Wie spricht Street Art den Betrachter an? - Tamara Volgger - E-Book

Wie spricht Street Art den Betrachter an? E-Book

Tamara Volgger

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Beschreibung

Essay aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Kunst - Installationen, Aktionskunst, 'moderne' Kunst, Note: 2,0, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Kunstgeschichte), Veranstaltung: Vorlesung: Was ist ein Betrachter?, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht besonders die Street Art in Form von Stencils, aber auch auf Graffiti und Intervention soll kurz eingegangen werden. Dabei wird es nicht um die Entwicklung der Street Art gehen, sondern auf ihre Wirkung auf den Betrachter. Banksy, Ernest Pignon Ernest und die russische Künstlergruppe Partizaining bilden den Schwerpunkt der vorzustellenden Künstlern.

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Urban Art begegnet im städtischen, öffentlichen Raum nahezu an jeder Straßenecke. Urban Art ist ein Überbegriff für verschiedene Kunstformen, die sich auf der Straße abspielen. Diese ist nochmals in die Untergruppen Graffiti, Street Art und Intervention eingeteilt. Graffiti sind Werke, bei denen besonders das writing (Schrift) im Vordergrund steht. Street Art fasst Werke mit dem Schwerpunkt auf dem Bild zusammen, wie Stencil, Plakat, Sticker etc., die Intervention wiederum bezieht alle Formen ein, welche nicht zu den vorherigen Begriffen zugeordnet werden können, wie Performance oder soziale Projekte, wie zum Beispiel die Wochenklausur.

 

Man erkennt, dass die Begriffe weit gefasst sind und eine Differenzierung notwendig wäre. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht besonders die Street Art in Form von Stencils, aber auch auf Graffiti und Intervention soll kurz eingegangen werden. Dabei wird es nicht um die Entwicklung der Street Art gehen, sondern auf ihre Wirkung auf den Betrachter. Banksy, Ernest Pignon Ernest und die russische Künstlergruppe Partizaining bilden den Schwerpunkt der vorzustellenden Künstlern.

 

Da sich die Urban Art auf der Straße und damit in der Öffentlichkeit abspielt, kann der Betrachter überall und zu jedem Zeitpunkt mit ihr konfrontiert werden. Der Betrachter hat keine Möglichkeit sich auf die Kunst vorzubereiten, wie etwa vor einem Museumsbesuch, sondern wird - ob gewollt oder ungewollt - zwangsläufig zum Kunstbetrachter. Hier soll jedoch angemerkt werden, dass eine Einteilung der Urban Art in Kunst und Nicht-Kunst schwer fällt. Die Urban Art ist im akademischen Kunstbetrieb (noch) nicht anerkannt. Zwar steigt diese Tendenz dazu und einige der Street Art Künstler haben bereits den Sprung in Galerien geschafft, dennoch ist sie prozentual kaum in Museen, auf dem Kunstmarkt und in Galerien vertreten. Urban Art spielt sich außerhalb der traditionellen Kunst ab. Wenige der Künstler haben eine Ausbildung im Kunsthandwerk, selbst die Bewertung der Werke innerhalb der Szene ist anders als im akademischen Betrieb. Qualität steht mit Quantität oft auf einer Ebene. Man kann mit beiden Ruhm erlangen.

 

Der Betrachter wird durch die Urban Art meist zunächst irritiert, was nicht nur an der plötzlichen Konfrontation liegt. Besonders die quantitativen Arbeiten, die selten etwas mit Ästhetik zu tun haben, werden im Stadtbild als störend wahrgenommen. Hinzu kommt die Illegalität der meisten Arbeiten. Urban Art in Form von Street Art und Graffiti wird als Sachbeschädigung gefahndet. Diese Tatsache erschwert die Einteilung in Kunst oder Nicht- Kunst und die Akzeptanz im akademischen Kunstbetrieb zusätzlich.

