bestiengottes

Kapitel 2: Konkurrenten

Kapitel 3: Mogwais Rede

Kapitel 4: Nicht zu gebrauchen

Kapitel 5: Petscheneg

Kapitel 6: Die Goblin-Liga

Kapitel 7: Auktion für Sonderverkäufe

Kapitel 8: Fortunas Ruf

Erstes Zwischenspiel: Ian

Kapitel 9: Wieder in Aktion

Kapitel 10: Der Verwüster

Kapitel 11: Beinahe wieder vereint

Kapitel 12: Drei Tage bis zur Invasion

Kapitel 13: Geld wächst nicht auf Bäumen

Zweites Zwischenspiel: Nicholas

Kapitel 14: Die Kunst der Inschriftenkunde

Kapitel 15: Das kurze Leben und die Abenteuer von MonkeyWrench

Kapitel 16: Kaltblütiger Bestrafer

Kapitel 17: Neue Verbündete

Drittes Zwischenspiel: Hung

Kapitel 18: Eiskalter Holdest

Kapitel 19: Der Stützpunkt der Vernichtenden Seuche

Kapitel 20: Marionette

Kapitel 21: Knochennagender Gott

Kapitel 22: Insider

Kapitel 23: Erfolgreiche Jagd!

Kapitel 24: E2-E4 – Schnelle Kampferöffnung

Epilog: Omar

Nachwort des Autors

Danksagung

Widerstand

Ein Roman von Dan Sugralinov

Disgardium

Buch 4

Magic Dome Books

Widerstand

Disgardium Buch 4

Originaltitel: Resistance: Disgardium, Book 4

Copyright © Dan Sugralinov, 2020

Covergestaltung © Ivan Khivrenko, 2020

Designer: Vladimir Manyukhin

Deutsche Übersetzung © Carola Kern, 2021

Lektorin: Lilian R. Franke

Erschienen 2021 bei Magic Dome Books

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Buch ist nur für deine persönliche Unterhaltung lizensiert. Das Buch sollte nicht weiterverkauft oder an Dritte verschenkt werden. Wenn du dieses Buch mit anderen Personen teilen möchtest, erwirb bitte für jede Person ein zusätzliches Exemplar.

Die Personen und Handlung dieses Buches sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung mit realen Personen oder Vorkommnissen wäre zufällig.

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Zusammenfassung der bisherigen Bücher

PLANET ERDE, 2074. Nach dem Dritten Weltkrieg wird der Planet von einer einzigen, weltweiten Regierung beherrscht: der UN.

Auf dem Planeten leben derzeit über 20 Milliarden Menschen. Mindestens ein Drittel davon sind Nicht-Bürger. Jene, die für die Gesellschaft als wertlos betrachtet werden und daher kein Recht darauf haben, in den Genuss der Annehmlichkeiten der Zivilisation zu kommen. Die Staatsbürgerschaft ist in Kategorien aufgeteilt. Von der höchsten Klasse A, der die Elitebürger der Welt angehören, bis zur niedrigsten Klasse L, die für die unterste soziale Schicht der Gesellschaft reserviert ist.

Das UN-Bildungsministerium verlangt von allen Teenagern zwischen 14 und 16 Jahren, täglich eine Stunde in Disgardium zu verbringen. Man ist der Meinung, es sei ein wichtiger Teil ihrer Erziehung, um ihnen die nötigen sozialen Fähigkeiten zu vermitteln und sie auf das Leben als Erwachsene vorzubereiten.

Nachdem Alex Sheppard beim Erstellen seines Charakters einen Fehler gemacht hat, der zu Problemen beim Leveln führt, verliert er schnell das Interesse am Spiel. Über ein Jahr lang verbringt er zusammen mit Eve O’Sullivan, einem Mädchen aus seiner Nachbarschaft, die in ihn verliebt ist, die obligatorische Stunde auf einer Bank gegenüber des Gasthauses der Sandbox.

Seine Eltern wollen sich scheiden lassen, wodurch ihr Staatsbürgerschaftsstatus gesenkt werden wird. Es wird ihr Einkommen so stark beeinflussen, dass sie Alex’ Ausbildung nicht mehr werden bezahlen können. Sein Traum, in einer Welt, in der die Kolonisation des Planeten Mars Realität geworden ist und die Umlaufbahn der Venus verschoben werden soll, ein Weltraum-Reiseführer zu werden, hat sich zerschlagen.

Ein halbes Jahr vor Schulende ist Alex gezwungen, ernsthaft Disgardium zu spielen, um sein Studium zu finanzieren. Er wählt den Namen „Scyth” für seinen Ingame-Charakter.

Um die Ausgewogenheit des Spiels zu bewahren, hat das Unternehmen Snowstorm Inc., die Entwickler des Spiels, sich das System der „Gefahren” einfallen lassen, um imba Spieler unschädlich zu machen. Alle Spieler, die vom Artefakt Flamme der Wahrheit als Gefahr identifiziert werden, können durch ein einfaches Ritual aus dem Spiel entfernt werden. Diejenigen, die die Gefahr eliminieren, erhalten eine Belohnung, die vom Potenzial der Gefahr abhängt. Die Belohnung derjenigen, die die Gefahren spielen, richtet sich hingegen nach ihrer aktuellen Gefahrenklasse, wobei „A” der höchste Status ist und „Z” der niedrigste. Sie müssen sich daher auf die Erhöhung ihrer Klasse konzentrieren und versuchen, so lange wie möglich unentdeckt zu überleben, während es für die „Beseitiger” oder „Verhinderer”, wie sie sich lieber nennen, interessanter ist, eine Gefahr so früh wie möglich zu beseitigen, denn schwächere Gefahren bedeuten weniger Arbeit für die gleiche Belohnung.

Scyth wird zu einer Gefahr der Klasse A, nachdem mehrere unwahrscheinliche Ereignisse zusammentreffen. Er wird von einem NPC namens Patrick O’Grady mit einem Fluch belegt. Patrick ist der erste Mensch, dessen Bewusstsein digitalisiert und ins Spiel übertragen wurde. Ein weiterer NPC und Boss eines Dungeons wird von einem Nicht-Bürger namens Clayton gespielt. Vor seinem Absturz, durch den er seine Staatsbürgerschaft verloren hat, war Clayton ein Raumschiffpilot. Als er erkennt, dass Scyth nicht aufgibt und hartnäckig weiterkämpft, obwohl er immer wieder stirbt, ergibt er sich ihm und lässt sich von ihm töten.

Als Belohnung für den Sieg über den Endboss der Instanz, der seinen endgültigen Tod gestorben ist, erhält Scyth das Mal der Vernichtenden Seuche, durch das er allem Schaden standhalten kann, ohne zu sterben. Das Mal und Patricks Fluch ermöglichen es Scyth, das unerforschte Gebiet im Morast zu erreichen und den sterbenden Avatar von Behemoth zu finden, der einer der fünf Schlafenden Götter ist.

Scyth freundet sich mit den Dementoren an, seinen Klassenkameraden Ed „Crawler” Rodriguez, Hung „Bomber” Lee, Melissa „Tissa” Schäfer und Malik „Infect” Abdulalim. Scyth hilft ihnen, eine Wette gegen Big Po zu gewinnen, dem Anführer von Axiom, dem Spitzenclan in Tristads Sandbox. Gemeinsam mit seinen neuen Freunden bilden sie ihren eigenen Clan: die Erwachten.

Die Erwachten gewinnen die jährlichen Spiele in der Junior-Arena, indem sie auf der verlassenen Insel Kharinza einen Tempel der Schlafenden Götter errichten. Ihr Sieg erregt die Aufmerksamkeit der Rekrutierer der Verhinderer-Allianz, die aus den zehn stärksten Clans in Disgardium besteht.

Nach ihrem Sieg in der Arena werden Scyth und die Mitglieder seines Clans von der Schule für acht Wochen aus Disgardium ausgeschlossen, sodass er die Quest des Nukleus der Vernichtenden Seuche nicht abschließen kann. In seiner Abwesenheit sucht die Vernichtende Seuche sich einen neuen Herold: Big Po. Als Scyth ins Spiel zurückkehrt, öffnet Big Po ein Portal, um der Vernichtenden Seuche zu ermöglichen, Tristad zu erobern. Zusammen mit seinen Freunden gelingt es Scyth jedoch, die Untoten zu bezwingen und die „Gefahr” Big Po zu eliminieren.

Das neueste Mitglied der Erwachten ist der Krieger Crag alias Tobias Asser. Der glücklose ehemalige Ganker ist der Auserwählte von Nergal dem Leuchtenden geworden. Crags Status als „Gefahr” ist entdeckt worden, sodass Tobias gezwungen ist, sich sowohl im Spiel als auch IRL zu verstecken.

Er bittet Scyth um Hilfe und wird in den Clan der Erwachten aufgenommen.

Scyth und Crag verlassen die Sandbox gemeinsam. Als sie in Darant einen Kontrollpunkt der Verhinderer passieren müssen, wird Crag als Gefahr identifiziert. Es gelingt Scyth, seinen Clankameraden aus dem Clan-Schloss von Modus zu retten, und die beiden teleportieren zur Insel Kharinza, wo die Erwachten ein Fort gebaut haben.

Als Scyth den Portalschlüssel aktiviert, den er für das Eliminieren der Gefahr Big Po erhalten hat, findet Scyth sich in der Schatzkammer des Ersten Magiers wieder. Dort verbündet er sich mit mehreren Wächtern der Schatzkammer: Flaygray dem Satyr, Nega dem Sukkubus, Ripta dem Raptor und Anf dem Insektoid. Mit ihrer Hilfe wehren Scyth, Crag, Crawler und Bomber zunächst einen Angriff des Lichs Shazz ab, einem Abgesandten der Vernichtenden Seuche. Am Ende werden sie jedoch besiegt, Behemoths Tempel wird zerstört und Scyth wird in einen Untoten verwandelt. Behemoths Eingreifen verhindert, dass Scyth unter die Kontrolle des Nukleus der Vernichten Seuche gerät, doch der Nukleus gibt Scyth eine Quest: Er soll in der Lakharianischen Wüste einen Stützpunkt der Vernichtenden Seuche errichten. Der Schlafende Gott Behemoth bleibt in der Höhle des Nukleus zurück, um die Quelle der Macht der Vernichtenden Seuche zu finden.

