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Eine junge Göttin, die in Träumen wandelt.
Ein sterblicher Lord, der seine Heimat beschützen muss.
Ihre Liebe wird die Welt der Götter für immer verändern - oder sie vernichten.
Matilda lebt als jüngste Göttin im Untenreich in ständiger Gefahr vor den Grausamkeiten der Götter. Denn sie birgt ein Geheimnis: Sie hat Gefühle für einen Sterblichen. Als Kind hat sie sich mit Vincent, dem Sohn eines Lords, angefreundet. Doch um ihn vor den Göttern zu schützen, nimmt Matilda Abstand von der Menschenwelt, bis Vincent in Lebensgefahr schwebt und sie nicht anders kann, als ihm zu Hilfe zu eilen. Vincent, inzwischen selbst ein attraktiver, aber kalter Lord, steht kurz vor der Schlacht um seine Heimat. Und Matilda ist die Einzige, die ihm helfen kann — indem sie sich als seine Ehefrau ausgibt. Doch hat eine Liebe zwischen einer Göttin und einem Sterblichen überhaupt eine Chance?
»Ich freue mich so darauf, es zu lesen!« STEPHANIE GARBER, SPIEGEL-Bestseller-Autorin
»Rebecca Ross schreibt für die Träumenden, die sich nach Hoffnung sehnen. Ihre Worte sind mehr als gedruckte Buchstaben auf Papier: Sie sind pure Magie.« ZWISCHEN.PRINZEN.UND.BADBOYS
Das lang ersehnte Prequel zu DIVINE RIVALS von Platz-1-SPIEGEL-Bestseller-Autorin Rebecca Ross
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Seitenzahl: 953
Veröffentlichungsjahr: 2025
Titel
Zu diesem Buch
Leser:innenhinweis
Widmung
Personenverzeichnis
Die göttlichen Höfe
Teil 1
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
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13
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15
16
17
18
Teil 2
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
Teil 3
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33
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Teil 4
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Teil 5
78
79
80
81
82
83
84
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Bücher von Rebecca Ross bei LYX
Impressum
REBECCA ROSS
Wild Reverence
Roman
Ins Deutsche übertragen von Ulrike Gerstner
Matilda lebt als jüngste Göttin im Untenreich in ständig Gefahr. Denn sie birgt ein Geheimnis: Sie hat verbotene Gefühle für einen Sterblichen. Als Kind hat sie sich mit Vincent, dem Sohn eines Lords, angefreundet. Zusammen sind sie durch Vincents Träume gewandelt und haben gemeinsam neue für die Zukunft erschaffen. Doch um Vincent vor der Grausamkeit der Götter zu beschützen, nimmt Matilda Abstand zu ihm. Bis Vincent zehn Jahre später in Lebensgefahr schwebt. Vincent, der inzwischen den Titel von seinem Vater geerbt hat und zu einem attraktiven Lord geworden ist, steht kurz vor der Schlacht um seine Heimat. Deshalb braucht der Lord dringend Verbündete, und Matilda ist die Einzige, die ihm mit ihren Beziehungen zu den Göttern helfen kann. Dafür muss sie sich jedoch als seine Frau ausgeben! Während die beiden als vermeintliches Ehepaar versuchen, Allianzen mit den Göttern und den Menschen zu schmieden, merken sie, dass diese magische Verbindung zwischen ihnen noch immer besteht – und mit jedem Moment stärker wird. Doch Matilda ist eine mächtige Göttin und Vincents Leben ist endlich. Selbst wenn sie diesen Kampf gewinnen – hat eine Liebe zwischen einer Göttin und einem Sterblichen überhaupt eine Chance?
Liebe Leser:innen,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.
Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.
Achtung:
Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Wir wünschen uns für euch alle
das bestmögliche Leseerlebnis.
Euer LYX-Verlag
Für alle, die schon einmal Abschied nehmen mussten von jemandem, den sie geliebt haben.
DAS REICH DER STERBLICHEN
Vincent von den Becketts, Lord von Wyndrift
Nathaniel von den Becketts, Vincents jüngerer Bruder
Edric, Captain der Wache
Lady Hyacinthe, Ritterin in Wyndrift
Alyse, Seneschallin des Schlosses
Gwenda, Heilerin des Schlosses
Grimald von den Becketts, Baron von Englewood
Hugh von den Delavoys, Lord von Drake Hall, Verbündeter von Wyndrift
Adria, die Dichterkönigin
James, Lara und Tristan, Pächter der Wyndrift-Felder
Henriette, James’ Schwester
Darian, Handwerker in Wyndrift
DAS REICH DER UNDERLINGS
Zenia, Göttin des Winters, des Feuers* und der Listigkeit*
Alva, Göttin der Träume und Albträume
Phelyra, Göttin der Ausschweifung und der Münzen*
Bade, Gott des Krieges
Dacre, Gott der Heilung, Lord der Underlings
Hem, Schmied und sterblicher Vasall des Kriegsgottes
Xan, Gott des Eisens
Orphia, Göttin des Todes, Matriarchin der Underlings
DAS REICH DER SKYWARDS
Warin, Gott des Frühlings, des Eisens* und der Flüsse*
Thile, Gott der Dämmerung, der Eide* und des Sommers*, Lord der Skywards
Luz, Göttin der Ernte und des Regens*
Shale, Gott des Windes
Enva, Göttin der Musik
Rowena, Göttin des Schicksals, Matriarchin der Skywards
Demi, Göttin des Herbstes
GÖTTLICHE, DIE IN MEHRERE REICHE GEHÖREN
Matilda, Heroldin der Götter
Torwächterin des Ödlands
* Magie, die geraubt wurde.
DIE GÖTTLICHEN HÖFE
Gemäß den Sternen und Horoskopen
Der Niedere Hof, oder Göttliche, die mit Magie geboren sind, die sich folgendermaßen darstellen lässt:
3 und weniger Sterne in einer Konstellation
4 Sterne in einer Konstellation
5 Sterne in einer Konstellation
Der Mittlere Hof, oder Göttliche, die mit Magie geboren sind, die sich folgendermaßen darstellen lässt:
6 Sterne in einer Konstellation
7 Sterne in einer Konstellation
8 Sterne in einer Konstellation
Der Hohe Hof, oder Göttliche, die mit Magie geboren sind, die sich folgendermaßen darstellen lässt:
9 Sterne in einer Konstellation
10 Sterne in einer Konstellation
11 und mehr Sterne in einer Konstellation
Das Ende erschafft den Anfang
Der Tod und ihr Horoskop
Matilda
Einst, vor langer Zeit, glaubte ich, der Gott des Krieges sei mein Vater, aber nur, weil er der Erste war, der mich nach meiner Geburt in den Armen hielt.
Sein Gewand war von einer tödlichen Schlacht blutrot gefärbt, sein Mantel von Schwertern und Morgensternen zerfetzt, und seine Haut – noch warm von der Frühjahrssonne – roch nach Salz und süßlichem Rauch. Er war gekommen, um die Höhle meiner Mutter zu besuchen, tief unten, wo die Erde dunkel und still ist. Er wollte sie um Rat zu einem Scharmützel bitten und wurde schließlich Zeuge meiner Geburt.
Meine Ankunft war so unerwartet schnell, dass er nicht einmal die Möglichkeit hatte, seinen Wein zu leeren und sich zu verabschieden, wie er es vorgezogen hätte. Denn er wollte unbedingt auf das Schlachtfeld zurückkehren und allem aus dem Weg gehen, was mit Geburt und Niederkunft zu tun hatte. Er sagt, ich sei mit einem Schrei auf die Welt gekommen, der Baumwurzeln und dicke Gewitterwolken zerreißen, der sterbliche Könige in die Knie hätte zwingen können. Ohne Zweifel war das Echo meiner Stimme durch alle Tunnel der Underlings gehallt.
»Halte sie«, hatte meine Mutter, atemlos, aber mit rosigen Wangen, von ihm verlangt.
Und das tat er, drückte mich unbeholfen an seine blutbefleckte Brust. Ein Gott, von dem man sich erzählte, sein Herz sei so hart und unnachgiebig wie Quarzit, der einzige Sohn der Todesgöttin, der ohne Erbarmen Hunderte um Hunderte Seelen erbeutete.
»Wie wirst du sie nennen?«, fragte Bade und stützte mein Köpfchen mit seiner Hand. Sie war groß genug, mächtig genug, mich zu Staub zu zerquetschen, und doch hielt er mich, als sei ich ein zerbrechliches Wesen. Ein Götterkind aus Libellenflügeln, Spinnenseide und Tagträumen.
Meine Mutter hielt inne und wischte sich das goldene Blut von den Beinen. Die Luft roch grün und würzig, nach frisch geerntetem Salbei und dem Schlehenwein, den sie verschüttet hatte. »Ich weiß es nicht.«
»Ihr Vater …?«
»Nein. Ich halte sie vor ihm geheim. Zumindest für die ersten paar Jahrzehnte. Sie soll zunächst aus eigener Kraft wachsen, bevor sie sich treffen.«
»Das ist weise von dir«, gab Bade zurück, senkte dann aber nachdenklich den Blick auf mich, die noch immer mit dem Götterblut meiner Mutter bekrönt war. »Aber eine kleine Göttin kann nicht ohne einen Namen aufwachsen, der ihr den Weg weist.«
Es kehrte Stille ein, die nur durch das Knistern des Feuers im Kamin unterbrochen wurde. Diese Erinnerung ist nicht die meine, aber sie ist mir so oft erzählt worden, dass sie mir wie meine eigene vorkommt.
