Wie man unstressbar wird - Mo Gawdat - E-Book

Wie man unstressbar wird E-Book

Mo Gawdat

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Beschreibung

Warum Stress Einstellungssache ist Laut WHO ist nicht etwa COVID-19, sondern kollektiver Stress die »Epidemie des 21. Jahrhunderts«. Die irrwitzige Hektik der modernen Welt sorgt dafür, dass bei vielen das Stresslevel zunehmend steigt. Die Folge: Verunsicherung, Unzufriedenheit oder gesundheitliche Probleme. Umso wichtiger ist es, potenzielle Stressoren frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Mo Gawdat, der Bestsellerautor von Die Formel für Glück, und die Stressmanagement-Spezialistin Alice Law helfen all denjenigen, die sich nach mehr Gelassenheit sehnen. Sie zeigen, wie man »unstressbar« wird, indem man lernt, die vier menschlichen Stressoren – kognitiven, emotionalen, körperlichen oder spirituellen Stress – frühzeitig zu verhindern, Selbstkritik und Lethargie abzubauen und sein Energielevel und Selbstvertrauen zu steigern. Mit vielen praktischen Übungen für alle Lebenslagen – gestützt auf neurowissenschaftliche Erkenntnisse und verständlicher Psychologie. Sie machen deutlich: Stress ist kein unüberwindbares Problem des modernen Lebens, sondern vor allem eine Frage des Umgangs damit!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 592

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Mo Gawdat & Alice Law

WIE MAN UNSTRESSBAR WIRD

Der praktische Leitfaden für ein stressfreies Leben

Mo Gawdat & ALICE LAW

WIE MAN UNSTRESSBAR WIRD

Der praktische Leitfaden für ein stressfreies Leben

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

1. Auflage 2024

© 2024 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Copyright © 2024 by Mo Gawdat and Alice Law

Die englische Originalausgabe erschien 2024 bei St. Martin’s Essentials, einem Imprint der St. Martin’s Publishing Group, unter dem Titel Unstressable.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Übersetzung: Jordan Wegberg

Redaktion: Monika Spinner-Schuch

Umschlaggestaltung: Marc Fischer

Umschlagabbildung: Adobe Stock/vadymstock

Satz: ZeroSoft, Timisoara

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-86881-969-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-596-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-597-4

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Dies ist keine Einleitung

Teil 1: Die Grundlagen

Kapitel 1: Welcome to the Machine

Kapitel 2: Die Auslöser

Kapitel 3: Die Last tragen

Teil 2: Ein Sprachkurs in Sachen Unstressbarkeit

Kapitel 4: Alles nur im Kopf

Kapitel 5: Fühlen, um heil zu werden

Kapitel 6: Ihre Hüften lügen nicht

Kapitel 7: Seelenleben

Teil 3: So fügt sich alles zusammen

Kapitel 8: Die Unstressbaren

Über den Autor

Anmerkungen

Dies ist keine Einleitung

Sie sind gestresst. Oder etwa nicht? Wenn Sie in unserer modernen Welt mit all ihrer irrwitzigen und unablässigen Hektik leben, sind Sie es ganz bestimmt. Und wenn der Titel dieses Buches Sie dazu gebracht hat, es aufzuschlagen und dies zu lesen, müssen Sie tatsächlich Stress haben. Das haben Sie gut gemacht. Sie haben sich Ihr Empfinden eingestanden. Nun sind Sie wahrscheinlich neugierig, was Sie dagegen tun können. Neugier ist der wichtigste Schritt auf dem Weg zur Genesung. Willkommen! Hier sind Sie richtig.

Ganz recht, ich sagte Genesung, denn Stress, der Stress unserer modernen Zeit, ist wirklich eine Krankheit. Tatsächlich ist es die am weitesten verbreitete Krankheit. Sie laugt die Menschheit aus und führt zu vielen anderen Erkrankungen, die zu behandeln wir uns bemühen, während wir die ihnen zugrunde liegende Ursache weiter erstarken lassen.

Wie man unstressbar wird ist ein Buch mit einer Mission. Wir haben es nicht geschrieben, damit Sie die Ruhe bewahren, egal, was das Leben Ihnen bringt. Vielmehr geht es ebenso sehr um die Prävention von künftigem Stress wie um die Heilung Ihrer gegenwärtigen Belastungen. Alice und ich haben uns vorgenommen, eine Gemeinschaft zu schaffen, die Jahr für Jahr einer Million Menschen zu einem stressfreien Leben verhelfen soll – #OneMillionUnstressable –, eine Bewegung, der auch Sie hoffentlich beitreten.

Wir alle – egal, wie leicht oder schwer unser Leben sich gestalten mag – stehen tagtäglich vor Herausforderungen. Sei es eine Weltwirtschaftskrise, eine Auseinandersetzung mit dem Chef oder der Partnerin oder eine Erkrankung: Wir alle erleben Notlagen, doch unsere Reaktionen unterscheiden sich voneinander. Der eine ist überfordert und gestresst, ja sogar deprimiert, der andere dagegen erkennt in seinem individuellen Problem auch eine Chance.

Könnte die Realität womöglich viel erhellender sein, als man uns glauben machte? Auch wenn die Probleme, die unseren Lebensweg säumen, uns aufgezwungen werden, könnte es sein, dass wir die Wahl haben, ob wir uns davon gestresst fühlen. Könnten wir Fähigkeiten und Ressourcen entwickeln, um den Stress abzulegen? Kann Stress vermieden werden? Die Antwort ist ein nachdrückliches Ja.

Nicht die Ereignisse in unserem Leben stressen uns, sondern die Art und Weise, wie wir mit ihnen umgehen.

Es muss Sie nicht beunruhigen, wenn Sie gestresst sind. Da sind Sie nicht der oder die Einzige! Wir alle sind Teil dieser komplizierten, stressigen, schnelllebigen modernen Welt, und man erwartet von uns, dass wir fehlerfrei damit umgehen, ohne dass wir im Geringsten gelernt hätten, wie wir denn nun diese Stressfaktoren für uns statt gegen uns arbeiten lassen können. Diese Erwartung ist ebenso lächerlich, als würde man Sie auffordern, in einen Rennwagen zu steigen, bei strömendem Regen die Formel-1-Strecke zu fahren, den Siegerpokal zu gewinnen und lebend wieder von der Piste zu kommen, ohne dass Sie je eine Fahrschule besucht hätten.

Wirklich epidemisch

Die meisten Menschen glauben, die einzige Pandemie, die uns bisher in unserem Leben begegnet ist, sei Corona gewesen, aber das stimmt nicht. Schon seit vielen Jahren bezeichnet die Weltgesundheitsorganisation Stress als »Epidemie des 21. Jahrhunderts«.

Studien belegen, dass 70 bis 90 Prozent aller Arztbesuche in den USA in irgendeiner Form mit Stress in Zusammenhang stehen.1 Gemäß dem American Institute of Stress leidet einer von drei Amerikanern unter extremem Stress, 77 Prozent haben stressbedingte gesundheitliche Probleme, und Stress wirkt sich negativ auf die psychische Gesundheit von 73 Prozent aller Amerikaner aus. Jeder zweite Amerikaner hat aufgrund von Stress Schlafprobleme2 – und solche Statistiken sind sicherlich kein US-spezifisches Phänomen. Der globale Markt für Schlaftabletten wird für 2019 auf 64,29 Milliarden Dollar geschätzt und soll bis 2026 sogar bei 101,7 Milliarden Dollar liegen.3

Was Großbritannien betrifft, so sind Studien zufolge 74 Prozent der Briten so gestresst, dass sie nicht mit dem Leben zurechtkommen; 51 Prozent davon klagen auch über Depressionen und 61 Prozent leiden unter Angstgefühlen.4 Stress hat als Hauptursache für Arbeitsausfälle die muskuloskelettalen Probleme (unsere Rückenschmerzen aufgrund von zu langem Sitzen am Schreibtisch) abgelöst; 17,9 Millionen Fehltage jährlich gehen im Vereinigten Königreich allein auf Stress zurück.

Noch besorgniserregender ist, dass in den Vereinigten Staaten jedes Jahr über 120 000 Menschen aufgrund von beruflichem Stress sterben, und das, obwohl über 190 Milliarden Dollar für die Behandlung von Krankheiten ausgegeben wurden, die mit Stress am Arbeitsplatz in Zusammenhang stehen.5

Und wie steht es mit dem Rest der Welt? Tokio gilt als die Stadt mit dem meisten Stress, und Griechenland, das wir normalerweise mit einer entspannten Lebensweise, frischen Nahrungsmitteln und Sonnenschein verknüpfen, läuft allen anderen als stressintensivstes Land den Rang ab. Wir konnten hierzu keine Statistiken finden, dürfen aber wohl davon ausgehen, dass sie noch schlechter ausfallen als die Amerikas oder Großbritanniens.

Vorbei sind die Zeiten, da die Jugend sorglos war. Je jünger Sie sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Sie gestresst sind: 61 Prozent der Erwachsenen in der Generation Z (im Alter von 18 bis 23 Jahren) geben an, im letzten Monat Stress empfunden zu haben. Das sind wesentlich mehr als in allen anderen Generationen: Bei den Millennials (24 bis 41 Jahre) sind es 56 Prozent, bei der Generation X (42 bis 55 Jahre) 52 Prozent, bei den Boomern (56 bis 74 Jahre) 40 Prozent und bei älteren Erwachsenen (über 75 Jahre) 33 Prozent.6 Das könnte mit der Tatsache zusammenhängen, dass wir mit zunehmendem Alter lernen, besser mit Stress zurechtzukommen, oder dass wir uns stärker daran gewöhnen im Hinblick auf Ressourcen, die unser Leben ein bisschen leichter machen.