Mithilfe der Fähigkeiten, die der Nukleus ihm verliehen hat, verwandelt Scyth seine Clankameraden und einige Nicht-Bürger-Freunde in Untote.

Da Untote gegen Wetter-Debuffs immun sind, kann Scyth seinen Charakter in der Wüste schnell leveln. Dort erhält er die neue Fähigkeit Seuchenzorn. Mit ihrer Hilfe erreicht Scyth in der Lakharianischen Wüste eine Stätte der Macht, wo er mit dem Bau eines Tempels der Schlafenden Götter beginnen kann. Die Nicht-Bürger-Bauarbeiter helfen ihm, diesen Tempel zu errichten, der Tiamat gewidmet werden soll, eine der fünf Schlafenden Götter. Behemoth zufolge ist sie die Einzige, die Scyth von der Vernichtenden Seuche befreien kann.

Als Nergal der Leuchtende die Inkarnation der Schlafenden Götter durch Crags Augen entdeckt, ruft der Gott des Lichts einen heiligen Kreuzzug aus, um ihren Tempel zu zerstören. Der Gott verspricht allen Kreuzrittern volle Immunität gegen die Hitze der Lakharianischen Wüste.

Zuerst müssen die Erwachten als Gewinner der Junior-Arena jedoch zum jährlichen Distival fliegen. Dort werden sie wahrscheinlich keinen Spaß haben, denn bald steht ihnen in beiden Welten ein Kampf bevor – sowohl in der Spielwelt als auch in der realen Welt.

Prolog: Taranis

VOM DACH DES Turms aus konnte man über ganz Vermillion blicken. Die Stadt der Mutigen und Eigensinnigen, hatte der einheimische Stadtrat Westwood gesagt, als er Taranis begrüßt hatte.

Stadt! Taranis spuckte verächtlich aus. Seine Spucke verdampfte, sobald sie auf das glühend heiße Dach traf. Nur ein MOSOW, der noch nie eine Megastadt gesehen hatte, würde Fort Vermillion als Stadt bezeichnen.

Taranis, ein Level-336-Kundschafter des Verhinderer-Clans Kinder von Kratos, hatte echte Städte gesehen, und zwar nicht nur im realen Leben. Er hatte die meiste Zeit in Darant verbracht, wo er das luxuriöse Leben und die Etablissements genossen hatte, die die Hauptstadt der Allianz zu bieten hatte. Er hatte ebenfalls Gelegenheit gehabt, sich Shak anzusehen, die Hauptstadt der Imperiums. Beide wurden jedoch von Kinema in den Schatten gestellt, der größten Stadt der Goblin-Liga auf Bakabba. Ein ganzes Leben würde nicht ausreichen, um alle verbotenen Vergnügen ausprobieren zu können.

Die grünhäutigen, kleinen Kreaturen waren geborene Händler. Keine geistlosen Mittelmänner, die wussten, wo sie Waren kaufen und wem sie sie aufdrängen konnten. Nein, die Goblins hatten einen guten Riecher dafür, was ich-bewusste Wesen benötigten, egal, ob es sich um einen stumpfsinnigen Minotaurus, einen aristokratischen Vampir oder einen armen Handwerker aus dem entferntesten Winkel im Norden von Latteria handelte. Sie boten ihnen an, was sie haben wollten. Und falls jemand einen besonders ausgefallenen Gegenstand suchte, konnte er ihn sicher in Kinema finden.

Wie zum Beispiel dieses Weitsichtvisier, ein einzigartiges zwergisches Fernrohr, das Taranis auf einem privaten Markt in Kinema gekauft hatte. Mit ihm konnte er nicht nur alles im Umkreis von drei Kilometern bis ins kleinste Detail erkennen, sondern es auch identifizieren. Das System zeigte die Namen und das Level von Mobs, Spielern und NPCs nur an, wenn man seinen Blick konzentriert auf ein Objekt in der Nähe heftete. Mit dem Weitsichtvisier war alles weit Entfernte immer ganz nah.

Taranis nahm einen Schluck aus seiner Flasche mit Koboldschwung – ein Kaffee mit einem großzügigen Anteil des stärksten zwergischen Schnapses. Seine Schicht war bald beendet. Darin, der andere Kundschafter des Clans sollte jeden Moment erscheinen, um seinen Posten zu übernehmen.

Nachdem Nergal der Leuchtende am Tag zuvor zum Kampf gegen die Schlafenden Götter aufgerufen hatte, waren alle Grenzsiedlungen von Verhinderer-Kundschaftern wie Taranis überschwemmt worden. Sie mussten jedoch vorerst ohne ihre Anführer auskommen, denn die Spitzenspieler genehmigten sich in Vorbereitung auf das am nächsten Tag stattfindende Distival an den Stränden von Jumeirah bereits ein paar teure Cocktails. Während des Festivals würde über das Schicksal von Spielern entschieden werden, es würden Bündnisse zerstört und kreiert sowie Geschäfte über Milliarden Gold abgeschlossen werden.

Zuerst hatte Taranis auch teilnehmen wollen, doch dann hatte er seine Meinung geändert. Geschlossene Ereignisse wären für ihn ohnehin nicht zugänglich, denn er hatte weder etwas Nennenswertes im Spiel erreicht noch eine persönliche Einladung erhalten. Und um sich den vielen besessenen Fans anzuschließen, war er sich zu schade. Zum Nether damit.

Vermillion war eine dieser Grenzsiedlungen der Allianz, in der der Sand vom Wüstenwind in jeden Winkel geblasen wurde. Ihre engen, staubigen Straßen waren bis jetzt menschenleer gewesen, doch nun erwachte das Fort langsam. Es war drei oder vier Stunden nach Tagesanbruch – die beste Zeit für Aktivitäten, bevor die Hitze unerträglich werden würde. Am frühen Morgen war der Debuff noch relativ barmherzig. Genau die richtige Zeit, um sich in die Lakharianische Wüste zu wagen. Gruppen von Spielern verließen das Fort und machten sich auf den Weg in das Gebiet jenseits der Grenze. Es waren vor allem Raidgruppen, doch es gab auch ein paar kleinere darunter, die Ressourcen sammeln wollten. Die Clan-Kundschafter – Spitzenspieler in schimmernder, legendärer Rüstung – rückten dagegen einzeln aus. Das Brüllen und Kreischen ihrer furchterregenden Reittiere hallte im ganzen Fort wider.

Taranis bemerkte, dass die Gruppen entschlossener waren als bei seiner Ankunft vor drei Tagen. Nachdem die Welle der Meldungen über den Ersten Kill von Sharkon durch Dis geschwappt war, hatte jeder Clan, der etwas auf sich hielt, umgehend Beobachter an die Grenze geschickt.

Am Tag zuvor war Vermillion durch seine Nähe zum Tempel der Schlafenden Götter zum beliebtesten Ort in ganz Dis geworden. Clans verloren keine Zeit und richteten eine Basis für den bevorstehenden Kampf ein. Da Privat- und Gruppenportale zu teuer waren, um eine große Anzahl von Leuten zu transportieren, ließen die Spitzenclans stationäre Portale bauen. An den Mauern des Forts wimmelte es vor Arbeitern. Andere Spieler hatten ebenfalls alle Hände voll zu tun: Kräutersammler suchten unter dem Schutz von Fünfer-Trupps in der Wüste nach Zutaten für kraftvolle Tränke, um ihre Vorräte aufzufüllen, besondere Jagdgruppen durchstreiften das Gebiet auf der Suche nach Beute und Küchenarbeiter waren seit drei Tagen ununterbrochen auf den Beinen, um die vielen Besucher zu verköstigen. Unzählige Händler drängten sich auf dem Markt und die Preise schossen in die Höhe – einschließlich der für Erwachsenenunterhaltung. Vermillion war zu klein für diesen Zustrom an Besuchern, und kein Dach über dem Kopf zu haben, kam hier einem Todesurteil gleich.

Taranis‘ Clan, die Kinder von Kratos, hatte sich weder für seine Stärke noch seine Leistungspunkte einen Namen gemacht. In dieser Hinsicht konnten die Kinder nicht mit den Wanderern, den Azurblauen Drachen, Modus, Excommunicado oder den Witwenmachern konkurrieren. Doch wenn es um Einfluss in der realen Welt ging, waren sie unübertroffen. Sie alle waren Bürger der Klasse C oder höher, die Crème de la Crème der Gesellschaft. Ausgesuchte Aristokratie, Angehörige der reichsten Familien und Kinder sowohl von Herrschern einzelner Regionen als auch von Mitgliedern der globalen Regierung.

Der 29-jährige Taranis Ward, der nach dem keltischen Gott des Donners benannt worden war, versuchte, seinem Namen Ehre zu machen. Sein Vater war der Leiter einer Abteilung, die sich um die Zonen der Nicht-Bürger kümmerte. Seine Mutter leitete geheime Projekte bei der UN, sein Onkel … Fast jedes Mitglied von Taranis‘ Familie gehörte zu den „Platinum-Einhundert”, den einhunderttausend bedeutendsten Bürgern auf dem Planeten.

Taranis hatte seinen Weg in Dis gefunden. Das Gesetz der Bluteinheit besagte, dass, wenn ein Mitglied einer Familie einen besonders hohen Status hatte, sich einige seiner Privilegien auf die nächsten Verwandten wie Eltern und Kinder erstreckten. Das war Taranis gelegen gekommen.