 

Zur Irritation kann auch die Botschaft, zum Beispiel der Graffiti, führen, obwohl bei der Urban Art die Kommunikation im Mittelpunkt steht. Graffiti wenden sich eher an die Szene. Diese interne Kommunikation kann selten von Außenstehenden verstanden werden. Ein piece (Werk) im Wild Style (eine sehr chiffrierte und komplizierte Art der Schrift) entziffern zu können braucht Kenntnisse und Übung in der Gestaltung des writings (Schrift). Oft zeigen diese writings nur das Pseudonym des Sprayers. Auf Grund der Illegalität der Arbeiten bleiben die Künstler anonym. Manche gestalten statt einem Namen einen Charakter, der stellvertretend für ein Pseudonym steht, bekannt sind unter anderem die Figuren Harald Naegelis. Auch Mischformen von writing und Charakter kommen vor. Dennoch ist ein großes Ziel des Sprayers bekannt zu werden, das so genannte Getting up, und fame (Ruhm) innerhalb der Szene zu erlangen. Das bekommt man entweder durch die Qualität seiner Arbeiten oder durch die Quantität. Die Quantität wird besonders für ihre häufige Überschreitung gegen Konventionen und des Verstoßes gegen das Gesetz, sowie als Auflehnung gegen die Staatsgewalt anerkannt. An die Staatsgewalt richten sich auch einige Botschaften der Graffiti- Szene. Häufig anzutreffen sind Parolen wie „Fuck the police“, „ACAB“ oder „Ihr habt die Macht, wir haben die Nacht“. Letzteres spielt auf die Entstehungsweise des Graffito an, welches auf Grund der Illegalität meist nachts gesprüht wird.

 

Graffiti hält sich seinen Ort offen und kann überall angetroffen werden. Durch die Illegalität werden auch Orte besprüht, die man nicht oft zu Gesicht bekommt, wie zum Beispiel Unterführungen auf Feldwegen. Dennoch ist das Ziel, dass möglichst viele Menschen das piece sehen können. Ein beliebtes Medium für die schnelle und weit reichende Verbreitung des writings sind Züge. Züge sind mobil, somit werden viele Betrachter an diversen Orten erreicht. Allerdings werden viele Betrachter einige Arbeiten nie zu sehen bekommen, da Graffiti meist schnell wieder beseitigt werden und somit sehr kurzlebig sind. Das trifft auch auf die in der Gesellschaft eher akzeptierte Street Art zu.

 

Street Art, die weniger auf die Schrift als auf das Bild Wert legt, richtet sich hingegen an den Passanten. Ihre Botschaften sind meist einfach zu verstehen. Der Stil ist nicht, wie es bei Graffiti oft vorkommt, chiffriert, sondern für jeden erkennbar. Allerdings hat jeder Künstler eine andere Botschaft, eine allgemeine Aussage ist deshalb nicht möglich. Dennoch soll versucht werden, einen Einblick zu gewähren.

 

Ein großes Ziel neben dem Getting up innerhalb der Szene ist die Existenzbehauptung in der Stadt. Durch die vielen Tags (Signaturkürzel des Writers) und writings behauptet sich der Writer durch den künstlerischen und illegalen Akt in der Szene, erhält aber auch von der breiten Öffentlichkeit Aufmerksamkeit. Zudem stellt es eine Art der Selbstbehauptung und oft auch der Selbstfindung dar. Der Künstler teilt bewusst oder unterbewusst Züge seines Charakters mit. Viele thematisieren die Erotik, womit sie ihre eigene libidoöse und destruktive Tendenzen äußern. Dabei brechen sie durch das Aufzeigen eines Tabuthemas die Normen des konventionellen, bürgerlichen Leben.

 

Street Art und Graffiti sind meistens ein Akt der Rebellion. Man stellt sein Bedürfnis der Mittelung über die Konventionen der Gesellschaft. Außerdem bricht man das Gesetz und lehnt sich gegen die Staatsgewalt auf. Der Kick des Illegalen ist für einige Sprayer Motivation genug.