Ob Sie nun jung sind oder alt, ob Sie in der Sonne leben oder in der Kälte:

Wenn Sie Teil der modernen Welt sind, können Sie dem Stress nicht entkommen.

Ohne Zweifel kannten wir Stress schon, als wir noch Höhlenmenschen waren. Der Unterschied ist jedoch, dass er damals jener entscheidende Faktor war, der unsere Vorfahren in lebensbedrohlichen Situationen überleben ließ, während er in der von uns geschaffenen heutigen Zivilisation zum lautlosen Mörder unserer Gesundheit, unseres Glücks und unseres Wohlbefindens geworden ist.

Wenn wir Stress als Pandemie betrachten, wäre es sicherlich interessant, ihn zu seinen Wurzeln zurückzuverfolgen auf der Suche nach …

Patient Zero

Wären unser Vorfahren – die Höhlenmenschen – nicht regelmäßig gestresst gewesen, dann wären wir heute nicht hier. Stress war ein notwendiger Bestandteil des Lebens, um Gefahren zu vermeiden und in Sicherheit zu bleiben. Wenn ein Säbelzahntiger im Gebüsch lauerte, bereit, Sie anzuspringen, war es Ihre Stressreaktion, die Sie davon abhielt, lächelnd auf ihn zuzugehen und zu sagen: »Ach, du süßes Miezekätzchen!« Stattdessen löste der Stress Ihre Kampf-oder-Flucht-Reaktion aus, die Sie entweder wegrennen oder angreifen ließ, um Ihr Leben zu retten.

Solche Reaktionen in Sekundenbruchteilen waren – und sind immer noch – das Ergebnis einer perfekt aufeinander abgestimmten biologischen Maschinerie. Die Amygdala erkennt die Bedrohung und alarmiert den Hypothalamus, der wiederum das sympathische Nervensystem aktiviert, indem er Signale an die Nebennieren aussendet, die sofort das Stresshormon Cortisol in Ihren Blutkreislauf freigeben, das wie ein zusätzliches Oktan funktioniert, um Ihren Körper auf das einzustellen, was er angesichts der Gefahr tun muss.

Ungerechtfertigter, anhaltender, nicht kontrollierter Stress wirkt sich auf jeden Fall wie eine Erkrankung aus.

Doch es ist keine Erkrankung ohne Behandlungsmöglichkeit.

Unsere genetische Programmierung hat sich nicht groß verändert seit der Zeit, da wir in Höhlen lebten. Unsere Welt ist erheblich sicherer geworden, aber unser Verstand nimmt mehr von unserer Umgebung als gefährlich wahr. Denn jetzt jagen wir nach Jobs, Social-Media-Likes, materiellem Besitz oder einem passenden Partner statt nach Kalorien, die unserer täglichen Ernährung dienen. Jetzt durchwandern wir Flughäfen oder belebte Straßen, um Kaffee und Kinos anstelle von Wärme und Schutz zu finden. Wir sorgen vor für die Rente, für den Überfluss und für die Party am Wochenende, statt Lebensmittelvorräte für den kommenden Winter anzulegen, und der Stress wird immer größer, bis alles zu viel wird. Wie reagieren wir also darauf? Wir werden …

Comfortably Numb

Stress durchdringt unser Leben und breitet sich sprunghaft aus, da wir uns sogar gegenseitig stressen, und doch nehmen wir ihn kaum als solchen wahr. Viele verbergen ihn, viele tragen ihn sogar wie ein Ehrenzeichen. Hervorzuheben, wie gestresst man ist, gilt heute als Kurzform für: »Ich werde gebraucht. Ich bin begehrt. Ich bin gefragt. Ich bin wichtig.« Wir bleiben am Leben, während der Stress langsam unsere Fähigkeit zum Empfinden von Freude abtötet. Wir lernen, unseren Stress zu verschleiern. Wir versuchen, ihn zu ignorieren, ihn abzustreifen und weiterzumachen. Nach und nach wächst er zu einem Monster heran, das anzuschauen uns sogar noch mehr Angst macht. Deshalb stecken wir den Kopf noch tiefer in den Sand und tun, als wäre alles in Ordnung. Wir lernen, das Gefühl von Stress als normal zu akzeptieren. Wir lernen, Müdigkeit zu akzeptieren, sogar Erschöpfung. Wir lernen, uns in einem Leben einzurichten, dem es sowohl an Leidenschaft wie auch an Freude fehlt. Irgendwie glauben wir, wenn wir es bis jetzt geschafft haben, können wir auch noch ein bisschen länger damit leben.

Solange es nicht völlig kaputt ist, muss es auch nicht repariert werden, argumentieren wir.

Wenn man mal darüber nachdenkt, ist es lächerlich. Es ist, als stünden Sie während eines heftigen Erdbebens auf dem Dach eines Hochhauses, würden sich aber weigern zu gehen, ehe Sie Risse im Beton sehen.

Der kollektive Stress der Gesellschaft breitet sich rasant aus, doch wir nehmen sein Ausmaß immer weniger zur Kenntnis.

In »Comfortably Numb«, meiner – Mos – Meinung nach dem besten Song, der je geschrieben wurde (und der mit Sicherheit eins der besten Gitarrensoli aller Zeiten enthält), beschreiben Pink Floyd auf brillante Weise, wie wir unsere Emotionen betäuben und ständig den Schmerz zu lindern versuchen, um wieder auf die Füße zu kommen und die Show des Lebens fortsetzen zu können. Trotz der Schmerzen wird in diesem Song der Besuch eines Arztes imaginiert, bei dem eine Injektion verschrieben wird, die den ganzen Alltagsstress beheben soll. Können Sie aufstehen? Ich glaube, es wirkt, gut. Das wird Ihnen helfen, die Show über die Bühne zu bringen. Na, dann los, es wird Zeit, sagt der Arzt.

Das ist alles Betrug. Es ist an der Zeit, dass Sie und alle anderen in voller Lautstärke mitsingen. Diese vom Stress gezeichnete Version meiner selbst ist nicht das, was ich wirklich bin.

Ich bin angenehm empfindungslos geworden.

Alice und ich haben beschlossen, dieses Buch zu schreiben, weil wir fest daran glauben, dass der von Stress verursachte Schaden vermeidbar ist. Ein Grund dafür ist, dass wir ihn beide selbst erlebt haben, und nachdem wir den Weg zu einem ruhigeren Leben gefunden haben, war es uns ein Anliegen, anderen davon zu erzählen und sie davon profitieren zu lassen.

Unsere Stressreaktionen sind so vorhersehbar, dass man sie in mathematische Gleichungen umwandeln kann. Angst ist eine programmierte Reaktion. Der Punkt, an dem wir Burn-out und Erschöpfung erreichen, kann mit ebenso viel Präzision vorhergesagt werden wie die Physik, die uns widerstandsfähige Maschinen entwickeln lässt. Ich verwende diese Gleichungen in vereinfachter Form, damit Sie sich als jene widerstandsfähige Maschine neu aufstellen können, deren Potenzial Sie in sich tragen.

Die Gleichungen werden zeigen, dass Stress nicht einfach das Ergebnis Ihrer Lebensumstände ist, zumindest nicht zur Gänze. Wie stark Sie Stress empfinden, hat auch viel mit den Fähigkeiten, Techniken und Ressourcen zu tun, die Ihnen zur Verfügung stehen, um sich Ihren Herausforderungen zu stellen. Ungefähr so, wie ein Hindernisparcours einem durchtrainierten Sportler leicht vorkommt, während ein Spaziergang im Park anstrengend sein kann für jemanden, der nicht gut in Form ist.

Besorgnis, Angst, Panik und Beklemmung können ebenfalls arithmetisch untersucht werden. Wenn wir die Parameter verstehen, die sie verstärken, lernen wir, damit umzugehen.

Um den Burn-out zu verstehen, werden wir uns mit einem Konzept beschäftigen, das in der Physik als Ermüdung bekannt ist – der Grund, warum die meisten Objekte irgendwann kaputtgehen, nicht weil sie einer starken Einwirkung unterzogen sind, sondern fortgesetzt einer weniger starken. Es mag sich seltsam anhören, aber es kann sehr erhellend sein, Belastung bei Menschen auf eine ähnliche Weise zu betrachten, wie wir sie in der Physik untersuchen.

Auch Stress kann biologisch als vorhersagbare Maschine beschrieben werden. Man kann ihn als Betriebsprozess sehen. Unsere biologischen Maschinen steuern uns, indem sie Chemikalien durch unseren Körper pumpen. Diese veranlassen uns, bestimmte Handlungen auszuführen, die unserem Überleben und der Leistungsstärke in kritischen Situationen dienen. Ist eine Herausforderung bewältigt, so sollen die Chemikalien sich auflösen und die Stressmaschine abschalten, damit Sie zu einem normalen, gesunden Leben zurückkehren können. Manchmal ist die Maschine blockiert und muss gewartet werden. Wie gute Mechaniker wollen wir Ihnen zeigen, was die Maschine blockiert und daran hindert, wie geplant zu funktionieren, und Sie mit gesünderen Gewohnheiten bekannt machen, die sie anschließend reibungslos laufen lassen.

Da Stress vorhersehbar ist, lässt er sich auch weitgehend vermeiden.

