Wie halte ich das nur alles aus? - Sibylle Berg - E-Book

Wie halte ich das nur alles aus? E-Book

Sibylle Berg

4,8

Beschreibung

5 Millionen Spiegel-Leser können nicht irren. Jede Woche beantwortet Sibylle Berg fundamentale Fragen des Lebens. Nun legt sie ihre definite Benimm- und Überlebensfibel vor. Fragen, die man nicht zu stellen wagte, werden endlich in schonungsloser Offenheit beantwortet: „Ist es eigentlich noch cool in die Provence zu reisen?“, „Kann ich mit 46 Jahren die Haare noch lang und offen tragen?“, „Warum ziehen sich Frauen für Herrenmagazine aus?“. Bissig, ironisch und skrupellos beleuchtet eine der scharfzüngigsten literarischen Stimmen in Deutschland die drängendsten Belange unserer Zeit. Sibylle Bergs Texte machen nachdenklich, sie schockieren und sie verzaubern.

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Hanser E-Book

Sibylle Berg

Wie halte ich das nur alles aus?

Fragen Sie Frau Sibylle

Mit Vignetten von

Angela Kirschbaum

Carl Hanser Verlag

ISBN 978-3-446-24450-4

© 2013 Carl Hanser Verlag München

Umschlag: Peter-Andreas Hassiepen

Satz: Satz für Satz. Barbara Reischmann, Leutkirch

Unser gesamtes lieferbares Programm

und viele andere Informationen finden Sie unter:

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Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

Erster Teil

Die da oben wissen nicht mehr

weiter, oder?

Fragen der Weltverbesserung

Keine Frage:

Jetzt werde ich die Welt verbessern!

Dass Menschen egoistische, gefräßige kleine Dinger sind, die, wenn sie von keiner Erleuchtung heimgesucht werden, nicht einmal über die Gabe verfügen, Großzügigkeit und Nachsicht für sich und ihre Nächsten aufzubringen, ist bekannt. Überraschender dürfte es für die meisten meiner treuen Anhänger sein, dass ich von höherer Stelle mit der Neuordnung der Welt beauftragt wurde. Die da oben, Bilderberg, der Club of Rome, die Logen, wissen nicht mehr weiter. Mit großer Beunruhigung betrachten sie die Auflösung der Welt, wie wir im Westen sie kannten. Die Welt mit Jahreszeiten, geheizten Wohnungen, Bausparverträgen wird gerade zu etwas, was keiner mehr beherrschen kann. Das Spiel ist unklar geworden: Da sind die obszön reichen Milliardäre, die nicht einmal wie in guten alten Zeiten Arbeitsplätze schaffen, um Menschen auszubeuten. Da sind Klimakatastrophen, aussterbende Tierarten, Religionskriege, der Rückzug des Individuums in die Aggression, verschwindende Ressourcen wegen der Übervölkerung, der Lärm nimmt zu und das Wasser wird knapp. Fragen Sie nicht. Ich mache nur meinen Job.

Die Neuregelung setzt ab nächster Woche ein, ich muss noch ein paar Details abklären. Kraft meines umfassenden Verstandes habe ich bereits einige grundlegende Weltänderungen zu Papier gebracht – das sagt man so, selbst wenn heute kein Papier mehr verwendet wird. Alle Schulden, persönliche und staatliche, werden auf Null gesetzt, das Geld wird neu gedruckt, an Gold und Silber gekoppelt, wie in guten alten Zeiten, und einen Euro gibt es dann auch nicht mehr. Die Börsen werden sofort geschlossen. Aktien entwertet. Alle Regierungen abgesetzt. Jedes Land stellt in Absprache mit mir ein Management zusammen, das ausschließlich aus Fachleuten besteht: Wissenschaftler, Künstler, Ärzte, und die Ämter werden aufgeteilt unter Frauen, Männern, Behinderten, Homosexuellen, ethnischen und religiösen Minderheiten. Faire Sache. Es gibt keine Frauenquote, weil es ja auch keine börsennotierten Unternehmen mehr gibt. Jeder ausländische Anspruch an Bodenschätzen und Grundbesitz in anderen Ländern erlischt. Jedes Land ist ab sofort im Besitz der eignen Ressourcen. Nur ihm gehören Unternehmen, Grund und Gebäude. Banken, grundnahrungsmittelerzeugende Firmen, Transport, Gesundheitswesen und Schulen werden verstaatlicht. Qualifizierte Manager freuen sich über ihre Superjobs in der Verwaltung und über das Entkommen aus der Arbeitslosigkeit durch die geschlossenen Börsen. Es gibt ein Grundeinkommen. Wachstum wird verboten. Wir brauchen kein Wachstum, sondern Ruhe.

Jedem steht es frei, irgendeiner Religion anzugehören, es ist reine Privatsache. Alle Menschen sind gleich. Jeder kann jeden heiraten, und Kinder können von jedem – nach einer Überprüfung seines Geisteszustandes durch liebevolle Neurologen – erzeugt bzw. adoptiert oder in Pflege genommen werden. Die Mieterschutzgesetze sind überbordend streng. Schädigungen der Umwelt werden mit der Enteignung des betreffenden Unternehmens geahndet. Alle Drogen sind legal, jede Art der Sterbehilfe ist legal. Abtreiben, rauchen oder nicht rauchen, Sport machen oder nicht – jedem steht es frei, zu leben, wie er will.

Die Menschen und ich, wir sind egoistische, kleine Idioten, aber es ist traurig, sich von der Spezies zu verabschieden, von der Welt zu verabschieden, in der wir doch immer noch an den wenigen warmen Abenden, da die Sonne durch das Blade-Runner-Wetter dringt, in der Abendsonne sitzen und es nach Gras riecht. Und vermutlich gibt es viel gegen mein Grundsatzpapier einzuwenden, weil Sie viel bessere Ideen haben. Aber welche nur?

Warum bringen sich die Leute

ausgerechnet zwischen den Feiertagen um?

Jene, die einsam sind oder an unheilbaren Krankheiten leiden und von allen verlassen oder einfach nur müde in ihren Wohnungen sitzen, denken, dass draußen die Welt untergegangen ist, alle geflohen sind. Die Läden sind geschlossen, der Kapitalismus hat Pause, es schneit oder manchmal auch nicht, das ist egal, denn es ist zwischen den Jahren, zwischen den Ritzen, den Stühlen. Ein paar Lichter in den Fenstern sind dunkler als die anderen. Die hellen Räume strahlen, weil in ihnen Menschen streiten und sich verfluchen … die hellen Räume, wo Kinder oder Eltern sind, irgendjemand, den man nach unbedachter Kalorienzufuhr hassen kann. Die anderen, die Müden, sitzen in ihren halbhellen Wohnungen und versuchen sich zu bewegen. Aufstehen, in die Küche gehen, den Kühlschrank öffnen. Keinen Hunger auf nichts mehr. Zurück. Der Fernseher läuft – wer hat eigentlich noch Fernseher –, und draußen schneit es jetzt wirklich nicht, und kein Auto, und nichts. Nichts wird sich jemals ändern.

In einer Welt, die mehr Mut und Energie kostenlos verteilen würde, würde ich an den Türen der Lebensmüden klingeln und den Zögernden an der Hand nehmen. Hand halten hilft in den meisten Fällen. Es befremdet, verunsichert, und schon bewegt sich der Mensch ohne Widerstand. Man könnte meinen, es gäbe Angenehmeres, als von mir an der Hand durch die Dunkelheit geführt zu werden. Möglich, aber am Ende steht ein behaglicher Club bereit. Mit Kaminfeuer und Ledersofas, einer Bücherei und viel Essen. Die schönsten Filme des Jahres werden gezeigt – von mir ausgewählt –, und nun sind alle eingetroffen. Hunderte Einsame sitzen unbehaglich auf warmen Fellen, sie drehen verlegen Gläser in ihren Händen, und aus lauter Peinlichkeit beginnen sie miteinander zu reden. Und reden. Und sie finden heraus: Da sind andere wie ich, von keinem gemocht, von der Welt nicht benötigt, vom Kapitalismus aussortiert, allein in einer Wohnung hockend, aus dem Fenster starrend. Ich bin nicht alleine, die Welt hat sich nicht gegen mich verschworen, ich bin ihr einfach nur egal. Und über das Reden kommt die Entspannung. Das Essen macht müde, die Filme schläfrig. Manche machen ein Nickerchen, den Kopf an die Schulter eines anderen gelehnt, sie halten Hände, streicheln Köpfe, sie sind nicht mehr allein.

Das könnte so einfach sein, in einem Leben, das mehr Mut und mehr Energie verteilt hätte, in dem ich losgezogen wäre und das alles genau so machen würde. Neben dem Kamin würde ich stehen und ein paar alte Menschen sehen, die sich mit Pralinen füttern, und traurige Männer, die auf einmal mit anderen traurigen Männern darüber reden, dass sie sich nicht für Autos interessieren, sondern für Gedichte. Und Frauen sind da, und sie sind sich nicht feind. So wäre das, zwischen den Jahren in einer besseren Welt, in der ich dann die Tür von außen schließen würde, weitergehend zum nächsten Ort, an dem ich klingeln und sagen würde: »Sind Sie einsam in dieser furchtbaren Zeit? Dann habe ich eine Idee für Sie. Folgen Sie mir einfach, und haben Sie keine Angst!«

Warum muss eigentlich

ständig demonstriert werden?

Wir haben das Gefühl, Teil der Welt zu sein und sie beeinflussen zu können, wenn wir nur laut genug sind. Das müsste, glaubt man der Glücksforschung, die Laune der Erdbevölkerung erheblich steigern, sicher um 5 Dax-Punkte auf der Glücksskala, dieses Gefühl, Veränderungen bewirken zu können. Doch scheint es das Gegenteil zu bewirken und einer neuen Sucht ein Bett zu bereiten: der Erregung. Kurzfristig und heftig wallt sie auf. Der wütende Mensch lässt Shitstorms auf Bundespräsidenten nieder, auf syrische Präsidenten, Beschneider, Frauenministerinnen und EHEC-Gurken, er formiert sich zu Flashmobs und Occupy-Camps, zu Stuttgart 21 und vor dem Kanzleramt. Zwei Tage, dann ist der Spuk vorbei und ein nagelneues Problem in der Welt gefunden.

Die kann einen auch verrückt machen, die Welt, mit all dem Elend und der Ungerechtigkeit, den Reichen, den Armen, den Konflikten, dem Klima, das wir zu verstehen versuchen. Doch immer fliegen wir, bevor ein Gedanke zu Ende verfolgt werden kann, aus der Aufmerksamkeitskurve. Die Aufmerksamkeitsspanne ist so klein geworden, die Welt ein einziges Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Wir sind überfordert. Verallgemeinerungen mögen wir nicht. Ich bin überfordert. Es regt mich so viel auf, und ich weiß um meine Machtlosigkeit. Zugleich wird das Leben anscheinend besser: Die Neoliberalen reden vom Segen des Wachstums, mehr Bildung und Nahrung und einer höheren Lebenserwartung, der Geschmack wird besser, das Braune verschwindet … Aber warum wächst mein Verstand nicht, warum wachsen meine Nerven nicht? Die werden immer dünner. Immer mehr und schneller müssen wir arbeiten, damit uns unsere Wohnung nicht unter dem Hintern weggentrifiziert wird. Allen geht es besser, aber warum fühlt es sich nicht so an? Warum werden die Menschen immer gereizter, die Straßen voller, das Leben hektischer?

Wir leben in der besten aller Zeiten, und trotzdem sind alle immer müde, immer am Checken, immer am Etwas-Anreißen und überfordert. Die globalisierte Welt überfordert mich und viele andere. Das kann doch keiner mehr verstehen, und dann werde ich wütend, und dann schreibe ich eine Eingabe wegen des Kindergartens oder des Heims für Obdachlose. Die sollen doch sehen, wo sie bleiben. Oder die Schröder, oder heißt sie jetzt schon wieder anders, und der Flugverkehr … Lassen Sie uns nicht darüber reden. Ich stellvertretend für wir, sie verstehen schon. Die überfordernde Globalisierung, die macht, dass man Menschen als verwandt begreift. Denn jetzt sieht man sie in Blogs und Videos, und sie sehen nicht aus, als lebten sie in einer großartigen Zeit. Das Bewusstsein für diese Ungerechtigkeit, die das Leben nun mal ist, das wächst, und das Gefühl der eignen Nichtigkeit wächst kräftig mit. Was immer ich auch weiß, es weiß jemand mehr und besser, und schon verlasse ich das eigentliche Problem und beginne abstrakt den Vertreter irgendeiner Meinung zu irgendeinem Problem tief zu verachten. Kollaps der Synapsen. Dauerregen im Kopf. Alle scheinen so wütend, so gestresst und gereizt, und man sollte uns alle wie Kinder zu Bett bringen, dass wir endlich einmal wieder schlafen können, unangetastet von den Problemen dieser Welt, die keiner von uns retten wird.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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