 

Viele der Werke sind jedoch nicht inhaltsleer, sondern konfrontieren den Betrachter oft auf ironische Weise mit aktuellen Themen und Missständen. Als Beispiel soll Banksy vorgestellt werden, da er in der Street Art einen besonderen Status inne hat. Banksy ist ein international bekanntes Pseudonym. Den Menschen, der hinter den in den Medien immer wieder gehypten Stencils und Interventionen steckt, kennt jedoch fast niemand. Durch seinen Ruhm verändert er die Stellung der Street Art in der Gesellschaft. Seine Werke werden nicht als Sachbeschädigung angesehen, sondern auf dem Kunstmarkt teuer gehandelt, wobei Banksy dagegen immer wieder in Arbeiten und auf seiner Homepage[1] polemisiert. Menschen gehen bewusst auf die Straße, um Kunstwerke von ihm zu entdecken. Ende des Jahres 2013 sprühte er beispielsweise in New York. Als das bekannt wurde, reisten Menschen sogar extra an um auf die Suche nach seinen Arbeiten zu gehen.

 

Sicher verhalf ihm die Einfachheit in seinen Botschaften zu seinem Ruhm. Die Werke sind einfach gestaltet und von jedem zu verstehen. Außerdem wählt er Themen, die jeden betreffen. Als Exempel möchte ich sein Graffiti „FOLLOW YOUR DREAM – cancelled“[2] heranziehen. Zu sehen ist ein Mann in Kleidung, die an die 1920er Jahre erinnert. In seiner rechten Hand hat er einen Pinsel, in der linken hält er einen Eimer. Unter den linken Arm sind zusammen gerollte Papiere geklemmt. Das Bild suggeriert, dass der Mann über die Schrift „FOLLOW YOUR DREAM“ ein rotes Plakat mit er Aufschrift "cancelled" geklebt und damit den Traum aufgegeben hat. Seine Kleidung und das abgesagte Motto erinnern an die Zeit, in der viele Menschen in die USA einwanderten mit dem Traum, es „vom Tellerwäscher zum Millionär“ zu schaffen. Dieser Traum wurde und wird allerdings für die wenigsten wahr.

 

Viele seiner Werke beschäftigen sich mit aktuellen Themen. Hier erkennt man teilweise seine humoristische Art, die sich in den meisten seiner Arbeiten niederschlägt. Ein starkes Element seiner Kunst ist die Konsumkritik. Sein Jesus mit den Einkaufstüten[3] deutet auf die neue „Religion“ des Konsums hin. Darauf weist unter anderem ebenfalls sein Leopard[4] hin, der sich aus seinem Käfig aus einem Strichcode befreit. Alles Mögliche wird nur noch nach seinem Wert betrachtet.

 

Selbst die Kunstbetrachter und die Kommerzialisierung der Kunst werden von Banksy aufs Korn genommen. Sehr deutlich wird das in seinem Film „Exit through the giftshop“ aus dem Jahr 2010. Dabei polemisiert er sogar seine eigene Stellung in der Kunst. Nur, weil er teuer gehandelt wird und es einen Hype um ihn gibt, interessieren sich die Kunstsammler etc. für ihn. In seinem Film zeigt er andere gute Künstler, die nicht so erfolgreich sind wie er und einen fiktiven Künstler namens Thierry Guetta, der ein Kunstbanause ist. Thierry Guetta machte viel Werbung für seine Ausstellung, woraufhin so viele Besucher kamen, dass die Ausstellung verlängert wurde. Die Menschen waren begeistert von dessen Ausstellung, wobei er in Banksy Augen kein Künstler ist.

 

Zudem verändert er bekannte Kunstwerke und bringt diese in Museen an. In Paris war eine Mona Lisa mit einem Smiley- Gesicht zu sehen. Ich vermute, dass er den Betrachter durch solche Aktionen irritieren will und sich einen Spaß aus den Menschen macht, welche die Veränderung nicht bemerken und Kunstwerke unreflektiert hinnehmen, nur weil sie als bedeutendes Kunstwerk ausgeschrieben werden.