Ja, er ist vermeidbar, nicht nur bewältigbar. Wenn Sie wissen, was Sie tun, müssen Sie gar nicht erst an Stress leiden. Das lässt Sie jetzt vielleicht ein bisschen mit den Zähnen knirschen (eine typische Stressreaktion), weil es eine hohe Erwartung ist. Aber wir führen Sie mit einem einfachen Modell und einem (recht intensiven) Sprachkurs dorthin.

Wir nennen das Modell die drei L – limitieren, lernen und lauschen. Die Stressfaktoren zu beschränken, die Sie in Ihr Leben lassen, ist leichter, als Sie glauben. Es ist ungefähr so, als würden Sie ein kostbares Auto vorsichtig fahren, damit es gut in Schuss bleibt und Sie weiterhin dahin bringt, wohin Sie müssen. Lernen ist der Prozess präventiver Wartung. Es geht darum, die Gewohnheiten zu erlernen, die Sie brauchen, um Ihre Fähigkeiten und Ressourcen im Umgang mit nicht limitierbarem Stress zu steigern. Und beim Lauschen schließlich geht es genau darum – die Anzeichen zu beobachten, damit Sie wissen, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen droht oder wenn sie Ihnen signalisieren, etwas anders zu machen. Das würden Sie auch mit einem wertvollen Auto machen und einen Wartungsstopp einlegen, sobald Sie ein unerwartetes Klappern hören.

Um aufmerksam zuzuhören, müssen Sie vier neue Sprachen erlernen, die jeweils mit den verschiedenen Arten zusammenhängen, wie Stress sich auf uns auswirkt. Stress kann kognitiv, emotional, körperlich oder spirituell empfunden werden. Je nach dem Einfallstor, durch das der Stress nach Ihnen greift, unterscheiden sich die Anzeichen und erfordern einen unterschiedlichen Umgang:

Kognitiver Stress wird durch Ihre Gedanken ausgelöst. Er findet in Ihrem Gehirn statt, das fortwährend mit Ihnen spricht, aber niemals die Wahrheit sagt.

Emotionaler Stress sitzt in Ihrem Herzen, das auf eine subtile, verschleierte Art spricht, deren Entschlüsselung Ihrer vollen Aufmerksamkeit bedarf.

Körperlicher Stress wird körperlich empfunden. Seine Sprache sind Beschwerden und Schmerzen, die sich zu Krankheiten auswachsen, wenn man sie ignoriert

Spirituellen Stress schließlich können Sie nur mit Ihrer Intuition wahrnehmen und durch den Ausgleich beheben, den Sie zwischen Ihrer wahren Zielsetzung und Ihrer tatsächlichen Existenz anstreben müssen.

Wenn Sie den Stress ignorieren, setzt er sich fest. Er wächst und ergreift Besitz von Ihnen und allem, das Ihnen lieb ist.

So werden Sie achtsam, verbindlich, kompetent und sachkundig

Dass unsere moderne Welt so stressig ist, liegt nicht an den Herausforderungen, die sie mit sich bringt. Wie auch immer Sie es betrachten mögen: Unser heutiges Leben hält für uns alle gewiss weniger Bedrohliches bereit, als das bei unseren Vorfahren oder auch vor gar nicht allzu langer Zeit bei unseren Großeltern der Fall war. Wir sind so gestresst, weil wir ihn schwären lassen, ihn akzeptieren und sogar als Ehrenabzeichen tragen, um unsere Wichtigkeit und unseren Erfolg zu signalisieren in einer Welt, die nur diejenigen bejubelt, die machen, verdienen und »Einfluss ausüben«.

Stress ist unsere neue Sucht. Man fragt sich, warum wir so versessen darauf sind, »beschäftigt« zu sein, statt versessen darauf zu sein, uns großartig zu fühlen.

Der Grund liegt in den vier Lücken zwischen dem wunderbaren Zustand der Ruhe und dem quälenden Zustand des Gestresstseins. Diese Lücken bestehen aus Achtsamkeit für die Stress auslösenden Faktoren in einem selbst wie auch in unserer Umgebung, aus dem verbindlichen Streben nach Veränderung, aus der Kenntnis dessen, was für ein stressfreies Leben nötig ist, und aus der Übung, die es erfordert, neue Gewohnheiten und solide Fertigkeiten zu entwickeln.

Beginnen wir mit der ersten Lücke: Achtsamkeit. Bitte nehmen Sie sich jetzt einige Minuten Zeit, um eine kurze Liste dessen zu erstellen, was Sie aktuell stresst. Es muss ja Gründe geben, warum Sie dieses Buch ausgewählt haben – Schwierigkeiten in der Arbeit, Beziehungsprobleme, Rückenschmerzen, ein Verlust oder die ständigen Anforderungen des Lebens. Was immer es sein mag, schreiben Sie es auf. Wir werden diese Liste als Ihren Stressbestand bezeichnen und weiter unten in diesem Buch zum Gegenstand unserer Überlegungen machen.

Seien Sie ehrlich zu sich selbst. Solange Sie nicht wissen, was im Argen liegt, können Sie auch nichts unternehmen, um etwas daran zu ändern.

Doch Achtsamkeit genügt nicht. Sie haben keine Chance, sich besser zu fühlen, wenn Sie nicht beschließen, auch die zweite Lücke zu schließen: Verbindlichkeit.

Niemand wacht morgens auf und denkt: Ich weiß, wie ich mich heute fühlen will – GESTRESST!

Das Problem ist jedoch, dass auch nur sehr wenige Menschen beim morgendlichen Erwachen das Gegenteil denken. Wann haben Sie zuletzt morgens als Erstes gedacht: Meine höchste Priorität heute ist, den ganzen Tag gelassen zu bleiben?

Genau diese Verbindlichkeit, mit der Sie alles Notwendige tun, um durch regelmäßige Übung die Stressfaktoren aus Ihrem Leben zu entfernen und zu mehr Gelassenheit zu gelangen, verändert alles. Ich kann Ihnen ohne Umschweife versichern, dass es Sie fit macht, wenn Sie Fitness zu Ihrer Priorität erklären und vier- oder fünfmal pro Woche trainieren. Wenn Sie körperlich gesund sind, garantiere ich es Ihnen. Nur wenn Sie Fitness wirklich zu Ihrer Priorität machen, verkneifen Sie sich diesen Brownie, und nur wenn Sie regelmäßig im Fitnessstudio auftauchen, werden Sie Ergebnisse sehen.

Legen Sie dieses Versprechen ab. Hier und jetzt. Es ist Ihre Verbindlichkeit wert.

Ich werde tun, was ich kann, um mein Leben stressfrei zu machen.

Doch »unstressbar« zu sein, benötigt noch einen weiteren Bestandteil jenseits von Achtsamkeit und Verbindlichkeit. Es erfordert Kompetenz und Sachverstand. Blicken Sie mal zurück auf Dinge, die Sie vor ein paar Jahren gestresst haben und mit denen Sie jetzt locker umzugehen verstehen, um sich den Wert zu vergegenwärtigen, den Ihr Sachverstand und Ihre Kompetenz für die Verringerung Ihres Stresszustands haben.

Etwas zu wissen, ist nutzlos, solange Sie nicht wissen, wie Sie das Wissen praktisch anwenden können. Sie können hundert Bücher übers Fahrradfahren lesen, ohne dem Erlernen auch nur einen Schritt näher zu kommen, solange Sie nicht die Füße auf die Pedale setzen und es ausprobieren.

Dies hier ist kein Selbsthilfebuch nach dem Muster »Fünf magische Tipps, um den Stress zu beenden«. Es ist ein Buch für Menschen, die zu verstehen bereit sind, was geändert werden muss, und die sich die Zeit zum Üben nehmen, um diese Veränderung hervorzurufen. Wenn Sie gerade denken:

Ich hab aber so viel zu tun, erinnern Sie sich an die Wahrheit. Niemand ist wirklich so beschäftigt. Wir wirken nur gern beschäftigt, weil es uns den Eindruck von Wichtigkeit vermittelt. Wenn morgen Ihre Lieblingsband in der Stadt wäre, würden Sie die Zeit erübrigen, zum Konzert zu gehen. Erübrigen Sie die Zeit, Ihr Leben zu retten. Sie können in nur fünf bis 20 Minuten täglich eine Veränderung bewirken. Wahrscheinlich vergeuden Sie mehr Zeit damit, sich tagtäglich gestresst zu fühlen.

Unstressable.com

Damit Sie den Lerneffekt dieses Buches maximieren können, bieten wir Ihnen einen Rabatt in Höhe von 15 Dollar auf den Preis des ersten Abonnement-Monats unserer exklusiven Community auf Unstressable.com. Dieser Rabatt entspricht hoffentlich mehr oder weniger dem, was Sie für dieses Buch bezahlt haben (das hängt davon ab, in welchem Land Sie es erworben haben). Als Teil der Community Unstressable.com erhalten Sie die Konzepte dieses Buches in Form von Videotrainings, bei denen wir Sie an die Hand nehmen und einzeln durch die Praxis- und Gedankenübungen führen. Darüber hinaus bekommen Sie Zugang zu unserer Gemeinschaft von Mitgliedern, die sich einem stressfreien Leben verschrieben haben. Sie lernen Gleichgesinnte kennen, schaffen sich ein Unterstützungsnetzwerk und können die Fortschritte und Schwierigkeiten Ihres Lernprozesses mit anderen teilen. Als Mitglied können Sie auch an unseren monatlichen Live-Webinaren teilnehmen, bei denen Sie uns Ihre Fragen direkt stellen und sich von den Erfahrungen der anderen Mitglieder inspirieren lassen können.

