Wilde Horde 2: Pferdeflüstern - Katrin Tempel - E-Book + Hörbuch

Wilde Horde 2: Pferdeflüstern Hörbuch

Katrin Tempel

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Beschreibung

*** Frei und wild und schnell wie der Wind – fünf Freunde, fünf Pferde und ein großes, wildes Abenteuer! *** BAND 2: Zaz und ihre Freunde genießen den Sommer. Sie machen lange Ausritte und treffen sich in ihrem Geheimversteck. Zusammen sind sie die "Wilde Horde": zwei Jungs und drei Mädchen, die ohne Sattel und Zaumzeug reiten. Endlich haben die fünf ihren Wald wieder für sich allein – nachdem die Biker abgezogen sind. Doch dann sorgt ein nächtlicher Einbrecher für Unruhe. Und plötzlich verschwindet einer der Freunde … Ein warmherziges Mädchenbuch ab 10 Jahren über Freundschaft, Freiheit und natürlich ... Pferde! *** Von Bestseller-Autorin Katrin Tempel ***

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Zeit:4 Std. 0 min

Sprecher:Dagmar Bittner

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Katrin Tempel

Wilde Horde

Pferdeflüstern

Frei und wild und schnell wie der Wind – fünf Freunde, fünf Pferde und ein großes, wildes Abenteuer!

Zaz und ihre Freunde genießen den Sommer. Sie machen lange Ausritte und treffen sich in ihrem Geheimversteck. Zusammen sind sie die „Wilde Horde“: zwei Jungs und drei Mädchen, die ohne Sattel und Zaumzeug reiten. Endlich haben die fünf ihren Wald wieder für sich allein – nachdem die Biker abgezogen sind. Doch dann sorgt ein nächtlicher Einbrecher für Unruhe. Und plötzlich verschwindet einer der Freunde …

Dies ist der zweite Band der Serie „Wilde Horde“.

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Vita

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Leseprobe

Für Emma – die davon träumt, mit der Horde durch den Wald zu jagen …

„Hufbeinbruch und Kreuzverschlag,

wir sind frei an jedem Tag.

Die Horde reitet wie der Wind,

weil wir wilde Geister sind.“

Die fünf Pferde stürmten los. Zaz klammerte sich in die lange Mähne von Monsun und genoss das Gefühl, wie die Stute unter ihr mit jedem Sprung an Geschwindigkeit gewann. Der schwarze Hengst an der Spitze schwenkte in eine der wenigen geraden Schneisen ein, die durch den Wald führten, und wurde noch schneller.

Zwanzig Hufe trommelten über den Boden. Fünf Pferde, fünf Reiter, keine Sättel, keine Zügel, kein Zaumzeug. Eine Horde, die nichts und niemand bremsen konnte. Als wären sie von einer einzigen Hand gelenkt, bewegten sie alle sich im gleichen Takt.

Die Sonne malte helle Flecken auf den grasigen Boden zwischen den hohen Bäumen. Es war noch früh am Vormittag und Zaz roch den typischen Geruch des Waldes: Harz, Erde, Pilze. Am Ende der Schneise bogen sie in einen schmalen Pfad ein, der durch einen hellen Birkenwald führte. Unwillkürlich griff Zaz fester in die Mähne. Sie kannte diesen Weg: Ständig änderte sich die Richtung und wenn sie hier nicht aufpasste, dann lag sie gleich irgendwo im Gras. Und Feuertanz schien an der Spitze eher noch schneller zu werden.

Zaz sah zur Seite. Direkt neben ihr jagte Fee mit ihrer Luna dahin. Das schmale blonde Mädchen war blind. Aber wenn sie auf ihrer schneeweißen Araberstute saß, war davon nichts zu merken. Fee vertraute ihrem Pferd, das für sie das Sehen übernahm.

Direkt vor Zaz galoppierte Kronos. Ein gewaltiger Kohlfuchs mit vier weißen Beinen und einer breiten Blesse. Das größte der Pferde. Seine Reiterin Ann-Sophie saß immer so aufrecht, als würde sie ein Turnier reiten.