 

Eine ähnliche Aussage hat unter anderem sein Stencil mit dem Künstler, der mit Palette, Barett und Pinsel ein Graffito auf die Wand malt. Einmal ist es ein writing im Bubble Style (Blasen Stil)[5], ein anderes Mal zeichnet er einen Penis[6]. Darin steckt die Kritik, dass Menschen Dinge zu Kunst deklarieren, die kein Kunstwollen besitzen. Jedoch ist die Unterscheidung von Kunst und Nicht- Kunst in der Street Art, wie oben bereits erwähnt, ein schwieriges Anliegen. Dennoch will Banksy zeigen, dass vieles als Kunst betrachtet wird, obwohl es keine ist. Nur weil Teile der Street Art mittlerweile als Kunst betrachtet werden, kann man nicht alle Werke dazu zählen.

 

Neben der Kritik am Lebensstil der Gesellschaft kritisiert er die Politik. Beispielsweise stellte er in Disneyland eine Puppe mit der typischen Kleidung eines Guantanamo- Häftlings mit Handschellen und einem Sack über dem Kopf auf. Die Puppe wurde so an einem Fahrgeschäft platziert, dass sie für alle gut sichtbar war und in nähe der Stelle, an der die Souvenir- Fotos geschossen werden. Diese Aktion kann man in seinem oben genannten Film sehen. Er wollte damit auf die menschenunwürdigen Haftbedingungen der Häftlinge in Guantanamo aufmerksam machen. Die Wahl für seine Platzierung ist fast schon zynisch. In Mitten eines amerikanischen Vergnügungsparks, in den Menschen gehen um Spaß zu haben, konfrontiert er die Betrachter mit einem schockierenden und ernsten Thema.

 

Die Orte, an denen Banksy sprüht, gehören oft zu dem Werk dazu. Er artikuliert die dortigen Probleme und spricht die Menschen vor Ort an. Als Beispiel gilt hier unter anderem seine Sprühkunst an der Mauer zwischen Israel und Palästina. Er wendet sich an die Menschen, die an ihrem Verhalten und an der Politik ihres Landes etwas ändern können und ermahnt sie zum Frieden.

 

Er beschäftigt sich oft mit dem Krieg, dessen Folgen und der Hoffnung, beziehungsweise der Hoffnungslosigkeit. Zentrale Figuren dafür sind die bekannten Banksy- Ratten. Sie sind oft an Orten, die einem nicht sofort ins Auge springen oder an Ecken, so als fordere der Künstler den Hoffnungslosen heraus, einfach mal um die Ecke zu schauen und seinen Blickhorizont zu erweitern.

 

Man kann alleine schon bei diesem einen Künstler die Vielfalt der Botschaften in der Street Art erkennen. Bei Banksy soll sie nicht schön sein und den guten Kunstgeschmack erfreuen, sondern soll dem Betrachter die Augen öffnen, ihn schocken, amüsieren und zum Nachdenken anregen. Viele Menschen laufen blind durch die Welt und lassen alles über sich ergehen, ohne es zu merken, zu reflektieren oder sich darüber zu beschweren.

 

Der Schablonen- Künstler Ernest Pignon Ernest[7] bezieht den Ort noch stärker in seine Kunst ein als Banksy. Er geht an Orte und fragt dort die Bewohner, was an diesem Ort besonderes geschehen ist und versucht dies künstlerisch umzusetzen. Er steht somit fast schon in der Tradition der Denkmalkunst, denn er spricht das kollektive Gedächtnis an diesem Ort an. Hier kann man sein Werk „Les expulses“[8] aus dem Jahr 1970ern heranziehen. Es handelte sich um eine Serigraphie auf halbabgerissenen Häusern in Paris, die einen Mann und eine Frau in fortgeschrittenem Alter zeigt. Beide sind ärmlich angezogen und mit Koffern und einer zusammengerollten Decken oder Matratzen bepackt. Die Arbeit erinnert an die dortige Zwangsumsiedlung von 1975-1980. Der Betrachter soll sich der Geschichte des Ortes bewusst werden. Das Problem an Denkmälern und denkmalartigen Arbeiten ist, dass sie oft Informationsarbeit brauchen, um verstanden zu werden. Auf der anderen Seite bilden sie den Betrachter.