Nutzen Sie bei der Registrierung den Geschenk-Code IAMUNSTRESSABLE. Sie können Ihr Abonnement auch jederzeit kündigen, obwohl wir uns natürlich freuen würden, wenn Sie dabeibleiben und Teil unserer Familie werden.

Nehmen Sie sich eine Minute Zeit, um das jetzt gleich zu erledigen, ehe Sie weiterlesen.

Weiterer Content auf Social Media

Wenn Sie schon dabei sind, nehmen Sie sich bitte auch die Zeit, uns und den offiziellen Unstressable-Accounts auf Social Media zu folgen. Wir posten dort regelmäßig Tipps und Ratschläge, damit Sie in der Spur bleiben, während Sie auf dem Weg zur »Unstressbarkeit« Ihre Lebensgewohnheiten verändern. Folgen Sie Mo @mo_gawdat bei Instagram oder @MoGawdat bei LinkedIn. Folgen Sie Alice @alicelaw_ bei Instagram oder @unstressable_alice bei TikTok. Unstressable selbst ist unter @unstressable.official bei Instagram zu finden und unter www.linkedin.com/company/unstressable bei LinkedIn. Wir freuen uns, Sie dort zu treffen.

Wie das Ganze funktioniert

Unsere Absicht bei Wie man unstressbar wird ist, Ihnen ein umfassendes Modell zur Verfügung zu stellen, mit dem Sie sich dem Thema Stress aus allen relevanten Richtungen nähern können. Das Buch gliedert sich in drei Teile. Es beginnt mit Teil 1 – die Grundlagen, wobei wir bereits erläutert haben, warum dieses Thema wichtig ist. In Kapitel 1 behandeln wir die eigentliche Maschinerie, die uns Stress verursacht, zuerst die Biologie, dann die Physik. In Kapitel 2 werden all die verschiedenen Arten von Stressfaktoren beleuchtet – Trauma, Obsessionen, Geplapper und Ärgernisse.

In Teil 2 dieses Buches beginnen wir mit Ihrem Sprachkurs. Wir führen Sie durch die vier Sprachen, mit denen Stress spricht, und beginnen mit einer kurzen Umfrage, damit Sie einschätzen können, wie gestresst Sie gerade sind und welche Stressformen dabei dominieren. Dann gehen wir die Sprachen durch: kognitiver Stress in Kapitel 4, emotionaler Stress in Kapitel 5, körperlicher Stress in Kapitel 6 und spiritueller Stress in Kapitel 7.

Schließlich führen wir das alles in Teil 3 zusammen, wo wir Ihnen in Kapitel 8 die Gewohnheiten der Unstressbaren näherbringen.

Dies ist keine Schnellanleitung, sondern ein Nachschlagewerk, in dem Sie jedes Tool finden sollen, das Sie für die vorliegende Aufgabe benötigen – unstressbar zu werden.

Ehe wir die Stressmaschine auseinandernehmen, gibt es, glaube ich, noch eine Kleinigkeit anzumerken. Meinem Eindruck nach haben wir uns noch nicht richtig vorgestellt, also erlauben Sie bitte, dass wir Ihnen auf ein paar Seiten von Alice und mir erzählen – von unseren Qualifikationen und davon, warum wir uns entschlossen haben, dieses Buch zu schreiben. Falls Sie bereits mit unserer Arbeit vertraut sind, können Sie natürlich direkt zu Kapitel 2 vorspringen.

Anderenfalls: Erfreut, Sie kennenzulernen. Das Folgende gibt es über uns zu sagen.

Der moderne Berufstätige

Stress ist mir nicht fremd (hier spricht übrigens Mo). Genau genommen bin ich das Paradebeispiel eines naiven, wilden Rennfahrers, der sich ins Rennen gestürzt hat. Ich kann mich noch gut erinnern, wie das alles damit begann, dass ich mich verliebte.

Obwohl ich mein Ingenieurstudium mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, wollte ich als junger Mann Zimmermann werden. Ich wollte allmorgendlich in Frieden schöne Dinge schaffen, und das tat ich auch. Ich eröffnete eine kleine Werkstatt und verdiente etwas Geld, doch dann kam der Tag, an dem ich wie alle anderen auch erwachsen werden musste.

Ich wollte mit meiner Uni-Liebe Nibal eine Familie gründen. In Ägypten, wo wir damals wohnten, bedeutete das, dass ich bei ihrem Vater um ihre Hand anhalten musste – ein strenger Befragungsprozess, den ein Zimmermann, der für seine Kunst lebte, sicherlich nicht bestehen würde. Ich brauchte eine richtige Arbeit, und mit etwas Glück fand ich viel mehr als nur einen Job. Ich bekam eine Stelle bei IBM, damals das mit weitem Abstand führende Technologieunternehmen in Ägypten. Das ging einher mit guter Bezahlung, einer eindrucksvollen Stellenbezeichnung und viel Arbeit und Stress. Doch es lohnte sich. Ich bekam den Hauptgewinn. Ihr Vater willigte ein.

Nibal ist eine sehr, sehr kluge Frau. Sie begriff instinktiv, dass meine Arbeit es uns ermöglicht hatte, ein Leben für uns und unsere zukünftige Familie aufzubauen, und doch ermutigte sie mich nicht nur, es ein bisschen langsamer angehen zu lassen, um meinen Stress zu verringern, sondern sie tat auch, was sie konnte, um den Stress verschwinden zu lassen. Sie überschüttete mich mit Liebe, sorgte für wunderbare Wochenenderlebnisse, pflegte unseren Freundeskreis und plante Erholungs- und Urlaubszeiten ein. Ihretwegen führten wir ein wunderbares Leben, das fast frei von irgendeinem spürbaren Stress war, bis sich alles änderte.

Es war das erste Mal, dass ich das Gesicht meines wundervollen Sohnes Ali sah. Ich war im Kreißsaal, als Nibal ihn zur Welt brachte, und hielt ihre Hand, als der Arzt dieses verschrumpelte kleine Ding hochhielt, und mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich wurde von Liebe überwältigt, und wie viele andere verantwortungsbewusste Väter beschloss ich auf der Stelle, den Rest meines Lebens dafür zu sorgen, dass all seine Bedürfnisse erfüllt wurden.

Sie können sich sicher vorstellen, wie die Geschichte weiterging. Ich arbeitete mehr und mehr, um mehr Geld zu verdienen, versuchte aber immer noch, gesund zu bleiben, bis zu dem Tag, als es an der Zeit war, meine wundervolle Tochter Aya, die im folgenden Jahr auf die Welt gekommen war, in den Kindergarten zu bringen. Ich konnte es mir leisten, Ali in einen der besten Kindergärten der Stadt zu schicken, doch mein Einkommen reichte nicht aus, dass beide ihn besuchen konnten. So stimmte ich bereitwillig zu, mich für sie zu opfern. Ich hörte auf, auf mich selbst achtzugeben, und arbeitete so viel wie nur irgend möglich, um mehr Geld zu verdienen. Ich nahm 50 Pfund zu, machte keinen Sport mehr, hatte Schmerzen und Beschwerden am ganzen Körper und litt unter ständigen Kopfschmerzen, die oft wochenlang anhielten. Ich hatte mich von dem glücklichen Künstler entfernt, der ich einmal gewesen war, um zum Prototyp eines gestressten modernen Berufstätigen zu werden.

Für Nibal war es auch nicht leichter. Sie war jetzt zweifache Mutter und musste sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden, in der alles fremd und teurer war, hatte keine Freunde und keine Familie in der Nähe, auf die sie sich stützen konnte, und einen gestressten, nie erreichbaren, ungesund lebenden Ehemann, der überdies auch noch übellaunig war. Sie hatte ihre Karriere aufgegeben, um sich auf die Kinder zu konzentrieren, und musste eine echte Superheldin sein, um jenes komplexe Projekt zu meistern, das wir Familie nennen, und um die Kinder zu behüten und bei Laune zu halten, während alles ringsumher angespannt und schwierig war. Wenn ich auf mein damaliges Leben zurückblicke und wie oft ich ausrastete, kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich zu keiner anderen Zeit jemals so gestresst war. Ich war eine sich abzeichnende Katastrophe.

Kommt Ihnen das bekannt vor?

Ich werde nie diesen einen Tag vergessen. Aya muss fünf gewesen sein. Es war ein Samstag, und Nibal hatte einen Familienspaßtag für uns geplant. Als Aya aufwachte, konnte sie ihre Aufregung kaum in den Griff bekommen. Sie sprang vor Freude auf und ab, während sie den vor uns liegenden Tag beschrieb: »Papa, wir gehen dahin, wo es diese leckeren Pfannkuchen gibt, und dann gehen wir zum Spielplatz und dann zu Toys"R"Us. Können wir bitte Cola und Popcorn kaufen, ehe wir ins Kino gehen?« Ich meinerseits mühte mich ab, eine berufliche E-Mail zu lesen, und wurde immer genervter davon, dass sie mich störte, bis ich sie schließlich anherrschte: »Können wir jetzt hier bitte mal einen Moment lang ernsthaft sein?«

Ernsthaft? Was heißt denn hier ernsthaft? Sie war fünf!

Und natürlich reagierte sie wie eine Fünfjährige. Tränen strömten aus ihren wunderschönen kleinen Augen, und ich starrte sie übellaunig an und sah, wie meiner Tochter das Herz brach. Das war mein Weckruf.

An diesem Tag wurde mir klar, was aus mir geworden war. Ich konnte nicht mehr mit dieser Version meiner selbst leben. An diesem Tag begann ich eine Reise, die mich zurück zu meinem alten glücklichen Selbst brachte, bis das Leben, wie viele meiner Leser wissen werden, mir die ultimative Prüfung auferlegte.