Meine Mutter legte den Kopf schief, das schwarze Haar ergoss sich über ihre Schulter wie ein Wasserfall um Mitternacht, und ihre Stirn lag in Falten. Auf einmal erschien sie beunruhigt, obwohl er sich über den Grund nur wundern konnte.
»Ein Name prägt die Göttlichen so sehr wie die Sterne«, sagte sie schließlich und strich über mein helles seidiges Haar. Ich war ruhig, blickte aber grimmig drein, als ich den Nebel der neuen Welt in mich aufnahm. »Vielleicht sollte ich abwarten, was das Horoskop sagt. Ihr erst zum Schluss einen Namen geben, wenn ihre Magie feststeht.«
»Darauf würde ich nicht warten, Zenia.«
»Wieso nicht?«
»Was ist, wenn sie am Ende öde Magie hat? Sie könnte die Göttin der Steuern werden oder der Geduld oder des Friedens oder irgendeiner anderen langweiligen Sache.«
»Wie würdest du sie dann nennen, wenn sie deine Tochter wäre?«
»Matilda«, sagte er, ohne zu zögern. Als ob er schon oft darüber nachgedacht hätte, wie er ein Kind nennen würde, obwohl es in seinem unsterblichen Leben keines gab.
»Matilda?«, wiederholte meine Mutter überrascht. »Warum?«
»Es bedeutet: mächtige Kämpferin.«
»Ohne Frage würdest du einer Tochter einen solchen Namen geben.«
»Passt er nicht?«
»Für ein Kind, das deiner Blutrünstigkeit entsprungen ist? Doch, schon.«
Bade lächelte schief, was sein hässliches, mit Narben übersätes Gesicht weicher machte. Er entspannte die Schultern und drückte mich weiterhin fest an seine Brust. »Du weißt das doch genauso gut wie ich – ich habe geschworen, kinderlos zu bleiben, es sei denn, sie sind aus Liebe gezeugt. Und ich werde lieber gefürchtet, als jemals geliebt zu werden.«
»So wie wir alle«, stimmte meine Mutter zu. »Aber hast du es nicht bemerkt, mein alter Verbündeter? Der Krieg lässt die Liebe nur heller brennen, wie eine widerspenstige Flamme. Sie scheint aus dem Blutbad, das du zurücklässt, zu erwachsen und an den unwahrscheinlichsten Orten zu erblühen. Sprießt aus den rissigen Nähten der Welt. Keimt in den Gräbern und dem Schmerz und der Angst, die du verursachst.«
»Das habe ich nicht bemerkt«, sagte Bade, unfähig, die Schroffheit in seiner rauen Stimme zu verbergen. Ich wurde unruhig, weinte wieder und wurde von einer plötzlichen Welle des Hungers erfasst. »Hier, nimm sie.«
Ich wurde meiner Mutter gereicht, die mich für einen langen Moment festhielt und mich mit unverhohlener Zuneigung ansah.
»Matilda«, sagte sie erneut, und der Name schien zu mir zu passen, auch wenn sie noch nicht wusste, unter welcher Sternenkonstellation ich geboren worden war – welche Magie in meinen Adern schlummerte und welcher Platz in den göttlichen Höfen für mich vorgesehen war.
Zenia fütterte mich, und während ich ihre goldene Milch trank, fuhr sie fort, dem Kriegsgott Ratschläge für seine bevorstehende Schlacht zu erteilen. Ganz so, als wäre meine Geburt ein vollkommen alltägliches, wenn auch etwas ungünstig gelegenes Ereignis gewesen.
Doch die Wahrheit ist … seit jenem Tag ist kein Göttlicher mehr zur Welt gekommen, weder bei den Underlings noch bei den Skywards.
Drei Tage schottete Zenia mich in ihrer Höhle ab und ignorierte das Klopfen an der Tür und die neugierigen Stimmen, die durch den steinernen Türsturz drangen. Der Underling-Clan war neugierig auf meine Geburt, meine unbenannte Magie, mein unbekanntes Horoskop und – vor allem – darauf, wer mein Vater war. Sie wussten schließlich, dass er einer ihrer Feinde sein musste. Ein Gott von den hochmütigen, intriganten Skywards.
Doch schließlich wurde auch meine Mutter von ihrer Neugier übermannt und verließ ihre Gemächer. Sie trug mich in himmelblauen Samt gehüllt durch die verschlungenen, nebelverhangenen Gänge des Untenreichs zu Orphia, der Göttin des Todes und der Matriarchin des Clans. Es mag seltsam erscheinen, mit einem Neugeborenen den Tod zu besuchen, aber in Wahrheit messen wir das Leben an seinem Ende – oder im Falle der Unsterblichen eben an dessen Fehlen. Wie auch immer, Orphia war eine der Ältesten und Weisesten unter uns, und sie konnte ein Horoskop lesen, und über meines wollte Mutter nun unbedingt etwas in Erfahrung bringen.
»Leg das Kind dort hin«, sagte Orphia mit einer Bewegung ihrer sehnigen Hand. Sie wagte es nicht, mich in ihre Arme zu nehmen, wie es der Kriegsgott getan hatte, und meine Mutter war dankbar dafür, als sie mich auf ein Schafsfell nahe dem Kamin legte, wo die Steine im warmen Feuerschein badeten.
Es gibt jedoch ein paar Dinge, die man über Orphias Höhle wissen sollte.
Ihre Tür ist schwer zu finden, und ihre Gemächer ähneln einer Bienenwabe aus Gewölbekammern und Marmorsäulen, in die Furcht einflößende Bestien gehauen sind. Es gibt einen Kamin, in dem das Feuer nie erlischt. Hoch oben sind Sparren, die in lange, dunkle Stoffbahnen gehüllt sind. Es gibt einen großen Webstuhl, in dessen Fängen ein unendlicher Wandteppich hängt. Und durch einen Riss in der Steindecke fällt ein Kegel himmlischen Lichts auf Orphias Wahrsagespiegel, der auf dem Tisch ruht. Von hier aus kann sie die Sternenkonstellationen beobachten und Horoskope erstellen, wenn sich der Nachthimmel auf der ovalen Obsidianplatte spiegelt.
Zenia näherte sich dem Wahrsagespiegel und verriet damit ihre Nervosität. Doch Orphia rief sie zum Feuer, wo sie ein Bündel weißer Blumen in einer kupfernen Schale mit Regenwasser ziehen ließ. Dampf kräuselte sich, als die Flüssigkeit auf der Feuerstelle abkühlte. Bis auf eine ganz schwache Note von Pfeffer und Honig war kein Duft wahrnehmbar.
Orphia setzte ein Gebräu aus Bitterzunge an, indem sie die giftigen Blumen zu einer Essenz einkochte. Blüten, die im Reich der Sterblichen geerntet wurden. Und meine Mutter war im Begriff, es zu trinken.
»Nimm, Zenia«, sagte Orphia und schenkte ein kleines Glas ein. Die Flüssigkeit war klar wie Wasser. »Du weißt, dass du wahrheitsgemäß antworten musst, wenn ich die Sterne für deinen Sprössling lesen soll.«
Gift kann uns Göttliche nicht töten oder uns Unwohlsein bereiten, wie es bei Sterblichen der Fall ist. Aber wir beugen uns trotzdem seiner Wirkung. Wenn wir das Gift trinken und es durch unsere Adern fließt, können wir nicht anders, als die Wahrheit zu sagen. Eine Lüge würde unsere Zunge verbrennen und unsere Stimmen zu Rauch zerstieben lassen.
Zenia zögerte. Ihr Gesicht, schön und blass wie ein Wintermorgen, war taufeucht von Schweiß. Sie musste ihre Geheimnisse bewahren, aber sie nahm das Gefäß und trank die Flüssigkeit in einem Zug. Sie schnitt eine Grimasse, als der bittere Geschmack ihre Zunge benetzte.
»Mein Herz liegt offen«, sagte sie und begegnete Orphias unverwandtem Blick. »Bitte. Ich möchte wissen, wo meine Tochter innerhalb des Hofes steht. Ob sie sicher und unbemerkt aufwachsen wird oder ob ich sie zum Töten erziehen muss, damit sie sich selbst schützen kann.«
»Du musst sie zur Wachsamkeit erziehen, gleich, unter welcher Sternenkonstellation sie geboren wurde«, entgegnete Orphia und ging zu dem Tisch, auf dem der Wahrsagespiegel lag. »Aber lass uns beginnen. Du musst jede Frage beantworten, die ich dir stelle. Hast du das verstanden?«
Zenia nickte. Ihre Hände zitterten, als sie den Saum ihres Umhangs umklammerte.
»Wann wurde sie gezeugt?«, fragte Orphia und blickte hinunter in den Spiegel. Ihr scharf geschnittenes mondweißes Gesicht war dort nicht zu sehen. Nur schwarzer Nebel und das Flimmern der Sterne, als ob sie sie zur Abendzeit aufwecken würde.
»Im Hochsommer«, antwortete Zenia. »Gerade waren die ersten Früchte geerntet, die Oliven gepresst und die Schafe geschoren worden. Der Regen hatte nachgelassen, und die Flüsse standen hoch. Die Sonne war schon untergegangen, und der abnehmende Mond stieg als Sichel auf.«
»Du beschreibst das Reich der Sterblichen.«
»Ja, dort war es, wo wir zusammenkamen.«
»Und wer ist der Vater?«
Meine Mutter hielt inne und biss sich auf die Unterlippe. »Ich kann es nicht sagen, Orphia. Als wir uns trennten, ließ er mich einen Eid schwören. Wenn ich seinen Namen ausspreche, selbst weit unter der Erde, wo die Sonne noch nie etwas berührt und er noch nie einen Fuß hingesetzt hat, wird er ihn hören und mich finden.«
»Um in Liebe wieder mit dir vereint zu sein oder um dich zu töten?«
»Einst liebte er mich. Ich war ein Geheimnis, das er hütete, aber unsere Liaison war nicht von Dauer und unser Abschied nicht friedlich«, antwortete Zenia tonlos.