Ernest Pignon Ernest wählt den öffentlichen Raum als Medium, da seine Kunst für alle zugänglich sein soll und er den akademischen Kunstbetrieb kritisiert. Er wendet sich von ihm ab und wählt die akademisch nicht anerkannte Street Art. Allerdings interpretiert er bekannte Kunstwerke neu. 1997-1999 malte er seine „Les cabines“[9]. Auf Telefonkabinen zeigt er schreiende Personen, die stark an Munchs „Schrei“ erinnern. Mit dieser Arbeit machte er auf die Einsamkeit in der Großstadt aufmerksam und auf die Ungerechtigkeit und Ausgrenzung in der Gesellschaft. Der Betrachter muss bei diesen Interpretationen allerdings ein wenig kunstaffin sein und die bekannten Werke, die rezitiert werden, kennen. Dennoch vermitteln seine Werke auch ohne Vorwissen eine Botschaft.

 

Ernest Pignon Ernests Arbeiten sind, im Vergleich zu Banksys von Einfachheit geprägten Werken, anspruchsvoll. Sie richten sich zwar an jeden, trotzdem braucht der Betrachter ein gewisses Grad an Bildung, um sie vollständig und nicht nur oberflächlich erfassen zu können.

 

Als drittes veranschaulichendes Beispiel soll die russische Künstlergruppe Partizaning[10] um Igor Ponosov vorgestellt werden. Sie intervenieren aus sozialem und politischem Interesse. Die Gruppe macht auf die schlechte Infrastruktur und die Umweltverschmutzung in Moskau aufmerksam. In Moskau gibt es beispielsweise kaum Fahrradwege. Dafür sind die Straßen von umweltbelastenden Kraftfahrzeugen „verstopft“. Partizaining schafft aus diesem Grund selbst Fahrradwege. Sie ziehen Streifen auf Straßen und funktioniert diese entweder durch Aufsprühen von Piktogrammen, die stark den gängigen Piktogrammen für Fahrradwege ähneln, oder durch selbstgestaltete Fahrradschilder zu Fahrradwegen um.

 

Für die vielen Autos in Moskau fehlen jedoch Parkplätze. Aus diesem Grund parken Autofahrer ihre Karosserien einfach auf dem Gehweg, auf Zebrastreifen oder an sonst nicht zum Parken vorgesehenen Orten. Partizaning versucht diesen Missstand zu bekämpfen, indem sie auf ihn Aufmerksam machen. Sie malen Parkplätze an zum Parken unmögliche Stellen, wie zum Beispiel auf Treppen. Sie werden aber auch gegen die Falschparker selbst aktiv. In einem Film beispielsweise sieht man, wie einer der Gruppe ein falsch parkendes Auto mit Müll belädt und Drohungen in Form eines Zettels und eines Bordsteins am Auto befestigt. Sie machen das, ohne sich zu verstecken, sondern direkt vor den Augen anderer Passanten. Die Rede, die das Mitglied zu dieser Tat schwingt, ist laut und für jeden im Umkreis hörbar. Partizaning spricht besonders die Politiker an, endlich etwas gegen diese Situation zu tun, aber auch jeden, der die Straße benutzt. Sie hoffen, dass die Menschen die Augen öffnen, nachdenken und handeln. Jeder kann aktiv zur Neu- und Umgestaltung der Stadt beitragen und gegen Missstände rebellieren.

 

Auf der anderen Seite gibt es Künstler, deren Botschaften nicht so leicht zu erkennen sind. Statt den Betrachter aufzuklären und zu verständigen, bleibt die Botschaft uneindeutig und führt eher zur Verunsicherung und Irritation des Betrachters. Die Arbeiten bewegen sich oft auch nicht mehr in der Ästhetik. Anzuführen wäre hier die Gruppe „Grupo de Arte Callejero“, die durch teilweise fast an den Terrorismus anlehnende Aktionen die Funktion des öffentlichen Raumes in Frage stellen und versuchen ihn aufzubrechen und zu verändern.