Ganz vorneweg raste Arpad mit seinem Rappen Feuertanz dahin. Seine langen schwarzen Haare vermischten sich mit der Mähne seines Pferdes – die beiden wirkten wie eines der Wesen aus einer Sage: ein Junge mit vier Beinen.

Zaz sah über ihre Schulter. Die Letzten waren wie immer Lukas und Herr Müller. Dem schweren Kaltblut fiel es schwer, so schnell durch den Wald zu rennen. Dafür war er nicht gebaut – aber seinem Reiter Lukas war das einfach egal. Er wusste: Er kam immer an.

Und dann war da ihr eigenes Pferd. Monsun. Ein Vollblut, gezüchtet für die Rennbahn. Die Stute war braun ohne ein einziges weißes Haar. In ihre lange schwarze Mähne hatte Zaz vor wenigen Tagen eine Feder geflochten, die jetzt im Wind flatterte.

Keines der Pferde trug einen Sattel oder ein Zaumzeug. Die Richtung oder das Tempo bestimmten die Reiter durch einen Druck der Knie oder eine winzige Gewichtsverlagerung. Sie und ihre Pferde waren eine Einheit. Hin und wieder hatte Zaz das Gefühl, das ihre Stute Monsun ihre Gedanken hören konnte.

Gemeinsam waren sie die Wilde Horde. Und seit ein paar Tagen gehörte auch Zaz dazu. Erst vor etwas mehr als zwei Wochen war sie nach Donneracker gekommen. Von den Eltern in den Sommerferien zur Oma abgeschoben. Und dann hatte sie die wilden Reiter in diesem Wald kennengelernt. Und noch wichtiger: Sie hatte Monsun getroffen. Das wunderbare Vollblut, auf dem sie jetzt saß.

Seitdem die Horde in einem wahnsinnigen Rennen eine Gruppe von Bikern geschlagen hatte, gehörte dieser Wald wieder ihnen alleine. Auf den Wegen war nichts zu sehen als die Hufabdrücke der Pferde – und hin und wieder die vereinzelten Spuren eines Wanderers aus der Pension von Zaz’ Großmutter.

Wieder wechselte Arpad die Richtung: Er schlug einen Weg ein, den Zaz nicht sofort erkannte. Die Bäume rückten noch enger an die Pferde heran, Zweige schlugen gegen ihre Beine, der Klang der Hufe veränderte sich. Jetzt ging es über einen weichen Nadelboden in einen dunklen Tannenwald.

Erst als es zwischen den Bäumen glitzerte, wusste Zaz wieder, wohin dieser Weg führte: zu dem kleinen See, der am Rand des Waldes lag. Hier waren sie erst ein Mal gewesen. Es schien ihr wie eine Ewigkeit her. Damals hatte Monsun sich noch geweigert, mit ihr eine andere Gangart als Schritt einzuschlagen. Wirklich lange her, denn jetzt wurde Monsun sogar noch schneller, als Feuertanz in Richtung des Tümpels abbog. In einer Wolke aus Tropfen verschwanden die Pferde im Wasser.

Erst als es ihnen bis zur Brust reichte, wurden sie langsamer. Zaz spürte, wie Monsun ein paar letzte Schritte machte, bevor sie sich vom Boden abstieß und mit langen Bewegungen anfing zu schwimmen. Schnell ließ Zaz sich von ihrem Rücken gleiten und griff noch fester in die Mähne, um sich ziehen zu lassen.

Von Monsuns Kopf war nur noch die obere Hälfte zu sehen: die Ohren, Augen und die von der Anstrengung nach dem schnellen Galopp durch den Wald weit geblähten Nüstern.

„Ich habe euch doch gesagt, dass ihr was Dünnes anziehen sollt!“, rief Arpad über die Schulter. Im Wasser war es unmöglich zu erkennen, wo seine Haare endeten und die Mähne von Feuertanz begann.

Neben sich hörte Zaz ein genervtes Stöhnen. Ann-Sophie. „Das nächste Mal sagst du, dass wir Badeanzüge anziehen sollen! Dann fange ich gar nicht erst mit Reithosen und solchen Sachen an!“ Aber ihr Gesicht strafte den genervten Satz Lügen: Ganz offensichtlich hatte sie so viel Spaß wie alle anderen.

Fee ließ sich mit einem verträumten Gesicht von Luna ziehen und Lukas hielt mit einer Hand seine Brille fest, während er breit grinste. „So sollte doch wirklich jeder Sommertag sein, was?“ Sein Pferd, Herr Müller, schien im Wasser jede Behäbigkeit zu verlieren – hier war er so schnell wie alle anderen auch.

Sie drehten eine Runde durch den Teich. Zaz spürte, wie Schlingpflanzen an ihren Beinen entlangglitten, und beobachtete zwei Enten, die ihre Küken mit aufgeregtem Geschnatter in Sicherheit brachten.

So verpasste sie den Moment, in dem Arpad auf das Ufer deutete und sein Feuertanz im flachen Wasser Boden unter die Hufe bekam. Mit einigen wenigen Sprüngen verließen die Pferde den Teich und galoppierten die Böschung hinauf. Alle Reiter der Horde schwangen sich wieder auf die Pferderücken und klammerten sich mit den Knien an ihren vierbeinigen Freunden fest.

Nur Zaz war nicht schnell genug. Als sie sich auf den Rücken der Stute ziehen wollte, waren sie schon wieder auf festem Grund. Und sie hatte eigentlich noch immer genügend Probleme damit, auf ein stehendes Pferd zu klettern. Auf ein nasses Pferd im vollen Galopp – das war für sie ein Ding der Unmöglichkeit. Zwei oder drei Galoppsprünge rannte sie noch neben Monsun her, dann verlor sie den Boden unter den Füßen und fiel der Länge nach in den sandigen Boden am Ufer des Teiches.

Zaz hörte, wie die trommelnden Hufe sich entfernten – und dann nur noch ihren eigenen keuchenden Atem.

„Mist!“ Sie ließ den Kopf sinken.

Um ihn einen Augenblick darauf wieder zu heben. Denn sie hörte ein Pferd im Trab und nur Sekunden später ragten vor ihr Monsuns schwarze Beine auf. Die braune Stute senkte den Kopf und blies Zaz freundlich in die Haare.

„Schön, dass dir aufgefallen ist, dass du da was vergessen hast …“, murmelte Zaz und richtete sich auf. Sie streichelte Monsun über die Stirn und kraulte sie hinter den Ohren.

Dann blickte sie an sich hinunter. „Ich sehe aus wie ein paniertes Schnitzel. Besser, wenn ich noch einmal ins Wasser gehe und alles abwasche, oder?“

Monsun schnaubte leise. „Ist das ein Ja? Oder lachst du mich aus?“ Langsam zog Zaz sich an Monsuns schwarzer Mähne auf die Beine. Monsuns braunes Fell fing schon wieder an zu trocknen und glänzte in der Sonne.

Noch bevor sich Zaz auf den Weg zum Teich machen konnte, hörte sie hinter sich den schnellen Hufschlag der anderen Pferde.

„Wenn du noch nicht lange genug im Wasser warst, hättest du uns doch etwas sagen können!“, rief Arpad mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Wenn du das Bad beendest, hättest du mich auch warnen können!“, gab Zaz zurück. „Im vollen Galopp aufspringen – das werde ich wohl nie lernen.“

„Quatsch.“ Das war Fee, die immer ein freundliches Wort hatte, wenn es darum ging, etwas Neues zu lernen. „Das ist alles eine Frage der Übung. Du kannst das genauso lernen wie wir alle.“ Fees nasse Haare hingen ihr über die Augen und Zaz musste sich beherrschen, um sie ihr nicht aus dem Gesicht zu streichen. Dabei war es für Fee völlig egal, wo ihre Haare hingen. Sie sah mit den Ohren und mit dem Herzen. Und das meistens sehr viel besser als ihre sehenden Freunde.