Am 1. Juli 2014 verließ mein wunderbarer Sohn Ali diese Welt aufgrund eines ärztlichen Kunstfehlers bei dem einfachsten aller medizinischen Eingriffe. Es war plötzlich und vermeidbar, eine verheerende Tragödie, die jeden liebenden Vater zugrunde richten kann, doch meine Reaktion war ebenso unerwartet wie der Verlust.

17 Tage nach Alis Tod begann ich, Die Formel für Glück zu schreiben – ein Buch, das in 32 Sprachen übersetzt wurde, sich Hunderttausende Male verkaufte und zu einem internationalen Bestseller wurde –, und begab mich auf eine Mission, OneBillionHappy, die sich zum Ziel gesetzt hat, Alis Botschaft des Glücklichseins an eine Milliarde Menschen weiterzugeben, und die bereits viele Millionen auf aller Welt erreicht und beeinflusst hat.

Ich kündigte meine Stelle als Chief Business Officer bei Google X, schrieb zwei weitere Bücher – Scary Smart und Die kleine Stimme im Kopf, die an die Spitze der Verkaufslisten stiegen und internationale Anerkennung erzielten – und startete meinen Podcast Slo Mo, der ebenfalls die Charts eroberte und die Zuhörer aufforderte, es langsamer angehen zu lassen und sich von unserer stressigen Welt abzukehren, um stattdessen kostenlos einigen der weisesten Lehrer der Welt zuzuhören und etwas über Glück zu lernen. Ich entschied mich, den Rest meines Lebens dieser Mission zu widmen, bis ich wieder mit Ali vereint sein werde, wo immer er auch ist.

Sobald ich mich darauf eingelassen hatte, begann ich den entschlossenen Kämpfer gegen Unglück, Depressionen, Angst und Burn-out wiederzuerkennen, der ich immer gewesen war. Wie die meisten meiner Leserinnen und Leser, Zuhörerinnen und Zuhörer oder Follower glaubte ich, dass meine Reise zum Glücklichersein damit begonnen hatte, wie ich Aya das Herz brach, und mit meiner Verpflichtung zu der Mission, die mit Alis Tod einsetzte. Erst als Alice mich bat, über Stress zu schreiben, erinnerte ich mich an eine tiefere, ältere Verletzung. Sie geht zurück auf die einzige Person, die ich so sehr geliebt habe wie meine Ex-Frau und meine Kinder – meinen Vater.

Mein Vater, der ebenfalls Ali hieß, war ein brillanter Ingenieur und, anders als der typische nahöstliche Mann seiner Generation, ein Ausbund der Liebe. Im Rahmen seiner beruflichen Laufbahn wurde er zu einem sehr angesehenen Ingenieur in unserem Heimatland Ägypten, denn er leitete den Ausbau des Straßen- und Brückennetzwerks, das seinerzeit zum entscheidenden wirtschaftlichen Rückgrat des Landes wurde. Er war so geradlinig wie ein Pfeil und kämpfte anfangs gegen die in der Branche weitverbreitete Korruption, wovon das Land auf viele erkennbare Arten profitierte. Später in seinem Berufsleben zwang ihn die Organisationspolitik, angeführt von Menschen, die von einem korrupten Umfeld profitierten, beiseitezutreten und seine Führungsposition abzugeben. Dieser eine Moment vernichtete ihn. Er fühlte sich hilflos und ungerecht behandelt und stürzte infolgedessen in eine tiefe Depression. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in seinem Wohnzimmersessel, den Kopf in die Hände gestützt und unablässig über das Geschehene nachgrübelnd.

Ich liebte meinen Vater sehr, und oft, wenn ich ihm still im Sessel gegenübersaß, tat es mir weh, seinen Kummer mitanzusehen. Er war nicht mehr das glückliche, von Leben übersprudelnde Vorbild, mit dem ich groß geworden war. Mein Vater verblasste Tag um Tag, und ich saß dort und versuchte vergeblich, ihn zurückzuholen.

Am letzten Tag im März 1991 wollte ich losfahren, um meinen Bruder vom Flughafen abzuholen, und mein Vater bestand darauf, mich zu begleiten. Das war sehr untypisch für ihn, da er hektische, überfüllte und unübersichtliche Orte nicht mochte. Natürlich ergriff ich die Gelegenheit, ihn aus der Dunkelheit dieses Wohnzimmers herauszuholen. Während der gesamten Fahrt zum Flughafen und des Wartens auf meinen Bruder unterhielt ich ihn mit Geschichten. Er antwortete mit keinem Wort. Stattdessen saß er schweigend da, als warte er auf etwas. Als mein Bruder erschien, stand er auf und umarmte ihn. Dann sagte er: »So, fertig. Ich bin bereit für den Heimweg.«

Dies waren seine allerletzten Worte. Damals wusste ich nicht, dass er einen anderen Heimweg meinte: weg von der Qual der Depression, an der er so lange gelitten hatte. Während des Rückwegs brachten mein Bruder und ich uns gegenseitig auf den neusten Stand und lachten über hundert kleine Geschichten, doch mein Vater sagte kein Wort. Als wir nach Hause kamen, ging er direkt zu seinem Wohnzimmersessel und setzte sich hin, als warte er in Ruhe auf etwas. Als mein ältester Bruder mit seiner Familie hereinkam, umarmte und küsste mein Vater sie alle. Sie gingen hinaus, um meine Mutter zu begrüßen, und er legte sich auf den Boden mit einem Ausdruck der Entspanntheit, den ich sehr lange nicht mehr auf seinem Gesicht gesehen hatte. Ich sagte nichts dazu. Ich dachte, er wollte seinen Rücken strecken, aber eine Minute später erlitt er einen Herzanfall. Er sah mir in die Augen, während ich ihn in den Armen hielt, und verließ still unsere Welt.

Die ganze Nacht verbrachte ich grübelnd in seinem Zimmer. Ich wusste nicht, ob ich traurig über den Verlust sein sollte oder froh, dass er befreit von dem Stress und der Depression war, die ihn aufgezehrt hatten. In den darauffolgenden Wochen kehrte ich zu meinem normalen Alltag zurück, ohne etwas von der Schwere zu ahnen, die sein Weggang in mein Leben brachte. Erst vor Kurzem wurde mir bewusst, dass ich mir im Laufe der Jahre, die ich ihn in seinem depressiven Zustand begleitet hatte, unbewusst darüber klar geworden war, um wen es sich bei dem wahren Feind der Menschheit handelte. Ich kennzeichnete den Feind als den Stress, der meinem Vater seine Fröhlichkeit genommen hatte, und die Depression, die ihn mir weggenommen hatte.

Stress ist der Feind. Hätte ich die Möglichkeit dazu, so schwor ich mir, würde ich alles in meiner Macht Stehende tun, damit niemand jemals erleiden musste, was mein Vater hatte erleiden müssen. Meine Mission OneBillionHappy wurde damals auf den Weg gebracht – am Tag, als mein Vater diese Welt verließ. Ich investierte Arbeit in meine Qualifikation dafür, als ich Aya das Herz brach, und wurde über 20 Jahre später durch den Tod meines Sohnes dazu veranlasst, alles hinter mir zu lassen und die Mission Wirklichkeit werden zu lassen.

Und nun reiche ich die Tastatur weiter an eine weitere entschlossene Kämpferin gegen den Stress – Alice.

Keine Partys in meinen Zwanzigern

Ich hatte das Glück, in einer intakten Familie aufzuwachsen; meine Eltern lebten glücklich zusammen. Mein Vater war Entrepreneur und hatte erfolgreich Unternehmen für Grundstückserschließung und erneuerbare Energien aufgebaut. Er arbeitete viel, sorgte aber immer dafür, genügend da zu sein, um uns die Aufmerksamkeit und Liebe geben zu können, die ein Kind verdient. Meine Mutter ist so lieb und fürsorglich, wie eine Mutter nur sein kann. Sie widmete uns ihre gesamte Zeit, und so fühlte ich mich, während ich heranwuchs, sicher, umsorgt und geliebt. Selbst als bei meinem Vater Nierenkrebs diagnostiziert wurde – damals war ich drei Jahre alt –, verbargen meine Eltern das so gut, dass weder ich noch meine Schwester Georgina davon erfuhren.

Bis zu meinem 19. Lebensjahr war mein Leben weitgehend leicht und sorgenfrei, doch dann war es an der Zeit für einen anderen Plan.

Nach der Kreditkrise 2008 machte sich mein Vater genau wie viele andere, deren Geld in Investitionen angelegt war, Sorgen um sein Geschäft und um die finanzielle Zukunft seiner Familie. Wie mein großartiger Vater eben war, fand er, dass er dies allein klären und die Last allein tragen müsse, deshalb hatten wir praktisch keine Probleme. Aber ich nahm eine unterschiedliche Energie wahr. Es war das erste Mal, dass ich echter Besorgnis und Stress begegnete, ja sogar Kummer, obwohl er jedes Mal das Thema wechselte, wenn wir nachfragten. Allmählich verloren wir unsere Sicherheit, der erste einer langen Reihe von Stressfaktoren, die auf mich zukamen.

Nach und nach wurde er dem Vater, den ich kannte, immer unähnlicher. Er trank mehr und lachte weniger. Er verlor seine Leichtigkeit und Lebensfreude.

Wenig später war mein Vater gezwungen, für das Unternehmen, das er über Jahre hinweg aufgebaut hatte, Insolvenz anzumelden.