 

Es ist klar geworden, dass die Ziele der Straßenkünstler sehr verschieden sind. Die Kommunikation zwischen Menschen ist wohl das wichtigste Element in der Urban Art. Dabei gehen die verschiedenen Botschaften jedoch weit auseinander. Sie können philosophischer, historischer oder politischer Natur sein und dabei humorvoll, traurig oder anstößig sein. Urban Art stößt den Betrachter zurück oder an, bringt ihn zum Lachen und zum Nachdenken. Die Werke der Urban Art sind Reaktionen und Ausdruck von Zuständen. Die Themen können Provokation, Aggressivität, Chaos, Militanz, Spott, Ironie oder Humor ausdrücken. Sie kann als Parodie oder ernst vorkommen. Sie ist ein Ausdruck des Einfallsreichtums des Künstlers, aber auch von dessen Gefühlen, die über Wut, Lust, Verzweiflung, Enttäuschung, Angst, Hoffnung und Liebe reichen, sogar Träume und Wünsche werden dem Betrachter vermittelt und lösen dementsprechende Gefühlsregungen bei ihm aus. Oft dienen sie auch der persönlichen Selbstfindung und Selbstinszenierung. Manchmal sind sie inhaltsleer, schön, hässlich, spontan oder langweilig. Manche Künstler treten jedoch nicht nur mit den Betrachtern in den Austausch, sondern auch mit anderen (Street Art) Künstlern. Der Künstler Les enfantes terribles beispielsweise tritt unter anderem mit Banksy in den Dialog durch die Adaption seiner Ratten.

 

Urban Art ist rebellisch. Viele der Künstler üben durch ihre Arbeiten Kritik an der Gesellschaft oder der Politik aus. Dabei können die Botschaften durchaus Einfluss auf die Gesellschaft haben. Beispielsweise gilt ein Graffito als Auslöser für den Arabischen Frühling. Die Einfachheit der Botschaften ist ein verbindendes Element innerhalb der Urban Art. Der zufällige Betrachter soll sie verstehen und wird zum Nach- oder Umdenken animiert. Beispiele für einfache Zeichen sind unter anderem politische Symbole, wie der kommunistische Hammer mit Sichel oder das Anarchiezeichen, leider begegnet man auch oft Hakenkreuze. Des Weiteren sieht man oft eingängige und bekannte Parolen wie „Keine Macht für niemand“. Die Überschreitung eines Verbots und die Rebellion gegen aktuelle Zustände steht bei den meisten Sprayern im Vordergrund.

 

Es gibt aber auch ganz profane Absichten der Künstler. Einige sind künstlerisch motiviert und wollen keine Botschaft übermitteln. Für sie steht die Ästhetik und die Auslebung der Kreativität im Vordergrund. Zudem stellt die Verschönerung der Stadt eine Motivation dar.

 

Was allen illegalen Arbeiten der Urban Art gemein ist, ist ihre Kurzlebigkeit. Dadurch ändert sich das Stadtbild stetig. Der Betrachter hat keine Zeit sich an eine Arbeit zu gewöhnen, da sie kurze Zeit später verschwindet und neue Werke entstehen. Ein Spaziergang durch die Stadt - mit Blickpunkt auf die Straßenkunst - bleibt somit immer spannend.

 

Viele erkennen die Straße als neues Medium zum Austausch, zur Präsentation und als Teil des Kunstwerkes. Der Vorteil der Straße ist, dass jeder erreicht werden kann, egal welcher Bildungsschicht der Betrachter angehört. Denn statistisch gesehen gehen besonders Personen der oberen Schicht und im fortgeschrittenen Alter in Museen oder Galerien. Die Straße hingegen braucht keine Vorbereitung, keinen Eintrittspreis und das Kunstwerk und somit auch der Künstler wird von einem großen Personenkreis wahrgenommen und möglicherweise durch Fotografie verbreitet. Der Betrachter wird zum Betrachter der Kunst, ob er will oder nicht. Auch wenn er keine Kunst in der Öffentlichkeit will, so wird er trotzdem mit ihr konfrontiert. Sogar die Anzahl der Atelierkünstler auf der Straße nimmt stetig zu. Auch die Illegalität wird in der Street Art immer irrelevanter. Mittlerweile sind einige Arbeiten legal oder sogar Auftragsarbeiten, wie zum Beispiel das Mural (großflächiges Wandbild) auf der Hauswand der Brauerei Ganter in Freiburg[11].