Orphias Augen, blau und scharf wie ein aus dem Fels gehauener Saphir, glitzerten, als sie in den Spiegel blickte. Weitere Sterne zerflossen in der Dunkelheit. »Dann bestätige mir, dass er ein Skyward ist.«
»Das ist er.«
Anhand der Andeutungen, die meine Mutter über ihn fallen gelassen hatte – Sommer, Eide, der Mond, ein Underling-Feind –, schloss Orphia darauf, wer mein Vater war, auch ohne dass sein Name in den Schatten gesprochen wurde.
»Ich schätze, dass du nichts von ihm hast, um …«
»Doch«, sagte Zenia und fischte eine Locke feuerroten Haares aus der Innentasche ihres Umhangs. »Ich habe sie ihm im Schlaf abgeschnitten, als wir das letzte Mal zusammen waren.«
Orphia lächelte süffisant. »Das wird reichen.« Sie nahm das Haarbüschel und ließ es auf den Spiegel fallen, wo es verschwand und Wellen auf dem sterngesprenkelten Obsidian hinterließ.
So merkwürdig das klingen mag, Haaren wohnt eine unausgesprochene Macht inne. Dem schlafenden Gott eine Locke abzuschneiden, ist ein mächtiger Schachzug; meine Mutter hätte meinem Vater alles im Austausch für diese Strähne abverlangen können, denn es hätte ihn in Verruf gebracht, dass sie wach gewesen war, während er geschlafen hatte. Dass er in ihrer Gegenwart verletzlich gewesen war. Aber anstatt etwas zu verlangen, hatte Zenia das Haar für mein Horoskop benutzt. Um den Namen zu vermeiden, den sie nicht aussprechen wollte.
Dann stach sich meine Mutter in den Finger und opferte einen Tropfen ihres Blutes.
Von da an verharrten die Göttinnen still und erwartungsvoll, bis eine Sternenkonstellation in der Reflexion des Nachthimmels heller als alle anderen glühte.
»Hmm.« Orphia tippte mit ihren langen Nägeln gegen den vergoldeten Rahmen des Spiegels. Silberne Ringe, die wie kleine Knochen geformt waren, schimmerten an jedem ihrer Finger.
»Was ist los?« Meine Mutter beugte sich vor, obwohl sie nicht weissagen konnte. »Was siehst du?«
»Eine Konstellation, die aus sechs Sternen besteht.«
Zenia blieb zwar still, aber ihre Gedanken überschlugen sich förmlich, als sie einsortierte, wo ich in den göttlichen Höfen hingehören würde. »Dann ist sie Teil des Mittleren Hofes. Und noch dazu vom niedrigsten Rang.«
»Du bist unzufrieden?«
»Nein. Ich bin erleichtert. Der Mangel an Macht wird sie schützen.«
»Hoffen wir es«, erwiderte Orphia gedehnt, wohl wissend, dass meine Mutter zum Hohen Hof gehörte, und das auch nur, weil sie zwei andere Göttinnen getötet hatte, um mehr Konstellationssterne zu bekommen und so in der Rangfolge der Macht aufzusteigen.
»Und ihre Magie?«, hakte Zenia nach.
»Ihr habt eine Heroldin erschaffen.«
»Eine Heroldin?«
»Du klingst enttäuscht.«
»Ich … Nein, ich bin nur überrascht.« Meine Mutter schwieg und spürte zweifellos, wie ihr das Gift auf der Zunge brannte, um ihr die Wahrheit zu entreißen. Aber sie dachte an Steuern, an Geduld und Frieden und an all die anderen öden Mächte, die ich hätte haben können. Heroldin schien dem nahe zu kommen, und sie zupfte an ihren Nägeln. »Was macht eine Heroldin?«
»Deine Tochter wird eine Botin sein, die Worte, Nachrichten und Bekanntmachungen von einem Reich zum nächsten trägt.«
»Von einem Reich zum nächsten?« Zenias Missfallen war nun deutlich zu spüren. »Ich will nicht, dass Matilda durch die Reiche reist. Nicht einmal in das Reich der Sterblichen. Sie gehört hierher, hier ins Unten, zu mir und unserem Clan. Das ist sicherer für sie.«
»Wenn du wirklich um Matildas Wohlergehen besorgt bist, bedeutet Bewegung Schutz und Sicherheit«, erwiderte Orphia. »Was du sagen wolltest, ist: Du willst nicht, dass deine Tochter die Sippe ihres Vaters kennenlernt, weit im Oben.«
»Er weiß nicht einmal, dass wir ein Kind gezeugt haben.«
»Aber das wird er, Zenia. Wenn er sie sieht, wird er wissen, dass sie von ihm ist, und seine Wut auf dich wird nur umso heißer lodern.«
»Wann wird er sie denn zu Gesicht bekommen?« Meine Mutter streckte verärgert die linke Hand aus. Der Mondsteinring an ihrem Daumen blitzte im Schein des Feuers auf, als wolle er ihr beipflichten. »Bis dahin vergehen noch viele Jahre, und Zeit, Wein und Geliebte werden – wie bei den meisten Göttern – sein Gedächtnis trüben. Sie wird als Matilda von Underling bekannt sein, und …«
»Sie kann den Namen des Clans nicht für sich beanspruchen«, sagte Orphia seufzend, »genauso wenig wie den Namen Skyward.«
Zenia blinzelte, und die Röte kroch ihr über den Hals. »Nein, sie muss einen Clannamen haben. Ein Zuhause. Etwas, das ihr Halt gibt. Verbündete, denen sie vertrauen kann.«
Orphia wurde ihrer Gesellschaft überdrüssig und warf einen Blick auf den Spiegel. Es war unmöglich, die Göttin des Todes anzublicken, ohne ihre Schönheit zu erkennen – von der ihr Sohn Bade nichts geerbt hatte –, aber sie war auf eine Weise schön wie kein anderer Underling. Der Tod war wie das Mondlicht auf einem Schwert, wie ein Meeresstrudel bei Flut. Flüchtig und grausam und kalt, wie Frost, der Eisen überzieht.
Ihre Mimik wandelte sich immerfort und war doch sorgsam beherrscht. Sie ließ einen nur das sehen, was sie wollte, aber in diesem Augenblick stahl sich erschrockene Verwunderung in ihre Züge. Ihre Augen weiteten sich und glänzten dunkel wie Neumonde. Die Hände wurden weiß wie Knochen, als sie den Rahmen des Spiegels umklammerte und den Kopf tiefer senkte, um die Sternenkonstellationen zu studieren, die noch immer in der tiefen Schwärze glühten.
»Orphia?« Die Stimme meiner Mutter klang angsterfüllt. Ich hörte es und wimmerte, aber Zenia nahm es nicht wahr. »Hast du noch etwas anderes gesehen?«
So schnell, wie der Moment gekommen war, war er auch schon wieder vorbei.
Die Göttin des Todes richtete sich auf. Mit gelassener Miene löste sie die Finger lösten vom Rahmen des Spiegels.
»Ich dachte, ich hätte etwas Ungewöhnliches gesehen«, erklärte sie und trat an ihren Webstuhl. Das war ihre Art, Besuchende höflich zu verabschieden. Sobald sie den Blick auf die bunten Fäden gerichtet hatte, wurde ihre Aufmerksamkeit davon gefesselt. Je nach Muster und Anforderung stieg entweder ihre Verärgerung oder ihr Entzücken.
»Noch eine Sternenkonstellation?«, fragte Zenia leise und voller Hoffnung. »Eine, die größer ist als die Heroldin?«
Orphia antwortete nicht.
Sie nahm ihr Schiffchen in die Hand, aber anstatt die Schüsse und Kettfäden zu prüfen, sah sie mich an, die immer noch auf dem Fell am Feuer lag.
Ich wurde still, denn selbst ich wusste, dass ich die Laune des Todes nicht auf die Probe stellen sollte.
Doch Orphia hatte an diesem Tag die Wahrheit gesagt.
Bewegung war dazu bestimmt, meine Rüstung zu sein.
Ich war weder eine vollwertige Underling noch eine reinblütige Skyward. Ich war beides, und das war vorher noch nie passiert.
Ich war allein Matilda.
Matilda von nirgendwo und niemandes Familie.
Ich würde die Heroldin der Götter werden, sehr zum Leidwesen meiner Mutter.
Und die Göttin des Todes hatte sicherlich gesehen, dass mit meinen Sternen etwas nicht stimmte.
Ein Salzschwur
Matilda
Ich wuchs schnell, so wie es eine Göttin tun muss, wenn sie überleben will.
Meine Mutter lehrte mich schon früh, dass es einige Göttliche gab, die mich – trotz des seltenen Wunders, ein Kind in ihrer Mitte zu haben – getötet hätten, um die sechs Sterne meiner Konstellation zu stehlen. Sie hätten sich meine Magie einverleibt, ganz gleich, wie unbedeutend das Heroldsamt zunächst erschien. Sie hätten sich die Magie zu eigen gemacht und mich in die ewigen Nebel geschickt, aller Würde und Macht beraubt.
Für einen Gott gibt es nichts Verheerenderes, als seine Macht und Unsterblichkeit zu verlieren, dass sein Name vergessen und voller Schmach ausgelöscht wird.
Da diese Bedrohung fortwährend über mir schwebte, wurden die engsten Verbündeten meiner Mutter auch zu meinen.
Bade, Gott des Krieges.
Phelyra, Göttin der Ausschweifung und der Münzen.
Und Alva, die Göttin der Träume und Albträume.
Ich weiß noch, wie oft sich die vier in der Höhle meiner Mutter an ihrem steinernen Tisch versammelten und Wein tranken, während sie am Feuer diskutierten, berieten und Pläne schmiedeten. Als ich zwölf Winter zählte, stand ich als Mundschenk daneben und hörte zu, obwohl das meiste dessen, was sie besprachen, zu verstrickt und undurchsichtig war, als dass ich es ganz hätte verstehen können. Sie neckten mich, zerzausten mein Haar wie liebevolle Verwandte. Nachdem ich ihre Becher mit Wein gefüllt hatte – Alkohol und giftige Blumen waren die einzigen Dinge, die wir von den Märkten der Sterblichen begehrten –, drückte mir Alva heimlich eine ihrer kleinen Schriftrollen in die Hand und zwinkerte mir zu, und dann vergaß die Allianz, dass ich in ihrer Mitte war.
Ich war nur eine Heroldin und ein Götterkind mit weicher Haut. Aber ich bekam rasch mit, dass Bade in ein Kriegsdilemma verwickelt war, über das er nie in Gegenwart der verbündeten Gruppe sprach. Er wartete ab, bis Phelyra und Alva aufgebrochen waren, und blieb zurück, um allein den Rat meiner Mutter einzuholen.
»Sie ist ein Stachel in meinem Fleisch«, gestand er und strich sich durch sein aschbraunes Haar. So düster hatte ich seine Stimme noch nie gehört, und ich verharrte auf meinem Bett in dem angrenzenden Alkoven, Alvas Schriftrolle mit den Träumen der Sterblichen in meinen Händen. Ich befürchtete, wenn ich mich bewegte, würde sich meine Mutter an meine Anwesenheit erinnern und mich wegschicken.
Vor allem aber war ich neugierig, wer dieser Stachel war.
»Ich nehme an, sie hat den König der Sterblichen wieder einmal überlistet«, bemerkte meine Mutter seufzend und füllte Bades Becher mit trockenem Sommerwein nach. »Verrat mir ihren Namen. Du hast ihn noch nie erwähnt.«
»Adria«, spuckte Bade beinahe aus. »Man nennt sie die Dichterkönigin. Sie kam aus dem Nichts, stieg aus dem Sumpf der sterblichen Gesellschaft auf, aber sie war so gewandt mit ihren Worten, dass sie sowohl die Herzen der Unkundigen als auch die versteinertsten Herzen der Lords rührte, indem sie unsere Mythen umschrieb. Dadurch erklärte man sie zu ihrer Herrscherin und stürzte den König. Sie erntet Gebete und Huldigungen, als wäre sie unsterblich. Sie stiehlt mir die Gläubigen, und meine Macht wird dadurch geschwächt. Dieser Krieg wird enden, wenn ich nicht etwas gegen sie unternehme. In den letzten drei Schlachten hat sie triumphiert. Der König und seine Truppen werden von Tag zu Tag planloser und unkoordinierter.«
Er stürzte den Wein hinunter, sodass die Flüssigkeit durch seinen Bart tropfte und wie Edelsteine auf sein scharlachrotes Gewand fiel. Meine Mutter war still und trommelte mit den Fingernägeln auf den Tisch. Ein Zeichen dafür, dass sie Ränke schmiedete.
Ich hatte das Reich der Sterblichen bloß ein paarmal mit Zenia besucht, und auch nur mit der Absicht, zu erfahren, wo sich die Portale der Underlings versteckten. Die geheimen Pforten, die unsere Welt mit der Welt der Menschen verbanden, damit ich später mit Leichtigkeit ein und aus gehen konnte. Aber dieser Krieg zwischen dem Entthronten König und der Dichterkönigin tobte schon seit Jahren. Die verbrannten Wälder, durch die meine Mutter und ich gewandert waren, die verwüsteten Kornfelder, die frisch aufgewühlten Gräber, die zerfallenen Burgen und der Rauch, der unaufhörlich in der Luft hing, zeugten davon. Die Zerstörung schien sich von einem Horizont zum nächsten zu erstrecken und Narben auf der Erde zu hinterlassen, und ich fragte mich, wie Bade, den ich wie einen Vater liebte, Gefallen an einer solchen Zerstörung finden konnte.
»Das größere Problem ist, dass sie eine Dichterin ist«, bemerkte Zenia, »und nicht, dass sie eine Königin ist.« Sterbliche Dichter, Barden und Schriftsteller stellten für Götter oft ein Übel dar. Diese Menschen wurden von den Eulen des Schicksals besucht und erhielten Einblick in unsere Legenden, unsere Mythen und unser Leben. Und wie leicht konnten alle, die Federkiel und Tinte zur Hand hatten, unsere Geschichten umschreiben und sie so verändern, dass sie am besten zu ihren Überzeugungen passten, ob es nun der Wahrheit entsprach oder nicht.
»Dann sollte ich sie töten«, sagte Bade.
»Und eine Märtyrerin schaffen?«, wandte meine Mutter ein.
»Aber ihre Feder wäre zum Schweigen gebracht, und ihr Tod könnte die Flammen des Krieges anfachen und ihn noch ein paar Jahre in die Länge ziehen.«
»Ja, nur gingen die verbleibenden Gebete, die einst in deinem Namen geschrieben wurden, dann an sie über. Der Tod verändert die Herzen der Sterblichen auf eine Art und Weise, die für uns schwer zu ergründen ist. Du müsstest das wissen, schließlich wurdest du von der Matriarchin selbst aufgezogen.«
»Was also kann man tun?« Bade verschränkte die kräftigen Arme vor der Brust. Der Rubin in seinem rechten Ohrläppchen blitzte auf, ähnelte einer Träne sterblichen Blutes. »Der König wird sich ihr bald unterwerfen. Ein langer Frieden steht bevor, denn diese Königin ist nach menschlichen Maßstäben jung. Mir wird langweilig sein, und ich werde traurig und träge werden.«
»Und das können wir auf gar keinen Fall zulassen«, gab meine Mutter zurück.
Bades Stirnrunzeln vertiefte sich. »Machst du dich über mich lustig?«
»Nein.«
»Dann sag es mir, Zenia. Verrat mir, was ich tun soll. Du bist Winter, du bist Feuer und List, und ich brauche deinen Rat.«
Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie sich meine Mutter erhob.
Ihr schwarzes Kleid schimmerte, als sie sich bewegte; das Netz aus Mondsteinen funkelte wie Sternschnuppen unter ihrem dunklen, gelösten Haar. Sie ging zum Kaminsims und griff sich einen Dolch, der sich hinter den Kerzenleuchtern verbarg.
»Ich habe Gerüchte über diese Dichterkönigin gehört«, verkündete meine Mutter. »Sie vergibt goldene Reife an ihre Ratsmitglieder, die Kronen gleichkommen. Sie symbolisieren Macht und Respekt. Sie verleihen denjenigen, die sie tragen, Stimme und Ansehen, auch wenn es einfache Leute sind.«
»Schön, aber was ist damit?« Bade war ungeduldig. »Was hat das mit mir zu tun?«
»Du, mein Freund, musst dir einen dieser Reife verdienen.«
»Niemals würde sie einem Gott einen solchen überlassen. Diese Kronen werden an Menschen in ihrem Rat vergeben, die sie für gut und selbstlos hält und die bereit sind, für ihre Sache zu sterben. Und ich bin weder gut noch selbstlos. Das Letzte, was ich tun würde, wäre, für eine sterbliche Frau zugrunde zu gehen, Zenia.«
»Bist du dir da so sicher?«
Das Schweigen zwischen den beiden wurde immer drückender. Angespannter.
»Wie auch immer, ich denke, du solltest dich mit dieser Adria treffen«, fuhr Zenia fort. »Allein, in ihrem Kriegszelt.«
»Du sagtest doch, ich solle sie nicht töten.«
»Richtig, du sollst mit ihr sprechen, von Angesicht zu Angesicht, und du musst sie umwerben.«
Bades entsetzte Miene gefror auf seinem Gesicht, als hätte meine Mutter ihre Wintermagie entfesselt und seine Schulter berührt, um ihn in Eis zu konservieren. Aber dann lachte er, ein lautes, dröhnendes Geräusch, das man unmöglich hören und nicht in der eigenen Brust widerhallen spüren konnte. Ich musste die Lippen zusammenpressen, aber nicht, um die Heiterkeit herunterzuschlucken. Sondern um meine eigenen Fragen zu unterdrücken, die dieses Gespräch aufgewirbelt hatte wie ein Schwarm Motten, der das Licht umflattert.