Auf dem Höhepunkt der Arbeitslast, die der Prozess der Unternehmensabwicklung erforderte, litt die psychische Gesundheit meines Vaters – die irrationale Scham, die Trauer und die Sorge, die damit einhergingen, verzehrten ihn innerlich. Er war in einer Zeit aufgewachsen, in der »Männer die Verantwortung tragen«. Nun lag seine ganze Identität in Trümmern, und ich verlor den Vater, den ich gekannt hatte.

Tragischerweise war er gezwungen, alle persönlichen Güter zu verkaufen, darunter auch unser Zuhause, das ich mein ganzes Leben lang gekannt hatte. Das Leben war angespannt, aber es sollte noch viel schlimmer werden.

Eines Abends erhielten wir wie aus dem Nichts die besorgniserregende Nachricht, dass bei meiner ältesten Halbschwester Suzanne, die ich sehr liebte, Krebs festgestellt worden war. Suzanne war eine wunderbare Frau, eine liebevolle Mutter und selbst Unternehmensgründerin. Nun wurde ihr Leben von einem Augenblick zum nächsten auf den Kopf gestellt, und das rief das größte Trauma meines Vaters wach. Nicht nur, dass er fürchtete, sein ältestes Kind zu verlieren; mein Vater kannte den Krebs nur zu gut, denn seine eigene Zwillingsschwester war an Krebs gestorben, genau im selben Alter, das Suzanne jetzt hatte, und zufälligerweise auch als Mutter von Kindern im selben Alter. Da er selbst ebenfalls gegen den Krebs gekämpft hatte, kam nun alles zusammen. Wir sahen mit an, wie die tiefe Besorgnis um seine Tochter, der Stress in seiner Firma und die finanziellen Sorgen ihn zugrunde richteten. Und uns alle damit ebenfalls.

Suzanne erholte sich und gab uns etwas Hoffnung auf eine Wende zum Guten, doch der Krebs kehrte zurück, und wir erlebten, wie sie tapfer verschiedene Behandlungen durchlitt. Ihre unnachgiebige Stärke besiegte den Krebs ein weiteres Mal, und sie war wieder im ersten Stadium der Entwarnung. Wir waren unendlich erleichtert, bis sich ohne Vorwarnung in einen Albtraum verwandelte, was eigentlich eine Familienfeier bei ihr zu Hause hätte sein sollen.

Ich fuhr von London aus zu ihr, als sie mich anrief und fragte, ob ich unseren Vater unterwegs aus dem Dorfpub abholen könne. Frohgemut ging ich hinein und fand meinen Vater dort friedlich mit einem Freund der Familie beim Bier sitzend. Lächelnd ging ich auf ihn zu, um ihn zu umarmen, doch irgendetwas stimmte nicht. In meiner segensreichen Unwissenheit setzte ich mich hin und fragte fröhlich: »Wie geht’s Suzanne?«, worauf mein Vater nach unten sah, während unser Freund Nick entgegnete: »Oh Gott! Hat dir denn keiner Bescheid gesagt?«

Ich erstarrte, und mir wurde übel. In der Miene meines Vaters suchte ich nach einer Antwort. Er starrte zu Boden und sagte leise: »Suzanne will es dir selbst sagen.«

Später hörte ich ungläubig, wie Suzanne erzählte, der Krebs sei nicht nur zurückgekehrt, sondern die Ärzte hätten auch gesagt, es sei nun endgültig. Das muss ein Witz sein, dachte ich. Wie kann man denn erst Entwarnung geben und dann von Endgültigkeit sprechen? Wir verloren sie nicht nur, sondern von da an verlor ich auch das Vertrauen ins Leben selbst.

Mit Anfang 20 hatte ich Angst, auf mein Handy zu sehen, weil ich weitere schlimme Nachrichten von meiner Familie fürchtete. Verborgene Ängste fraßen mich auf. Bei der Arbeit war ich unkonzentriert und machte mir Sorgen über die zunehmenden Depressionen meines Vaters und seine Flucht in den Alkohol, über die Schmerzen meiner Schwester, über das Elend meiner Mutter, die für meinen Vater alles zusammenzuhalten versuchte, über die finanzielle Lage und den Verkauf unseres Zuhauses. Ich sorgte mich um meine gesamte Familie. Bei der Arbeit gab ich eindeutig nicht mein Bestes, aber es war immerhin noch ausreichend. Als Arzthelferin war es meine Aufgabe, mir Dinge für jemand anderen zu merken, und mein angegriffenes Gedächtnis sowie meine fehlende Konzentration vergrößerten den Stress noch.

Und dann war da der gesellschaftliche Druck. Wenn ich mich mit Freundinnen traf, trug ich ein Lächeln zur Schau, obwohl ich innerlich wie abgestorben war. Während sie über normale, belanglose Hochschulabsolventinnenprobleme von Mittzwanzigern sprachen, war ich mit den Gedanken ganz woanders. Das gab mir das Gefühl, ausgeschlossen und allein zu sein. Eine weitere Last, die zu meinem wachsenden Stress beitrug.

Um alldem die Krone aufzusetzen, war mein damaliger langjähriger Freund nach Singapur gezogen. Weil ich nicht damit klarkam, alles gleichzeitig verarbeiten zu müssen, hatte ich die Beziehung vor seinem Weggang nicht beendet. Obwohl ich im Herzen wusste, dass wir nicht zusammenbleiben würden, hielt ich an der Beziehung fest aus Angst und Verzweiflung und um wenigstens etwas Angenehmes und Vertrautes in meinem Leben zu behalten. Ich versuchte es mit einer Fernbeziehung, die offensichtlich nicht funktionierte, sich allmählich auflöste und mir aufgrund des unbekannten Zeitpunkts seiner Rückkehr noch mehr Stress bereitete. Meine Bemühungen wurden nicht belohnt und führten schließlich zu einem Ende der Beziehung nur wenige Monate nach dem entsetzlichen Verlust Suzannes. Der hatte ihre Familie zerbrechen lassen, ihren Mann und ihre beiden Kinder, und sich auch auf unsere erweiterte Familie ausgewirkt.

Als der Schmerz meines Vaters über den bevorstehenden Verlust seines ältesten Kindes auf dem Höhepunkt war, wurde ein Prozess gegen ihn geführt von Menschen, die wir einmal als Familie betrachtet hatten. Es ging dabei um den Verlust einer Investition vor vielen Jahren. Ihre falschen Beschuldigungen trafen ihn zum furchtbarsten Zeitpunkt seines ganzen Lebens und zertrümmerten, was von seinem ohnehin bereits angegriffenen Geist noch übrig war.

Er hatte nicht die Kraft und nun auch nicht mehr die finanziellen Mittel, um die besten Anwälte zu engagieren oder das Beweismaterial vorzulegen, das zu diesem Zeitpunkt zum Beweis seiner Unschuld nötig war (die sich erst in seiner letzten Stunde erwies), und der Gerichtsstreit zog sich ewig hin. Er zehrte seine finanziellen Reserven auf, während die zunehmenden Depressionen ihn immer mehr Alkohol trinken ließen, um seinen Schmerz zu betäuben.

Es war niederschmetternd, meinen Vater so vor meinen Augen verschwinden zu sehen. Ich fühlte mich so allein. Ich war bedrückt, bekümmert und befand mich in einem Zustand permanenter Angst. Ich hatte das Vertrauen zu dem Leben verloren, das ich gekannt hatte, und dann tauchte endlich ein Strohhalm auf.

Nur wenige Tage nach Suzannes Beerdigung mussten wir den Notarzt rufen, und mein Vater wurde sofort ins Krankenhaus gebracht, wo man ein Blutgerinnsel in seinem Bein feststellte. Es konnte beseitigt werden, doch eine gesamtkörperliche Untersuchung ergab, dass sein Krebs zurückgekehrt war, diesmal sowohl in der Bauchspeicheldrüse als auch in der Lunge.

Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass er aufgegeben hatte. Er lehnte eine Behandlung seiner Krebserkrankung ab und hatte keinerlei Interesse daran, weitere Zeit im Krankenhaus zu verbringen. So musste ich meinem Vater, meinem Helden und besten Freund, nun dabei zusehen, wie er nicht einmal kämpfen wollte, während er dahinschwand. Ich dagegen weigerte mich aufzugeben.

Ich versuchte, Antworten und einen entschlossenen Plan einzufordern, doch er schmetterte meine Fragen einfach ab und wechselte das Thema. Er hatte bereits eine Entscheidung getroffen. Er hatte beschlossen, dass er wegwollte.

Inzwischen war der Verlust in all seinen Ausprägungen in meinem Leben präsenter geworden als das Leben selbst, und dann war da noch mein Kontrollverlust. Ich versuchte, ein Ergebnis zu gestalten, dessen Herbeiführung nicht meine Angelegenheit war, und mir das Schlimmste auszumalen, denn nach all diesen Schlägen war ich nun darauf konditioniert zu glauben, dass das Leben einen unausgesetzt im Stich lässt. Ich hatte jegliches Vertrauen verloren. Ohne alle weitere Hoffnung hatten mein Stress und meine Angst ihren Gipfelpunkt erreicht.

Bald reagierte mein Körper darauf und fügte meiner langen Liste seinen eigenen physischen Stressfaktor hinzu. Ich entwickelte ein heftiges Reizdarmsyndrom mit so schweren Symptomen, dass die Ärzte schon Angst hatten, ich könnte ebenfalls Darmkrebs haben. Die Ungewissheit um meine eigene Gesundheit verstärkte den Druck natürlich noch und verursachte mir noch mehr Stress. Und um nur ein paar weitere Faktoren hinzuzufügen, hatte auch meine jüngste Liebesbeziehung ein plötzliches Ende genommen und mir das Herz gebrochen, während gleichzeitig mein Unternehmen den britischen Markt verlassen musste, was mich überflüssig machte und mir den letzten Rest an Stabilität und Routine raubte, den meine Stelle und die tägliche Zusammenarbeit mit meinen sehr lieben Kolleginnen und Kollegen mir gegeben hatten.

Ich war am Tiefpunkt. All meine alten Emotionen, die ich aufgrund der ganzen Verluste und des Drucks nicht verarbeitet hatte, drängten an die Oberfläche. Was tat also mein etwas über 20-jähriges Ich? Es betäubte den Schmerz mit möglichst viel Ablenkung. Ich ging zu so vielen Partys, wie mein Freundeskreis nur zu bieten hatte. Ich betäubte mich mit Alkohol und Drogen. Während die meisten anderen meiner damaligen Bekannten das zum Spaß taten, tat ich es aus Angst. Der Angst vor dem Fühlen.

Ich arbeitete das Lehrbuch der Stressbelastungen durch und ließ keine Kleinigkeit aus. Verlust geliebter Menschen, Kontrollverlust, finanzielle Probleme, Liebeskummer, Verlust meines Zuhauses, Arbeitslosigkeit, kein Einkommen mehr, Sorge, Angst, Schlaflosigkeit, körperliche Schmerzen, Krankheit, Erschöpfung, Konzentrationsunfähigkeit, Ablenkungen, Alkohol und Drogen. Was immer dazugehört, ich machte es durch. Es fühlte sich an, als stürze meine gesamte Welt rings um mich ein, während ich von außen betrachtet »gut drauf« zu sein schien.

Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, wenn Sie jetzt denken: Was soll mir eine so kaputte Person denn heute beibringen? Nun, ich kann Ihnen sicherlich sagen, wie sich Stress in fast all seinen Ausprägungen anfühlt, aber ich kann Ihnen auch sagen, wie man das alles hinter sich lässt.

Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass sich etwas ändern musste und dass das Leben keine Hilfe bieten würde – zumindest schien es seinerzeit nicht die Absicht zu haben. Es war an der Zeit für mich, in die Realität zurückzukehren, so schmerzlich sie auch sein mochte. Ich konnte Suzanne nicht zurückholen, ich konnte nichts an der finanziellen Lage meiner Familie ändern, ich hatte nicht die Ressourcen, um den Verkauf unseres Hauses aufzuhalten, ich konnte den Prozess gegen meinen Vater nicht verschwinden lassen, ich konnte ihn nicht glücklich machen oder ihn dazu bringen, dass er sich ärztlich behandeln ließ oder sogar zu trinken aufhörte, egal, wie sehr ich mich bemühte. Ich konnte mir nicht meine letzte Beziehung zurückwünschen, meine Stelle wiederbekommen oder den Krebs meines Vaters wegzaubern.

Ich konnte überhaupt nichts tun gegen die äußeren Stressfaktoren in meinem Leben – aber ich konnte etwas für mich tun. Das Einzige, was ich ändern konnte, war mein Umgang mit dem Stress, den das Leben für mich bereithielt. Das Einzige, was meiner Entscheidung unterlag, war meine Reaktion. Also machte ich es mir in dieser Zeit allmählich zu meiner Mission, genau das zu lernen.

Ich las alles zum Thema Stress, das ich finden konnte. Ich sah und hörte jede Doku, jeden Podcast, jedes YouTube-Video. Ich ging zu Vorträgen. Ich stürzte mich in die Recherche vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Immer wenn meine Chefs in die Mittagspause gingen, setzte ich mich an den Computer oder las unter dem Schreibtisch.

Es gibt sicher Hunderte verschiedene Ansätze für den Umgang mit Stress und Angst, von spirituell bis wissenschaftlich, von Geist bis Seele, vom physischen Körper bis zu unserer energetischen Hülle, von logisch bis ganzheitlich, von unseren Gedanken bis zu unseren Emotionen. Ich erforschte sie alle.

Ich führte aus, was mir gesagt wurde, probierte verschiedene Dinge aus und testete, was für mich funktionierte. Ganz allmählich bewegte ich mich von einer permanent sorgenvollen, ängstlichen, überforderten und traurigen Person in Richtung der ausgeglichenen, glücklichen Person, die ich als Heranwachsende gewesen war. Der Mensch, der ich von Natur aus bin, kehrte ins Leben zurück.

Nur indem ich mich bemühte und dafür arbeitete, begann ich mich zu erholen. An meiner äußeren Umgebung änderte sich nichts, und doch ließ mich das, was ich lernte, nicht einfach nur über den Stress hinweggehen, sondern das Leben wieder zu genießen beginnen.

Meine Wegrationalisierung erwies sich als Geschenk. Das Leben, von dem ich gedacht hatte, es sei gegen mich, führte mich zu meinem nächsten Schritt – der Arbeit, die ich jetzt mache. Mit der Unterstützung meiner ehemaligen Arbeitgeber gründete ich mein Geschäft.

Als mir die Paradoxie meiner Empfindungen klar wurde, nahm ich mir trotz der fortgesetzten Probleme in meinem Leben vor, anderen dabei zu helfen, dasselbe zu fühlen. Ich ging zu formalen Lernprozessen über und schulte mich in einigen der unterschiedlichen Stressbewältigungstechniken, die meiner eigenen Erfahrung nach funktionierten. Achtsamkeit, EFT, Reiki, Meditation und schließlich Akashic Healing. Ich befasste mich mit Spiritualität, las die traditionellen Texte und modernere Bücher. Ich beschäftigte mich mit der Kabbala und unterhielt mich mit jedem, der mich zu unterrichten anbot, über Buddhismus, Sufismus und andere Glaubensrichtungen. Mit großem Interesse lernte ich alles über Psychologie, Coaching und Neurowissenschaften und arbeitete selbst mit einem ausgezeichneten Coach. Und ja, ich las sogar Bücher, die ein Ingenieur über das Thema Glück geschrieben hatte – ich meine Mo.

Als ich den Eindruck hatte, bereit dafür zu sein, gestattete ich mir, durch das Lehren zu lernen. Durch diese Kombination aus eigener Erfahrung, Lehrgängen und einem sich ständig weiterentwickelnden Lernen entwickelte ich Kurse für meinen wachsenden Kundenkreis, die speziell auf Stress und Angst ausgerichtet waren, was mir die Möglichkeit gab, einige der gestresstesten Führungskräfte zu beraten und in großen Konzernen Vorträge zu halten. Die Vielfalt unserer menschlichen Erfahrungen erweiterte meinen Horizont noch weiter.

Ich nehme an, ich wurde für die ultimative Prüfung vorbereitet. Diese Prüfung war gekommen, als meine Mutter eines Tages ganz unerwartet meiner Schwester und mir eine Nachricht schickte: »Fahre mit Papa ins Krankenhaus, Krankenwagen war hier. Aber keine Panik, rufe euch später an. Ich habe euch lieb. Mama.«

Trotz ihrer Worte sagte etwas in mir: Du musst sofort hinfahren. Also nahm ich einen Zug und fuhr direkt zum Krankenhaus. Mein Vater sah genauso erschöpft und zerbrechlich aus, wie ich befürchtet hatte. Ich wusste, dass es wohl an der Zeit war, aber irgendwie bewahrte ich die Ruhe.

Ich tat alles mir Mögliche, damit die Ärzte und das Pflegepersonal ebenso sehr für ihn kämpften, wie wir es in den Wochen seines Krankenhausaufenthalts taten. Es wurden üble Behandlungsfehler gemacht, und meine Mutter, meine Schwester Georgina und ich verwandten all unsere Energie darauf, dass zum richtigen Zeitpunkt das Richtige für ihn getan wurde, und blieben gleichzeitig optimistisch für ihn. Dennoch war damit nichts geholfen, und sein Zustand verschlechterte sich weiter. Erst nachdem er im Krankenhaus einen plötzlichen Herzstillstand erlitt, fanden die Ärzte endlich die Antwort, während sie auf der Intensivstation um sein Leben kämpften: ein großes Magengeschwür war aufgebrochen und verursachte schwere Komplikationen. Sein plötzlicher Tod rund eine Woche später, nachdem er endlich eine Nacht mit Palliativpflege zu Hause verbracht hatte, war die Folge seines Magengeschwürs und des Herzstillstands – die Folge von Stress, jenem lautlosen Mörder, der ihn uns am Ende genommen hatte.

Genau wie Mos Vater hatte auch meiner aufgrund von Stress gesundheitliche Probleme gehabt. Mo hatte den Stress der Überraschung und Verwirrung erlebt, der von einem plötzlichen Verlust herrührt, während ich unter anhaltenden Konfliktsituationen litt. Wir kamen auf verschiedenen Wegen zu denselben Schlussfolgerungen und zur selben Mission.

In jenem Moment, als ich in der Friedhofskapelle neben dem Sarg meines Vaters stand, traf ich bewusst meine Entscheidung darüber, wie mein Leben sich gestalten sollte. Er sah friedlicher aus, als ich ihn während mehr als acht Jahren gesehen hatte. In jenem Moment wusste ich: Meine Mission war es, so vielen Menschen wie nur möglich zum Frieden zu verhelfen, solange sie noch leben.

Ich versprach, dem chronischen Stress, der meinen Vater sowohl psychisch als auch körperlich verzehrt hatte, den Kampf anzusagen. Ich beschloss, alles weiterzugeben, was ich durch meine bitteren Erfahrungen über Krankheit, Liebe, Verlust, Kummer und Bedürftigkeit gelernt hatte und wie ich meinen Weg zurück zur Gelassenheit gefunden hatte. Dieses Buch ist Teil meines Vorhabens, das Versprechen einzulösen.

