Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 25 - Jonny Kent - E-Book

Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 25 E-Book

Jonny Kent

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Beschreibung

Eben erst wurde John Hacett brutal ermordet. Da der Rancher im kleinen Örtchen Spring Fork ein angesehener Mann war, kam ein Fremder wie Jack Farland für den Sheriff James Guddy und die beiden Söhne des Toten als mutmaßlicher Mörder gerade recht. In ihren Augen war der Ohioman unstrittig ein Herumtreiber und konnte zudem kein Alibi vorbringen. Als dann noch Jack O'Rourke, einer der Cowboys der Hacett-Ranch, unter Eid schwor, in Farland den Täter erkannt zu haben, schien sein Leben endgültig Geschichte zu sein. Und das nicht von ungefähr, denn der Richter David Thursdey ließ vom ersten Moment an keinen Zweifel daran, dass er ihn an den Galgen brachte ...


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Inhalt

Cover

Sechs Jahre Straflager

Vorschau

Impressum

Sechs Jahre Straflager

Von Jonny Kent

Der Wagen schlingerte über den holprigen Weg nach Westen. Die beiden Männer auf dem Kutschbock blickten auf die tanzenden Rücken der beiden Rotfüchse.

John Hacett hatte die Zügelleinen in der Hand. Sein Gesicht war verwittert und von einem harten Leben in der Savanne Missouris gezeichnet. Hacett war ein Mann von sechsundfünfzig Jahren, hochgewachsen und von kräftigem Körperbau. Wenige Meilen vor Spring Fork lag seine große Viehranch, für deren Aufbau er ein Menschenalter gebraucht hatte. Er glaubte an diesem Tag, sicher noch einen großen Teil seines Lebens vor sich zu haben und hätte es bestimmt nicht für möglich gehalten, dass sein Lebenslicht bereits am Verglühen war ...

Der Mann neben ihm auf dem Kutschbock wirkte ungeschlacht, hatte eine knorrige Gestalt und einen Schädel, der direkt auf dem Rumpf zu sitzen schien. Seine Beine waren o-förmig gebogen, und seine Füße steckten in riesengroßen Stiefeln. Er trug einen Schnauzbart und hatte eine gelbliche Gesichtshaut. Sein Name war Jack O'Rourke. Er war einunddreißig Jahre alt und arbeitete seit einiger Zeit als Cowboy auf der Hacett-Ranch.

Die beiden Männer kamen von der Sunrise-Weide zurück und hielten jetzt auf die Ranch zu, die noch etwa sieben Meilen entfernt war.

Der Rancher dachte gerade über seinen älteren Sohn nach, über Jesse, den Neunundzwanzigjährigen. Jesse war nicht ganz so geraten, wie John Hacett sich seinen Erben gewünscht hätte, aber Hacett hatte sich mit der Zeit damit abgefunden. Jesse kam seiner Arbeit nach, und das war schließlich die Hauptsache.

Ganz anders war da sein jüngerer Sohn, Cass, der ein echter Weidemann zu werden versprach. Die Gedanken des Ranchers waren sehr oft bei seinen beiden Söhnen. Für sie hatte er die Ranch aufgebaut. Als seine Frau nach der Geburt von Cass gestorben war, lebte er eigentlich nur noch für die beiden Boys, wie er sie immer noch nannte, obgleich Cass heute auch schon fünfundzwanzig war.

Der Wagen hatte die große Ebene hinter sich gebracht, als plötzlich aus einem Gebüsch ein Reiter hervorpreschte, der eine schwarze Maske trug. In seiner rechten Faust blitzte der Revolver auf.

Hacett verspürte im nächsten Moment einen schweren Stoß gegen seine Brust, während O'Rourke mit einem weiten Satz vom Kutschbock sprang.

Der Rancher fiel nach vorne gegen das Stiefelbrett, griff mit beiden Händen das Gewehr und wollte es anheben, rutschte dann aber zur Seite und blieb ausgestreckt vor dem Stiefelbrett liegen.

John Hacett war tot.

Mit kalkigem Gesicht kauerte der Cowboy Jack O'Rourke neben dem vorderen rechten Wagenrad und starrte zu dem Reiter hinüber, der plötzlich sein Pferd herumriss und davonjagte.

Drei Meilen östlich der Stadt Spring Fork im Pettis County im Westen des Staates Missouri lag die große Ranch der Hacetts. Es war ein gewaltiger, hufeisenförmig angelegter Viehhof, auf dem elf Cowboys und fünf Mägde beschäftigt waren. Das war schon etwas, worauf die Hacetts stolz sein konnten.

Der Mann, der jetzt durch das offene Ranchtor ritt, hielt einen Augenblick sein Pferd an. Es war ein mittelgroßer Mensch mit kräftigem Körperbau, kantigem Schädel und einem Gesicht, das sehr viel Härte verriet. Seine Augen waren pulvergrau und seine Nase kurz, die Lippen aufgeworfen und das Kinn eckig.

Er trug einen grauen Stetson, der mit Schweißrändern übersät war, ein graues Halstuch, das auf seiner rechten Schulter lag und links am Hals den Knoten hatte, ein graues, kragenloses Kattunhemd und eine blaue Levis-Jeans, die unten über den Schäften seiner kurzen, hochhackigen Stiefel auslief. Rechts über seinem Oberschenkel steckte im offenen Holster ein schwerer .38er Colt.

Dieser Mann war Cassius Hacett, der jüngere Sohn des Ranchers. Er schaute über den weiten Hof, der in der Mittagshitze flimmerte. Mit einem Blick zu den Wagendächern hinüber stellte er fest, dass der Highlander des Vaters noch nicht zurück war, und mit dem nächsten Blick zum Corral sah er, dass auch Jesse noch nicht wieder auf dem Hof war.

In diesem Augenblick tauchte drüben zwischen der Scheune und dem Mannschaftsbau ein Reiter auf. Es war ein Mann kurz vor den Dreißigern mit einer hohen, schlanken Gestalt und einem Gesicht, das blass wirkte, aber feingeschnitten war und in dem ein dunkelbraunes Augenpaar stand. Er trug einen sandfarbenen Hut, ein sandfarbenes Hemd und eine dunkelbraune Hose. Der schwere Revolver schien gar nicht zu seiner fast zarten Gestalt zu passen. Der Reiter war Jesse Hacett.

Bei seinem Anblick verzog Cass das Gesicht. Ohne die Lippen zu bewegen, presste er leise hervor: »Und solch einem Puppenjungen soll diese Ranch vermacht werden!«

Jesse war vom Pferd gestiegen, überquerte den Hof und ging aufs Wohnhaus zu. Er war ein verschlossener, stiller Mensch, der stumm seiner Arbeit nachkam – eine Arbeit, für die er sehr viel weniger geeignet schien als sein Bruder. Aber mit einer überraschenden Zähigkeit gab er sich ihr hin und versah sie ebenso gut wie der zweite Sohn des Ranchers.

In dem Augenblick, in dem Jesse Hacett den Vorbau betreten wollte, kam drüben aus dem Scheunenbau ein vierschrötiger Mann, dem drei Cowboys folgten. Es war der Vormann Vint Rogers. Er kaute auf einem Priem herum und spie es dann aus.

Cass war auf die Veranda zu geritten und rutschte aus dem Sattel. Jesse stand auf der zweiten Treppenstufe und sah sich nach ihm um.

Inzwischen war der Vormann herausgekommen, blieb mit den drei Cowboys stehen, schob einen neuen Priem in eine Zahnlücke und fragte: »Ist der Rancher zurück?«

»Noch nicht«, entgegnete Jesse. »Was gibt's denn?«

Rogers winkte ab. »Muss ich dem Rancher schon selbst sagen.«

Das Geräusch eines heranrollenden Wagens ließ die Männer aufblicken. Drüben durchs offene Ranchtor fuhr der Highlander, auf dessen Kutschbock jedoch nur die Gestalt des krummbeinigen Cowboys O'Rourke sichtbar wurde. Als das Gefährt bis zur Veranda herangekommen war, sprang O'Rourke ab.

»Wo ist der Rancher?«, rief ihm Cass sofort zu.

»Wir ... wir sind überfallen worden!«, stieß O'Rourke hervor.

»Und wo ist mein Vater?«, kam es von den Lippen Jesses.

O'Rourke wandte den Kopf und blickte auf die zerknüllte Zeltplane, die hinten auf der Pritsche des Wagens lag. Mit raschen Schritten setzte sich Cass in Bewegung, ging auf den Wagen zu und riss die Plane zurück. Sekundenlang starrte er auf das, was er da sah. Dann ließ er die Plane los, wandte sich um, ging auf den Vormann zu und blieb dicht vor ihm stehen.

»Was wollten Sie dem Rancher sagen, Rogers?« Und als er keine Antwort erhielt, deutete er mit dem Kopf auf seinen Bruder. »Er ist jetzt der Rancher, Mr. Rogers.«

Niemand sprach ein Wort. Tiefe Stille herrschte auf dem Hof. Endlich setzte sich Jesse Hacett in Bewegung, ging mit staksigen Schritten auf den Wagen zu, griff nach der Plane, hielt dann aber inne und sah zu seinem Bruder hinüber.

»Zerr das Laken schon zurück. Du wirst schon nicht umfallen!«, bellte Cass.

Aber das Bild, das sich Jesse bot, war doch so erschreckend, dass er die Plane sofort wieder fallen ließ. Mit verzerrtem Gesicht lag der Tote auf dem rissigen Pritschenboden. Kalkweiß und völlig entstellt.

Jesse stand minutenlang neben dem Wagen und vermochte sich nicht zu rühren. Dann wandte er sich ab, kehrte den anderen den Rücken zu und blickte zum offenen Tor hinaus in die Weite der Savanne.

»Sie wollten dem Rancher doch etwas sagen«, knurrte Cass den Vormann an.

Rogers schluckte schwer. Dann nickte er. »Ja, es handelt sich um diesen Flaherty. Er taugt nicht fürs Weidehandwerk. Zu schwach und auch zu laut ...«

Es war ein Hohn, dass sie jetzt über den Cowboy Flaherty sprachen – jetzt, in einer solchen Minute! Aber es war für alle nur ein Überspielen der furchtbaren Situation.

Da wandte sich Jesse Hacett auf dem linken Absatz um. »Flaherty bleibt!«

Cass warf den Kopf hoch und blickte ihn verblüfft an. Was war denn mit dem Bruder los? Der sah ja plötzlich völlig verändert aus. Sein Gesicht wirkte hart und wie aus Marmor. Ein scharfer Zug hatte sich in seine Mundwinkel gekerbt, und deutlich stand zwischen seinen Brauen eine scharfe Falte.

Es war ihnen allen auf einmal klar: Dieser Mann da hatte nicht nur zufällig einen Ranchhof geerbt, sondern er war jetzt der Rancher! Und das war ein Unterschied, der nicht übersehen werden konnte.

Jesse machte ein paar Schritte vorwärts, ging zur Treppe, trat wieder auf die zweite Stufe und blickte auf O'Rourke nieder. »Wie viele waren es?«

»Ich habe nur einen einzelnen Mann gesehen«, stieß der Krummbeinige hervor.

»Wie sah er aus?«

»Er war ziemlich groß, glaube ich, groß und sehr kräftig. Aber ich kann es nicht genau sagen. Dadurch, dass der Rancher die Zügelleinen hatte fallen lassen, scheuten die Pferde, stiegen hoch, und ich wurde durch einen Ruck vom Wagen geschleudert. Ich muss ohnmächtig gewesen sein, denn als ich wieder zu mir kam, lehnte ich am Wagenrad und sah nur noch eine Staubwolke im Westen.«

»Wir machen uns sofort auf die Suche«, meldete sich der Vormann mit heiserer Stimme.

»Sie, Roger, sowie Perkins, Johanson und Careddy. Die anderen bleiben hier«, gebot Jesse. »Sie, O'Rourke, kommen mit mir!« Er verließ die Treppe und setzte sich in Bewegung.

Die Cowboys traten zurück und ließen ihn vorbei. Als er schon zehn Schritt entfernt war, blieb er noch einmal stehen, wandte den Kopf über die linke Schulter und sagte: »Cass, du kommst auch mit.«

Cass stand mit blassem Gesicht da, und Zorn stieg in ihm auf. Er schluckte und folgte dem Bruder dann.

Dass drüben auf der Pritsche des alten Highlanders der Tote lag, schien vergessen. Jetzt galt es, den Befehl des neuen Ranchers auszuführen.

Jesse Hacett, sein Bruder Cass und der Cowboy O'Rourke preschten nach Westen auf die Stadt zu.

Spring Fork war ein kleines Nest von dreißig oder wenig mehr Häusern, die sich in der Hauptsache um die breite, wie mit dem Lineal gezogene Mainstreet scharten.

Vor siebzehn Jahren hatte der deutsche Auswanderer Jakob Hammer die Stadt gegründet. Sie hieß damals Hammer City. Aber der Name war noch von Hammer selbst wieder verworfen worden, denn er hatte gar nicht gewollt, dass die Stadt nach ihm benannt worden war. Er lebte übrigens immer noch und betrieb in der Mitte der Mainstreet seine Huf- und Nagelschmiede. Es war ein ganz einträgliches Geschäft, und Hammer verdiente damit seinen Lebensunterhalt.

Neben der Schmiede lag die Star-Bar, eine Schenke, die aussah, als würde sie jeden Augenblick zusammenfallen. Sie schien aus Kistenholzbrettern zusammengenagelt worden zu sein und lehnte sich auf der einen Seite gegen das Haus des Schmieds und auf der anderen gegen einen schmalbrüstigen Bau, an dem das protzige Schild CITY HALL prangte. Schräg gegenüber stand das einzige Steinhaus in der Stadt; es war das Sheriff's Office. Ein großes Schild, das vom hölzernen Vorbau in die Straße hinausragte, ließ keine Unklarheit darüber.

Rechts neben dem Sheriff hatte Butcher Forbes seinen Laden, und links war die Schneiderei von Tim Ferguson. Mike Match führte zusammen mit seiner Tochter einen Traderladen, an dem er das anspruchsvolle Schild GENERAL STORE angebracht hatte.

Es gab noch eine Wäscherei, einen Bäcker, einen Schuster und noch einige andere Handwerkshäuser. Halt – man sollte Mr. Rohan nicht vergessen, der zusammen mit den gottesfürchtigen Bürgern von Spring Fork vor zehn Jahren eine Kapelle errichtet hatte, in der er sonntags das Wort des Herrn predigte und wochentags die Schulkinder unterrichtete. Eine Schule gab es nämlich immer noch nicht in Spring Fork; die Bürger hatten sich zu sehr daran gewöhnt, dass die Kinder für den Unterricht in die Kirche gingen.

Dennoch hätte man über Spring Fork ein ganzes Buch schreiben können – denn es hatte sich vielerlei hier ereignet. Vor sechs Jahren – länger war es tatsächlich noch nicht her –, hatte hier der berühmte General Grant von der Nord-Armee fünf Wochen mit seinem Stab gelegen und Schlachtpläne ausgearbeitet. Das war in der City Hall gewesen – und ein Schild unten neben dem Eingang zeugte noch fast bis zur Jahrhundertwende davon.

Überhaupt schien Spring Fork eine große Anziehungskraft auf die verschiedensten Menschen auszuüben. Wie sonst sollte man erklären, dass der große Opernsänger Ferry Anderson aus New York hier seinen Lebensabend beschließen wollte.

Er wohnte am Westrand der Stadt in einem kleinen Haus, von wo aus er einen Blick über die Weite der Savanne hatte und allabendlich – soweit es der Himmel gestattete –, die Sonne untergehen sehen konnte. Was mochte den einst so gefeierten Mann ausgerechnet hierher, in diese abgelegene Stadt geführt haben? War es der selbstgewählte Verzicht auf den Jubel, der ihn nun nicht mehr umbrandete?

Und dann die Ephraims, eine Familie, die auf keinen Fall vergessen werden durfte. Es waren reiche Leute, die eine Sägemühle in Tennessee gehabt hatten und vor sieben oder acht Jahren nach Spring Fork gekommen waren. Sie hatten auch hier wieder eine Sägemühle errichtet, aber längst nicht so groß wie die, von der sie jederzeit jedem, der es hören oder nicht hören wollte, berichteten.

Sie arbeiteten mit vier Söhnen und drei Töchtern in der Mühle unten am Bach, und möglicherweise war es nur ihre Erzählung von der großen Mühle in Tennessee, die ihnen hier in Spring Fork das Ansehen verlieh, die reichsten Leute der Stadt zu sein.

Die drei Reiter, die von Osten her in die Stadt sprengten, machten vorm Sheriff's Office halt.

Cass Hacett war als Erster aus dem Sattel, landete gleich auf dem Vorbau und stürmte auf die Tür zu, hielt dann aber inne und blickte sich nach seinem Bruder um.

Bedächtig war Jesse vom Pferd gestiegen, schlang die Zügelleinen sorgfältig um die Haltestange, stieg die fünf Treppenstufen hinauf, ging an seinem Bruder vorbei, blieb einen Moment vor der Tür stehen und klopfte dann an.

»Ja«, kam von drinnen eine krächzende Stimme.

Jesse Hacett öffnete und trat ein.

Ein dunkler Raum, in dem der Staub im Lichtstreifen der einfallenden Sonne mit Millionen von Partikeln tanzte, lag vor ihm. Hinter einem gewaltigen Schreibtisch stand ein Mann von zwergenhaftem Wuchs. Er trug sein Haar kurzgeschoren, in harten grauen Stoppeln. Seine Nase war lang und spitz und schien über den strichdünnen, winzigen Mund dem nach oben strebenden, ebenfalls spitzen Kinn entgegenwachsen zu wollen. Die mausgrauen Augen lagen zu nahe bei der Nasenwurzel. Von unzähligen Falten war dieses Gesicht zerschnitten.

Der Mann trug ein verwaschen grünes Hemd und auf der linken Brustseite einen großen fünfzackigen Stern aus Silberblech. Vielleicht wirkte der kleine Bauch, der über den Hosengürtel ragte, an diesem hageren Kerl besonders lächerlich. Unter dem Leib hatte er an zwei Lederschnüren den Revolverholster befestigt, den er über dem Knie noch einmal festgebunden hatte.

Ein schwerer .45er Jersey-Colt steckte darin und gab dem Mann ein kriegerisches Aussehen. Er trug graue Hosen, die in hohen Stulpstiefeln steckten. Beide Hände hatte er in die Hüften gestützt und blickte den Eintretenden entgegen. Hinter ihm an der Wand hing ein großes Bild des Präsidenten Lincoln, unter dem die geraffte Fahne mit den Farben der USA zu sehen war.

James Guddy war einundfünfzig und konnte mit einem gewissen Stolz von sich sagen, dass er der erste Sheriff von Spring Fork war und dass sich daran so bald auch nichts ändern würde. Er behielt sein Amt mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen suchte. Wahlen gab es schon seit Langem nicht mehr. Die Bürger waren zu träge geworden, gegen die Wahlkampfmethoden des Kandidaten Guddy aufzubegehren.

Noch heute erinnerte man sich der heißen Julitage vor sieben Jahren, als Guddy durch einen anderen Mann auf seinem Posten als Sheriff abgelöst werden sollte. Wieder zwei Jahre später hatte man wieder einen Mann gefunden, den man als Kandidaten gegen ihn aufstellen wollte. Aber der Wahlredner oder, besser gesagt, Wahlkämpfer Guddy war derart aufdringlich laut, dass man in den nächsten Jahren einfach auf eine neue Wahl verzichtete.

Auch hatte der kleine Mann es verstanden, immer etliche wichtige Leute der Stadt auf seine Seite zu bringen – wie zum Beispiel die Ephraims oder die Gordens, die eine Pferdehandlung hatten, oder auch den Rancher Hacett. Oder eben andere Leute, die eine Menge Stimmen zu vergeben hatten: Zum Beispiel die einundzwanzigköpfige Familie Jabbers und die Goddards.

Sheriff Guddy war nun nicht etwa ein Mann, der sich damit begnügte, den Stern zu einfach nur zu tragen, sondern er schien sich unentwegt seiner würdig erweisen zu wollen; und das drückte sich durch eine Strenge aus, die fast komisch wirkte.

Das Lachen aber war den Bürgern von Spring Fork schon oft vergangen. Der Sheriff, der, wie so viele zu klein geratene Männer, die Wichtigkeit seiner Persönlichkeit unausgesetzt und allzu sehr unterstrich, hatte von Anfang an ein enormes Regiment eingeführt. Es gab niemanden in der Stadt, der ihn nicht fürchtete. Und vielleicht wäre er tatsächlich eine wahre Respektsperson gewesen – hätte es nicht Gwendolyn Guddy gegeben, seine Ehefrau.

Sie war ein riesiges Weib, fast schon ein Monstrum, mit einem dünnen, schmalen Schädel und einem gewaltigen Körper, mit schwingenden Affenarmen und übergroßen Füßen. Sie hatte ihren Ehemann zwar nicht mit einer Reihe von Kindern beglückt, hielt sich dafür aber fünf Katzen und zwei Hunde.

Jeder in der Stadt wusste, dass sie ihren Mann tyrannisierte, und es gab Leute, die glaubhaft versicherten, beobachtet zu haben, wie Gwendolyn Guddy ihren Mann einmal k.o. geschlagen hatte. Dass sie sich mit Tätlichkeiten nicht zurückhielt, wusste man in der Stadt, denn sie hatte einmal einen fünfundzwanzigjährigen Cowboy mit einem Faustschlag auf offener Straße niedergestreckt, nur weil der Bursche ihr die Zunge herausgestreckt hatte. Im Übrigen aber war auch der ausgeprägte Gerechtigkeitssinn der Frau des Sheriffs in der ganzen Stadt bekannt.

Neben dem Sheriff stand ein vierschrötiger Mensch, der die Eintretenden gleichgültiger musterte als sein Boss; es war der dreißigjährige Deputy Mike Calhown. Hinter ihm am Gewehrschrank stand, mit dem Reinigen einer Winchester beschäftigt, der sechsundzwanzigjährige Ted O'Connor, der zweite Deputy von Sheriff Guddy.

Guddy erwiderte den Gruß der drei Cowboys mit einem kurzen, fast militärischen Kopfnicken, stützte sich dann mit den Fingerkuppen beider Hände auf die Platte seines Schreibtisches auf und blickte unwillkürlich auf Cass Hacett.

Der aber wies mit dem Kopf auf seinen Bruder. »Sie müssen sich an ihn wenden, Sheriff.«

»Na, dann mal los. Was gibt's denn, Jesse?« Fast ungnädig klang diese Frage aus dem Mund des Gesetzeshüters. Aber zur Verblüffung aller kam mit der gleichen Ungnädigkeit von den Lippen des jungen Ranchers sofort die Antwort: »Würden Sie die Güte haben, Sheriff, mich bei meinem Nachnamen zu nennen?«

Der Sheriff schluckte ärgerlich, kniff das linke Auge zusammen und zog den linken Mundwinkel etwas an, sodass sein schrumpeliges Gesicht noch schrumpeliger aussah. »He, was war das?«

»Ich bin gekommen, Sheriff«, wischte Jesse Hacett jede weitere Diskussion über die Anstandsformeln und deren Beachtung in der Stadt Spring Fork zur Seite, »um Ihnen zu sagen, dass mein Vater ermordet worden ist.«

Jetzt musste der Sheriff erst recht schlucken. Es passierte eine ganze Menge in Spring Fork und im County, das ihm unterstellt war. Aber ein Mord – der gehörte dennoch zu den absoluten Seltenheiten –, wenn man von den Tagen der Panhards absah, jener Verbrecherbande, die vor vier Jahren, also kurz nach dem Krieg, hier ihr Unwesen getrieben hatte.

»Wie soll ich das verstehen, Mr. Hacett?«

»O'Rourke, sagen Sie dem Sheriff, was es zu sagen gibt!«, forderte Jesse den Cowboy auf.

Der Krummbeinige machte zwei unbeholfene Schritte nach vorne und erklärte dann das, was er schon auf der Ranch erzählt hatte.

»Und Sie haben den Mann nicht erkannt?«, fragte der Sheriff.

»Nein.«

»Aber Sie müssen doch wissen, wie er ausgesehen hat.«

»Das habe ich Ihnen ja gesagt. Er war ziemlich groß.«

»Das ist aber sehr wenig, mein Lieber«, entgegnete der Sheriff scharf, der schon durch die Äußerung »sehr groß« gereizt worden war. »Es ist nicht wichtig, ob ein Mensch groß ist oder weniger groß« – hier vermied er bewusst das Wort »klein« –, »es kommt einzig und allein darauf an, wie er aussieht. Und ich dachte, dass ein Mann, der sich als Weidereiter anheuern lässt, ja wohl so viel Verstand im Kopf haben sollte, sich einen Mörder anzusehen. Und zwar genau anzusehen. Es gehört schließlich zu den ersten Gesetzen eines Menschen, der im Westen lebt, sich das Gesicht eines anderen einzuprägen.«

So gern der Sheriff sich auch reden hörte – er wusste genau, dass jetzt nicht die Zeit zum Reden war. Er wandte den Kopf, blickte Calhoun an und gebot: »Rufen Sie die Goddards. Wir reiten sofort los.«