Wilde Welpen & kleine Jagdnasen - Ines Scheuer-Dinger - E-Book

Wilde Welpen & kleine Jagdnasen E-Book

Ines Scheuer-Dinger

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Beschreibung

Viele Hundebesitzer wissen nicht, was auf sie zukommt, wenn sie einen Welpen mit jagdlichen Genen bei sich aufnehmen. Oft blicken die Welpen auf eine lange Reihe von Ahnen zurück – Stöberhunde, die das Wild aufbringen sollen, gibt es darunter ebenso wie Spezialisten, die es vor allem auf Enten oder Hasen abgesehen haben oder deren Dasein sich nur ums Apportieren dreht. Entsprechend erregt und impulsiv reagieren deshalb schon die Welpen, wenn sie mit Reh, Wildschwein, Ente oder Hase in Kontakt kommen. Klar, dass es ein durchdachtes Training braucht, wenn der Hundebesitzer diese Anlagen in geregelte Bahnen lenken will. Und zwar mit fairen und freundlichen Methoden, damit die kleine Jagdnase und später der erwachsene Hund ein erfülltes Leben voller Spaß und Freude an der Seite seiner Familie führen kann. Funktionieren kann das nur, wenn der Mensch dabei ein Auge auf die Bedürfnisse hat und diesen – auch ohne Hetzen und Greifen – nachkommt, damit der Hund nicht versucht, seinen Jagdtrieb beispielsweise an Joggern und Fahrradfahrern auszuleben. Auch der Alltag kann bei einem solch sensiblen, impulsiven Hund mit "Special Effects" durchaus herausfordernd sein und erfordert eine achtsame Begleitung des Vierbeiners. Die Autorin zeigt auf, wie man bereits beim Welpen den Grundstein für ein partnerschaftliches Zusammenleben und ein entspanntes Spazierengehen legt – und zwar bedürfnisorientiert und beziehungsbasiert!

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(Foto: M. Fischer/Pixelschmiede)

Ines Scheuer-Dinger

WILDE WELPEN &kleine Jagdnasen

JAGDHUNDWELPEN IN FAMILIENHAND

Haftungsausschluss:

Autor und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

Gender-Erklärung:

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir im Cadmos-Verlag auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) und wählen jeweils die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern. Dies soll jedoch keinesfalls eine Geschlechterdiskriminierung oder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zum Ausdruck bringen. Frauen, Männer und Diverse mögen sich von den Inhalten unserer Publikationen gleichermaßen angesprochen fühlen.

IMPRESSUM

Copyright © 2022 Cadmos Verlag GmbH, München

Covergestaltung und Satz: www.cadmos.de

Grafisches Konzept: www.ravenstein2.de

Lektorat: Christa Klus-Neufanger

Umschlagfotos: Shutterstock/Katharina Duewel (U1), Shutterstock/TMArt (U4)

Druck: www.graspo.com

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

Alle Rechte vorbehalten.

Printed in EU

ISBN 978-3-8404-2066-5

eISBN 978-3-8404-6637-3

INHALT

Vorwort

Jagdhunde in Familienhand?

Eine besondere Aufgabe

Erwartungen und Realität

Die gute Wahl

Kleiner Jagdhund, große Fähigkeiten

Jagdhundrassen

Der gute Start

Ungeteilte Aufmerksamkeit

Gut vorbereitet

Sichere Welpenzone

Die ersten Tage

Welpen-Blues und Mantras für den Menschen

Wie umgehen mit unerwünschtem Verhalten?

Wie finde ich den passenden Trainer?

Lernen & Basics

Hunde lernen am Erfolg – auch Welpen!

Kommunikation & Körpersprache

Bewegung beim Welpen (von Dagmar Zeitner)

Welpenthemen speziell für kleine Jagdnasen

Zur Ruhe kommen oder: „Nach müd kommt blöd“

Wenn der Kleine zwickt und beißt

Let’s play – richtig spielen

Hochspringen

Alles meins!

Knurren, Bellen und akustische Kommunikation

Anfassen und Tierarzttraining

Die orale Phase und alles rein ins Mäulchen

Stubenreinheit

Sinnvolles Beschäftigen

Mit dem Auto unterwegs

Welpe allein zu Haus

Hundebegegnungen und Welpenschutz

Draußen unterwegs

Grundschulplan für kleine Jagdnasen

Freiwillige Selbstbeherrschung üben

Signale für Aufmerksamkeit

Anleinritual

Leinenführigkeit

Entspannen unterwegs

Schreckgespenst Pubertät

Mythen zum Thema Jagdhund

Danksagung

Register

(Foto: Shutterstock/Kseniaya Resphoto)

(Foto: Shutterstock/Kseniaya Resphoto)

VORWORT

Du hast dich für eine kleine Jagdnase entschieden oder vielleicht lebt sogar schon eine bei dir? Dann herzlichen Glückwunsch! Dich erwarten eine sehr aufregende Zeit und die Chance auf eine wunderbare, tiefe Freundschaft mit einem Vierbeiner. Du stehst quasi am Anfang eurer gemeinsamen Reise und bist nun maßgeblich für das Leben dieses kleinen Wesens verantwortlich.

Auf dieser Reise kann es hin und wieder steinig werden, das kann ich schon mal verraten, denn kleine und große (Jagd-)Hunde können einen gehörig auf Trab halten. Auch wenn du von Anfang an alles richtig machen möchtest, wird dich der Vierbeiner sicherlich an deine Grenzen bringen und alle Erwartungen immer wieder über den Haufen werfen. Wenn du dich darauf einlässt, wird dir dieser Welpe sicherlich einiges über dich beibringen.

Eines muss ich schon zu Beginn sagen: (Jagdhund-)Welpen sind keine Knetgummimasse, die man mit der richtigen Erziehung und Konsequenz in die gewünschte Form bringen kann. Sie bringen genetisch fixierte Verhaltensmuster ebenso wie spezielle Bedürfnisse mit, die sich nicht übergehen lassen. Zumindest nicht, wenn man sich einen fröhlichen Begleiter und eine harmonische Beziehung wünscht.

Wer die Bedürfnisse des Hundes kennt und im täglichen Leben berücksichtigt, kann aber aus einem Jagdhund einen entspannten Begleiter machen.

FÜR FINNI, MEIN SEELCHEN

Danke, dass du der allerschlimmste und anstrengendste Welpe warst, den man sich vorstellen kann, und mich dabei gleichzeitig so unfassbar viel über mich und dich und das Leben gelehrt hast.

(Foto: Shutterstock/Zuzule)

JAGDHUNDE IN FAMILIENHAND?

Jagdhunde sind Arbeitshunde. Es war und ist nicht ihr ursprünglicher „Zweck“, den Menschen in allen Lebenslagen zu begleiten, sondern ihn auf der Jagd zu unterstützen. Die Selektion, also das gezielte Verpaaren von Rüde und Hündin mit besonderen Veranlagungen, brachte Nachkommen mit einer enormen Leistungsfähigkeit und jagdlicher Passion hervor. Ziel der Selektion war immer schon, dass der Hund ohne aufwendiges Training seinen Job macht, was auch immer dieser im vielseitigen jagdlichen Feld ist, und das bereits in sehr jungem Alter.

Damit dies funktioniert, braucht es entsprechende Anlagen, die der Vierbeiner bereits mitbringt. Genau das bedeutet, dass auch ohne viel Training bestimmte Verhaltensmuster durch kleinste Reize ausgelöst werden. Das wiederum kann im Alltag mit einer Jagdnase anstrengend sein – beispielsweise wenn man das Jagdverhalten gerade eigentlich nicht brauchen kann –, und zwar für beide Beteiligten: Der Hund, der über Jahrhunderte auf bestimmte Eigenschaften selektiert wurde, wird nicht glücklich werden, wenn er genau diese Eigenschaften nicht ausleben kann. Nicht glücklich heißt: Er wird Frust bekommen, wenn ein bestimmtes Verhaltensmuster ausgelöst wird und er zum Beispiel durch eine Leine daran gehindert wird. Es klingt erst einmal nicht dramatisch, wenn ein Hund ab und an Frust hat. Das haben wir Menschen ja auch. Aber für einen Spezialisten seines (Jagd-)Fachs heißt das, dass als Folge eine Menge Stresshormone ausgeschüttet wird.