»Ich habe keine Lust, sie in mein Bett zu holen«, sagte Bade schließlich und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich habe schon bei genug sterblichen Frauen gelegen. Bei solchen, die viel verlockender aussahen als sie.«
»Es geht hier nicht darum, mit ihr ins Bett zu steigen«, antwortete meine Mutter, und ihr Tonfall wurde schärfer. »Es geht darum, dass du ihre Liebe und ihr Vertrauen gewinnst und ihr Herz erweichst. Wenn du Erfolg hast, wirst du die Macht und den Einfluss haben, sie zu lenken. Du kannst Zwietracht unter ihren Beratern säen. Du wirst eine Ablenkung für sie sein; du kannst ihren Hof spalten, was den Krieg erheblich verlängern wird.«
Bade wurde wieder ernst. Aber ich starrte sie jetzt mit großen Augen an, versuchte gar nicht mehr, mein Lauschen zu verbergen. Ich beobachtete, wie sein Kehlkopf beim Schlucken hüpfte.
»Sieh mich an, Zenia«, flüsterte er heiser. »Ich bin hässlich. Von Narben übersät. Ich schwinge Schwerter, keine Reden. Diese Königin ist eine Poetin. Ich habe keine Chance, ihre Liebe in einer Nacht zu gewinnen.«
»Es wird mehr Zeit brauchen als nur eine Nacht«, antwortete Zenia sanfter. »Du musst raffiniert sein.«
»Das war noch nie meine Stärke.«
»Dann geh taktisch klug vor.« Meine Mutter streckte ihm den Dolch entgegen. »Ich kann dir beistehen, wenn du die ersten Male mit ihr sprichst. Du darfst dir für drei Tage meine Listigkeit ausleihen. Dank ihr wirst du wissen, was du dieser Königin sagen musst. Wenn die Sonne am dritten Tag untergeht und du dir noch mehr Magie von mir borgen willst, musst du hierher zurückkehren und das Zeichen erneut empfangen.«
Bade streckte die Hand aus, um den Dolch anzunehmen. Ich hatte noch nie vorher gesehen, wie ein Borgezauber durchgeführt wurde. Die meisten Göttlichen weigerten sich, einen solchen zu gewähren, denn wir sind ein Haufen misstrauischer Egoisten. Und so setzte ich mich auf meinem Bett noch ein bisschen höher auf. Aber Bade hielt inne und sah zu, wie das Licht über den Stahl flimmerte.
»Was muss ich zahlen, um mir das zu leihen?«, fragte er. »Dein Preis ist doch sicher sehr hoch, wenn du so freigiebig mit deiner Magie bist.«
In diesem Moment begegnete Mutters Blick dem meinen.
Ich errötete und blickte auf die Traumsammlung hinunter, die ich vor lauter weiß glühenden Schuldgefühlen zusammenfaltete. Meine Mutter wusste nichts davon, dass Alva mir ihre Schriftrollen geliehen hatte.
»Matilda? Komm her«, rief Zenia mich brüsk zu sich.
Ich erhob mich und verstaute die Schriftrolle unter einer Decke, mein Mund war wie ausgetrocknet. Aber ich lief zum Tisch und spürte, wie der Feuerschein über meine Arme strich. Die Wärme liebkoste mein Gesicht. Sei tapfer, dachte ich und kämpfte gegen den Drang an, reumütig die Schultern zu beugen.
Bade drehte sich im Stuhl um und sah mich an, die Brauen so weit hochgezogen, dass seine Stirn zu einer Landkarte mit tiefen Furchen wurde. Er hatte meine Anwesenheit vergessen, weil ich mich an den Rand seiner Aufmerksamkeit geschoben hatte. Seine Augen – ein Grünton, der den Smaragden, die in den dunkelsten Gefilden des Untenreichs wuchsen, in nichts nachstand – strahlten sowohl Zuneigung für mich als auch eine Zurückhaltung aus, die mich hätte verletzen können, hätte ich nicht bereits gewusst, dass er nicht mein Vater war.
»Zenia?«, hakte Bade nach und blickte zwischen uns hin und her.
»Du wirst meiner Tochter einen Salzschwur ablegen«, verkündete sie. »Du bist ihr ein treuer Verbündeter und darfst sie niemals verraten, selbst wenn wir zwei zu Feinden werden sollten. Selbst wenn es dich dein Leben kosten sollte, hilfst du ihr, wo immer sie in Gefahr oder in Not geraten ist. Du wirst ihr beibringen, wie man kämpft und sich verteidigt.«
Bade war still, aber sein Kiefer bewegte sich, als würde er mit den Zähnen knirschen.
»Du verlangst viel von mir«, antwortete er nach einem langen Moment und starrte meine Mutter mit glühendem Blick an.
»Ach, tatsächlich?«
Bade stieß einen Seufzer aus und sah mich an. Sofort versiegte das Feuer in ihm, als er mir eine Hand hinhielt. Ich ergriff sie zögernd. Den Kloß im Hals konnte ich mir nicht erklären und auch nicht, warum mir die Tränen in die Augen stiegen. Aber in mir schien sich eine Wunde auszubreiten, die meine Rippen mit jedem Atemzug empfindlicher machte.
Ich sehnte mich nach einem Vater, obwohl ich in einem Reich lebte, in dem Väter oftmals ihre Töchter und Töchter ihre Väter ermordeten, nur um Magie zu stehlen. Aber ich wünschte mir, dass Bade meiner wäre, trotz all seiner Kriegstreiberei. Ich wünschte, er hätte nicht gezögert, als es um den Preis ging, den meine Mutter verlangte.
Ich wollte, dass ich für irgendjemanden wichtig war. Wollte zu jemandem gehören.
»Die Wahrheit ist, Matilda«, begann er, »dass dieser Schwur für mich nur schwer zu halten sein wird. Du bist jung; wir wissen noch nicht, wer du einmal werden wirst. Was ist, wenn du mich verachtest, sobald du erwachsen bist? Würdest du mich dann immer noch als Verbündeten schätzen? Was ist, wenn du eine Göttin wirst, die Frieden ersehnt und danach strebt? Wie könnte ich dir dann ein guter Verbündeter sein, hm?«
»Ich verstehe«, sagte ich, obwohl meine Stimme dumpf klang. Es fühlte sich an, als ob ich durch einen Stoffstreifen sprechen würde. »Ich würde nicht wollen, dass du ein kompliziertes Gelübde ablegst.«
Das war noch eine Sache, die mir meine Mutter beigebracht hatte, ebenso wie die Standorte der Underling-Pforten: dass Schwüre bindend waren. Dass man niemals einen solchen Eid anbieten oder annehmen sollte – es sei denn, man war sich ganz sicher, dass es sich als keine Falle entpuppte. Hochzeitsgelübde wurden häufig zu einer solchen Gefahr.
Bade drückte meine Hand, teils zum Trost, teils als Entschuldigung, als er meine Mutter wieder ansah. »Sie ist zu weich dafür.«
»Dann mach sie zu Eisen.« Zenias Ungeduld ließ die Antwort scharf klingen. »Sie wird nicht die lange, geruhsame Kindheit verbringen können, die die meisten von uns hatten. Sie muss schnell erwachsen werden.«
Bade richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. »Ist es das, was du willst?«
Ich nickte, obwohl ich mir noch nicht sicher war, was ich wollte und was dieses harte Leben mit sich bringen würde. Aber dann dachte ich: Wenn ich stark bin, muss ich keine Angst mehr haben, dass man mich tötet oder meine Magie stiehlt. Ich kann furchtlos durch die Reiche ziehen. Ich kann die Hallen der Skywards besuchen, in denen mein Vater zu Hause ist.
Meiner Mutter hätte ich das nie gestanden, aber sie hatte mit zwei Dingen recht: Ich brauchte einen eigenen Verbündeten, und ich konnte es mir nicht leisten, weich zu sein.
»Nun gut«, erwiderte Bade und ergab sich. Er lockerte seinen Griff um meine Hand. »Bring mir Pergament, ein Tintenfass und eine Feder.«
Ich beeilte mich, seinem Wunsch nachzukommen, und eilte zu den Regalen, die in die Wand über meinem Bett eingelassen waren. Als ich die Sachen ablieferte, hatte meine Mutter den Tisch schon abgeräumt. Ich stellte alles vor Bade ab, gespannt darauf, was als Nächstes passierte.
»Ich werde meinen Schwur zweimal niederschreiben«, erklärte er und tauchte den Federkiel in die Tinte. »Ich spreche ihn aus, dann esse ich einen und du den anderen.«
»Wie ein Gebet?«, fragte ich.
»Ja, doch es wird weder so süß noch so bitter sein. Du kannst dir nicht vorstellen, wie furchtbar manche Gebete schmecken.«
»Wie wird dann dieses Gelübde schmecken?«
Bade setzte zum Schreiben an, hielt dann aber inne. »Du musst noch ein wenig Geduld haben.«
Das tat ich auch und sah zu, wie er seinen Schwur auf die Pergamentstreifen kritzelte. Seine Handschrift war fast unleserlich, durchsetzt mit Tintenklecksen, die ihm Flüche entlockten, aber wenn ich die Augen zusammenkniff, konnte ich die Worte entziffern.
»Hier, das ist deins«, stieß er unwirsch hervor.
Ich fasste das Pergament am oberen Rand an.
Sterbliche, die die Underlings verehrten, schrieben ihre Gebete auf und vergruben sie in der Erde. Diese Gebete fanden dann ihren Weg zu uns ins Unten, als würden sie den knorrigen Wurzeln eines Baumes in die Dunkelheit folgen. Die gefalteten Pergamente drangen dann durch die Ritzen in unseren Höhlen, durch Spalten in den Gängen oder neben den Ranken, die an den Decken der Korridore wuchsen. Ich hatte meine Mutter schon früher dabei beobachtet, wie sie Gebete aß – sie war eine Göttliche, die Bittsteller anlockte wie eine Schale Honig die Fliegen –, und ihre Gebete schoben sich immer durch die Ritze neben dem Kamin. Dort warteten jetzt zwei Gebete, die sie ohne Eile verschlang und erhörte.