Auch wenn all meine Arbeit mir die Jahre nicht wiedergeben kann, die ich mit meinem Vater verloren habe, gibt sie mir doch das Gefühl, anderen zu helfen, die ebenso leiden, wie ich es getan habe. Als er gegen seinen eigenen Stress, seinen Kummer und seine zunehmenden Depressionen kämpfte, konnte ich ihm nicht helfen, sosehr ich mich auch bemühte. Wenn jetzt jemand zu mir kommt, habe ich das Gefühl, dem Vater oder geliebten Menschen von jemand anderem dabei zu helfen, sich selbst zu retten. Es macht mich glücklich, um die Wirkung zu wissen, die das nicht nur auf eine einzelne Person hat, sondern auch auf ihre Familie, auch wenn ich meinen eigenen Vater nicht zu seinem wahren Ich zurückbringen konnte.

Wenn ich jetzt auf diese Leidenszeit zurückblicke, empfinde ich Dankbarkeit. Ja, ich bin dankbar dafür, dass ich gelernt habe, was ich jetzt lehre – dass es mich nicht nur zu mir selbst zurückgeführt, sondern auch die Beziehung zu meinem Vater in seinen letzten Lebensjahren gerettet hat. Mit wachsender Bewusstheit hörte ich auf, seine gesundheitlichen Entscheidungen lenken zu wollen, und versuchte, die Zeit, die mir mit ihm noch vergönnt war, auf die bestmögliche Weise zu genießen. Ich bin dankbar, dass mein Erleben, nicht nur mein Wissen, mir das Recht gibt, den Strauchelnden einen anderen Weg aufzuzeigen.

Wenn ich mein eigenes Leben in meinen Zwanzigern erneuern konnte, dann können Sie das ebenfalls, egal, was Sie gerade durchmachen. Sie müssen einfach nur wissen, wie.

Beginnen wir also mit der Arbeit, Sie unstressbar zu machen. Zurück zu dir, Mo.

Teil 1

Die Grundlagen

Um eine Maschine zu reparieren, muss man verstehen, wie sie funktioniert, was die Störung verursacht hat, womit sie betrieben wird und welche Ergebnisse in jedem ihrer Betriebsmodi zu erwarten sind. Um sie unzerstörbar zu machen, muss man jedes Detail der vorbeugenden Wartung und des Betriebsvorgangs kennen.

Stress ist eine äußerst vorhersehbare Maschine, die einem bestimmten Zweck dient.

Bei guter Pflege ist sie von Nutzen. Bei Vernachlässigung wird sie einen kaputtmachen.

Kapitel 1

Welcome to the Machine

Haben Sie sich jemals ein leichtes und stressfreies Leben vorgestellt? Erinnern Sie sich an eine Zeit, zu der Sie so gelebt haben? Als alles nicht so kompliziert war? Es gab nicht allzu viele Pflichten, die Ihren Tag füllten, und wenn etwas ein bisschen schwieriger wurde, gingen Sie es an und klärten es mühelos? Ist es überhaupt möglich, vorwiegend stressfrei zu leben?

Also, dieses Buch behauptet das zumindest – dass es leicht erreichbar und Ihre unbedingte Pflicht ist, es Wirklichkeit werden zu lassen. Stress als Zyklus ist nicht schwer zu verstehen, und wenn Sie begreifen, wie er funktioniert, ist er nicht schwer zu vermeiden und aufzuheben. Ein bisschen Stress ist nötig, um unsere Sicherheit zu gewährleisten und uns zu Spitzenleistungen zu verhelfen, aber es soll nicht so sein, dass man die ganze Zeit unter Stress steht.

Unsere Maschinen scheinen kaputt zu sein. Wir müssen sie in die Werkstatt bringen und reparieren lassen. Doch zuvor müssen wir, wie jeder gute Techniker das täte, erst mal die Details der genauen Funktionsweise dieser Maschinen erfassen.

Biologie, Chemie und Neurowissenschaft

Das Empfinden von Stress ist das Produkt eines sehr komplexen Prozesses, der sich im Nerven- und Endokrinsystem des Körpers abspielt. Komplex, aber sehr vorhersehbar, denn jedes Mal, wenn Sie oder ich Stress empfinden, läuft der Prozess auf exakt dieselbe Weise ab. Dieses Gefühl, an das wir uns in der modernen Welt gewöhnt haben, erfordert eine gut aufeinander abgestimmte Interaktion zwischen Biologie, Chemie und Neurowissenschaft. Mehrere Bereiche Ihres Gehirns und des Nervensystems arbeiten im Einklang mit den Drüsen, um es auszulösen. Das ist wie beim Turbolader eines Sportwagenmotors, wenn der Treibstoff in unterschiedlichen Verhältnissen mit Sauerstoff vermischt wird: Ein gewöhnlicher Motor verwandelt sich in eine wahre Höllenmaschine. Auch Sie werden, wenn Sie gestresst sind, zu einer völlig neu konfigurierten Maschine, die sich von Ihrem gewöhnlichen Selbst unterscheidet.

In der Wissenschaft wurde jahrelang darüber gestritten, woher Stress rührt. Der traditionelle Standpunkt lautet, dass er von Gedanken in Ihrem rationalen Hirn ausgelöst wird, doch jüngere Studien deuten auf das Gegenteil hin – dass der Stress zuerst ausgelöst wird und die daraus resultierenden Gefühle und körperlichen Empfindungen dann Ihr rationales Hirn zum Denken veranlassen. Diese Gedanken können Ihnen helfen, sich zu beruhigen, oder Sie aufpeitschen, sodass Sie noch gestresster werden. Ich glaube, beide Szenarios sind richtig, je nachdem, was Sie stresst. Lassen Sie mich das erklären.

Gestresst sein

Stress ist eine automatische Reaktion. Ihr Stress beginnt mit einem Auslöser. Ein Ereignis findet statt, das eine mögliche Gefahr sein könnte.

Dieses stressauslösende Ereignis wird von Ihrem denkenden Hirn nicht einmal erkannt. Beispielsweise wenn dieser Kumpel, den Sie eigentlich noch nie so richtig leiden konnten, sich von hinten an Sie heranschleicht und »Buh!« brüllt. Während er sich kaputtlacht, springen Sie fast aus dem Hemd, Ihr Herz rast und Sie empfinden eine Version von Stress, die Sie auch verspüren würden, wenn Sie einem Säbelzahntiger gegenüberstünden. In einem Sekundenbruchteil fühlen Sie zunächst den Stress, und später denken Sie darüber nach. Was in solchen Fällen sofort in Kraft tritt, ist eine Seite Ihres autonomen Nervensystems (das, wie der Name schon sagt, für automatische Funktionen Ihres Körpers zuständig ist, zum Beispiel dass Ihr Herz kontinuierlich schlägt, ohne dass Sie darüber nachdenken). Diese Seite des beteiligten Systems wird im Allgemeinen als sympathisches Nervensystem bezeichnet und dann aktiviert, wenn eine gefährliche Situation erkannt wird, die nach Kampf, Flucht oder Einfrieren verlangt. Ihr Überlebensinstinkt hat keine Zeit, um zu analysieren, um was es sich bei der scheinbaren Bedrohung handelt. Er reagiert zunächst einmal und löst den Alarm aus.

Der Wachschutz, der für das Auslösen des Alarms zuständig ist, ist die Amygdala. Sie liegt ganz unten in Ihrem Gehirn unmittelbar vor dem Hirnstamm und somit in der bestmöglichen Position, um mit dem Rest Ihres Körpers zu kommunizieren. Man kann die Amygdala durchaus als Ihren paranoiden Teil betrachten. Ständig hält sie Ausschau nach Dingen, vor denen sie Sie beschützen muss (und ist auch zuständig für Lustgefühle, wenn das Leben es gut mit uns meint, aber darüber reden wir heute nicht – nur über den Stress).

Wenn die Amygdala aktiviert wird, schießen die Emotionen hoch, und nun übergeben die elektrischen Impulse, die durch Ihr Nervensystem schießen, an die chemische Seite Ihres Körpers. Ein perfekt aufeinander abgestimmtes Trio, das im Allgemeinen als HHN-Achse bezeichnet wird, übernimmt. Zum HHN gehört eine Gruppe von hormonproduzierenden Drüsen – nämlich der Hypothalamus, die Hypophyse und die Nebennierenrinde.

Von der Amygdala wahrgenommene Stressgefühle veranlassen den Hypothalamus zur Freisetzung eines Hormons namens CRH oder Corticoliberin, das wiederum die Hypophyse zur Ausschüttung eines Hormons namens ACTH oder adrenocortitropes Hormon in den Blutkreislauf anregt. Die von ACTH vermittelte Nachricht verteilt sich rasch im Blutkreislauf und verursacht die Produktion des verrufenen Hormons Cortisol durch die Nebennierenrinde. Jetzt ist es offiziell. Sie sind gestresst.

Cortisol ist ein maßgebliches Hormon, das zum Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens insgesamt dient. Da die meisten Zellen über Cortisolrezeptoren verfügen, wirkt es sich auf viele verschiedene Körperfunktionen aus. Cortisol hilft, den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren, den Stoffwechsel zu regulieren, Entzündungen zu verringern und die Gedächtnisbildung zu unterstützen. Es sorgt für ein Gleichgewicht von Salz und Wasser und reguliert den Blutdruck. Cortisol hilft auch bei der fetalen Entwicklung in der Schwangerschaft.