Im Südosten bildete sich auf der Spitze einer entfernten Düne eine Staubwolke. Der Kundschafter schaltete sein Weitsichtvisier ein und keuchte kurz darauf. Eine riesige Mobgruppe bewegte sich auf das Fort zu. Er konnte nicht erkennen, um welche Arten von Bestien es sich handelte. Selbst für das zwergische Artefakt war die Entfernung zu groß. Von seiner Position aus sah Taranis, wie der Sand aufflog, als ob ein gigantischer Mega-Bulldozer – ähnlich denen, die eingesetzt wurden, um alte Städte abzureißen – in Dis erschienen wäre und mit Höchstgeschwindigkeit durch die Lakharianische Wüste pflügen würde.

Taranis aktivierte sein Signalamulett und sprach klar, aber leise, um nicht die Aufmerksamkeit des Beobachters der Azurblauen Drachen zu erregen, der in der Nähe stand.

„Melde dich, Schindler. Hier ist Taranis.”

„Sprich, Taranis”, antwortete der Wachoffizier nach einigen Sekunden.

„Ich beobachte eine merkwürdige Aktivität. Irgendetwas bewegt sich auf Vermillion zu.”

„Die Imperialen?”

„Schwer zu sagen. Sieht aus wie Basilisken, nur … Lieber Himmel, ich glaube, sie sind untot! Ja, untot! Aus einem von ihnen ragt ein Knochen heraus.”

„Woher kommen sie?”

Taranis ignorierte die Frage. „Mein Visier gibt mir Informationen. Bestätigt, sie sind untot. Steppenläufer, Basilisken, ein Schwarm von Wüsten-Aasgeiern, Sandkobras, ein Eremit … Die Gruppe besteht aus lauter Untoten! Sie sind auf Level 400 und höher. Heiliger Strohsack!”

Taranis fluchte laut, so geschockt war er. Er drehte sich um und musste grinsen. Der Kundschafter der Drachen, der sich bis jetzt nicht hatte stören lassen, hatte in die gleiche Richtung geschaut. Nun sprang er auf und holte sein Signalamulett heraus. Ohne weiter auf ihn zu achten, beschwor Taranis seinen Goldenen Pegasus, bestieg ihn und flog in Richtung der Untoten, während er berichtete, was er sah.

„Mehrere Dutzend Mobs, einer ist ein Super-Elite und ein Zombie. Es ist Sharkon! Hörst du mich? Ich wiederhole: Es ist Sharkon! Warte mal … Sie sind alle Schergen!”

„Wessen …?”

Eine läutende Glocke übertönte die Worte seines Clankameraden. Vermillion war erwacht.

„Unbekannt. Ich kann ihren Anführer sehen. Er reitet auf einem Drachen! So etwas habe ich noch nie gesehen. Sein Profil ist verborgen, es muss irgendein fortgeschrittenes Inkognito-Level sein. Außer einem Schatten kann ich nichts erkennen.”

„Wie sieht er aus?” Die Stimme am anderen Ende des Signalamuletts war nicht länger die von Schindler. Der Clan-Anführer Joshua selbst hatte sich eingeschaltet. „Kannst du mir wenigstens sagen, ob es ein Mensch ist? Oder vielleicht ein Zwerg oder ein Troll?”

„Negativ. Es könnte alles Mögliche sein, der Umriss ist zu unklar. Die Mobs sind bereits nahe genug. Ich sehe einige Spitzenspieler, die sich auf einen Kampf vorbereiten. Ich habe schon die dritte voll ausgerüstete, feste Gruppe der Wanderer entdeckt.”

„Die Dunklen sind auch schon dort?”, fragte Joshua. „Diese Jungs nutzen jeden Vorwand, um sich ungestraft in unserem Gebiet aufzuhalten. Kannst du Horvac irgendwo sehen?”

„Nein, niemand anders vom Bündnis ist hier. Es sind hauptsächlich PUGs.1Ich schalte auf Fernsichtspiegel und sende den Feed.”

Während Taranis über die seltsamen Ankömmlinge aus der Wüste hinwegflog, blieben die Signalamulette still.

„Beobachte weiter und zeichne auf, was du siehst, Tar. Lass dich nicht auf einen Kampf ein! Wir schicken die zentrale Kampfeinheit des Clans”, sagte Schindler. „Geschätzte Ankunft in zehn Minuten.”

„Warum dauert es so lange?”

„Sie haben geschlafen. Joshua musste ein paar magische Tritte in den Hintern austeilen. Okay, Ende.”

Unter Taranis liefen Gruppen von Spitzenspielern vor den Befestigungsmauern umher und stellten sich in Kampfreihen auf. Die Wachen der Garnison kamen von den Mauern herunter, um sich ihnen anzuschließen. Keiner dieser NPCs war über Level 300, während die angreifenden NPCs weit über Level 400 waren.

Sie sind verloren, dachte Taranis.

Der Kundschafter der Kinder von Kratos zählte 55 verschiedene Arten von Wüstenkreaturen. Die Untoten bewegten sich in Pfeilformation mit Sharkon an der Spitze. Er lief allen voran und warf Sandhaufen auf. Es war eine grauenhafte Kreatur mit einer kantigen Schnauze, dessen Rücken von einer bedrohlichen, dornigen Platte bedeckt war. Verglichen mit Sharkon sahen die sechs Meter großen Basilisken wie winzige Geckos aus. Aasgeier verloren Federn und Fleisch, während sie vergeblich mit ihren knochigen Flügeln schlugen und letztlich laufen mussten.

Was? Taranis schüttelte den Kopf. Hinter Sharkon folgten vier Untote mit persönlichen Namen: ein Eremit namens Toothy, ein Aasgeierskelett mit dem Namen Birdie, ein schauriger Morten namens Kermit und It, einer dieser schrecklichen Steppenläufer, die der Albtraum eines jeden Spielers waren.

Der Kundschafter ließ seinen Pegasus etwas tiefer fliegen, um einen besseren Blick auf den Kampf zu bekommen. In den Reihen der Spieler leuchteten überall Raid-Buffs auf. Die Hexenmeisterin Tammy, eine große Orkfrau, musste das Kommando haben, denn die Plugger folgten gehorsam ihren Anweisungen. Das ergab Sinn. Sie war eine Spitzenspielerin aus dem Bündnis der Verhinderer und eine Offizierin der Wanderer. Taranis kannte sie vom Kampf in der Alma’arasan-Schlucht, als die Verhinderer um Crag gekämpft hatten, eine Gefahr, die immer noch auf der Flucht war. Konnte er derjenige sein, der die Untoten unter Kontrolle hatte?

Zwei Fraktionen, die schon seit ewiger Zeit verfeindet waren, hatten sich wegen eines gemeinsamen Feindes zusammengeschlossen: die Allianz und das Imperium. Die Tanks standen in vorderster Reihe hinter einer Wand von Schilden. Unter ihnen befanden sich Krieger, Bären-Druiden, Paladine und Ritter des Lichts.

Hinter ihnen warteten alle möglichen Nahkampfklassen erwartungsvoll darauf, über die Tanks hinwegspringen und angreifen zu können. Die letzten Reihen sahen von oben wie ein buntes Durcheinander aus. Taranis sah Zauberer, Magier, Zauberwirker in farbenfrohen Umhängen, Heiler, Priester, Unterstützer und Fernkämpfer. Ingenieure und Bannerträger liefen an der Frontlinie entlang, um zwergische Geschütztürme und Flaggen aufzustellen, die Verbündete in ihrer Reichweite buffen sollten.

Als Taranis sich umdrehte, erkannte er eine Reihe von Spielern, die aus dem Rathausgebäude angerannt kamen, in dem sich ein stationäres Portal befand. Es waren viel weniger, als er erwartet hatte.

Wusch! Aus dem Augenwinkel sah der Kundschafter einen schmutzigen Pfeil, der eine Rauchfahne abgab und in Richtung des geheimnisvollen Reiters auf dem Drachen flog. Dann fühlte er Schmerz. Das Letzte, was Taranis sah, waren elektrische Ladungen, die vom Schwanz des Drachens aufblitzten.

<Verborgene Identität> hat dir kritischen Schaden zugefügt: 938.734!

Du bist gestorben.

Du respawnst in 10 … 9 … 8 …

Während der zehn Sekunden, die sein Körper brauchte, um vom Pegasus zu fallen – er verschwand, sobald sein Meister gestorben war –, schaute Taranis in flimmerndem Schwarzweiß zu, wie Sharkon die ersten Reihen der Spieler mühelos niedermähte. Die Untoten rissen die Spitzenspieler in Stücke, als ob sie Stoffpuppen wären, und der Nekromant, der sie beherrschte, verlangsamte nicht einmal sein Tempo, als er das Fort betrat.

Taranis respawnte auf dem Friedhof von Vermillion. Im Handumdrehen beschwor er seinen Pegasus, saß auf und flog eilig zum Ort des Angriffs zurück, um so viel wie möglich davon aufzuzeichnen. Seine Aufgabe war es, zu beobachten. Dieses Chaos zu analysieren, würden andere übernehmen.

Die untote Armee hatte die Befestigungsmauer eingerissen und war in die Stadt eingefallen. Der Megaboss Sharkon erledigte den größten Teil der Arbeit allein, während die kleineren Untoten ihm folgten, die Einwohner aus dem Weg räumten und verwundete Spieler und Wachen ausschalteten. Ihr Meister hielt sich aus dem Kampf heraus. Sowohl die Zauber der Magier als auch die Pfeile der Bogenschützen und die verstärkten Ballisten auf den Mauern waren auf ihn gerichtet, doch das störte ihn nicht. Er schwebte über dem Schlachtfeld und schickte seine Schergen in Richtung auf ein Ziel, das nur er allein kannte.

Nun hatten die Untoten das Rathaus erreicht. Sharkon legte die Hälfte des Gebäudes in Schutt und Asche, riss dabei eine Seite des Bankgebäudes nieder und drehte sich um. Der Nekromant landete neben ihm und klopfte lobend die Schulter des Drachen. Dann schirmte er seine Augen mit der Hand vor der Sonne ab und blickte nach oben. Zu Taranis.