 

Viele Werke der Street Art gelten als Sachbeschädigung. Manchmal aber erfreuen sie die Betrachter anstatt sie zu verwirren oder sie gar zu verärgern. Ich denke, dass die Reaktion der Betrachter sehr mit der Qualität der Arbeiten, aber auch mit dem Alter und der Schichtzugehörigkeit der Betrachter im Zusammenhang steht. Elitäre Klassen, welche die akademische Kunst gewohnt sind, scheinen mit der relativ neuen Street Art, die akademisch (noch) nicht anerkannt wird, eher Schwierigkeiten zu haben. Auch der Aspekt der Illegalität scheint hier mehr anzustoßen, als bei jungen, weltoffenen Menschen, die oft nicht aus der oberen Gesellschaftsschicht stammen.

 

Abbildungen mit Abbildungsnachweis:

 

Abb. 1

 

 

Banksy: Ohne Titel. http://www.stencilrevolution.com/banksy-art-prints/follow-your-dreams/

 

[Stand: 20.03.2014]

 

Abb. 2

 

 

Banksy: Ohne Titel. http://www.stencilrevolution.com/banksy-art-prints/jesus-christ-with-shopping-bags/

 

[Stand: 20.03.2014]

 

Abb. 3

 

 

Banksy: Ohne Titel. http://www.stencilrevolution.com/banksy-art-prints/barcode-leopard-tiger/

 

[Stand: 20.03.2014]

 

Abb. 4

 

 

http://xgraffiti.files.wordpress.com/2010/04/graffiti_banksy.jpg

 

[Stand: 20.03.2014]

 

Abb. 5

 

 

http://images.artnet.com/images_DE/magazine/2011-09/kommentar/bieber09-01-11/banksy2.jpg

 

[Stand: 20.03.2014]

 

Abb. 6

 

 

Ernest Pignon Ernest: Les expulses.

 

http://www.clg-nacelle-corbeil.ac-versailles.fr/IMG/jpg/les-expulses-.jpg

 

[Stand: 20.03.2014]

 

Abb. 6

 

 

Ernest Pignon Ernest: Les cabines. Sitú. http://www.pignon-ernest.com/p/cabine.html

 

[Stand: 20.03.2014]

 

Abb.7

 

 

Herakut: "What Was Before Is In Us - Still", April 2013. http://fudder.de/fileadmin/media/galleries/20130422herakut/2013_04_22_Herakut.JPG

 

[Stand: 20.03.2014]

 

Literatur:

 

Cooper, Martha u. Chalfant, Henry: Subway Art. London 1984.

 

Jaccard, Rémi: Urban Art. Surveillance- Züricher Langstraße. Bericht über eine historische Feldstudie. In: Vom Memorialkloster bis zur Street Art. Standards, Probleme und Essenzen kunsthistorischer Grundlagenforschung. Bd. 19. Hrsg.: Kersten, Wolfgang F. Berlin, Boston 2013. S. 15-65.

 

Klee, Andreas [Hrsg.]: Politische Kommunikation im städtischen Raum am Beispiel Graffiti. Wiesbaden 2010.

 

Kunstforum Bd. 222. 55. Berlinale: Il Palazzo Enciclopedico. Juli- September 2013.

 

Reinecke, Julia: Street- Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz. 2. Auflage. Bielefeld 2012.

 

Thompson, Margo: American Graffiti. Neumünster 2009.

 

Stahl, Johannes: Graffiti: zwischen Alltag und Ästhetik. München 1990.

 

Suter, Beat: Graffiti - Rebellion der Zeichen. Frankfurt am Main 1988. Zugl. Zürich, Univ., Diss.

 

Van Treeck, Bernhard: Street- Art Berlin. Kunst im öffentlichen Raum. Mit Beiträgen von Horst Michael Nungesser, Heinz uzdas und Hilmar Schmund. Berlin 1999.

 

Internetquellen: