Wie das Leben so spielt - Ilse Helbich - E-Book

Wie das Leben so spielt E-Book

Ilse Helbich

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Beschreibung

Ilse Helbich ist schlicht und einfach ein Phänomen. Vor zwanzig Jahren debütierte sie achtzigjährig mit ihrem ersten Roman Schwalbenschrift und nun, zu ihrem 100. Geburtstag, hat sie bereits mehr als ein Dutzend Bücher veröffentlicht. In Wie das Leben so spielt betritt die unermüdliche Autorin abermals neue Pfade: drei literarische Dorfgeschichten, in denen ab und an Krimi-Elemente aufblitzen, sich Abgründe auftun und die Zugereisten als Störenfriede, Wunden-Aufreißer oder Außenseiter in Erscheinung treten. In der titelgebenden Geschichte »Wie das Leben so spielt« zieht sich ein pensioniertes Professorenpaar aufs Land zurück und eine Rachegeschichte nimmt ihren Lauf. – Mit einer einfachen Renovierungsarbeit wird in »Einfach so« das Leben einer Frau komplett auf den Kopf gestellt. – Landwirt Hansi wird in »Die Welten« zurückversetzt in die Zeit, als er zwölf Jahre alt war, und das Schicksal eines Sonderlings aus der Vergangenheit geistert unentwegt in seinem Kopf umher. Mit einer erstaunlichen Leichtigkeit skizziert Ilse Helbich Leben, Land und Leute.

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Seitenzahl: 71

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Ilse Helbich

 

 

Wie das Leben so spielt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literaturverlag Droschl

 

Wie das Leben so spielt

 

Das Kamptal etwa zwischen Langenlois und Gars war seit alter Zeit und viel länger als die Wachau ein Sommerfrischler-Gebiet. Die Wiener Familien, Mütter und Kinder, Dienstmädchen und sehr viel Gepäck, wurden in das jeweilige Bauernhaus transportiert, wo die Einheimischen schon auf »ihre« Wiener gewartet hatten, die, pünktlich wie ein paar Monate vor ihnen die Schwalben, zu Ferienbeginn eintrafen. Das war so, als diese Gegend noch von Bauern besiedelt war, die ihre Felder bestellten und sich in den Ställen Kühe und Schweine und Federvieh hielten. Und es blieb so, als sich die Einwohner auf den Weinbau umstellten und die zum Manhartsberg und Klopfhartsberg hochsteigenden Hügel mit Reben bepflanzt wurden und sich diese schön belaubten grünen Rieden hügelan bis zur höher gelegenen Waldzone zogen.

Als sich das Professorenpaar Lehne, die beide an zwei verschiedenen Kremser Gymnasien unterrichtet hatten und in der Stadt eine bequeme Wohnung besaßen, dem Pensionsalter näherte, beschlossen sie, die Kremser Wohnung aufzugeben und aufs Land zu ziehen. Es begann eine gründliche Suche in den umliegenden Ortschaften. Die beiden wurden bald fündig: In Scharberg war eine Villa zum Verkauf angeboten, deren frühere Bewohnerin gerade gestorben war. Die altgediente Haushälterin, eine Frau Riedl, war im Haus zurückgeblieben. Die künftigen Pensionisten kauften das schöne Haus samt seinem gepflegten Garten und übernahmen die Haushälterin, die sich dort in jedem Winkel auskannte, mit.

In ihrer neuen Unterkunft erlebten die beiden Pensionisten die schönsten Tage ihres Lebens. Unter Assistenz der Haushälterin bepflanzten sie ihren Garten mit immer neu gekauften Sträuchern und blühenden Staudengewächsen, Rosen wurden gesetzt und Samen von einjährigem Rittersporn, Jungfrau im Grünen und Stockrosen – also hochragenden Malven – in allen Beeten verstreut, sodass das ganze Jahr über, vom frühen Leberblümchen-Blau in der hintersten Gartenecke über die allgegenwärtigen Akeleien bis zu den Herbstastern, ein ständiges Blühen herrschte. Die beiden frohen Pensionisten machten weite Wanderungen und erkundeten die neue Umgebung, und manchmal holten sie ihr klappriges altes Auto aus seiner Garage und besuchten die umliegenden Stifte Göttweig, Melk, Zwettl und Altenburg mit all ihren Kunstwerken und Sehenswürdigem; und gerne fuhren sie in die Wachau, nach Krems und Stein mit seinem schönen Stadtkern oder nach Dürnstein, wo es damals, vor etwa 40 Jahren, noch ruhig war und keine übergroßen Motorschiffe Hundertschaften von wenig interessierten Touristen ausspien.

In dieser Zeit geschah auch etwas, was für den Fortgang dieser Geschichte vielleicht nicht unerheblich ist. In diesen so abwechslungsreichen Tagen war doch etwas, was mehr noch als dem Professor Lehne seiner Frau fehlte: Es wäre doch schön, so meinte sie immer wieder, wenn sie sich einen jungen Hund als Haus- und Wandergenossen anschaffen würden.

Einige Wochen später waren die beiden unterwegs nach Ungarn – eine für sie abenteuerlich weite Fahrt – und fanden dort bei einem Züchter das Hundebaby, das sich die Frau Lehne erträumt hatte: einen Puli. Der Kleine war damals nicht mehr als ein weißes Wollknäuel, aus dem zwei braune Augen erwartungsvoll in die Welt schauten. Dieses Baby wuchs schnell heran und war bald schon so groß, dass es seinem Herrn bis zu den Knien reichte.

Der Ankömmling sorgte auf seine Art für Abwechslung und Beschäftigung: Der kleine Puli war ein typischer Hirtenhund und nur zufrieden, wenn er seine Herde, denn das waren für ihn die beiden Lehnes, zusammenhalten konnte; und jeder Versuch des Mannes, ein wenig vom vorgeschriebenen Pfad abzuweichen, weil er etwa in zehn Metern Entfernung einen prächtigen Pilz entdeckt hatte, wurde mit lautem Kläffen und Scheinangriffen geahndet.

Dem jungen Puli war inzwischen ein dichter weißer Pelz gewachsen, und es war keine geringe Aufgabe für Herrn Dr. oder für Frau Lehne, die Zotteln mit den Händen zu kleinen lockigen Strähnen zu teilen, sodass ihr Hund an jedem Tag den Eindruck von Gepflegt-und-gehegt-Sein ausstrahlte. Aber meistens übernahm die Haushälterin auch diese Aufgabe, wie es überhaupt ihr oblag, sich um die Fütterung und Pflege des jungen Tieres zu kümmern, und sie machte es gern.

Und dann geschah das Unglück. Der Professor war mit seinem Puli, er hörte auf den Namen Potschka, was angeblich auf Ungarisch »Bärli« heißt, zu einem morgendlichen Spaziergang aufgebrochen. Herr und Hund zogen die Sandstraße entlang, der Hund, stolz, dass er schon Gehorsam gelernt hatte, trabte ohne Leine neben dem Herrn her. Nur manchmal wagte er einen Sprung auf den die Straße begleitenden Feldrain und verfolgte dort einen vor seinem Mäulchen tanzenden Schmetterling, er öffnete dazu weit den Rachen, als müsse er einen ganzen Hasen verschlingen. Aber das war nur ein Spiel, denn schon war Potschka wieder an der Seite des Mannes.

Plötzlich war hinter den beiden ein Dröhnen, das näher und immer näher kam: Ein riesiger Tankwagen donnerte vorbei und war schon wieder weit weg; der Professor war mechanisch zur Seite gesprungen; vielleicht hatte der Fahrer auf dieser Nebenstraße nicht mit Spaziergängern gerechnet, fiel dem Professor Lehne jetzt ein – und wo war der Hund?

Er sah sich nach seinem Begleiter um, und jetzt wurde ihm bewusst, dass er in der Schrecksekunde etwas wahrgenommen hatte: einen Schatten oder einen kleinen Körper, der vom Kotflügel des Vorderrades erfasst und hoch in die Luft geschleudert worden war.

Der Professor kehrte um und ging langsam die Straße zurück, die er gerade gekommen war. Und da lag der Potschka. Er lag auf dem Rücken und war ohne Besinnung. Der Mann kniete nieder und wühlte unter dem Fellkleid nach einem Herzschlag; jedoch das Herz des Hundes schlug sehr rasch und war als leise Bewegung unter der Haut fast unmerkbar.

Der Doktor Lehne stand auf, er nahm den jungen Hund, der ja nur wenige Kilo wog, auf beide Arme und trug ihn so nach Hause. Dort warteten zwei Frauen, und die würden schon Rat wissen, vielleicht einen Tierarzt rufen – oder?

Daheim war die Frau Professor Lehne beim Anblick des noch immer bewusstlosen Tieres so erschrocken, dass sie selber Trost und Unterstützung brauchte, und damit war ihr Mann jetzt vollauf beschäftigt. Aber die Frau Riedl wusste Rat: Unter der Spüle bzw. Abwasch war von alters her als Ausguss eine mit Blech ausgelegte Wanne vorgesehen gewesen, die nie benützt worden war. Und dort hinein legte die Haushälterin einige alte Handtücher, die eigentlich als Putzlappen gedacht waren; auf dieses Lager bettete Frau Riedl den Verletzten und schloss dann die Holztür bis auf einen Spalt, durch den die nötige Atemluft dringen konnte. So konnte die Pflegerin jede Stunde nach dem Hund sehen, dessen Bewusstlosigkeit anscheinend in einen schweren Schlaf übergegangen war.

Am nächsten Morgen lag der Hund bewegungslos, jedoch mit offenen Augen auf seinem Lager. Noch ehe die Haushälterin das Frühstück für die Herrschaft herrichtete, hob sie ihn aus der Wanne. Da stand er nun, er zitterte am ganzen Körper, seine Beine versagten den Dienst, er fiel um, wie ein halbvoller Sack, und ganz schrecklich war es anzusehen, wie er wieder und wieder seinen kleinen Kopf schütteln und immer wieder schütteln musste.

Jedoch die Frau Riedl gab nicht auf, sie warf die beschmutzten Handtücher weg und bereitete mit neuen Tüchern ein neues Bett. Später nahm sie den kleinen Hund in die Arme, trug ihn aus dem Haus und zum Gartentor hinaus und setzte ihn dort in einen stillen Winkel ins Gras, damit er sein Morgengeschäft erledigen konnte. Dann trug sie ihn wieder zurück in die Küche, wo sie ihm einige Löffel Suppe einflößte. Dieses Ritual wurde zu Mittag und abends wiederholt, bis der Kleine nach einigen Tagen wieder fest auf seinen Beinen stand und auch das Kopfschütteln aufgehört hatte und der Hund auf seinem Krankenlager länger wach war und mit geöffneten Augen dalag.

In dieser Zeit hatten weder Herr noch Frau Lehne jemals nach dem Puli gefragt – es war, als hätten sie vergessen, dass sie je einen Hund besessen hatten. So gehörte der Hund jetzt ganz der Frau Riedl, und in der Liebe zu diesem Tier blühte die ältliche Frau auf.

Die Genesung schritt weiter voran: Jetzt konnte der Genesene schon wieder auf eigenen Beinen vors Haus laufen, und manchmal überraschte er seine Pflegerin mit drolligen Sprüngen, die ihm noch nicht ganz gelangen.

Als noch später der Potschka seinen beiden Besitzern wieder schön und munter zugeführt wurde, fragten die Lehnes nicht weiter, nahmen ihn aber wieder auf ihren Spaziergängen mit. Auch jetzt aber war es ausschließlich die Frau Riedl, die für die Ernährung und Pflege des Hundes zuständig war.