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Die Einheimischen, die "Urbevölkerung", die Indigenen sind heute wieder im Gespräch, kommen zu ihren angestammten Rechten nach jahrhundertelanger Unterdrückung bis zur Auslöschung. Sie sind und waren schon immer beides, Vorbild und Sehnsuchtsort für natürliches, ursprüngliches Leben , und Schreckensbild für "primitive" Verhaftung im Triebhaften, Naturwüchsigen, die der Kolonisierung, Erziehung und Missionierung bedarf. Der Stempel Primitiv drückte ihnen ein abergläubisches Verhältnis zur Natur und einen Mangel an geistig-bewusster, rationaler Lebensführung und ein gereiftes wahres Gottesbild auf. Im Wettstreit der Religionen und ihren Wahrheitsansprüchen stehen Naturreligionen nur am Rande des Interesses theologischer Fragen! Der moderne, aufgeklärte, wissenschaftlich denkende Mensch ist nicht seiner triebhaften Natur hilflos ausgeliefert, sondern hat sich und seine Umwelt rational im Griff! Legitimer Anspruch oder gefährlicher Irrtum? In welche Richtung hin entscheiden Menschen ihr Verhältnis zu Umwelt, Technik, Lebensqualität? Greifen sie angesichts überlebensnotwendiger Fragen sozialethische Impulse aus den Indigenen Religionen auf oder vertrauen sie blind den technischen Visionen eines optimierten Menschen in seiner Umwelt, eines Cyborgs bis zum Roboter? Wo liegt das "gute Leben", welchen Stellenwert haben technischer Fortschritt und gemeinschaftliches globales Miteinander? Wie geht's weiter?
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Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Auf welche Fragen gibt der Begriff »Naturreligion« Antwort?
Gibt es einen ursprünglichen »heilen« Zustand gemeinschaftlicher Gleichheit, frei von autoritärem Zwang oder Gewalt, natürliches Recht für alle?
Der Begriff des »
guten Wilden
« verbindet ein
Menschenbild
, in dem Natur in ihrer Gesetzlichkeit zum Heil des Menschseins führt, christlich interpretiert (erbsündlich) der Vernunftregulierung und Gnade Gottes anheimgestellt. Der »
böse Wilde
« handelt von Natur aus »naturwüchsig«, d. h. seinen egoistischen Trieben und Vorurteilen gemäß, und bedarf der Überwindung zu einem Kulturwesen, befreit von seiner animalischen Instinktnatur.
Beide Begriffe des sogenannten »Wilden« oder Naturmenschen haben eine gemeinsame Wurzel, die Frage: Wie
bemächtigt
er sich seiner Umwelt, wie gestaltet er sich seine Welt? Eignet er sie sich egoistisch an, ist er ein Egoshooter oder verhält er sich zu aller Wohl und Gerechtigkeit im Sinne eines Gemeinwohls?
Jede Erzählung von Welt ist eine Frage nach den angemessenen Beziehungen des Menschen zu sich, seiner Umwelt, ist eine sozialethische und weiterführend politische Frage und deren Beantwortung
.
Die Umgestaltung der Natur zu Nützlichkeitszwecken ist von Natur aus gegeben und »Ausdruck der Spannung des menschlichen Geistes auf die schrittweise Überwindung gewisser materieller Bedingtheiten« (Enzyklika »
Laudato si
«, S. 76).
Natur oder Kultur, Geist, Vernunft
oder
Natur als Gestaltungsraum technischer Vervollkommnung
und Optimierung (der Cyborg oder kybernetische Organismus Mensch!), in beiden Welt- und Menschenbildern geht es um die Frage der angemessenen Beziehung zur Umwelt, Welt, sozialethischer Fürsorge, wie die Geschichte sinnvoll weitererzählt wird und um die
mögliche Begrenzung institutionalisierter Machtverhältnisse
, wirtschaftlich, politisch.
Meine These:
Wir haben es weder mit einem »guten« noch »bösen« Wilden zu tun! Wir haben es bei ethnischen oder indigenen Religionen mit naturgegebenen Bedingungen und Begrenztheiten zu tun, die erst in »Schaltkreisen« soziopolitischen, politischen und vor allem wirtschaftlichen Handelns, in einem Netzwerk gegenseitiger Verpflichtungen und gegenseitigen Nutzens mit unterschiedlichen Begabungen zu »gutem Einvernehmen« führen, auch vor Industrialisierung und technologischer Welteroberung.
Das verzerrte Bild eines in egalitären soziopolitischen Verhältnissen lebenden »Guten« oder »Bösen« ist das Resultat einer Rezeption als Spiegel eigener Machtverhältnisse und Machtkritik, ein Produkt der Aufklärung und der damit einhergehenden problematisierten Natur des Menschen: Sprechen wir von einer Geist-Natur oder von Materie; von einem »Vorbild« eines kosmisch eingebundenen Menschen- und Weltbildes oder dem triebgesteuerten »Wilden«, der einer Vervollkommnung, einer Optimierung bedarf?
Industrialisierung und technologische Welteroberung bis zu Künstlicher Intelligenz (KI) heute und dem technisch optimierten Menschenbild des »Cyborgs« stützen sich auf ein materialistisches Natur- und Menschenbild; bei der Vorstellung eines Cyborgs, d. h. eines kybernetisch gesteuerten Organismus Mensch, werden biologische, physikalische, chemische bis zu bewussten Prozessen den Algorithmen, den technischen Prozessen Künstlicher Intelligenz gleichgestellt. In diesem Verständnis aktiven Menschseins sollen alle dualistischen Strukturen abendländischen Denkens – einer Trennung von Darsteller und Zuschauer im aktiven Drama, einer Trennung der geistigen Vernunftseele, eines göttlichen Funkens und körperlicher Natur bei Platon oder den Stoikern, einer Geist-Materie-Trennung bei Descartes und Kant, bei der Tiere als materielle Dinge verstanden werden im Sinne einer Substanzdualität – überwunden werden, einer »Verlustgeschichte der freien menschlichen Person« nach Stefan Lorenz Sorgner! Der »schöne neue Mensch« mit allen Konsequenzen steht im Fokus seines nietzscheanischen Transhumanismus! Kann er aber auch fühlen, Empathie empfinden, intuitiv handeln, menschlich handeln? Bleibt er Mitschöpfer oder wird er zum Schöpfer neuer Welten, aber welcher?
Algorithmen wirken (nicht mehr Gott!) durch rasante Verbreitung und Verselbständigung machtfördernd für den, der die Deutungshoheit in Händen hält, politisch, wirtschaftlich, sozial, global! Institutionalisierte Machtkomplexe global!
Die aktuellen sozioökologischen Fragestellungen sind im Verstehenshorizont globaler institutionalisierter politischer und wirtschaftlicher Machtkomplexe zu untersuchen!
Die zentrale Frage ist:
Können überhaupt und wie können ethnische Religionen einen fruchtbringenden Beitrag für die sozioökologische Debatte über ethische Begrenzung der technischen Bemächtigung des Menschen mit ihren zerstörerischen Auswirkungen leisten? »Lernort« ethnische Religion? Religion als Hoffnungsbild eines ganzheitlichen Lebensentwurfs des »riskierten« Menschen und seiner Handlungen!?
Am Beispiel des Moka-Bundes im melanesischen Sprach- und Kulturraum schlüssele ich auf, dass streng eingehaltene, religiös legitimierte »Spielregeln« des ganzheitlichen Verhaltens friedliche Koexistenz der Gemeinschaften und gerechte Verteilung der Mittel zum glücklichen Leben gewährleisteten!
Wir bewegen uns immer in einem Balanceakt zwischen gegebenem Normativen und innovativem, visionärem »Wie geht’s weiter?«, »Welche Welt will ich morgen haben?« Will ich meine Welt aus einem transzendenten Urgrund heraus aufgehoben wissen oder sehe ich mein bewusstes Leben, mein Heil in materiellen Prozessen sicherer und optimaler aufgehoben!? Ich entwerfe, erlebe nach vorne und versuche, nach rückwärts zu verstehen, auszulegen. Die entscheidende Frage ist immer, wie dieser Balanceakt gelingt; wie ich zwischen Bewahrung des Wesentlichen, der Tradition und notwendiger Innovation, neuen Visionen von Welt den angemessenen Weg für das »gute Leben« finde!
Wie erzähle ich die Welt? Wie geht’s weiter? Wissenschaftlicher (philosophischer, theologischer, sozialethischer) Diskurs um »Naturreligion«
Ethnische Religion im philosophisch-theologischen Dialog »Naturreligion« zwischen Natur und Geist
1. Die Frage nach der Transzendenz
1.1. Ist Religion ein »Gehirnmärchen«? Der triebgesteuerte »Wilde«
1.2. Indigenialität bei Andreas Weber
1.3. Der universale Christus bei dem Philosophen Richard Rohr
2. Wie »entsteht« eine »Natur«-Religion?
2.1. Der »verstellte« Blick im sinnlich-anschaulich Gegebenen
2.2. »Naturreligion« als unterste Stufe des selbstbewussten Geistes
2.3. Natur versus Geist
3. Situations-Analyse
3.1. Auf der Suche nach dem »wahren« Gottesbild
3.2. Kann eine Religion primitiv sein?
3.3. Zusammenfassende Gedanken zum Religiös-Sein? Religion: Hoffnungsbilder eines ganzheitlichen Lebensund Weltentwurfs
4. Der Moka-Bund der Mbowamb im Hochland Papua-Neuguineas
4.1. Hermeneutische Problematik
4.2. Mbowamb – ein religiöser Begriff – Die Kraft des Mi: Lebens-, Zeugungs-,Vermehrungs- und Wachstumskraft
4.3. Die Seele des Menschen (Min)
4.4. Der »Tanzplatz« als mythischer, religiöser und praktischer zentraler Ort der Vergewisserung und Zukunft der Mbowamb
4.5. »Sozialvertrag« gegen Unstabilität
4.6. Die Machtsphäre des »Big Man«
5. Ethnische Religion im Lichte theologischer Reflexion
5.1. Zwischen Gottesgeist und Logos – Der eschatologische Ansatz bei Wolfhart Pannenberg – Der Wert menschlicher Handlungen
5.2. Dynamic Spirit bei W. Pannenberg
5.3. Urkraft Mi als ultimativer Zusammenhalt bei den Mbowamb im Hochland Papua-Neuguineas
5.4. Das Leben der menschlichen Seele im Spannungsfeld von Geist und Logos und menschlichen »riskierten« Handlungen – Schöpfungsmittlerschaft zwischen Gottes Geist und Logosförmigkeit
5.5. Zwischen positiver und negativer Reziprozität – Die Institution der Gabe
6. Paradigmenwechsel!
6.1. »Lernort«, Echo-Raum Moka-Bund – Nachhaltige Gerechtigkeit, Mensch als Statthalter der Schöpfung!
6.2. Nachhaltigkeit als Basis für einen neuen Gesellschaftsvertrag
6.3. Leitformat für globale Zukunftspolitik im Geiste christlicher Sozialethik – Egalitaristischer Fehlschluss?
7. Und wieder die Frage nach der Transzendenz!
7.1. Die Herausforderung des Trans- und Posthumanismus und seines »schönen neuen Menschen«
7.1.1 Was will der »schöne neue Mensch«?
7.1.2 Sind Algorithmen »vorurteilsfreier«?
7.1.3 Wo finde ich das »gute Leben«?
7.2. Techno-ökonomische Ausrichtung des Bewusstseins versus »neue Geistigkeit«
7.3. Vom Nutzen zur institutionalisierten Macht!
8. Ausblick: Impulse für Betätigungsfelder neuer Geistigkeit
Literatur
Indigene Völker und ihr berechtigter Anspruch auf Gleichbehandlung mit den »entwickelten« Ländern stehen heute im Fokus der Aufmerksamkeit, damit auch ihre uralten religiösen Vorstellungen. Wie lassen sich diese in den heutigen theologischen Diskussionen über Gottesbilder diskutieren? Können sie sogar wertvolle Impulse liefern? Ich lege meinen Fokus auf folgende zentrale Punkte:
Ethnische Religionen können ein Licht auf theologische Fragen zum Gottesbild in seinem Verhältnis zu
Natur und Geist
werfen. Wo haben wir es mit szientistischen Vorurteilen zu tun, einer »Bewusstlosigkeit« der Natur oder wo mit »Idealtypen« kosmischer Allbeseeltheit, dem »universalen Christus«? Ist Religion Welterklärung oder komplexe, menschliche Selbstinterpretation? Wo ist ein rechtes Maß an »Belebtheit« des Geistes oder bewusstloser Natur vernünftig zu verantworten? Wo liegt verantworteter Handlungsspielraum des Menschen in Freiheit?
Im Dialog mit W. Pannenbergs eschatologischem Menschen- und Gottesbild, zwischen Geistwerdung und logosförmigem Naturverständnis werfe ich einen differenzierten Blick auf die
»problematische« Handlungsperspektive
des Menschen in seiner Umwelt.
Für die heutige überlebensnotwendige, sozialethische Frage einer Bewahrung der Schöpfung liefert der Moka-Bund Impulse, ist Echo-Raum; wo haben wir es mit einem »egalitaristischen« Fehlschluss in der heutigen Debatte zu tun? Statt Gleichheit aller brauchen wir
nachhaltige Gerechtigkeit.
Folgende Themenkomplexe werden beleuchtet:
»Naturkind im Schlummer des Geistes« oder »Abbild Gottes«, die intelligible Seite der Natur kommt zu ihrem eigentlichen Selbst!?
Zwischen Naturalismus und Bewusstseinsphilosophie – »Indigenialität« nach Andreas Weber –, »der gute Wilde« als Ideal, nicht »Stufe« zum »wirklichen Geist« nach dem Philosophen Hegel. Ideal bedeutet Ideal von Gleichheit und Gerechtigkeit als kosmisch verankertes Beziehungsgefüge! Alles Natürliche »fühlt«, »agiert«, auch »Lebloses« wie ein Stein? Egalitarismus als kosmisches Ideal ohne Machtstreben, frei von Herrschaftsansprüchen? Als universaler Christus bei Richard Rohr!?
Die philosophische Frage ist: Geht das zu Erscheinende im Erscheinen auf, zeigt sich »als …«, oder strebt das, was erscheint, auf »Höheres« hin, das absolute Sein? Dann sprechen wir von »Stufen« eines zu sich gekommenen Geistes, dem Begriff von Religion (Hegel), »Karat-Unterschieden« (Schärtl-Trendel); das jeweilige Gottesbild »ist innerhalb einer vernünftigen Sichtweise zu verantworten, aber …« (Inklusivismus anderer religiöser Symbolsysteme!). Handelt es sich um eine naturalis gegebene »Symbol«-klaviatur, Stein steht »für« etwas, oder hat alles »spirituelle« Kraft, alles Materielle ist »beseelt«, agiert? Haben wir es mit einem kosmischen Idealzustand oder nur einer fragwürdigen, menschlichen Gehirnausstattung zu tun, einer Bewältigung »überschüssiger« Intentionen, Wünsche und gewollter Absichten, wie Daniel Dennett in seinem naturalistischen Menschen- und Weltbild. Wir bewegen uns zwischen Extremen von Gottes-Vorstellungen:
Wer oder was steht hinter Welt und Kosmos? Ein Schöpfergott, ein Urknall, eine geistige Macht, Naturgesetzlichkeit? Wer oder was steht hinter den Naturgesetzen? Gibt es überhaupt einen Gott? Die a-theologische Anfrage lautet: Ist die Rede von Gott sinnlos? Gott ist ein »Gehirnmärchen«, »unterreflektierter Aberglaube« eines triebüberschüssigen menschlichen Gehirns mit seiner intentionalen Erklärungswut: Der Mensch arbeitet sich im Laufe der Geschichte hoch vom Faustkeil bis zum Elektromotor, zur Künstlichen Intelligenz, auf religiösem Gebiet vom Gefangensein in sinnlicher Naturanschauung bis zu dogmatisch durchreflektierten und erweiterten Lesarten der Hochreligionen; von einfach gestrickten primitiven Anfängen zu höchsten Kulturleistungen, ins Paradies naturwissenschaftlichen, aufgeklärten Lichtes. Menschliches Erklären schafft Überlebensvorteile in genetischer und geistiger Hinsicht, Ideen (Meme2), im guten, aber auch im toxischen Sinn wie Viren, Bakterien, Keime, Parasiten im biologischen Bereich. Genetische Interessen können anderen, ideologischen, religiösen Interessen untergeordnet werden, die miteinander konkurrieren.