»Während ich die Worte aufsage, musst du auf deinem Blatt mitlesen«, erklärte Bade. »Das soll sicherstellen, dass ich nichts Falsches vortrage, um dich zu täuschen. Und dass ich den Schwur in Gänze spreche.«
Ich nickte, unfähig zu antworten.
»Ich, Bade von den Underlings, Gott des Krieges, leiste Matilda, der Heroldin der Götter, einen Salzschwur. Ich werde ihr ein treuer Verbündeter sein und sie niemals verraten. Ich werde ihr beistehen, wann immer sie in Gefahr oder in Not ist. Ich werde ihr beibringen, wie sie kämpfen und sich selbst verteidigen kann, bis sie hart wie Eisen ist. Sollte ich diesen Schwur brechen, hat sie das Recht, meine Unsterblichkeit zu beenden, und mein Name wird entehrt.« Wort für Wort sprach er den Schwur.
Als er sein Stück Pergament verschlang, aß ich auch meines, und der Schwur schmeckte wie das Salz des Meeres. Wie eine Nacht voller Tränen. Wie Schweißtropfen, die von der unbarmherzigen Mittagssonne hervorgelockt wurden.
Ich rümpfte die Nase, als das Pergament auf meiner Zunge schmolz. Abgesehen von einem leichten Schauer fühlte ich mich nicht anders als vor dem Schwur. Ich strich mir eine vorwitzige Haarsträhne hinters Ohr und errötete vor Enttäuschung.
Bade musste wohl meinen Gesichtsausdruck gedeutet haben. Er schnaubte verdrießlich. »Ich habe dich gewarnt, dass es nicht süß sein würde.«
Der Schwur war heruntergeschluckt, und endlich war meine Mutter zufrieden.
Sie nahm den Dolch an seinem Knochengriff, und ich sah zu, wie sie sich in die Handfläche schnitt. Das Götterblut, dick und glänzend wie geschmolzenes Gold, quoll über ihre Haut. Ohne zu zögern, tauchte sie ihren Finger hinein und wartete, bis Bade die Hand ausstreckte.
Sie zeichnete neun Punkte auf seine große Handfläche und verband sie dann mit Linien. Es war die Sternenkonstellation für Listigkeit – Magie, die sie gestohlen hatte, als sie einen anderen Göttlichen tötete, dessen Name nicht mehr gesprochen wurde und dessen Unsterblichkeit wie eine Kerzenflamme erloschen war.
Bade starrte auf die gezeichnete Sternenkonstellation hinunter, als das Blut trocknete. Er krümmte die Finger nach innen und verbarg den goldenen Schimmer, während er meiner Mutter den Kopf zuneigte.
»Das Zeichen wird drei Tage lang halten«, erklärte Zenia. Die Wunde in ihrer Handfläche schloss sich – ich wusste, dass sie nicht die Spur einer Narbe zurückbehalten würde –, und sie legte den Dolch dicht an die heiße Kohlenglut. »Aber lass es die Dichterkönigin nicht auf deiner Handfläche sehen, sonst weiß sie, dass du Zauberkunst betreibst.«
Der Borgezauber war vollendet.
Bade stand auf, um zu gehen, hielt aber auf der Schwelle inne, um noch einmal das Wort an mich zu richten.
»Drei Tage, Matilda«, sagte er. »Dann komme ich wieder. Halte dich bereit, damit ich dich ausbilden kann.«
»Das werde ich«, entgegnete ich, und mein Herz schlug schneller, voller Vorfreude auf die Herausforderung. Ich wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, bevor ich mich an Zenia wandte. »Warum nennt man es Salzschwur?«
Sie ließ sich mit ihrer Antwort Zeit und schürte das Feuer wortlos mit ihrer Magie. Kupfernes Licht kroch in die Ecken der Kammer und die Spinnen hoch oben blinzelten aus ihren Gespinsten. In einem der Netze hatte sich eine Motte verfangen, die mit ihren Flügeln wütend gegen ihr Verderben ankämpfte.
»Man nennt es so«, sagte meine Mutter, »weil es Anstrengung und oft große Opfer erfordert.«
In dieser Nacht, als meine Mutter zum Hofe ging, rollte ich mich neben dem Feuer zusammen und las die Schriftrolle zu Ende, die Alva mir zuvor zugesteckt hatte.
Es war eines ihrer vielen Tagebücher mit den Träumen der Sterblichen, und sie enthielten alles, was ich mir je hätte ausmalen können. Träume, die albern, lustig, friedlich oder erschreckend waren. Denn Alva nutzte ihre Magie, um Sterbliche im Schlaf zu besuchen und zu beobachten, was sich in ihren Köpfen abspielte. Später schrieb sie die Abläufe in allen Einzelheiten auf.
Es ist unser Geheimnis, dachte ich voller Inbrunst. Nicht einmal meine Mutter war in die Träume eingeweiht, und von da an sah ich Alva als meine Verbündete an, auch ohne Salzschwur.
In dieser besagten Schriftrolle standen viele Träume und Albträume, aber einen las ich immer wieder, als das Feuer zu schwinden begann.
Da war ein Junge mit rabenschwarzem Haar und Augen so grau wie das Wintermeer. Er war groß und schlank für sein Alter. Er bestand aus scharfen Zügen, hohlen Wangen und herzerweichendem Kummer, als ob er hungrig und beklommen war, aber trotz der Entbehrungen gewachsen war, wie Unkraut, das sich durch den spröden Kalkstein bohrt. Er hatte von den in Leder gebundenen Büchern in seinem merkwürdigen, kreisrunden Zimmer und dem Sonnenlicht gezehrt, das im Reich der Sterblichen so großzügig schien.
Plötzlich lösten sich die Wände um ihn herum in Rauch auf, und er stand in einem Innenhof, die Ränder des Traums blieben dabei unscharf.
»Wartet!«, rief er und jagte zwei Männern auf Pferden hinterher. »Finnian? Marcher, wartet, lasst mich mit euch kommen! Ich will für die Dichterkönigin kämpfen.« Doch als er nach dem Schwertgriff an seiner Seite fasste, war die Scheide leer. Da blickte er nach unten und sah, dass seine Füße nackt und blutig waren. Seine Kleidung war zerlumpt, und er zitterte, ganz verletzlich und schutzlos.
Einer der Männer zu Pferde – er war jung und breit gebaut, hatte lohfarbenes Haar und Augen wie Mattgold – blickte lachend zurück. »Du bist zu jung, Vincent. Warte hier. Wir werden bald zurückkehren.«
Vincent aber wartete nicht.
Er jagte den Pferden hinterher, bis er knöcheltief in einem Fluss stand. Das kalte Wasser versetzte ihm einen Schock. Die Strömung zerrte hartnäckig an ihm wie eine Hand, die ihn dann auf die Knie zwang, damit ihm das Wasser bis zum Kiefer reichte.
»Lasst mich nicht allein!«, schrie er, aber seine Stimme war versiegt.
Das Wasser füllte seinen Mund, verschloss seine Lunge.
Er drohte zu ertrinken. Noch einmal versuchte er zu schreien, aber Finnian und Marcher sahen nicht zurück, sahen nicht, wie er zappelte, wie er sank wie ein Mühlstein … und hier endeten Alvas Aufzeichnungen.
An dem Punkt musste er aus seinem Albtraum aufgewacht sein.
Vincent, dachte ich und kostete seinen Namen in meinem Geist.
Ich legte die Schriftrolle beiseite, aber der Traum hatte mich frösteln lassen. Ich konnte nicht sagen, ob es an Vincents Verzweiflung lag, nachdem er zurückgelassen wurde, an der Erwähnung der Dichterkönigin oder an dem Gefühl des Ertrinkens.
Aber ich dachte an Bade und die neun goldenen Punkte auf seiner Handfläche. Mit geschlossenen Augen zeichnete ich die Sternenkonstellation für Listigkeit auf meiner eigenen Hand nach, die Sterne verschlungen, geformt wie ein Pfeil, der auf den Bogen eines Schützen gespannt ist. Ich dachte an den Salzschwur, den er mir gegeben hatte, und dass er nach Tränen geschmeckt hatte. Ich dachte an die Dichterkönigin, die er täuschen und umwerben wollte, und ich fragte mich, wie es sich anfühlte, einen Stachel im Fleisch zu haben.
»Vincent«, flüsterte ich dem Feuer zu.
Zweifel an der Bruchstelle
Matilda
Meine Magie, von der ich gehofft hatte, dass sie mich wie eine Flut durchströmte, schlummerte weiter. Sie verbarg sich unter meiner Haut wie ein Skelett, dessen Mark vor ungenutzter Kraft förmlich strotzte. Aber die Sterne, die mir als Heroldin zugewiesen wurden, waren etwas, das ich nicht beherrschen konnte. Sie blieben ein Mysterium, und ihre Unergründlichkeit beunruhigte mich zunehmend.
Als eine Göttin, die zum Mittleren Hof gehörte – und noch dazu auf der untersten Stufe angesiedelt war –, wusste ich, dass ich niemals so sein würde wie meine Mutter, Bade, Phelyra oder Alva, die alle dem Hohen Hof angehörten. Entweder waren ihre Sternenkonstellationen von Geburt an ausgeklügelt und mit reichlich Eckpunkten versehen, oder sie hatten durch das Töten mehr Macht und Ansehen erlangt. In mir jedoch brannte nicht der Wunsch, andere zu bestehlen.
Aber ich war überzeugt, dass die Ausbildung, die Bade mir mit dem Salzschwur versprochen hatte, meine Magie zum Vorschein bringen würde.
Damit hatte ich ebenso recht wie unrecht.
Die drei Tage von Bades Abwesenheit vergingen, zogen sich so lang wie Jahre.
Zenia hatte mir eine Wolltunika bereitgelegt, dazu Sandalen mit Lederriemen, die bis zu den Knien reichten, und einen Gürtel aus gefrorenen Spinnweben. Sie durchstach meine Ohrläppchen mit drei kleinen Mondsteinen, und der kurze Schmerz fühlte sich an, als wäre der Kokon meiner Kindheit aufgeplatzt und ich könnte aus ihm heraussteigen. Mit flinken Fingern flocht meine Mutter mein rotbraunes Haar, bis es mir dick wie ein Tau auf dem Rücken baumelte.
»Glaubst du, Bade wird einen Reif von der Dichterkönigin bekommen?«, fragte ich.
»Das werden wir wohl bald sehen«, antwortete Zenia, aber sie klang nicht besonders hoffnungsvoll.
Als Bade eintraf, begrüßte ich ihn mit einem Lächeln.
Er verharrte auf der Schwelle und trug eine übellaunige Miene zur Schau, als hätte er etwas Verdorbenes gerochen. Kein goldener Reif zierte seine Stirn. Mein Herz schlug mir bis zum Hals; ich war überzeugt, dass er immer noch nicht bereit war, mich auszubilden, bis er meine Mutter ansah.
»Wir reden später«, sagte er zu ihr, seine Stimme fast ein Knurren. Und dann, etwas freundlicher, zu mir: »Komm, Matilda.«
Ich jagte ihm durch den Nebel hinterher, der in den Gängen wirbelte. So messen wir die Zeit hier unten, denn außer mit Orphias Wahrsagespiegel haben wir keine andere Möglichkeit, den Himmel zu sehen. Wenn der Nebel in den Gängen tief über dem Boden steht und uns in die Knöchel zwickt, wissen wir, dass es im Reich der Sterblichen Nacht ist. Wenn der Nebel aufsteigt, naht die Morgendämmerung, am Mittag erreicht er seinen Höchststand und schwappt dunstig-kühl um unsere Schultern. Deshalb sind die meisten Underlings nachtaktiv; sie besuchen den Hof, veranstalten Feste und erledigen Aufgaben, während es Nacht ist im Reich der Sterblichen, da der Nebel dann niedrig steht. Wir halten Rast, wenn er nach oben steigt.
Ich war froh, dass der Nebel zu diesem Zeitpunkt nur knöchelhoch war, sonst hätte ich Bade verloren, während er mich durch ein Labyrinth von Gängen führte, in das ich mich noch nie hineingewagt hatte. Er stapfte Wendeltreppen hinab, die von Fackeln erleuchtet waren, und unter edelsteinverkrusteten Bögen hindurch. Die Luft wurde erst bitterkalt und dann herrlich warm, während wir dem fernen Klirren von Metall folgten.
Endlich hielten wir an, und mit atemlosem Erstaunen bemerkte ich, dass wir bei einer Schmiede angekommen waren.
»Lass uns allein, Hem«, sagte Bade zu dem Sterblichen, der den Blasebalg bediente.
Hem, blass und silberhaarig und fast so groß wie ein Gott, unterbrach seine Arbeit, verbeugte sich und verschwand durch eine Seitentür. Ich sah ihm hinterher und blinzelte überrascht. Ich hatte schon eine Menge Sterbliche in der Halle gesichtet, wenn die drei Höfe zusammenkamen. Ihre Anwesenheit im Untenreich war nichts Ungewöhnliches. Sie servierten unseren Wein und unser Essen. Manchmal tanzten sie, mischten sich unter unsere Festlichkeiten und sorgten für Unterhaltung, aber ich hatte sie noch nie hinter verschlossenen Türen arbeiten sehen.
Es war eine aufrüttelnde Mahnung für mich, dass die Menschen uns untertan waren, sobald sie sich in unserem Reich aufhielten. Einige entschieden sich, nach dem Tod für immer an unseren Höfen zu bleiben, und ihre Seelen entzogen sich so dem Wagnis und dem Urteil in den Nebeln des Jenseits.
Andere wiederum waren quicklebendig, wenn sie das Reich der Sterblichen verließen, um in unseres zu gelangen, und dienten uns mit Gelübden, die auf ewig Bestand hatten, sofern wir sie nicht brechen wollten.
»Du hast einen Vasallen?«, fragte ich, und die Worte kamen als Vorwurf heraus.
Wirklich mutig von mir, dem Kriegsgott, der offensichtlich drei harte Tage im Reich der Sterblichen hinter sich hatte, eine solche Frage zu stellen.
Bade stockte. Er war unterwegs zu der Wand mit den Waffen, an der Schwerter, Morgensterne, Äxte, Speere und Dolche an eisernen Haken aufgehängt waren. Ein Schwert erregte ganz besonders meine Aufmerksamkeit: Es hatte einen goldenen Griff, der mit einem Rubin besetzt war, und eine lange Klinge aus glitzerndem Obsidian. Es war wunderschön.
Mit finsterer Miene trat Bade in mein Blickfeld, und wir sahen einander an. Die Flammen der Schmiede verliehen seinem blassen Gesicht einen bronzenen Schimmer, der jede Narbe deutlich hervortreten ließ. »Das ist eine Frage, die Sterbliche stellen, Matilda. Und eine, die ich von dir nicht erwartet hätte.«
Ich verschränkte die Finger hinter dem Rücken, und meine eigene Empörung regte sich. »Warum?«
»Warum was?«
»Warum hast du einen Vasallen?«
»Weil ich einen wollte. So. Reicht das?«
»Ist er am Leben?«
»Sah er für dich wie ein Schatten aus?«
»Nein.« Ich hielt inne, denn ich wusste, dass tote Sterbliche im Untenreich von einem sanften Schimmer umgeben waren. Aber ich war noch dabei, zu lernen, wie man solche Dinge mit dem bloßen Auge erkannte. Außerdem hatte ich noch mehr auf dem Herzen. »Was macht Hem für dich?«
»Er ist ein Schmied. All das …« Bade deutete noch einmal auf die Wand mit den Waffen. »… hat er geschaffen. Es gibt niemanden, der es mit seinen Fähigkeiten aufnehmen kann. Nicht einmal ein Gott. Und wenn ich verzauberte Waffen wünsche, beauftrage ich ihn, sie anzufertigen.«
Mein Blick glitt über den Stahl und das Eisen, ohne dass ich ihren eigentlichen Wert erkannte, bis ich wieder das Obsidianschwert betrachtete. »Kommt er manchmal raus? Hat er Angehörige, die er …«
»Er hat keine Verwandten, und ja, er wagt sich manchmal mit mir durch das Reich der Sterblichen«, unterbrach mich Bade. »Er ist aus freien Stücken ins Unten gekommen und fühlt sich hier sehr wohl. Aber selbst wenn ich ihn gezwungen hätte, mir zu dienen, wäre es mein gutes Recht als Gott.«
Die Gedanken schossen durch mich hindurch wie winzige Fische. Eine Falte bildete sich zwischen meinen Augenbrauen, und ich wollte gerade eine weitere Frage stellen, als Bade die Hand hochhielt und mich zum Schweigen brachte.
»Du denkst in sterblichen Mustern«, sagte er und schüttelte enttäuscht den Kopf. »Woher kommt das? Ganz sicher nicht von deiner Mutter.«
In sterblichen Mustern? Ich zog meine Unterlippe zwischen die Zähne und war überrascht, als ich mir einen hageren Jungen mit Rabenhaar vorstellte. Als ich mich daran erinnerte, wie verfroren, ausgehungert und verzweifelt er gewesen war, als er Männern hinterherjagte, die ich für seine älteren Brüder hielt.
Die Klaue des Entsetzens, die sich in seine Brust gebohrt hatte, als er ertrunken war.
Vincent.
Es muss an Alvas Träumen der Sterblichen liegen, dachte ich, die ich so gern las und deshalb ungern aufgeben wollte.
»Ich war nur neugierig«, antwortete ich betont gelassen. »Meine Mutter hat keine Vasallen.«
»Tja, du musst dir dieses schwächliche Gedankengut abgewöhnen.«
»Fragen über die Sterblichen zu stellen, ist eine Schwäche?«
»Mitgefühl für sie zu haben, schon«, korrigierte er mich.
Ich zwang mich zu schweigen und sah zu, wie er einen Schild aus einem Regal holte. Aber ich hörte, wie er halblaut vor sich hin murmelte – Schmiedefeuer, steh mir bei –, als er mit dem Schwert in der einen und dem hölzernen Faustschild in der anderen Hand zurückkam.
»Willst du gefürchtet oder geliebt werden?«, wollte er wissen.
Die Frage traf mich ohne Vorwarnung, und ich zögerte, bevor ich antwortete. »Gefürchtet.«
»Du klingst nicht überzeugend.«
»Ich will gefürchtet werden«, sagte ich und fletschte die Zähne.