Eine besondere Aufgabe

Man kann sich also fragen, warum es denn ein Hund mit ganz besonderen Fähigkeiten sein muss. Grundsätzlich muss zwischen den unterschiedlichen Jagdhundtypen auch noch mal unterschieden werden, denn Jagd ist nicht gleich Jagd. Innerhalb der Selektion hat man sehr unterschiedliche Hundetypen gezüchtet, sodass es bereits seit dem Mittelalter für jede Jagdart einen Spezialisten gibt. Daher gibt es Jagdhundtypen, die sich besser alternativ beschäftigen lassen als andere (mehr dazu auf Seite 21 ff.).

Hast du einen Welpen aus dem Tierschutz ins Auge gefasst, so ist es ebenfalls so, dass so ein Hund nur schwer ein jagdliches Zuhause findet, denn er kann im deutschsprachigen Raum kaum jagdlich geführt werden, weil er nicht für entsprechende Prüfungen zugelassen ist. Dennoch kann auch die Haltung eines solchen Hundes sehr herausfordernd sein. Denn wird ein Hund vom Jäger „aussortiert“ mit dem „Prädikat“ „jagdlich nicht tauglich“, heißt das in den allermeisten Fällen nicht, dass der Hund keine Passion für Wild zeigt. Vielmehr kam der Hund wahrscheinlich mit den Bedingungen der Jagd und jagdlichen Ausbildung nicht zurecht. Er war nicht schussfest, überängstlich, überpassioniert (und dann vielleicht gleich zwei Stunden weg), knautschte das Wild beim Apportieren usw. Ein Jagdhund kann in der Arbeit viel falsch machen, und so wird der Hund abgegeben – er ist aber dennoch mit einer hervorragenden jagdlichen Genetik ausgestattet.

In einem Jagdhundwelpen steckt oft eine Menge „Special Effects“. Man sollte gut überlegen, ob und welchen man sich als Begleiter fürs Leben aussucht. (Foto: DBasler)

Suchst du nach einem Welpen vom Züchter, so solltest du gut überlegen, welche Jagdhundrasse zu deinem Leben passt (mehr dazu ab Seite 21) und welchen Züchter du wählst. Es gibt kaum verantwortungsvolle Jagdhundzüchter, die ihre Hunde in Familienhände abgeben, denn es ist schwierig, einen solchen Welpen mit „Special Effects“ ohne wirkliche Arbeit glücklich zu machen. Nicht umsonst ist die Zahl der „Rückläufer“-Welpen und Junghunde bei Jagdhunden besonders hoch. Viele Hundehalter unterschätzen die Herausforderungen im Zusammenleben mit einem so anspruchsvollen Hund. Oftmals preisen sogenannte Hobbyzüchter ihre Hunde als tolle, sportliche Familienhunde an, weil sich gut Geld mit ihnen verdienen lässt. Es werden eigene Vereine gegründet, um solche Hunde mit Papieren auszustatten, aber die wesentlichen Dinge bei der Zucht, wie Gesundheit und Wesensfestigkeit, werden dabei oft vernachlässigt. Ein verantwortungsvoller Jagdhundezüchter wird seine Welpenbesitzer immer auf Herz und Nieren prüfen und genau nachfragen, wie mit der kleinen „Rakete“ später gearbeitet wird.

JEDER JAGDHUND IST ANDERS

Entwickelt sich die Zucht weg von Arbeitsleistung und ursprünglichem jagdlichem Einsatz, gehen daraus oft Hunde hervor, die mit dem (Familien-)Alltag nicht mehr gut zurechtkommen. Denn ein Hund, der eine jagdliche Ausbildung absolviert hat oder im jagdlichen Einsatz steht, muss auch „weiche“ Faktoren mitbringen, die zum Teil mit vererbt werden: Er soll sozial kompatibel sein, er muss mutig sein, darf nicht geräuschempfindlich sein (Prüfung auf Schussfestigkeit), muss auch im jagdlichen Kontext ansprechbar und trainierbar sein (und nicht kopflos, sonst besteht er keine Prüfung). Daheim muss er außerdem schnell zur Ruhe kommen, um für die nächste Jagd aufzutanken … All das sind die positiven Eigenschaften eines Jagdhundes … Fällt diese Selektion weg und wird zum Beispiel nur noch auf Schönheit selektiert und Gesundheitsprüfungen vernachlässigt, besteht die Gefahr, dass nervöse, ängstliche oder überdrehte Hunde und im schlimmsten Fall auch kranke Hunde gezüchtet werden, die weniger gut mit Stress zurechtkommen. Aber egal, ob du deinen kleinen Vierbeiner schon hast oder er erst einzieht: Jeder Hund ist anders, es gibt Jagdhunde, die auch „ohne Job“ zufrieden sind und kaum „Extraprogramm“ brauchen, sie sind gechillt und kommen hervorragend mit dem Leben eines normalen Familienhundes klar – okay, solche Vertreter sind dann doch eher selten, aber es gibt sie! Das sind die, die einem im Gedächtnis bleiben, weil sie vielleicht so schön an einer lockeren Leine durch die Innenstadt stolzieren. Vielleicht hatten sie aber auch am Morgen bereits einen Job bei der Nachsuche …