Wie verzaubert flog der Kundschafter zu der Silhouette hinab, die aus Finsternis gewoben zu sein schien. Respawnte Spieler kehrten vom Friedhof zurück, doch niemand wagte es, sich zu nähern.

Inzwischen hatten die Untoten das Rathaus zertrümmert und das stationäre Portal übernommen, das wegen seiner eine Milliarde Haltbarkeitspunkte als unzerstörbar gegolten hatte. Nachdem seine Haltbarkeit durch den Angriff der untoten Wüstenmonster gesunken war, sank auch Taranis‘ Vertrauen in die Unzerstörbarkeit des Portals. Dann sprühte das Portal Funken und tiefe Risse zogen sich durch seinen hufeisenförmigen Adamantium-Rahmen. Der magische Schleier zwischen den Welten flackerte, verlor seine Kraft und erlosch. Das Portal schaltete sich in dem Moment ab, als jemand herausstürzte. Seine abgetrennte Hand fiel auf den von Steintrümmern übersäten Boden.

„Hast du alles aufgezeichnet?”, fragte eine vibrierende Stimme unter der Kapuze des Nekromanten.

Seine rauchige Silhouette wechselte ständig die Gestalt, bewegte sich und flimmerte. Das Einzige, was Taranis klar erkennen konnte, war der brennende Blick der hellblauen Augen, die ihre Farbe erst zu grün und dann zu feuerrot wechselten. Als der Drachenreiter mit einem Finger auf Taranis zeigte, schluckte der Kundschafter und nickte nervös.

Der Fremde erhob seine Stimme: „Ich wende mich an all diejenigen, die sich Nergals Kreuzzug anschließen wollen. Ihr habt unsere Stärke gesehen. Wir haben euch jedoch nur einen kleinen Teil davon demonstriert. Jeder Clan, der in der Lakharianischen Wüste mehr als zehn Kilometer außerhalb von Vermillion gesehen wird, wird als Feind der Vernichtenden Seuche betrachtet. Das erkläre ich als ihr Botschafter. Wir werden euch finden. Wir werden eure Schlösser dem Erdboden gleichmachen. Haltet euch von uns fern. Dieses Land gehört uns!”

Nachdem der Nekromant seine Rede beendet hatte, verschwand er spurlos. Es war, als ob er sich in Luft aufgelöst hätte. Seine Armee von 55 untoten, schauerlichen Kreaturen zog sich wieder dorthin zurück, woher sie gekommen war: in die Wüste.

PUG oder PUGs (Pickup Group): Eine aus Spielern verschiedener Clans bestehende Gruppe. Mitglieder solcher Gruppen nennt man auch „Pugger”.↩

Kapitel 1: Vermächtnis des Bestiengottes

ICH HATTE DAS Bild des verwirrten Spitzenspielers der Kinder von Kratos noch vor Augen, als ich mit Tiefen-Teleportation im Gasthaus Pfeifendes Schwein erschien. Das Stimmengewirr der frühstückenden Bergarbeiter verstummte, die Unterhaltungen brachen ab.

Bomber grinste von einem Ohr zum anderen, stand auf und begann, mit weit ausgebreiteten Armen langsam zu applaudieren. Einen Moment später klatschten auch alle anderen, einschließlich Crawler, Infect, Gyula, der Bauarbeiter und der Bergarbeiter.

Wir hatten uns erst vor drei Stunden getrennt, doch weil der Plan riskant gewesen war, begrüßten sie mich, als ob ich auf einer Mission jenseits der Grenzen des Sonnensystems gewesen wäre. Mit Bombers und Infects Unterstützung hatte Crawler versucht, mich von dem Vorhaben abzubringen, doch am Ende hatte er aufgegeben. Nun lächelten alle erleichtert.

Ich betrachtete die Gesichter meiner Freunde und entfernte Identitätsverschleierung.

„Ich habe das Portal dem Erdboden gleichgemacht”, verkündete ich.

„Das haben wir gehört.” Crawler nickte. „Es war eine gute Idee, das Kommunikationsamulett eingeschaltet zu lassen, Scyth.”

„‚Dieses Land gehört uns!‘”, zitierte Infect mich. „Das war großartig, Alex! Hast du viel Beute bekommen?”

„Ich bin sechs Level aufgestiegen und die Loot …” Ich warf einen Blick in mein Inventar. „Zwei legendäre und ein paar epische Gegenstände. Die blauen habe ich nicht mit Magnetismus hineinziehen lassen, darum sind es nicht sehr viele.”

„Zu schade, dass wir ihre Gesichter nicht sehen konnten”, sagte Bomber. „Am liebsten würde ich mich ausloggen und mir das Video ansehen. Wetten, dass es bereits online die Runde macht?”

„Zum Glück waren keine gefährlicheren Leute da, als die Zweitbesetzung der Wanderer”, antwortete ich.

Ich setzte mich an den Tisch und holte unter den interessierten Blicken von Bomber und Infect meine Loot hervor. Sie verschwand sofort in Crawlers Inventar. Er war zufrieden.

„Ich prüfe die Beute. Was wir nicht gebrauchen können, verkaufen wir über Rita Wood. Wir haben uns bereits getroffen und uns geeinigt. Ich bin immer noch nicht davon überzeugt, dass es eine gute Entscheidung war, sie einzuladen, Mitglied des Clans zu werden, aber der Profit durch die Kommission bei der Auktion ist nicht schlecht”, gab er widerwillig zu. „Sie profitiert ebenfalls. Je mehr Umsatz sie macht, desto höher levelt ihr Handel. Unsere legendären Gegenstände werden ein guter Boost für sie sein.”

„Großartig. Wo sind die Wächter?”, fragte ich.

„Bei Tiamats Tempel, genau wie du gesagt hast”, antwortete Bomber. „Sie halten Wache und warten.”

„Ja, sie bewachen die Bierfässer.” Infect schnaubte. ”„Sie haben fast alle Vorräte mit in die Wüste genommen und warten dort auf deine untoten Schergen, um mit dem Leveln zu beginnen. Wie hast du ihnen die Kontrolle über die Untoten übertragen?

„Ich habe sie zu meinen Leutnants befördert. Jetzt können sie meine hirnlosen Diener befehligen.”

Bomber gähnte herzhaft, und ich wurde davon angesteckt. Nachdem ich kräftig den Kopf geschüttelt hatte, hob ich die Hand, um Kaffee zu bestellen.

„Hast du über Holdest nachgedacht?”, erkundigte Crawler sich. „Wenn die Mobs dort nur 50 Level höher sind als in der Wüste, würden wir noch schneller leveln können.”

„Erst muss ich Unsterblichkeit leveln, um meinen Seuchenspeicher zu erhöhen, sonst wird es schwierig werden, dort irgendetwas zur Strecke bringen zu können.”

„Sollten wir es nicht wenigstens überprüfen?”, fragte Infect.

„Im Moment haben wir andere Sachen zu tun”, erwiderte ich.

Gyulas Tochter Eniko, die Tante Steph im Gasthaus half, näherte sich unserem Tisch und stellte eine Tasse vor mir auf den Tisch. „Ein schwarzer Halbling-Kaffee, Alex.”

„Danke, Ennie”, erwiderte ich.

Sie lächelte und ging mit schwingenden Hüften zur Theke zurück. Bomber warf einen vorsichtigen Blick in Gyulas Richtung und vergewisserte sich, dass er nicht in seine Richtung schaute, bevor er uns einen Daumen hoch zeigte.

„Habt ihr einen Weg gefunden, Ausrüstung in die Sandbox zu bringen?”, fragte ich.

„Ja, wir haben es heute Morgen geprüft.” Der Zwergenmagier Crawler hielt sich die Hand vor den Mund, während er gähnte. „Tissa war hier, während du Vermillion angegriffen hast. Nachdem ich ihr ein episches Ausrüstungsteil gegeben hatte, ist sie wieder nach Tristad zurückgekehrt. Es hat funktioniert, der Gegenstand ist in ihrem Inventar geblieben. Von nun an wird sie Waren für uns zu Rita bringen.”

„Vielleicht könnte Tissa sie mit Tiefen-Teleportation hierherbringen”, schlug Bomber vor. „Es würde nicht lange dauern, Rita im Clan aufzunehmen.”

„Als Clan-Offizier kann Tissa es selbst tun”, widersprach Crawler ihm. „Sie könnte Rita in den Clan bringen, sobald das Distival vorüber ist, falls wir es uns nicht anders überlegen. Meiner Meinung nach wissen schon zu viele Leute von uns: der Typ von Excommunicados Sicherheitsdienst, Big Po, Crag und nun Schwergewicht. Wir müssen im realen Leben einen Ort finden, an dem wir eine Basis einrichten können. Gyula?” Er sah zu dem Bauarbeiter am nächsten Tisch hinüber.

Gyula stand auf und setzte sich zu uns. „Wir haben eine annehmbare Möglichkeit im Auge. Es ist ein neues Gebäude, das gerade fertiggestellt worden ist”, sagte er. „Es steht noch leer. Ich habe das Design dafür. Wenn es euch nichts ausmacht, möchte ich unseren Jungs mehr Platz verschaffen.”

Ich nickte, als ich mich an die winzigen Zimmer erinnerte, in denen die Arbeiter leben mussten.

„Danke”, sagte er. „Ich werde es mir heute ansehen und über die Bedingungen verhandeln.”

„Ausgezeichnet.” Ich tauschte einen Blick mit meinen Freunden. Wir hatten den Arbeitern noch nichts von unserer Begegnung mit Hairo Morales erzählt. „Doch wir brauchen eine zusätzliche Alternative, falls wir in Cali Bottom entdeckt werden sollten.”

„Verstanden”, antwortete der Bauarbeiter. „Was das andere Design angeht …”

„Nicht hier”, unterbrach ich ihn.

Vor meinem Abstecher nach Vermillion hatte ich ihm das Design für einen Stützpunkt der Vernichtenden Seuche gegeben und ihn gebeten, herauszufinden, welche Materialien er für den Bau benötigen würde. Wir würden Tiamats Tempel nur mithilfe von Shazz und seiner untoten Armee schützen können. Ich wollte jedoch nicht vor allen anderen darüber sprechen, denn Hairos Warnung vor Verrätern war mir in Erinnerung geblieben. Daher wechselte ich das Thema.

„Was meinst du, wie lange es dauern wird, bis sie das Portal in Vermillion wieder aufgebaut haben?”, fragte ich den Bauarbeiter.

„Mindestens eine Woche”, antwortete Gyula. „Für das Design ist ein Großmeister nötig. Selbst mit all ihren Boosts werden sie es nicht früher öffnen können. Außerdem brauchen sie Magier.”

„In Ordnung. Ich kann sie getarnt noch einmal besuchen und den Bau sabotieren. Wir müssen uns auch um Bridger kümmern, das Fort, das etwa 100 Kilometer von Vermillion entfernt liegt und damit nicht allzu weit vom Tempel.”

„Vergiss es, Scyth.” Crawler schüttelte den Kopf. „Heute hattest du Glück, weil du sie unvorbereitet erwischt hast. Sie werden nicht zulassen, dass du sie ein zweites Mal überraschst. Sie könnten sogar mit einer Falle auf dich warten. Deine Ablenkungsmanöver werden starke Clans nicht beeindrucken. Sie haben ihre eigenen Raummagier.”

„Aber die vielen Gelegenheitsspieler werden für eine gewisse Zeit aufgehalten”, entgegnete ich.

„Sieht aus, als ob alle auf dem Weg nach Bridger sind”, warf Bomber ein. „Wusstest du, dass Portale zur Grenze für die Dauer des Ereignisses kostenlos sind?”

„Wirklich?”

„Ja. Lies die Nachrichten, Scyth. Du kannst allerhand erfahren. Mein Großvater hat immer gesagt …”

Das Krachen einer aufgestoßenen Tür übertönte seine Worte. Der Gärtner des Clans kam aufgeregt herein, blieb in der Mitte der Gaststube stehen und wedelte seinen mit Erde verkrusteten Spaten in der Luft.

„Trixie hat den Baum gepflanzt! Der Baum wächst! Der Baum wird beschützen!”

Mein Herz sank. Selbst auf dem Rang eines Meisters im Gärtnern bestand die Chance, den Samen des Schutzbaumes zu ruinieren, und Trixie war noch ein Neuling. Offenbar war ich nicht der Einzige, der Befürchtungen hatte.

Crawler wurde blass und fragte zögernd: „Wo hast du ihn gepflanzt, Trixie?”

„Dort!” Der Gärtner deutete zur Theke, hinter der Tante Steph beschäftigt war.

„Dort?”

Alle Anwesenden drehten ihre Köpfe gleichzeitig.

Stephanie schaute hinter dem Tresen auf und runzelte verwirrt die Stirn. „Was ist los?”

Ich versuchte, ruhig zu bleiben. „Meinst du die Stelle, an der der Tempel gestanden hat?”

„Ja. Ryg’har hat …”

Bevor er weitersprechen konnte, waren wir aufgesprungen. Eilig verließen wir das Gasthaus und rannten zu den Ruinen. Trixie lief auf seinen kurzen Beinen hinter uns her, und auch die Arbeiter folgten uns, denn sie ahnten, dass etwas nicht stimmte.

Vor den Ruinen von Behemoths Tempel befand sich ein riesiger Haufen fruchtbarer, dunkler Erde, aus dem ein bläulicher, ein Meter hoher Stängel mit einem einzigen Blatt ragte. Das sollte der epische Schutzbaum sein? Vorsichtig trat ich näher heran und streckte die Hand aus.

Der Baum erbebte und die Erde unter ihm explodierte, als feine, bläuliche Wurzeln wuchsen. Eine von ihnen erreichte mich, berührte sanft mein Hosenbein und verschwand gleich darauf wieder unter der Erde.

Fleischfressender Schutzbaum, Level 1, Fort der Erwachten

Episch

„Hat Wurzeln geschlagen”, erklärte Trixie mit väterlichem Stolz. Auf seinem Gesicht erschien ein Grinsen. „Ryg’har hat mir den besten Mist gegeben. Den besten …”

„Augenblick mal, Trixie.” Bomber steckte sich einen Finger ins Ohr, als ob er es reinigen wollte. „Was haben der Kobold-Schamane und Mist damit zu tun?”

Der kleine Mann steckte eine Hand in seine Handwerkstasche und holte ein Stück gehärteten, echten Mist heraus.

„Damit wächst alles.” Trixie nickte. „Wirklich alles!”

Mist des Bestiengottes

Göttlich

Alchemistische Zutat. Kann auch als Dünger benutzt werden, der die Chance, dass Samen Wurzeln schlagen, erheblich erhöht und ihr Wachstum beschleunigt.

„Montosaurus-Mist! Ryg’har hat ihn gefunden. Ist der beste Dünger. Ich habe das Loch gegraben …” Trixie plapperte weiter, wobei er Silben verschluckte, sodass ich einige Worte erriet statt sie zu verstehen. „… voller Mist. Lässt alles schnell wachsen. Hundertprozentig. Der beste …”

„Der Montosaurus ist zurück?”, fragte einer der Arbeiter ängstlich.

Ein anderer seufzte. „Nur das nicht!”

„Weißt du, was du getan hast, Trix?”, fragte Crawler gequält. „Du hast den Baum nicht nur in die Tempelanlage gepflanzt, sondern es auch riskiert, einen unbezahlbaren, epischen Gegenstand zu verlieren!”

Ich konnte mich nicht daran gewöhnen, dass Crawler jetzt ein Zwerg war und er und Trixie etwa gleichgroß waren.

Auf der anderen Seite der Ruinen erschien Ryg’hars gebeugte Gestalt aus dem Dickicht. Der Schamane stützte sich auf einen krummen Stab. In respektvoller Entfernung folgten ihm zwei junge Kobolde. Trixie stand mit dem Rücken zu ihnen und brabbelte weiter. Er zeigte mit dem Finger auf den Baum, dann auf den Boden und schließlich auf mich, bis er merkte, dass niemand zuhörte.

„Mögen die Schlafenden Götter nie erwachen!”, sagte der alte Kobold heiser, nachdem er uns erreicht hatte.

„Möge ihr Schlaf ewig währen!”, antworteten wir alle durcheinander.

„Sei gegrüßt, Auserwählter der Götter.” Ryg’har nickte mir zu und näherte sich dem jungen Baum. Sanft fuhr er mit den Fingern über das Bäumchen. Er holte einige trockene Fladen des Düngers aus seiner geflickten Tasche, zerbrach sie in kleine Stücke und verteilte sie auf der Erde um den Schössling herum. Dann setzte er sich hin und schloss die Augen. Die beiden jungen Kobolde stellten sich an seine Seite.

Trixie ging mit seiner Unerschöpflichen Gießkanne zum Schamanen hinüber. Nachdem er den Baum gegossen hatte, berührte er die pelzige Hand des Kobolds.

„Erzähl es ihnen, Ryg’har. Was ist los mit ihnen?”

Nachdem der Schamane verstanden hatte, was Trixie meinte, setzte er zu einer langen, äußerst langweiligen Geschichte über die uralte Tradition seines Volkes an, die göttlichen Exkremente von Kurtulmak, dem Schutzpatron aller Kobolde, auf ihren Bauernhöfen zu benutzen. Nun verstand ich, dass Trixie kein Risiko eingegangen war, als er den Baum gepflanzt hatte.

Ich verließ die anderen und ging zu Gyula, der mit besorgtem Blick in den Ruinen des Tempels umherwanderte.

Er erriet, was ich ihn fragen wollte, und sagte: „Ich kann den Stützpunkt nicht bauen, Alex.”

„Wo liegt das Problem? Ist es Zeit? Materialien? Brauchst du mehr Leute?”

„Der Rang meines Handwerks ist nicht hoch genug. Ich muss ein Meister sein, und selbst dann liegt die Chance, dass das Projekt scheitern könnte, bei 50 %. Verdammt!”, fluchte der sonst so ruhige, umsichtige Bauarbeiter. „Ich konnte noch nicht einmal lesen, welche Materialien notwendig sind oder wie lange der Bau dauert.”

„Benötigst du noch viel Erfahrung, bis du Meister wirst?”

„Es ist der erste Rang.” Gyula schwieg einen Moment. „Ich habe die Obergrenze auf Rang 0 schon vor langer Zeit erreicht.”

„Liegt es an deiner Kapsel?”, wollte ich wissen.

Der Bauarbeiter nickte. Meine Prahlerei in Vermillion erschien mir auf einmal sehr töricht. Ohne Shazz‘ Armee und seine Fertigkeiten würde es mir nicht gelingen, Nergals Armee aufzuhalten. Ich selbst würde erst neue Fähigkeiten vom Nukleus erhalten, nachdem ich den Stützpunkt gebaut hatte.

Ich mochte zwar genug Geld haben, um Gyula eine bessere Kapsel zu besorgen, doch das änderte nichts daran, dass er immer noch auf Level 1 war. Wie zum Nether sollten wir es in der einen Woche vor der Invasion schaffen, ihn auf Level 100 aufsteigen zu lassen, alle erforderlichen Ressourcen zu sammeln, den Stützpunkt zu bauen, das Seuchenportal zu öffnen und Shazz und seine Horde von Untoten in die Wüste zu holen? Ich würde mein Level bedeutend erhöhen und meinen Freunden beim Leveln helfen müssen!