»Gut.« Bade starrte mich einen langen Moment an. »Willst du vergessen werden, soll dein Name bei Göttern und Sterblichen gleichermaßen in Schimpf und Schande getilgt werden, oder willst du, dass man sich an dich erinnert?«
»Ich will, dass man sich an mich erinnert.«
»Dann musst du den unbedingten Willen verspüren, stark und furchterregend zu werden. Deine Magie und deine Unsterblichkeit sollten zwei Elemente sein, die dir kein anderer Göttlicher zu stehlen wagt. Nimm jetzt den Schild. Wenn du dich damit sicher im Umgang fühlst, gehen wir zu den Waffen über.«
Ich nahm den Faustschild entgegen und wurde von seinem Gewicht kalt erwischt. Er zerrte mich fast zu Boden und mein dünnes Ärmchen verkrampfte sich, als ich meine Hand durch die Lederschlaufen schob und den Schild mit einer hoffentlich beherzten Bewegung vor mich brachte.
»Halt ihn hoch, ganz still. Ja, genau so.« Bade verschob den Schild leicht, sodass der Scheitelpunkt meinen Mund verdeckte und der untere Rand meinen Brustkorb schützte.
»Das fühlt sich seltsam an«, gestand ich.
»Da wir gerade von Schwachstellen sprechen«, sagte er und überging meine Bemerkung, »es gibt zwei Bereiche, die du physisch schützen musst, aber nur einer kann dich deine Unsterblichkeit kosten. Dein Verstand oder dein Herz. Welches davon zu deiner Bruchstelle wird, hängt von dir ab. Ob du ihr erliegst, hängt davon ab, wie gut dein Feind dich kennt und ob er richtig zuschlägt.« Bade klopfte auf den Schild, direkt vor meinem Hals und dann noch einmal vor meinem Herzen. Das Holz erbebte als Antwort. Ich zitterte und hatte Mühe, den Schild aufrecht zu halten. »Was glaubst du, ist dein schwacher Punkt, Matilda? Dein Verstand oder dein Herz?«
Ich wollte Verstand sagen, denn das schien mir weniger peinlich zu sein. Aber das Wort blieb mir im Halse stecken.
Ich schluckte es hinunter, wo es wie Glut in meiner Brust schwelte, und antwortete: »Mein Herz.«
»Hmm.« Ein lang anhaltendes Grollen wie vom Donner, aber es klang, als würde er zustimmen. »Und was glaubst du, wo meine liegt?«
»In deinem Verstand.«
»Bist du dir da so sicher?«
»Ja. Du bist der Gott des Krieges.«
»Und bei Konflikten spielt das Herz keine Rolle? Kein Gefühl, keine Emotion?« Seine Fragen brachten meine Überzeugungen ins Wanken. Ich runzelte verunsichert die Stirn.
»Wenn du vorhast, mich zu töten und meine Magie zu stehlen«, fuhr er fort, »dann solltest du besser wissen, welches meine Schwäche ist, denn du wirst nur einmal den Vorteil eines Überraschungsangriffs haben. Also, halt deinen Schild bereit und verteidige dich gegen mich.«
Er schwang das Schwert, und obwohl ich wusste, dass es passieren würde, war ich unvorbereitet.
Ich taumelte zurück, verlor das Gleichgewicht und schlug mit Wucht auf den Steinplatten auf. Der Schild prellte meine Schienbeine, aber ich konnte verhindern, dass er mir vom Arm rutschte, und kauerte mich darunter.
»Steh auf«, sagte Bade und streckte mir seine Hand hin. »Wir versuchen es noch einmal.«
Ich ließ mich von ihm hochziehen, und er holte erneut mit dem Schwert aus. Diesmal wehrte ich mich, aber er schüttelte den Kopf. »Du beschützt nur dein Herz.«
»Aber das ist die Bruchstelle«, wandte ich ein.
»Richtig, und wenn das alles ist, was du verteidigst, dann weiß ich, dass das deine Schwachstelle ist. Schütze beides. Deine Kehle, deine Brust. Lass mich staunen, lass mich zweifeln. Halte den Schild höher. Höher, Matilda.«
Ich versuchte es, aber den Schild andauernd bis zur Lippenkante zu halten, machte mich müde, und Bade war unerbittlich, obwohl er seine Hiebe behutsam und leicht ausführte. Bald roch die Luft nicht mehr nach heißem Eisen und dem Rauch der Schmiede, sondern nach reifem Obst, das unter Füßen zertrampelt wurde.
Ich blickte auf den Boden.
Die Haut an meinen Knien war von den zahlreichen Stürzen aufgeschürft. Meine Schienbeine verschrammt. Götterblut ergoss sich in trägen, glänzenden Rinnsalen an meinen Waden hinab und besudelte meine Sandalen. Goldene Fußabdrücke schmückten den Steinboden.
»Bist du schon fertig?«, rief Bade. »Ist das alles, was du zu bieten hast?«
Ich ballte die rechte Hand zur Faust. Meine langen, spitzen Nägel, die einen schwachen Blauton aufwiesen, gruben sich in meine feuchte Handfläche.
Falls es irgendeinen Zweifel an meiner Bruchstelle gegeben hatte, so bestand er jetzt nicht mehr. In einem Aufruhr der Gefühle warf ich ihm den Schild vor die Füße. Meine Haut war erhitzt, schweißglänzend. In meinen Augen brannte ein Feuer, als ich mich umdrehte und durch den hüfthohen Nebel in den Gang stürmte.
Es mussten Stunden vergangen sein, damit die Nebelflut so stark ansteigen konnte. Stunden, in denen ich mich abgemüht, mich gewehrt hatte und mich unter einem Schild schwach fühlte.
Bade rief meinen Namen. Einmal, zweimal. Zuerst klang er amüsiert, aber dann wurde seine Stimme zu einem steten Trommelschlag, der mir besorgt hinterherjagte.
Ich rannte vor ihm weg, die Wendeltreppen hinauf. Ich rannte unter den Edelsteinbögen hindurch und folgte der Spur der Rubine, die bald in Peridote übergingen. Die Edelsteine logen nie, veränderten sich nie. Selbst wenn sie aus der Erde geholt wurden, wuchsen sie nach wie ausgefallene Milchzähne. Sie markierten feste Grenzen innerhalb des Underling-Clans, und obwohl ich durch unvertraute Gänge lief, kannte ich die Landkarte der Steine. Der Peridot war ein im Westen beheimateter Stein, der in den Topas mündete, der im Nordwesten zu finden war, und der Topas wiederum ging in den Mondstein über, der meine Heimat im Norden des Reiches markierte.
Mit einer Woge der Euphorie, die durch mich hindurchwusch, stellte ich fest, dass ich noch nie allein in den Gängen unterwegs gewesen war.
Diese Freiheit war berauschend wie Wein, und ein leises Lachen entwich mir, als ich die Tür zur Höhle meiner Mutter erreichte. Die Mondsteine im Türsturz begrüßten mich mit einem sanften Glühen, als freuten sie sich, mich zu sehen. Das verzauberte Schloss erkannte meine Hand, als ich den eisernen Griff berührte, und die Tür öffnete sich mit einem Wispern.
Ich sauste in die vom Feuer erleuchtete Kammer und hielt abrupt an.
Meine Mutter war nicht allein.
Das, was verboten ist
Matilda
Meine Mutter saß am Tisch neben dem Kamin, direkt gegenüber von Phelyra. Zwischen ihnen lag ein Haufen seltsamer Münzen und noch etwas anderes Merkwürdiges. Es war länglich und irisierend, ungefähr halb so groß wie meine Handfläche.
Für einen Schlag setzte das Herz in meiner Brust aus.
Dieses Ding gehörte nicht hierher, in unsere Höhle. Ich trat noch einen Schritt näher und konnte den Blick nicht von dessen kräftigem Schimmer abwenden, selbst als Zenia sich von ihrem Stuhl erhob. Mein Atem wurde flacher, als ich die Schuppe von einem von Dacres Eithralen erkannte. Ich hatte noch nie so eine sauber entfernte Schuppe gesehen. Die Wyvern waren gefährliche, launische Biester, die in der untersten, unberechenbarsten Ebene des Reiches hausten.
Manchmal konnte ich ihr Gebrüll im Steinboden spüren, und manchmal konnte ich in den Gängen den schwachen Geschmack ihrer Fäulnis wahrnehmen. Aber ich hatte nur ein einziges Mal eine Schar von ihnen gesehen, und das war ironischerweise nicht unten gewesen, sondern als Zenia und ich im Reich der Sterblichen unterwegs waren.
Die Eithrale hatten einen warmen grünen Frühlingstag in einen düsteren, kalten Winter verwandelt. Ihre Flügel hatten die Mittagssonne verschleiert. Sie hatten einen Sturm heraufbeschworen, der vor Fäulnis stank.
In der Ferne hatte eine Dorfglocke zu läuten begonnen, ein warnendes Geräusch, das mich mehr erschaudern ließ als die Kälte der Wyvern, denn eine Glocke unter den Sterblichen bedeutete den nahen Tod. Ich beobachtete mit fasziniertem Entsetzen, wie die Eithrale die Wolken durchschnitten und im Tiefflug nach Beute jagten.
Komm, hatte meine Mutter gesagt, meine Hand genommen und mich in den Schutz eines nahen Wäldchens gezogen. Lass sie dich nicht sehen. Sie werden von Bewegung angelockt.
Dacre – der Lord unseres Clans – ließ gelegentlich seine Eithrale, die er als seine »Haustiere« bezeichnete, im Reich der Sterblichen frei umherstreifen, damit sie sich dort durchfressen und sowohl bei den Menschen als auch unter den Skywards für Angst und Schrecken sorgen konnten.
Es ist wohl ein guter Zeitpunkt, um zu erwähnen, dass Alva auch die Halbschwester von Dacre ist.
