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"Welcher Qualitäten bedarf es also, um möglichst viele Frauen zu verführen? Alle, über die ein italienischer Futurist natürlicherweise verfügt. Einen agilen, starken, aggressiven Körper. Militärisch gestählte Muskeln. Die Eleganz und den wunderbaren Haarschopf Bruno Corras beziehungsweise die elektrische Kahlheit Marinettis." Komplett unironisch, völlig absurd und unglaublich komisch: Filippo Tommaso Marinetti, der Begründer des Futurismus, erklärt in seinem Verführerhandbuch von 1916 wie Mann Frau zur willenlosen Dienerin seines Begehrens macht, wie man sich "der Frau" nähert, wann der Wein entkorkt werden soll und wann es an der Zeit ist, die Hand auf ihr Knie wandern zu lassen. Mit diesem Manifest gegen die Verbürgerlichung der Liebe schrieb Marinetti die Blaupause für alle späteren Liebesratgeber und lieferte gleichzeitig ein skurril-unterhaltsames Beispiel für die Stilisierung von Geschlechterrollen in den kulturellen Avantgardebewegungen der Moderne.
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Seitenzahl: 128
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Wie man die Frauen verführt
Filippo Tommaso Marinetti
Aus dem Italienischen übertragenund mit einem Nachwortvon Stefanie Golisch
Der österreichischen Granate
der es nicht gelang,
meine vulkanisch berstenden Bombardierungen
von Zagora zu löschen und die mir deshalb,
verwirrter als hunderte vor ihr,
Gesicht Schenkel Beine
mit den einzigen Tätowierungen schmückte,
die uns Futuristen, uns hochzivilisierten Barbaren,
würdig sind, uns, die wir für
die Verjüngung und Vergrößerung
des italienischen Genies kämpfen.
F. T. Marinetti
Dieses vom Leben beglaubigte Buch wurde von Marinetti im September 1916, bevor er als freiwilliger Artillerist an die Front zog, diktiert und von dem verwundeten Marinetti während eines Genesungsaufenthalts im Militärlazarett von Udine korrigiert.
Die Frau und die Vielfalt
Die Frau und die Strategie
Die Frau und der Krieg
Handbuch des perfekten Verführers
Die Frau und die gefährliche Geschwindigkeit
Die Frau und der Mut
Die Frau und die Eifersucht
Die Frau und die Komplikation
Die Frau und der Futurist
Frauen, gebt den glorreich Verstümmelten den Vorzug!
Gruß eines bombardierenden Futuristen an die italienische Frau
Novellen mit geschminkten Lippen: Simultane Novellen. 11 Küsse für Rosa di Belgado
Der Wettstreit der Lippen
Der Turm-Kuss
Der gymnastische Kuss
Der unterirdische Kuss
Der sardische Kuss
Der rudernde Kuss
Der schwimmende Kuss
Der tropische Kuss
Der abstrakte Kuss
Der Regenkuss
Der automobilistische Kuss
Der aeronautische Kuss
Brief von Rosa di Belgrado
Tod dem Mondschein. Nachwort von Stefanie Golisch
Ein Buch über die Kunst, die Frauen zu verführen, in diesem Moment? … Ja, eben jetzt, im futuristischen Brand der Nationen, inmitten dieses hygienischen befreienden erneuernden verhundertfachenden Krieges, verspüre ich das Bedürfnis, Euch zu sagen, wie man die Frauen verführt.
Der Krieg verleiht der Frau ihren wahren Geschmack und ihren echten Wert. Dieses Buch wäre ein Anachronismus, wenn es vor oder nach dem Krieg erschienen wäre.
Dies werde ich Euch sogleich frohgemut beweisen.
Die Frauen werden unverzüglich in die Schützengräben flüchten, um sich vor meinen unvermeidlichen Angriffen in Sicherheit zu bringen. Für sie kann dieses Buch nichts als Anklagen, Verurteilungen und harsche Kritik an ihrem entzückenden Geschlecht bereithalten. Ich weiß dies aus anhaltender und eindringlicher Erfahrung, und indem ich den Stift in den Händen halte, der dieses Geschlecht glorifizieren wird, verspüre ich sogar eine Art erotischen Spasmus. Dabei halte ich jedoch keineswegs einen Stift in den Händen, vielmehr beginne ich dieses Buch meinem Busenfreund Bruno Corra zu diktieren, der, trotz seiner Jugend ein ausgewiesener Kenner der gefährlichen Materie, schmunzelt. Ich diktiere im Zimmer auf und ab schreitend, hart und abgehackt die Stimme, schneidend der Schritt, meine zahlreichen Zigaretten verrauchen spiralförmig Erinnerungen im Rhythmus meiner bombardierenden Sporen. In diesem Hotel, in dem ich auf den Marschbefehl zur Front warte, auf der Eisenbahn, im beißenden Geruch graugrüner Schützengräben, zwischen den Stößen und Puffen der Soldaten, werde ich fortfahren, dieses Buch zu diktieren, während ich dabei mit meiner ganzen Brutalität den wunderbar biegsamen Körper jener Frau bearbeite, die sich aus den hundert Frauen zusammensetzt, die jeder Mann mit sich in den Krieg nimmt. Jeder … ein Italiener selbstredend, vollkommen männlich, frei von jedem nordischen Vorurteil, Feind der Bibliotheken und innerlich tief in jenem großen Brunnen der Sinnlichkeit wurzelnd, den wir das Mittelmeer nennen. Ein unlogisches Buch also, das sich glücklich preisen darf, den undefinierbaren Händen hässlicher Frauen entrissen zu werden, während es den präzisen und zarten Fingern schöner Frauen indes zweifellos gefallen wird.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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