Daniel Dennett unterscheidet zwischen kausalem, funktionalem und intentionalem Erklären. Kausales Erklären ist die Domäne der Naturwissenschaften, nüchtern, sachlich, betrifft unbelebte Natur, unbewusste Natur! Der fragwürdige menschliche Gehirnapparat schießt in seiner Erklärungswut über, wenn es um Belebtes geht. Paläontologen würden bestätigen: Das Großhirn des Menschen ist im Verlauf der Evolution zu schnell gewachsen! Gefühle, Ängste und Phantasien sind Akteure, die wollen, täuschen, empathisch oder böse handeln. Natur hat Absichten, Wünsche, diese werden dämonisiert, divinisiert; gute und böse Gottheiten sind am Werk. Der Flussgott agiert, der Geist des Berges flößt Ehrfurcht und Angst ein, Gewitter, Winde, das »Numinose« spricht rätselhaft, hat Pläne mit uns. Warum hat eine höhere, »göttliche« Macht einen Blitz geschleudert?
»To sum up the story so far: The memorable nymphs and fairies and goblins and demons that crowd the mythologies of every people are the imaginative offspring of a hyperactive habit of finding agency wherever anything puzzles or frightens us. This mindlessly generates a vast overpopulation of agent-ideas, most of which are too stupid to hold our attention for an instant; only a well-designed few make it through the rehearsal tournament, mutating and improving as they go. The ones that get shared and remembered are the souped-up winners of billions of competitions for rehearsal time in the brains of our ancestors.«3
Von diesen kognitiven »Fehlleistungen« des Gehirns – Ideen »entführen« sozusagen unser Gehirn! – mit Kategorienfehlern ist das kausale Denken verschont!
In der Religion ist der Fortschrittsdrang von Personalisierung, Vermenschlichung der Naturphänomene bis zu dogmatisch höher entwickelten Systemen zu finden. Hier befindet sich Dennett auf den Spuren des Religionsphilosophen Hegel, wie wir sehen werden. Das »böse« Wilde in und außerhalb von uns bei Andreas Weber lässt grüßen!
»Weltoffenheit« 4 des Menschen und dessen Notwendigkeit, sich intentional eine Welt erst zu erschließen, versteht Dennett als Triebüberschuss einer problematischen Gehirnausstattung, aber als negative Intentionalität; technische Eroberung von Welt positiv, geistige, metaphysische Eroberung als »Aberglauben«.
Meine Frage an Dennett ist, warum der naturwissenschaftlich aufgeklärte Mensch und seine Welterforschung und -erklärung durch positive Intentionalität angetrieben werden, auch kausales Erklären basiert auf Erfahrungen, Wünschen – können wir überhaupt, mit heutigen quantenphysikalischen Erkenntnissen im Rücken, diese strenge Grenze zwischen belebter und unbelebter Natur ziehen? –, während im Bereich der geistig-religiösen Intentionalität der Mensch in eine irrationale Sackgasse laufen soll. Ist Religion seiner Meinung nach eine andere, aber falsche Form der Welterklärung?
Dennett legt alte religionssoziologische Theorien auf, in denen der Mensch in seinem religiösen Verstehen erst zu einer eigentlichen geistigen Blüte erwacht, wenn er den Dingen naturwissenschaftliche Erklärungen abringt. Religion dient als »Trittbrettfahrerin« ansonsten vernünftiger Errungenschaften, dient einer »Priesterkaste«, kultischer Ausübung von Herrschaft, aber ist keinesfalls wesentlicher Bestandteil kultureller Entwicklung oder sogar »Quelle«, Motor, Kitt von Zusammenhalt und möglicher Entwicklung!
Sind ethnische Religionen überhaupt an Welterklärung, im naturwissenschaftlichen Sinn verstanden, interessiert? Auf keinen Fall, würde Andreas Weber sagen. Er sieht in der »Indigenialität« ein Menschenund Gottesbild, das unser kosmisch eingebundenes Dasein im Zentrum hat, als komplexe Selbstinterpretation, nicht nur des Menschen in seinem Verhältnis zu Zeit, Welt, Ewigkeit, sondern in einem ganzheitlichen Beziehungsgefüge aller natürlichen und geistigen Dinge im Kosmos.
Andreas Weber wirft in seinem Buch »Indigenialität« (zusammengesetzt aus: indigene oder ethnische Religionen und Genius, ihre ökologische Lebensklugheit, kosmisch verankert!) seinen kritischen Blick auf den »edlen Wilden« eines Jean Jaques Rousseau und das »Raubtier« Mensch nach Thomas Hobbes oder »Mängelwesen« Mensch nach Arnold Gehlen. Ist Natur mütterlich, weise, das Gute oder muss sie, grausam und blind, eingedämmt und »auf Höheres hin« überwunden werden? Weber schreibt:
»Ähnlich verhält es sich mit den Klischees über die Indigenen. Wir neigen dazu, sie als merkwürdig verworren zu erleben und anzunehmen, dass sie auf einer frühen Kulturstufe stehen. Oder aber wir stellen heraus, wie angepasst und wie tief mit dem Kosmos verbunden sie seien. Der Denkfehler, der sich in der Opposition zwischen diesen beiden Positionen zeigt, hat einen großen Teil der abendländischen Geistesgeschichte geprägt. Er besteht in der Annahme, dass innen und außen, gut und schlecht, das Materielle und das Soziale klar getrennt sind.
Die Welt aber ist ein Muster aus Gegenseitigkeit, eine Durchdringung des einen durch das andere. Wir selbst sind indigen – nämlich physisch und seelisch Bestandteil der Wirklichkeit, die damit zugleich einen objektiven und einen subjektiven Charakter hat. Wenn wir den Eingeborenen mit den Methoden der westlichen Wissenschaft begegnen, leugnen wir unsere eigene Indigenialität ab und verstehen ihre falsch. Wir halten uns für rationale Forscher und unterstellen anderen gönnerhaft, dass sie nicht durchschauen, dass Wirklichkeit nur das Spiel von Metaphern ist.
Lassen wir uns aber von den Indigenen leiten, dann kehrt sich das Bild um: Dann ist Wirklichkeit immer echt, immer erkennbar – und zugleich immer ein fantasievolles Konstrukt. Die Welten der ,first people‘ werden zu Spiegeln, in denen wir Denker des Westens erkennen können, dass wir selbst nicht nur Theoretiker sind, sondern lebendig. Wir können erleben, dass wir diese Lebendigkeit mit den anderen Wesen dieser Erde teilen, dass die Welt der Wolken, Berge, Frösche und Baumschlangen etwas zutiefst Soziales ist, ein Kosmos der Gegenseitigkeit, an dem wir immer, ob wir wollen oder nicht, teilhaben.« (S. 38, eig. Unterstreichung).
In diesem Zitat geht es um Ecksteine unseres Themas, um die Sicht von Natur: Ist Natur ein »Problem«, eine »Stufe« auf dem Weg des Geistes (Hegel)? Die »Naturreligion« lässt grüßen! Ist sie die »gute Mutter«, wir sind Natur, Leben; dann sind alle Religionen Naturreligionen! Alles ist Geist, beseelt! Universaler Christus im christlichen Verständnis (»Deep Ecology«, »Deep Incarnation«)? Oder ein (scheinbar) Drittes, richten wir unseren Blick auf die Beziehungen, in denen wir und der gesamte Kosmos leben? Weber nennt es Indigenialität. Dann wäre der Verlust dieser Einheit von Innen und Außen, Leib und Seele, den Weber bei uns »aufgeklärten« Menschen beklagt, der Verlust an Beziehungsfähigkeit oder -willigkeit. Wir haben uns unsere Umwelt zum Feind gemacht! Aber was hat es genau mit diesem Kosmos der Gegenseitigkeit auf sich?
Nicht schon wieder der »edle Wilde«, ist man versucht auszurufen! Weber fordert eine Dekolonialisierung unseres Denkens und Handelns, »… gemeinsames Am-Leben-Sein, das mit allen in Gegenseitigkeit geteilt ist« (S. 113).
Nach dem französischen Anthropologen Claude Levi-Strauss betont es,