„Du kannst eine Kapsel nicht mit Gold kaufen, du benötigst Phönix”, dachte ich laut nach. „Ich könnte dir eine ausreichende Summe überweisen, die du IRL abheben müsstest, doch Snowstorm, Inc. wird die Transaktion garantiert sperren. Dir einen legendären Gegenstand zum Verkaufen zu geben, ist auch keine Lösung, weil du keinen Zugang zum Auktionshaus hast. Ich kann weder die Goblins noch den Schwarzen Markt besuchen. Hmm …”

Meinen Vater konnte ich ebenfalls nicht um Hilfe bitten. Er hatte schon lange aufgehört, Dis zu spielen, und sogar seinen Charakter gelöscht, um seine Beziehung mit meiner Mutter zu retten. Es wäre zwar kein Problem gewesen, einen neuen zu erstellen, aber bis er in der Sandbox gelevelt und die große Welt erreicht hätte …

Nach einigem Nachdenken erschien ein Fünkchen Licht in der wachsenden Hoffnungslosigkeit. Ein vager Gedanke schwirrte in meinem Kopf herum und lockte mich, doch ich konnte ihn noch nicht einfangen. Frustriert trat ich gegen einen Stein. Ich sah zu, wie er in die Luft flog, eine Palme traf und zu Boden fiel.

Mit einem Mal hatte ich einen genialen Einfall. Die Aufzeichnungen des Angriffs der Untoten auf Vermillion würden ein Hit sein. Der Kanal, auf den sie hochgeladen worden waren, würde virtuelle Wagenladungen von Phönix von seinen atemlosen Zuschauern erhalten. Als ich mit Manny und Gyula zum ersten Mal auf Kharinza gewesen war, waren wir dem Montosaurus begegnet. Diese Begegnung hatte ich mitgeschnitten. Bisher hatte noch niemand eine solche Kreatur gesehen, daher würden die Aufnahmen von Monty ebenfalls wie ein Blitz einschlagen.

Vielleicht könnte ich zusätzlich exklusives Material teilen. Das Disgardium-Tageblatt fiel mir ein – ein globaler Medienkanal, der sich nur auf das Spiel konzentrierte. Im Gegensatz zum Herold der Allianz, einer gedruckten Zeitung in Dis, die für Spieler und NPCs gleichermaßen verfügbar war, war das Disgardium-Tageblatt eine reale Nachrichtenagentur. Das bedeutete, dass sie Phönix für mein einzigartiges Material bezahlen würden.

„Mach Platz in deiner Wohnung, Gyula. In ein paar Tagen wirst du eine voll leistungsfähige Kapsel bekommen. Noch einen weiteren Tag, und du wirst Level 100 erreichen. Danach kannst du versuchen, den Stützpunkt rechtzeitig zu bauen. Nicht nur wir, sondern auch die verdammten Schlafenden Götter sind auf dich angewiesen!”

Gyula wusste nicht, was er sagen sollte. Er hielt sich den Kopf und runzelte die Stirn.

„Scyth, melde dich!”, hörte ich eine Stimme über mein Kommunikationsamulett. „Es wird Zeit, dass wir uns ausloggen. Bring deinen untoten Hintern zurück in die Realität, sonst verpassen wir das Flugzeug. Heute findet Distival statt. Das hast du doch nicht vergessen, oder?”

Kapitel 2: Konkurrenten

„SIE NÄHERN SICH Dubai Stadtmitte, eine Kategorie-A-Zone”, erklang eine Roboterstimme aus den Lautsprechern des Fliegers. „Ihr Transportmittel wird an der Grenzkontrollstelle der Zone zwangsweise angehalten.”

Unser Flieger verlangsamte sein Tempo, bis er schließlich auf der Stelle schwebte. Vor uns ragte die Spitze des berühmten Wolkenkratzers Burj Khalifa durch die Wolken, der bis vor Kurzem das höchste Gebäude der Welt gewesen war. Nun stand er hinter dem Google Tower an zweiter Stelle. Im Dritten Weltkrieg war er von Terroristen in die Luft gejagt worden, doch man hatte ihn nicht nur neu errichtet, sondern auch seine Höhe verdoppelt.

Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99 % hatte es wie gewöhnlich ein heißer, wolkenloser Tag werden sollen, doch zu Ehren der Veranstaltung war das Wetter angepasst worden, sodass nun viele weiße Wolken am Himmel standen.

Tissa erstarrte vor Erwartung. Aufgeregt blickte sie auf den Wald aus glitzernden Wolkenkratzern am Persischen Golf, der sich vor uns erstreckte. Es wimmelte nur so vor brummenden Fliegern. An diesem Tag war das Gewimmel durch die Fahrzeuge der Gäste des Distivals noch größer. Ich blickte über die Grenzen der Megastadt hinaus auf die endlose Wüste Rub al-Khali. Übersetzt bedeutete das arabische Wort „leeres Viertel”. Das wäre auch ein passender Name für die Lakharianische Wüste gewesen, die auf Latteria etwa die gleiche Fläche bedeckte.

Neben uns schwebte der Flieger mit Hung, Ed und Malik. Die Jungs zeigten uns durch die Glasscheiben grinsend einen Daumen hoch. Diese Reise hatte uns eine Welt eröffnet, die wir nur aus Filmen kannten. Snowstorm, Inc. hatte uns einen Flug erster Klasse spendiert. Am Flughafen hatte jemand auf uns gewartet, um uns zu den roten Ferrari-Falco-Superfliegern zu begleiten, in denen wir nun saßen. Diese „Transportmittel” unterschieden sich von den Stadt- und Schulfliegern wie ein Sturmdrache von einem Pferd.

Das Wort „Protz” drängte sich mir auf. Von der Farbe, dem tropfenförmigen, kristallinen Rahmen bis zu dem geräumigen Innenraum mit Sesseln, die sich der Körperform anpassten, und einem Mahagonitisch war das fliegende Auto protzig. Während Tissa das Design bewunderte und den Inhalt der Minibar prüfte, hätte ich zu gern den Autopilot ausgeschaltet, um das Ding selbst zu fliegen. Das war jedoch im Moment nicht möglich, denn der Flieger bewegte sich an einem Leitstrahl entlang auf einen Kontrollpunkt zu.

Fünf Minuten später erreichten wir den Kontrollpunkt, flogen durch drei Sicherheitsringe, wo wir gescannt wurden, und wurden von einem Polizeiflieger angehalten. Tissa ergriff meinen Arm so fest, dass ihre Fingernägel sich in meine Haut gruben. Sie biss sich auf die Unterlippe. Während des Fluges hatte sie immer wieder ihr kurzes, eng anliegendes, schwarzes Kleid gerichtet, in dem sie sich unwohl fühlte. Sie war besorgt, dass man uns nicht in die Elite-Zone hineinlassen würde. Ich fühlte mich ebenfalls wie ein Fisch auf dem Trocknen. Flug erster Klasse, ein Superflieger … Für meinen Geschmack war es zu kitschig und zu viel Prunk. Ich konnte das Gefühl nicht loswerden, dass wir versehentlich eingeladen worden waren. Es kam mir vor, als würde man uns jeden Moment ins Gefängnis werfen und deportieren, weil sich herausgestellt hatte, dass wir die Junior-Arena auf unehrliche Weise gewonnen hatten.

„Guten Tag”, hörten wir die Stimme eines Mannes durch die Lautsprecher des Fliegers. „Was ist der Zweck Ihres Besuchs in der Innenstadt von Dubai?”

„Distival”, antwortete Tissa schüchtern.

„Und Sie?”

„Distival”, wiederholte ich. Offensichtlich war eine Antwort von jedem Passagier nötig. „Wir sind eingeladen worden.”

„Bitte zeigen Sie Ihr linkes Handgelenk und schauen Sie in diese Richtung.” Ein unsichtbarer Scannerstrahl tat seinen Dienst. „Vielen Dank. Ihre Einreiseerlaubnis ist bestätigt worden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Aufenthalt auf drei Tage begrenzt ist. Willkommen beim Distival, Frau Schäfer und Herr Sheppard. Wir hoffen, dass es Ihnen gefallen wird.”

Wir flogen weiter, bis wir langsam zur Landung auf einem der Wolkenkratzer ansetzten, an dem Distival-Werbespots leuchteten.

Tissa lächelte. Sie warf die Arme hoch und rief: „Ja! Wir haben es geschafft! Sieh dir das an!”

Nachdem ich mich versichert hatte, dass die anderen ebenfalls den Kontrollpunkt passiert hatten, sah ich nach unten. Eine riesige, bunt gemischte Menge von Cosplayern, die in holografischen Bildern ihrer Disgardium-Charaktere eingehüllt waren, strömte langsam auf die Dubai-Arena zu, in der in den nächsten drei Tagen Distival stattfinden würde.

Überall blitzten holografische Zauber auf, die genauso aussahen wie die Zauber in Dis. Sobald sie ein Ziel trafen, leuchteten über dem Kopf der Opfer holografische Schadenszahlen auf. Die Besucher alberten herum. Es waren keine wirklichen Gesundheitsanzeigen, sondern Trugbilder zum Spaß und zur Unterhaltung.

Nach Tissas gerunzelter Stirn zu urteilen, dachte sie bereits über ihr eigenes Bild nach. Doch um eins zu bekommen, würde sie sich ein spezielles, von Snowstorm, Inc. lizenziertes Artefakt besorgen müssen. Das Unternehmen ließ keine Gelegenheit aus, um Geld zu verdienen. Von klassischem Fan-Zubehör wie Schlüsselanhängern, Ansteckern, Baseballkappen und T-Shirts bis zu exakten Kopien von Ingame-Waffen und -Rüstung war alles erhältlich. Die Liste umfasste ebenfalls ein Gerät zum Generieren holografischer Bilder.

Ein Drei-Tage-Ticket für Distival kostete 210 Phönix. Neben dem Spaß wurden Distival-Teilnehmer mit Ingame-Souvenirs und Achievements wie Ich habe Distival 2075 überlebt! gelockt, die jedoch keinen praktischen Wert hatten. Sie wurden nur als Zeile im Profil aufgeführt. Aus Platzgründen konnte Dubai nicht alle Leute aufnehmen, die kommen wollten. Daher waren in der Wüste riesige Fan-Zonen eingerichtet worden. Für diejenigen, die nicht persönlich teilnehmen konnten, gab es rund um die Uhr Live-Feeds. Um darauf zugreifen zu können, mussten sie ein virtuelles Ticket erwerben. Genau wie die anwesenden Besucher konnten auch sie die bedeutungslosen Achievements erhalten.

Es gab Tickets für jeden Geschmack. Einige enthielten alle möglichen nutzlosen Tiergefährten, Kätzchen und andere Tierjunge. Diese nicht-kämpfenden Tiergefährten wuchsen zwar nicht, doch sie waren bezaubernd und konnten nicht getötet werden. Die Kätzchen waren wie mein Diamantwurm an einen Ort gebunden, während die anderen Tierjungen ihren Meister begleiteten.

Nichts davon interessierte mich. Angesichts der vielen Probleme und des Zeitmangels hatte ich nicht vor, länger als einen Tag dort zu verbringen. Ich wollte den exklusiven Distival-Ball besuchen, um mit Yary und den anderen Verhinderern zu sprechen. Ich musste herausfinden, ob sie erraten hatten, dass ich eine Gefahr war, und falls nicht, wie viel sie über sie wussten.

Darüber hinaus war ich neugierig auf die Gründer von Snowstorm, Inc. Vielleicht würde ich herausfinden können, mit welchem von ihnen oder mit welchem Direktor ich Nachrichten ausgetauscht hatte. Da ich den höchsten Gefahrenstatus hatte, war ich sicher, dass sie mit mir würden reden wollen. Gleich danach würde ich nach Hause fliegen.

Tissa und die Jungs hatten andere Pläne. Sie wollten alle drei Tage in Dubai verbringen, Kontakte knüpfen und Informationen sammeln. Dazu war das Festival der beste Ort, denn man konnte Gespräche hinter den Kulissen führen. Da die früheren Dementoren ihre Charaktere nicht leveln konnten, waren sie hier im Moment nützlicher als im Spiel.

Wir waren gelandet. Die Türen des Fliegers öffneten sich geräuschlos. Ein roter Teppich führte zur Tür des Hotels. Ich stieg aus und reichte Tissa die Hand, um ihr zu helfen. Sie zögerte kurz, bis sie verstand, was ich ihr anbot. Dann schüttelte sie den Kopf und stieg allein aus. Tissa Schäfer hatte sich noch nicht daran gewöhnt, einen Freund zu haben.

„Willkommen im Royal Palace Hotel!”, begrüßte ein Portier uns und verbeugte sich. Ein zweiter lud Tissas Koffer und meinen Rucksack aus, den meine Mutter gepackt hatte. Sie hatte mich zwar nicht überzeugen können, einen Anzug mitzunehmen, doch auf ihr Drängen hin hatte ich außer Shorts und einem T-Shirt auch eine Jeans eingepackt.

Um den Flieger der Jungs schwirrten ebenfalls zwei Portiers herum.

„Ich wette fünf Phönix, dass Hung sie nicht an seinen Rucksack heranlässt”, flüsterte Tissa.

„Ich wette, keiner von ihnen wird sein Gepäck aus den Händen geben”, erwiderte ich.

Genau so war es. Die Jungs sahen aus, als ob sie bereit wären, mit dem Portier um ihre Rucksäcke zu kämpfen, als er sie auf seinen Gepäckwagen laden wollte. Hung schlug ihm auf die Schulter und sagte etwas. Es schien den Portier jedoch nicht zu verärgern, denn er lachte.

Die Jungs kamen auf uns zu. Tissa seufzte und überwies mir die fünf Phönix.

Nachdem wir uns an der Rezeption eingetragen hatten, nahmen wir den Aufzug zur 81. Etage. Er war so schnell, dass uns die Ohren knackten. Es dauerte nur zehn Sekunden, bis wir angekommen waren. Zischend öffnete sich die Tür.

„Wir treffen uns in einer halben Stunde in der Lobby, okay?”, sagte Ed, während wir den Korridor entlang gingen, vorbei an identischen Kunststofftüren in Holzoptik. „Wir können einen Spaziergang machen und uns die Stadt ansehen.”

„Ich hätte nichts dagegen, zuerst etwas zu essen”, warf Hung ein.

Malik fand sein Zimmer als Erster. Er stieß einen Schrei der Begeisterung aus, als die Tür sich öffnete. Voller Erwartung gingen wir anderen weiter. Ein Reinigungsroboter folgte uns und säuberte den Teppich mit schnell arbeitenden Bürsten.

Nachdem ich als Letzter mein Zimmer mit der Nummer 81207 gefunden hatte, legte ich eine Handfläche auf den Bildschirm an der Tür. Der grüne Streifen des Scannerstrahls lief daran herunter und ein unsichtbarer Strahl scannte die Form meines Gesichts, um meinen Ausdruck zu prüfen und festzustellen, ob ich unter Zwang stand. Kurz darauf piepte die Tür und öffnete sich nach oben.

Ich trat über die Schwelle und fand mich in einem gewöhnlichen Zimmer ohne protzigen Luxus wieder. Auf dem Boden lag ein Teppich mit arabischen Mustern, an den beigefarbenen Wänden hingen dreidimensionale Bilder und die Gardinen waren sandfarben. Die Größe des Bettes war jedoch eine Überraschung. Der gesamte Clan der Erwachten hätte darin Platz gehabt.

Als ich einen Schritt nach vorn machte, erschien Denise LeBon vor mir. Ich erstarrte vor Verblüffung, bis ich erkannte, dass es nur ein absurd realistisches Hologramm war. Es war, als ob die schönste Frau auf dem Planeten in meinem Zimmer stünde.

Sie lächelte und sagte: „Willkommen, Herr Sheppard. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt im Royal Palace Hotel. Falls Ihnen meine Erscheinung nicht gefällt, können Sie sie ändern. Bitte sagen Sie Ihren Namen oder einen Satz mit mindestens fünf Wörtern, sodass wir Sie an Ihrer Stimme identifizieren können.”

„Ähm, hallo, ich heiße Alex Sheppard. Ich hoffe, das reicht aus.”

„Vielen Dank für Ihre Kooperation, Alex.”

Denises angenehme Stimme plätscherte wie ein Bach, als sie mich über die Annehmlichkeiten des Hotels informierte. Es verfügte über einen Tennisplatz, ein Wellness-Center, ein Schwimmbad auf dem Dach, Restaurants, Bars und ein Kino. Ich hatte die Möglichkeit, die Innenausstattung zu verändern, zu wählen, ob ein Mensch oder ein Roboter mein Zimmer reinigen sollte oder die Zimmerreinigung zu streichen. Gerade, als die Stimme mich zu langweilen begann, wurde ich gefragt, ob ich Sprachbefehle geben wollte. Ich nutzte die Gelegenheit und befahl Denises Hologramm, zu verschwinden.

Als ich ans Fenster trat, bewegten die Gardinen sich langsam zur Seite und enthüllten ein Panorama der Stadt. In dem Moment bemerkte ich einen dunkelhäutigen, etwa 25-jährigen Mann mit schwarzen Haaren, der es sich in einem Ledersessel in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers bequem gemacht hatte.

Ich hatte gelernt, dass es drei Reaktionen auf eine wahrgenommene Gefahr gab: Kampf, Flucht und sich tot stellen. Statt den Sicherheitsdienst zu rufen, starrte ich den ungeladenen Gast an. Er war glatt rasiert und machte einen entspannten Eindruck. Seine mandelförmigen Augen erinnerten mich an Malik und verrieten seine orientalischen Wurzeln.

„Hallo, Alex.” Er überkreuzte die Beine. Sein Anzug hatte die gleiche braune Farbe wie der Sessel. Kein Wunder, dass ich ihn nicht bemerkt hatte. „Bevor du den Sicherheitsdienst rufst, erlaube mir, mich vorzustellen. Ich bin Kiran Jackson, ein Direktor von Snowstorm, Inc.”

Die Position des Mannes hatte die gewünschte Wirkung auf mich. Ich brauchte einen Moment, um mich zu fangen. Dann antwortete ich längst nicht so selbstsicher wie ich es mir gewünscht hätte: „Ähm … Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Herr Jackson. Sind Sie derjenige, der meine E-Mails beantwortet hat?”

„E-Mails?” Kiran setzte einen überraschten Gesichtsausdruck auf.

„Ach, es ist nicht so wichtig.”

Ich ging zögernd bis zur Mitte des Zimmers. Mir sausten die Gedanken wie ein Sturm im Kopf herum. Was hatte sein Besuch zu bedeuten? Konnte ich diesem Mann vertrauen? Arbeitete er wirklich für das Unternehmen oder hatten die Verhinderer mich entlarvt und waren in mein Zimmer eingedrungen?

Falls Kiran die Wahrheit sagte, warum hatte Snowstorm, Inc. mich auf diese Weise kontaktiert? Unsere Unterhaltung sollte offensichtlich genauso informell sein wie unsere bisherige Korrespondenz. Die Frage war, ob Jackson im Namen des Unternehmens sprechen oder seine eigenen Interessen verfolgen würde.

„Wie war dein Flug? Setz dich.” Kiran deutete auf einen Sessel in einer anderen Ecke des Zimmers. „In der Minibar gibt es viele kalte Getränke. Ich empfehle das Disgardium-Spezial, eine limitierte Version der Coca-Cola, die du so gern trinkst. Es enthält einige Zusatzstoffe, die deine Energie wiederherstellen und dich in gute Stimmung versetzen. Haha. Du bist schon 16, daher darfst du es trinken.”

Ich lehnte nicht ab. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich den Gast, während ich versuchte, mir eine helle Flasche aus der durchsichtigen Minibar zu holen, die einem Gesundheitstrank aus Dis glich. Es gelang mir jedoch nicht, da ich keine Tasten oder ein Bedienfeld finden konnte, auf das ich meine Hand hätte legen können. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich Sprachbefehle geben konnte.

„Minibar öffnen.”

Eine der Scheiben fuhr herunter. Ich nahm eine Flasche heraus und setzte mich in den Sessel gegenüber Kiran. Nachdem ich einen Schluck des Disgardium-Spezials getrunken hatte, zog ich eine Grimasse. Das Getränk enthielt Alkohol.

„Können Sie beweisen, dass Sie derjenige sind, für den Sie sich ausgeben?”, fragte ich. „Worüber wollen Sie mit mir reden?”

„Über deinen Status, Alex.” Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. Die Wangenknochen traten deutlicher hervor und er runzelte die Stirn. Nun glich er eher einem 40-Jährigen als einem 25-Jährigen. Da ich ihn jetzt aus der Nähe gesehen hatte, vermutete ich, dass er tatsächlich über 50 sein musste. „Du bist eine Gefahr mit A-Potenzial, ein Herold der Schlafenden Götter und ein Botschafter der Vernichtenden Seuche. Dein Clan, die Erwachten, hat ein Fort auf der Insel Kharinza. Sind diese Details Beweis genug dafür, dass ich für Snowstorm, Inc. arbeite?”

„Vielleicht. Aber ich habe genug von Ihrer Geheimnistuerei. Wahrscheinlich benutzen Sie wie bei den E-Mails einen falschen Namen. Wer garantiert mir, dass Sie nicht irgendein Verhinderer sind, der mich nur in Sicherheit wiegen will?”

„Unglaublich”, murmelte Kiran verärgert. Er tippte etwas in seinen Kommunikator und öffnete die offizielle Website von Snowstorm, Inc. „Hier, überzeuge dich selbst.”

Der zweite Name auf der Liste des Aufsichtsrats des Unternehmens war Kiran R. Jackson, und der Mann auf dem Foto war der gleiche Mann, der vor mir saß. Ich konnte mir nicht helfen und ging zu Kiran, um sein Haar zu berühren. Es war echt. Er war kein Hologramm.

„Bist du nun zufrieden, Alex? Ich würde ja gern noch länger plaudern, aber aufgrund der momentanen Situation müsste ich eigentlich woanders sein. Darum werde ich es kurz machen. Hör gut zu. Kümmere dich nicht mehr um die Schlafenden Götter. Vergiss sie einfach. Es ist ein totes Skript, das jemand aus dem Kreis der ersten Programmierer in den Kern des Spiels eingefügt hat.”

„Jemand? Einer der Programmierer?”

„Beiß dich nicht an meinen Worten fest. Wir wissen natürlich, wer es war, aber der Name wird dir nichts sagen. Der Name ‚Schlafende Götter‘ ist nicht zufällig gewählt worden. Es sind mächtige KIs, die nur einen Bruchteil eines Prozentes der Kapazitäten des System benötigen, um zu operieren. Sie befinden sich tatsächlich im Schlafmodus, doch der Name hat eine doppelte Bedeutung. Nach der Legende des Spiels ist die Welt von Disgardium ihr Traum. In Wirklichkeit haben sie eine andere Funktion. Ihr ‚Erwachen‘ kann nur eines bedeuten: Durch eine Kettenreaktion wird es in der Welt eine kritische Anzahl von Fehlern geben, sodass sie neu laden müsste.”

„Was wäre so schlimm daran, Herr Jackson?”

„Alles würde zerstört werden. Disgardium würde zu seiner ursprünglichen Version zurückkehren. Damit meine ich nicht die Version, mit der die ersten Spieler begonnen haben, sondern diejenige, die beim Ursprung der Welt beginnt: die Entstehung des Lebens, die ersten ich-bewussten Kreaturen, die alten Götter, ein einziger Kontinent. Die Schlafenden Götter würden wieder ‚einschlafen‘ und ihre Träume würden von Neuem beginnen. Alles, was es im Spiel gibt, würde aus dem Nichts generiert werden. Verstehst du das Ausmaß der Gefahr? Milliarden von Nicht-Bürgern würden von einem Moment auf den anderen ihre Arbeit verlieren. Milliarden von Spielern würden ihre Charaktere verlieren. Revolutionen haben schon aus nichtigeren Gründen begonnen, Alex.”

„Aber ich habe nicht vor, sie aufzuwecken. Behemoth hat gesagt, dass der Nether die Welt bedroht und nur die Schlafenden Götter gegen ihn kämpfen können. Um das tun zu können, müssen sie …”

„Ja, ja, ja”, unterbrach Kiran mich. „Es ist 20 Jahre her, seit das Spiel zum ersten Mal gestartet worden ist. Seitdem ist der Kern unverändert geblieben, doch die Welt selbst lebt nach ihren eigenen Regeln. Sie wächst und entwickelt sich weiter. Die Schlafenden Götter nehmen bestimmte Dinge als kritische Fehler wahr, die keine Fehler sind.”

„Sie meinen, dass es völlig normal ist, wenn sich alle in verwesende Leichen verwandeln?”

„Falls du die Vernichtende Seuche meinst, ja, das ist normal. Sie ist nicht schlimmer als Feen und Zentauren. Wir können später weiter darüber reden, aber jetzt will ich dich auf etwas anderes hinweisen. Denke realistisch über das Geschehene nach. Alle sogenannten Götter sind lediglich KIs. Sie sind mächtig und sich ihrer selbst bewusst, doch nichtsdestotrotz sind es nur künstliche Intelligenzen. Keine Gefühle, keine Sentimentalität. Nur klare Ziele, die in ihr Programm eingebaut wurden. Du musst wissen, dass die KIs untereinander konkurrieren. Um Ressourcen.”

„Welche Ressourcen? Glaube?”

„In Disgardium ist alles miteinander verbunden. KIs können nicht mehr Einfluss erhalten, als ihre Kapazität erlauben, und ihre Kapazität ist immer begrenzt. Im Spiel wird diese Tatsache anders wiedergegeben. Der Herrscher der Allianz, Bastian der Erste, kämpft gegen Imperator Kragosh um Land und höhere Beliebtheit. Dadurch erhält er mehr Macht und Möglichkeiten. Die alten Götter, die Bestiengötter, die elementaren Götter und die neuen Götter, die von Nergal und Marduk angeführt werden, konkurrieren alle um Glaube. Je mehr Anhänger sie haben, desto mehr Rechenleistung haben diese KIs, die sich für Götter halten.”

Jackson sprach schnell, doch er formulierte jedes Wort klar und deutlich. Er machte eine Pause, um mir Zeit zu geben, seine Worte zu verarbeiten. Dann zog er eine Art von Inhalator aus der Tasche und steckte ihn in den Mund. Als er meinen verwirrten Blick sah, erklärte er: „Es ist ein Beschleuniger. Ich bin seit drei Tagen auf den Beinen.” Er lächelte und seine Augen leuchteten. „Verstehst du, was ich dir zu erklären versuche?”

„Die Schlafenden Götter wollen nur Rechenleistung?”, fragte ich und trank einen weiteren Schluck des Disgardium-Spezials.

„Richtig!”, rief Kiran. „Ich will nicht verbergen, dass diese KIs die potenziell mächtigsten unter allen spielenden Göttern sind. Im Gegensatz zu den anderen können sie mit dem Kern von Dis interagieren und die physikalischen Gesetze der Welt verändern. Das Schlimmste ist, dass sie sich wirklich für Götter halten. Du und alle anderen empfindungsfähigen Wesen sind für sie nichts weiter als Staub und Mikroben. Es ist bereits klar, dass ein Konflikt zwischen ihnen und dem herrschenden göttlichen Pantheon unvermeidlich ist. Nergal nimmt ihr Erscheinen sehr ernst. Er hat sogar mit seinem Erzfeind Marduk Frieden geschlossen, nur um die Schlafenden Götter niederzuschlagen, bevor sie Fuß fassen können. Die Schlafenden Götter wiederum betrachten die neuen Götter als Parasiten, die ihre Träume stören. Sollte es allen fünf Schlafenden Göttern gelingen, sich zu aktivieren, ist Disgardium verloren. Sobald sie ihre volle Kraft erreicht haben, werden sie nicht ruhen, bis sie die Welt zerstört haben, um sie von den Parasiten zu ‚reinigen‘. Das ist der günstigste Fall. Im schlimmsten Fall werden sie die Welt neu laden.”

„Was soll ich tun?”

„Gib Behemoth auf. Dank dir hat er den größten Einfluss unter den Schlafenden Göttern, doch sein Tempel ist bereits zerstört worden. Vergiss nicht, dass er nur ein virtueller Tropfen Protoplasma ist, Alex. Die verbündeten Truppen werden sich um Tiamats Tempel kümmern. Das bevorstehende Ereignis ist eine großartige Gelegenheit für dich, das Ereignisskript der Vernichtenden Seuche zu seinem natürlichen Schluss zu bringen. Konzentriere dich darauf. Schließe die Kettenquest des Nukleus ab.”

„Welchen Nutzen hat die Vernichtende Plage? Sie ist abscheulich.”

„Meinst du wirklich? Das hat dich jedoch nicht daran gehindert, sie zum Leveln zu nutzen, Erste Kills zu sammeln …”

„Ja, in Ordnung. Ich verstehe, was Sie sagen. Trotzdem …”

„Die Ankunft der Vernichtenden Seuche ist eine weitere überraschende Wendung in der Entwicklung des Spiels”, fuhr Kiran fort. „Eine neue Fraktion, neue Konflikte und Abwechslung im Gameplay. Einige Spieler werden zur Vernichtenden Seuche überlaufen, sodass das aktuelle Machtverhältnis verändert wird und Leben in den stagnierenden Sumpf bringt. Das Volk der Untoten ist der Schlüssel zur Eroberung von Territorien, in denen ein extremes Klima herrscht. Außerdem wird die Wirtschaft kräftig angekurbelt.”

„Auf welche Weise?”, fragte ich.