„Da hat Fee recht“, erklärte Lukas. „Schau mich an: Ich bin alles andere als ein Sport-Ass. Und Müller ist nicht klein. Trotzdem: Ich komme hoch.“ Er zog eine Grimasse. „Zumindest meistens.“

Zaz musterte ihn. Mit seinen kurzen Beinen und seiner kräftigen Figur war Lukas wirklich nicht der Held in Sachen Sport. Und sein Kaltblut, Herr Müller, war in jeder Hinsicht gewaltig. Um auf ihn aufzuspringen, musste Lukas eine ganz eigene Technik entwickelt haben. „Okay. Könnt ihr mir das beibringen?“, fragte Zaz.

„Machen wir“, nickte Arpad. „Aber jetzt sollten wir erst einmal zu unserem Karren reiten. Ich glaube, wir können uns nicht ewig davor drücken, ihn wieder richtig auf Vordermann zu bringen.“

Zaz nickte ebenfalls. „Alles klar. Wartet noch kurz, ich will mir den Sand aus den Haaren und von den Klamotten waschen.“

„Und von deinem schicken Helm“, grinste Ann-Sophie.

Erschrocken griff Zaz an ihren Kopf. Sie hatte das alte Ding fast vergessen. Als sie vor zwei Wochen angefangen hatte, reiten zu lernen, hatte sie sich mit dem abgeschabten braunen Samthelm ihres Vaters wohler gefühlt. Und jetzt konnte sie sich nicht mehr vorstellen, ohne diesen Schutz auf einem Pferd zu sitzen.

Sie nestelte am Verschluss, öffnete ihn und wusch erst sich, dann den Helm und zu guter Letzt ihre Haare im Wasser des Teiches. Dann drehte sie sich zu ihren Freunden von der Horde um und verkündete: „Fertig! Machen wir uns auf den Weg zum Schäferkarren und zu einer ersten Lektion in Sachen Aufspringen. Ich hab es ja schon vermisst, dass mir einer das Reiten beibringen will …“

Lachend ritten die fünf durch den Wald zu ihrem Hauptquartier. Zaz sah sich die anderen vier an: eine reichlich wilde Mischung, die da durch den Wald von Donneracker jagte – und sie gehörte dazu. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie glücklich, nicht mehr alleine zu sein. Dabei hätte sie bis zu diesen Sommerferien geschworen, dass es nichts Besseres gab, als alleine laufen zu gehen. Am besten mit Musik in den Ohren, damit garantiert niemand auf die Idee kam, dass sie mit ihm reden wollte. Jetzt lagen die Kopfhörer seit Tagen unberührt in ihrem Zimmer in Donneracker. Und die dünne Laufhose war unglaublich praktisch, wenn man ohne Sattel auf einem Pferd zurechtkommen wollte. Auch jetzt: Das Ding war trocken, noch bevor sie die Lichtung erreichten, die für die Horde den Mittelpunkt des Waldes bildete.

Als sie zwischen den Bäumen heraustraten, machte Zaz’ Herz vor Freude einen kleinen Sprung: Hier stand er wieder, der Schäferkarren, der ihnen in der letzten Woche entführt worden war – und den sie mit diesem mörderischen Rennen zurückerobern konnten.

Er musste allerdings dringend wiederhergerichtet werden. Angemalt hatten sie ihn sofort nach ihrem Sieg, schwarz mit dem Zeichen der Wilden Horde: dem Kopf eines wilden Pferdes, dessen Mähne im Wind flatterte.

Jetzt war es an der Zeit, dass sie sich um das Innere des Karrens kümmerten. Leider hatten die Diebe nicht nur ihren Müll hineingeschmissen. Im Gegenteil: Teppich, Decken, Kissen und das Sofa waren nicht mehr zu gebrauchen.

Die Horde hatte fürs Erste beschlossen, dass sie alles leer räumen und dem Inneren des Wagens ebenfalls einen neuen Anstrich verpassen wollten. Zum Glück hatte Zaz’ Großmutter Tine ihnen dafür leuchtend gelbe Farbe und die Pinsel gegeben. Am Vortag hatten sie gemeinsam alle Wände und sogar die Decke gestrichen. Nur der Boden war dunkel geblieben.

Gemeinsam sahen sie sich jetzt im Karren um. „Schön sonnig“, sagte Ann-Sophie. Sie fingerte an einem ausgerissenen Riegel des Fensters herum. „Das ist irgendwie abgebrochen. Ich habe keine Ahnung, wie man das wieder in Ordnung bringen soll“, seufzte sie. „Ist einer von euch vielleicht handwerklich begabt?“

„Begabt?“ Lukas lachte auf. „Wenn ich mehr könnte, als an meinem Computer die Stecker reinzudrücken, dann würde ich in einem fort selber Regale bauen. Aber ich fürchte, ich muss bei den Steckern bleiben. Ich bin schon überfordert, wenn es darum geht, einen Nagel in die Wand zu hauen …“

„Ich fürchte, ich bin da auch nutzlos“, gab Arpad zu. „Einen Nagel in die Wand hauen, das kriege ich noch hin. Aber hier geht es darum, einen Riegel in der passenden Größe zurechtzuschneiden und dann wieder in diese Halterung hineinzubringen. Vergiss es, das schaffe ich nie!“

Entmutigt sahen sie einander an. Lukas hob fragend eine Augenbraue und schaute Zaz an – aber die schüttelte auch nur den Kopf. Handwerken war nicht ihr Ding.

„Sollen wir vielleicht erst einmal damit anfangen, Zaz das Geheimnis des Auf- und Abspringens beizubringen?“ Das war Fee, die sich an den Renovierungsarbeiten sowieso nur wenig beteiligen konnte.

„Super Idee!“ Mit einem Schlag ließen alle die kaputten Teile ihres Karrens fallen und rannten ins Freie.

Fragend sah Zaz in die Runde. „Also? Wie kann ich das lernen?“

„Eigentlich geht es ganz einfach …“ Arpad pfiff nach Feuertanz, der in der Nähe graste. Der Hengst warf seinen Kopf nach oben, schnaubte und galoppierte auf Arpad zu. Der griff in die Mähne, machte selber ein oder zwei Schritte, die wie Galoppsprünge aussahen, und schwang sich dann einfach nach oben. Es sah wie ein Kinderspiel aus.

Arpad parierte Feuertanz sofort zum Schritt durch und wandte sich zu Zaz um. „Hast du gesehen, was ich gemacht habe? Eigentlich musst du nur im Takt des Pferdes sein, kurz mitgaloppieren und dich dann vom Schwung des Pferdes an der Mähne nach oben ziehen lassen.“

Zaz zog eine verzweifelte Grimasse. „Nebenhergaloppieren? Wie soll ich Monsun denn klarmachen, dass sie galoppieren soll, während ich nebenherrenne? Bis jetzt war ich froh, wenn sie stillstand, während ich auf ihren Rücken gekrabbelt bin.“

„Das macht sie schon. Für dich macht sie doch alles!“ Arpad schien ihr das Kunststück tatsächlich zuzutrauen.

Langsam strich Zaz eine Strähne ihrer langen Haare hinter die Ohren. „Monsun!“

Die Stute warf ihren Kopf nach oben und sah sie über die Wiese hinweg erwartungsvoll an.

„Na, komm!“ Zaz kam sich lächerlich vor. Normalerweise rief sie selten nach Monsun. Die Stute kam einfach, wann immer Zaz es wollte. Da bedurfte es keiner lauten Worte. Es war wie Flüstern. Nur noch leiser.

Immerhin: Leise schnaubend schlenderte Monsun in ihre Richtung. Das hatte allerdings wenig mit dem Galopp zu tun, den Zaz jetzt gerne sehen würde.

Sie schnalzte mit der Zunge. „Auf, beweg dich ein bisschen schneller!“ Monsun begriff offensichtlich nicht, was Zaz wollte. Sie kam näher und stellte sich neben sie. Dann wendete sie Zaz den Kopf zu, fast so, als wollte sie ihre menschliche Freundin ermuntern, doch wieder auf ihren Rücken zu klettern.

Zaz griff in die Mähne, sprang vom Boden ab, bis sie bäuchlings quer über Monsuns Rücken lag, schwang dann ein Bein über die Kruppe und richtete sich auf. „Tadah! Wir beide machen es immer gleich – ich fürchte, es dauert noch ein Weilchen, bis wir so elegant werden wie Arpad und Feuertanz.“ Sie wandte sich an Lukas. „Kannst du mir vormachen, wie ihr das macht? Vielleicht taugt ihr ein bisschen besser zum Vorbild als unser Häuptling hier …“

Lukas zuckte mit den Schultern. „Klar. Aber ich denke, es bleibt im Prinzip das Gleiche.“ Auch er pfiff leise und sein Müller galoppierte heran. Bei dem schweren Kaltblut bebte der Boden.

Lukas hatte recht: Auch er griff in die Mähne, sprang zwei Galoppsprünge im Takt seines Pferdes und schwang sich dann auf Müllers Rücken. Sicher, er hing noch zwei weitere Galoppsprünge an der Seite. Aber dann hatte er sich nach oben gezogen und kam im Schritt zurück zur Horde.

„Die Technik kommt vom Voltigieren. Da können auch kleine Mädchen auf große Pferde. Wenn man einmal den Bogen raushat, ist es gar nicht so schwer.“ Lukas sah Monsun an, die friedlich unter Zaz dastand. „Die erste Bedingung wäre allerdings, dass sie auch galoppiert, wenn du das von ihr willst. Das sieht im Moment ja noch nicht so aus.“

Zaz richtete sich auf, drückte ihre Beine an Monsuns Seiten und pfiff leise dazu. Die Stute galoppierte willig an. Zaz lobte sie überschwänglich, doch dann seufzte sie. „Das dauert ja ewig, bis sie begreift, dass sie mit dem Pfiff angaloppieren soll. Wahrscheinlich ist es Weihnachten, bis das klappt.“

„Bestimmt nicht. Monsun und du, ihr versteht euch doch fantastisch. Und wer in 14 Tagen reiten lernt, der kann auch in 14 Tagen lernen, wie man einem Pferd auf den Rücken springt.“ Lukas nickte ihr aufmunternd zu. „So wie es aussieht, brauchen wir länger, um unseren Wagen wieder auf Vordermann zu bringen, oder?“

Alle lachten.

„Ich habe Hunger!“ Lukas sah sich um. „Wie sieht es aus? Hat irgendjemand was dabei?“

Alle schüttelten den Kopf.

„Ich denke, wir könnten Tine darum bitten, uns was zu machen. In ihrer Küche gibt es immer etwas.“ Zaz grinste in die Runde. „Und wir sind ja nicht sehr anspruchsvoll.“

„Sorgen wir dann nicht endgültig dafür, dass die Pension kein Geld mehr abwirft?“ Ann-Sophie war wieder einmal die Vernünftige. Aber auch alle anderen erinnerten sich noch zu genau an die Sprüche von Ty, dem Sohn des Bankdirektors. Er hatte mehr als deutlich erklärt, dass Tines Pension hier im Wald kurz vor der Pleite stand.

„Auf keinen Fall!“ Zaz schüttelte den Kopf. „Ein paar Nudeln und ein bisschen Soße sind bestimmt nicht daran schuld, wenn die Pension kein Geld abwirft. Ich glaube eher, dass Tine sich freut, wenn sie uns sieht.“

„Dann wäre das entschieden“, erklärte Arpad. „Auf nach Donneracker!“

Während sie durch den Wald ritten, lenkte Ann-Sophie ihren Kronos neben Monsun.

„Wie steht es denn wirklich um deine Großmutter?“, fragte sie halblaut. „Bloß, weil wir Ty aus dem Wald vertrieben haben, sind ihre Schulden ja nicht einfach verschwunden.“

Zaz zuckte mit den Schultern. „Sie redet mit mir nicht so richtig darüber. Wahrscheinlich will sie mich mit ihren Problemen verschonen. Aber immerhin drängen meine Eltern jetzt nicht mehr ständig auf einen Verkauf. Trotzdem: Gerettet ist Donneracker noch lange nicht. Dafür fehlt die zündende Idee, die wieder Gäste ins Haus und Geld in die Kassen bringt.“

„Können wir denn irgendwie helfen?“, mischte Lukas sich ein. „Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn es Donneracker nicht mehr gäbe …“

Die anderen nickten. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, bis zwischen den Baumstämmen das Dach der kleinen Pension auf der Waldlichtung auftauchte.

Zwei Stunden später saßen alle fünf vor leeren Tellern auf der Terrasse der Pension Donneracker und versuchten, eine Lösung für Zaz’ Problem zu finden.

„Es muss doch einen Weg geben, Monsun zum Galoppieren zu bringen, während Zaz versucht, auf- und abzuspringen“, sagte Arpad stirnrunzelnd. „Unsere Pferde haben da ja auch mitgemacht.“

„Seit wann ist denn von Abspringen die Rede?“ Zaz grinste. „Ich wollte in den Sommerferien eigentlich nicht fit für einen Zirkus werden.“

„Abspringen ist doch nur die logische Folge. Wer hochkommt, der muss auch runter.“ Arpad sagte das so, als wäre es das Einfachste der Welt.

Zaz’ Großmutter Tine hatte schon eine ganze Weile zugehört. Ihr gehörte nicht nur die Pension, sondern auch der Wald drum herum. Feuertanz, Herr Müller und Monsun waren einst die Pferde ihres Mannes Felix gewesen. Jetzt kümmerte sich die Horde um die drei und Ann-Sophie und Fee waren mit ihren eigenen Pferden dazugekommen.

Nun mischte Tine sich in die Unterhaltung ein: „Wäre es nicht einfacher, wenn Zaz dieses Auf- und von mir aus auch das Abspringen an einem Holzpferd übt? Dann erschrickt Monsun vielleicht nicht so sehr, wenn Zaz an ihrer Mähne hängt und erst einmal mit diesen Bewegungen zurechtkommen muss. Was meint ihr?“

„Klar.“ Arpad zog die Schultern nach oben. „Da könnte sie Dutzende Male auf- und abspringen. Aber wir haben nun einmal kein Holzpferd und Monsuns Geduld würde das zu sehr strapazieren. So schnell werden wir wohl auch keins auftreiben können – im Karren hatten wir heute genug Gelegenheit festzustellen, dass wir alle total unbegabt sind, wenn es um Hammer, Nagel oder Säge geht.“

„Na ja …“ Tine lächelte geheimnisvoll. „Ihr habt mich ja noch nicht gefragt. Felix hat so einiges in der Scheune aufgehoben, was ich sicher nie brauchen kann. Und wenn ich mich richtig erinnere, war auch ein Holzpferd dabei.“

Sie hatte kaum ihren Satz beendet, als die Horde auch schon aufsprang und in Richtung der alten Scheune losrannte. Zaz bremste nach ein paar Schritten ab, drehte sich um, lief zurück zu Fee, nahm sie an die Hand – und gemeinsam versuchten sie, die anderen drei im Laufschritt einzuholen. Das etwas windschiefe Gebäude befand sich am anderen Ende der großen Lichtung, auf der die Pension stand. Das Scheunentor hing schief in den Angeln, bei dem Dach fehlte der ein oder andere Ziegel und das Holz sah grau und verwittert aus.

Das war den Hordenreitern allerdings egal, als sie in die Scheune hineinstürmten und sich blinzelnd umsahen. Es dauerte einen Augenblick, bis sich ihre Augen nach dem hellen Tageslicht an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Dann sahen sie eine steile Treppe, die nach oben führte. Unten gab es verschiedene Schränke und fünf oder sechs leer stehende Pferdeboxen, in denen zum Teil sogar noch das Stroh lag.

„Hier hat mein Mann seine Pferde gehalten“, erklärte Tine, die langsamer hinter der Horde hergegangen war. „Monsun und die anderen sind schließlich nicht schon immer frei und wild durch die Wälder gerannt. Das haben sie erst gemacht, als ich nach Felix’ Tod die Boxen geöffnet habe. Sie gingen auf eigene Faust in den Wald und kamen jeden Abend zurück, um sich hier den Hafer abzuholen. Dann habt ihr angefangen, euch um die Pferde zu kümmern, und sie kamen immer seltener. Ich war darüber bestimmt nicht unglücklich, schließlich hatte ich in der Pension genug zu tun. Auf das Ausmisten konnte ich gut verzichten.“

Tine ging zu einem schweren grauen Tuch, das über einem großen Gegenstand ausgebreitet war. Mit einem kräftigen Ruck zog sie den Stoff auf den Boden.

„Bitte schön. Ein Holzbock. Hier hat Felix sich immer um das Sattelzeug gekümmert und auch die Geschirre repariert. Er mochte es nicht, fertige Sachen aus dem Laden zu kaufen …“ Sie sah einen Augenblick lächelnd vor sich hin und schien sich in den Erinnerungen an ihren Mann zu verlieren.

Dann gab sie sich einen Ruck. „Auf jeden Fall könnt ihr das jetzt verwenden. Vielleicht kann Zaz ja ein bisschen an diesem Pferd üben, was meint ihr?“

„Klar, das geht!“ Arpad ging um das Holzpferd herum, rüttelte ein wenig daran, um die Stabilität zu überprüfen, und nickte schließlich. „Zumindest ist es ein Anfang.“

„Fein. Dann lasse ich euch jetzt hier alleine. Ihr könnt das Pferd ja ein bisschen abstauben. Oder euch ein wenig umsehen, vielleicht gibt es hier noch mehr alten Kram, den ihr gut verwenden könnt. Ich muss mich jetzt wieder um meine Gäste kümmern!“ Tine winkte zum Abschied und verschwand, bevor auch nur einer der Horde auf die Idee kommen konnte, ihr vielleicht Hilfe anzubieten. Einen Augenblick lang war es still in der staubigen Scheune.

Als Erste redete Fee. „Sie klingt, als ob sie deinen Opa immer noch vermisst.“

Zaz zuckte mit den Schultern. Dann fiel ihr ein, dass Fee so eine Geste nicht sehen konnte. „Ich weiß es nicht. Meine Eltern waren hier fast nie mit mir zu Besuch, deswegen erinnere ich mich nicht an meinen Opa. Wahrscheinlich hätte ich mich gut mit ihm verstanden, schließlich mögen wir beide Pferde.“

In der Zwischenzeit hatte Arpad sich genauer umgesehen. Die Sonnenstrahlen fielen schräg durch Ritzen der vernagelten Fenster und in dem Licht tanzten Staubkörnchen. Es roch nach Heu, Leder und ganz schwach nach Pferd. „Es ist richtig schön hier!“, stellte er fest. „Und das wird überhaupt nicht mehr genutzt?“

„Nein.“ Zaz deutete auf die Treppe. „Sollen wir mal nach oben gehen? Da war ich noch nie!“

„Okay!“ Arpad lief die Treppe nach oben und schob dort eine Holztür auf. Neugierig folgte ihm der Rest der Horde. Ein Flur, mehrere leere Zimmer.

„Hier muss doch mal jemand gewohnt haben“, vermutete Arpad. „Aber so, wie es aussieht, war hier seit Jahren niemand mehr.“

„Wie sieht es denn aus?“ Das kam von Fee, die mitten in den Räumen stand und ein wenig ratlos wirkte.

„Sehr staubig, alter Holzboden, Wände, die mal weiß waren“, beschrieb Arpad für sie. „Es sieht gemütlich aus. Und nach einer Menge Arbeit, bevor hier wieder jemand wohnen kann.“

„Komisch.“ Zaz machte einen Rundgang durch die Räume. „Das hätte Tine doch die ganze Zeit als Ferienwohnung vermieten können. Ich meine, wenn es schon ständig an Geld fehlt …“

„Sie wird ihre Gründe haben, warum sie das nicht gemacht hat“, warf Ann-Sophie ein. „Können wir jetzt wieder runtergehen und uns um dieses Holzpferd kümmern? Hier oben bekommt man ja eine Staublunge!“