Und es gibt Jagdhunde, die, obwohl sie eigentlich einer „pflegeleichten Rasse“ angehören, so spezielle Anforderungen an Herrchen und Frauchen stellen, dass sie ohne ein jagdliches Zuhause kaum glücklich werden. Auch innerhalb eines Wurfs gibt es bei den Welpen große Unterschiede im Verhalten und bezüglich ihrer Bedürfnisse. Innerhalb einer Rasse ebenso.

Ein Jagdhund ist glücklich, wenn seine Bedürfnisse aufgegriffen werden, er seine angeborenen Verhaltensmuster ausleben kann und nicht zu oft mit Frust konfrontiert wird. Ob dies möglich ist, hängt also maßgeblich von der Umwelt ab, in der der Hund lebt – beispielsweise wie viele jagdliche Auslösereize dort vorhanden sind –, wie viel Kapazität, Ressourcen und Bereitschaft der Halter oder die Halterin mitbringen und wie der Alltag dieses Hundes aussieht.

Am Ende stellt sich die Frage: Will ich es als Hundehalter leicht haben? Dann wähle ich eher keine Arbeitshunderasse aus. Will ich es eher schwerer und aufwendiger haben, dann ist der Arbeits- oder Jagdhund die richtige Wahl. Ein Jagdhund ist in den allermeisten Fällen kein Familienhund, der einfach so „mitläuft“ und „mitlebt“. Training allein wird nicht ausreichend sein, man muss auch ein entsprechendes Umfeld schaffen und genügend Zeit für Beschäftigung einplanen. Vor allem sollte man immer bereit sein, die Bedürfnisse des Hundes wahrzunehmen. Andernfalls entwickeln solche Hunde Zwangsstörungen, zeigen vermehrt Angst- und Aggressionsverhalten oder werden krank.

Apportieren steckt vielen Retrievern in den Genen. (Foto: Shutterstock/otsphoto)

Es gibt dennoch einige Gründe, die für die Wahl eines Jagdhundes auch in Nichtjägerhand sprechen: Viele Jagdhunde eignen sich hervorragend für den „Hundesport“, zum Beispiel für CaniCross oder Dummysport oder auch für die Rettungshundearbeit. Hier können sie auch einen Großteil ihrer Anlagen jenseits eines jagdlichen Umfelds ausleben und damit ausgeglichen und zufrieden sein.

Tipp: Genau hinsehen

Bei der Auswahl der passenden Rasse oder Mischung solltest du genau hinsehen, ob die typischen Rasseeigenschaften deines neuen Begleiters grundsätzlich in dein Umfeld und zu deinen Lebensbedingungen passen und ob du bereit bist, deinen Lebensstil auch auf die Bedürfnisse der Jagdnase auszurichten. Und auch wenn du sorgfältig auswählst und gut abwägst: Sei darauf gefasst, dass deine Erwartungen nicht erfüllt werden. Wenn es schwierig wird, such dir entsprechende Unterstützung bei ganzheitlich arbeitenden Trainern, denn ein Blick von außen kann mit ein paar kleinen Veränderungen schon große Fortschritte mit sich bringen. Und ein ernst gemeinter Hinweis: Rechne mit dem Schlimmsten, dann kannst du dich freuen, wenn es einfach so flutscht.

Zu einer guten Bindung gehört es, die Bedürfnisse des Gegenübers zu akzeptieren und im Training aufzugreifen. (Foto: Shutterstock/Vane Nunes)

Erwartungen und Realität

Wenn du deine Jagdnase bereits bei dir zu Hause hast, wird es sicherlich viele Gründe geben, warum du dich gerade für diesen Hund entschieden hast, warum es diese Hunderasse, dieser Hundetyp und dieses Individuum wurde. Der Entschluss ist immer verbunden mit Erwartungen: Oft bekommt ein Welpe auch schon vom Züchter oder von der Tierschutzorganisation bestimmte Eigenschaften zugesprochen. Nicht selten heißt es dann: „Das ist ein tougher Kerl …“, oder: „Die ist eine Draufgängerin …“ Bitte bedenke, dass sich diese Aussagen auf Situationen im vorherigen Umfeld bezogen und dein Welpe in einem neuen Umfeld ganz anders reagieren kann. Etiketten vernebeln uns oft die Sicht, und wir interpretieren Körpersprache und Situation aus diesem Kontext anders und vielleicht sogar falsch. Wenn du dir unsicher bist, lohnt es sich auch hier, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Jeder Hundehalter hat eine Vorstellung, wie das Leben mit seinem Begleiter aussehen soll, und das ist auch gut so. Allerdings müssen wir immer abwägen, ob unsere Erwartungen an die Jagdnase auch realistisch sind und wir dabei die Bedürfnisse des Vierbeiners nicht übergehen. Studiert man Rassebeschreibungen, so wird man schnell merken, dass dort fast ausschließlich positive und nützliche Eigenschaften aufgezählt werden. So bedeuten Attribute wie „lernt schnell“ zum einen, dass es sicherlich nicht lange braucht, diesem Hund etwas Neues beizubringen. Zeitgleich bedeutet es auch, dass sich der Hund schnell selbst etwas beibringt – zum Beispiel auf die Küchenablage zu hopsen …

Kleine Jagdhunde lernen schnell. Im Idealfall das, was wir uns vorstellen. (Foto: DBasler)

Auch das Attribut „sensibel“, das uns einen sanftmütigen und einfühlsamen Charakter verspricht, heißt zeitgleich auch, dass der Hund schnell von Veränderungen im Alltag beeindruckt, vielleicht sogar verängstigt ist und der Mensch hier Rücksicht nehmen sollte. Die Eigenschaft „lebhaft“ klingt ebenfalls sehr positiv, aber wer möchte um fünf Uhr früh oder im Restaurant einen lebhaften, agilen Hund?

Auch einen sportlichen und bewegungsfreudigen Hund wünschen sich wohl die meisten Hundehalter, denn wer möchte schon einen Hund, der sich auf der Bergwanderung nach 100 Höhenmetern auf den Boden legt und streikt? Oft wird dabei aber vergessen, dass Jagdhunde in einem Umfeld, in dem es viele Wildgerüche gibt (und die gibt es für einen Nasenspezialisten so gut wie überall), schnell in genetisch fixierte Verhaltensmuster verfallen. Und das auch an der Leine … Die sportliche Passion des Hundes kippt also sehr schnell in jagdsportliche Passion. Das bringt jede Menge Frust auf beiden Seiten der Leine. Jede Rassebeschreibung sollte deshalb immer genau und kritisch gelesen werden.

FRUSTRATIONEN VORBEUGEN

Die meisten Jagdhundehalter ohne Jagdschein holen sich einen Jagdhund in ihr Leben, weil sie gern und lange in der Natur unterwegs sind. Hier prallen Erwartungen und Realität dann oft aufeinander. Mit einem Jagdhund längere Zeit in einem jagdlich stimulierenden Umfeld unterwegs zu sein und ihn dann – sei es mit einer Leine oder durch Verbote – von seinem genetisch so wichtigen Verhalten abzuhalten, kann einen passionierten Hund überfordern und frustrieren. Hier sollte man ein Auge auf den Hund haben und schauen, wann der Hund überfordert oder überreizt ist. Ansonsten fliegen dir diese „Special Effects“, die der Hund mitbringt, um die Ohren und eine Reihe von weiteren Verhaltensproblemen ist vorprogrammiert.

Für alle Jagdhunde gilt darüber hinaus: Jede Form von Stress wirkt sich auf das Jagdverhalten aus! Das Verhaltenselement, das besonders selektiert wurde, wird in stressigen und aufregenden Situationen noch verstärkt. Das heißt, dass vieles, was der kleine oder große Jagdhund an Verhalten zeigt, wie schlechte Leinenführigkeit (siehe Seite 118 f.) oder das Aufsammeln und Fressen von Dingen (Selektion von Packen, als Abwandlung von Apportieren), nicht nur an mangelndem Training hängt, sondern auch durch Stress immens verstärkt wird.

Das Umfeld, in dem der Hund lebt, sollte also möglichst stress- und frustarm sein. Es ist die Verantwortung des Jagdhundehalters, ein entsprechendes Umfeld zu schaffen. Die ursprüngliche Selektion war darauf ausgelegt, dass sie in inaktiven Zeiten von Reizen abgeschottet waren. Die Zwingerhaltung mit Artgenossen, auch wenn sie sicherlich fragwürdig ist, war die Haltungsform, bei der diese Hunde zuverlässig zur Ruhe kommen konnten. In einem turbulenten Familienalltag ist dies für viele Vierbeiner schwierig, und Stress ist vorprogrammiert. Auch aus diesem Grund muss auf ausreichend Ruhe geachtet werden.

Die gute Wahl

Du solltest den Züchter deiner Wahl auf Herz und Nieren prüfen und dir seine Hunde genau ansehen. Ebenso wird ein verantwortungsvoller Züchter dich und das neue Lebensumfeld des Welpen genau unter die Lupe nehmen. Auf folgende Punkte solltest du vor allem achten:

•In jedem Fall sollte der Züchter die vom VDH (Verband für das Deutsche Hundewesen) vorgeschriebenen Gesundheitsprüfungen mit beiden Elterntieren durchgeführt haben.

•Die Welpen sollten beim Züchter in der Familie aufwachsen. Der Züchter hat nur einen Wurf gleichzeitig und kümmert sich darum, dass die Welpen bereits angemessen mit Umweltreizen vertraut gemacht werden.

•Die Mutterhündin sollte entspannt und freundlich wirken. Der Züchter sollte empathisch und freundlich mit seinen Hunden umgehen. Zudem sollte er dir ein realistisches Bild der entsprechenden Hunderasse vermitteln und keine rosarote Brille tragen. Für den richtigen Züchter muss man oft mehrere 100 Kilometer fahren und dies im Idealfall mehrmals, um die Hunde kennenzulernen.

•Auf keinen Fall solltest du Welpen bei einschlägigen Verkaufsportalen oder Hundehändlern kaufen! Sie werden zum Teil in Welpenfabriken unter fürchterlichen Bedingungen im Ausland geboren. Sie bringen deshalb meist leider auch eine Vielzahl an Gesundheits- und Verhaltensproblemen mit. Diese Tierquälerei darf man nicht unterstützen, auch wenn die Welpen noch so süß und hilflos sind.

•Informiere dich, inwiefern die Welpen schon jagdlich geprägt wurden: Jagdhundrassen, die laut Zuchtordnung eine Arbeitsprüfung brauchen, bei denen also keine reinen Showlinien gezüchtet werden, sind für Nichtjäger nicht nur aufgrund ihrer Anlagen ungeeignet, denn die Züchter beginnen bereits die Welpen an unterschiedliche Wildarten zu gewöhnen, damit diese passioniert und ohne Scheu am Wild agieren. Zur genetischen Passion kommen hier zusätzliche Lernerfahrungen, die das Training für einen Nichtjäger noch einmal erschweren.

Als Jagdhund in Familienhand eignen sich also nur Rassen, die bereits seit Jahren innerhalb des Dachverbands für Hundezucht auch Showlinien aufweisen. Hierbei wird zwar der Phänotyp des Hundes weitergezüchtet, aber keine Selektion mehr auf jagdliche Passion und Wildschärfe gelegt. Die Kehrseite der Medaille habe ich schon beschrieben: Wird nur auf Schönheit selektiert, ist keine Aussage über Trainierbarkeit und Wesensfestigkeit möglich.

Gerade unter den Vorstehhunden, die eigentlich innerhalb des offiziellen Zuchtverbands aus gutem Grund fast nur an Jäger oder in Diensthände (Polizei, hauptamtliche Rettungshundestaffeln) abgegeben werden, entwickelte sich in den letzten Jahren eine Flut an unseriösen Züchtern, die Jagdhunde an Nichtjäger verkaufen. Das Verkaufsargument dieser „Liebhaberzuchten“: Die Elterntiere würden ja nicht jagdlich geführt oder seien nicht jagdlich passioniert und somit die Welpen die perfekten, sportlichen Familienhunde. Diese Argumentation ist nicht haltbar: Jagdliche Passion kann eine Generation oder ein Individuum überspringen, aber bei einem entsprechenden genetischen Erbe kann diese eben auch bei den Welpen wieder ausgeprägt vorhanden sein. Ebenso bringen die Vierbeiner trotzdem ein hohes Erregungsniveau mit und sind anspruchsvoll im Umgang. Auch die eigentlich vorgeschriebenen Gesundheitsprüfungen und die Überprüfung auf Inzucht fehlen oft. Hier ist also Vorsicht geboten, denn leider landen viele Vertreter wieder in Tierheimen, weil die Züchter die zukünftigen Besitzer nicht ausreichend aufgeklärt haben.

Jeder Welpe bringt ein genetisches Erbe mit in seine neue Familie. Dieses muss man erst einmal kennenlernen! (Foto: Shutterstock/Kimberly Petts)

(Foto: Shutterstock/Minko Peev)

KLEINER JAGDHUND, GROSSE FÄHIGKEITEN

In jedem kleinen Welpen schlummert ein großes genetisches Erbe, und jeder Hundehalter sollte wissen, was dieses Erbe für den Alltag bedeuten kann. Jagdverhalten ist biologisch gesehen eine Verhaltenskette: Ein Wolf oder ein Wildhund, der Beute zum Überleben machen möchte, startet mit dem sogenannten Orientierungsverhalten. Der Canide hat den inneren Antrieb loszulaufen, um nach einem Auslöser zu suchen. Hat er bei seinem Streifzug Wild geortet, wird er es als Nächstes fixieren – also kurz innehalten und mit seinen Sinnen genauer fokussieren. Nach dem Fixieren wird er sich an die Beute anschleichen. Ist er nahe genug an der Beute, wird er hetzen, dann packen, töten, zerlegen und das Tier fressen. Diese einzelnen Sequenzen laufen nacheinander ab, während das Erregungsniveau und alle damit verbundenen Hormone immer weiter bis zum Töten ansteigen.

Erst durch das Zerlegen und Fressen sinkt das Erregungsniveau wieder und die Jagdverhaltenskette wird so abgeschlossen. Diese ursprüngliche Form der Jagdverhaltenskette tritt bei unseren Haushunden in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Bei den Jagdhunden wurden je nach Einsatz bestimmte Verhaltensweisen dieser Kette noch stärker herausgezüchtet, um bei den jeweiligen Jagdarten den Menschen bestens zu unterstützen. Allen Jagdhelfern wurde dabei das Verhaltenselement „Fressen“ weggezüchtet, denn man wollte keine Hunde, die mit dem Jäger in Konkurrenz stehen. Auch heute ist das Anfressen der Beute in Prüfungen noch ein Grund zum Zuchtausschluss. Der Antrieb, jagen zu gehen, ist also nicht von Hunger gesteuert, sondern jedes Element der Kette ist extrem selbstbelohnend für den Hund, auch wenn er keine Beute macht.

Jagdhundrassen

Die unterschiedlichen Jagdhundrassen, die wir im deutschsprachigen und europäischen Raum kennen, werden schon seit Hunderten von Jahren gezüchtet. Stets wurden die Besten der Besten des jeweiligen Fachs miteinander verpaart.

Heraus kam eine große Diversität an Hunderassen mit sehr unterschiedlichem Jagdverhalten und sehr unterschiedlichem Phänotyp – vom Kaninchendackel bis hin zum Deerhound unterscheiden sich die Jagdhunderassen sehr deutlich.

FCI-Gliederung der Hunderassen

Die FCI – der internationale kynologische Dachverband – teilt die Jagdrassen nach folgenden Kategorien auf:

• Gruppe 3: Terrier wie Deutscher Jagdterrier, Parson Russell Terrier

• Gruppe 4: Dachshunde, z. B. Rauhaardackel

• Gruppe 5: Hunde vom Urtyp: Podenco ibicenco, Akita

• Gruppe 6: Laufhunde und Schweißhunde: Foxhound, Bracken, Beagle, Bayerischer Gebirgsschweißhund, aber auch Rhodesian Ridgeback und Dalmatiner

• Gruppe 7: Vorstehhunde: Setter, Pointer, Vizsla, Bretone, Weimaraner, Deutsch Kurzhaar, Münsterländer

• Gruppe 8: Apportierhunde, Stöberhunde und Wasserhunde: Retriever und Spaniel, Wachtelhund, Barbet und Lagotto

• Gruppe 10: