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Jack Farland beobachtet in Perryton, Texas, wie der gewalttätige Richard Rankin den unschuldigen Jimmy Straton ermordet, und beschließt, als Zeuge gegen ihn auszusagen. Dies führt zu dessen kurzzeitiger Inhaftierung durch den zögerlichen Sheriff Dolan, bleibt aber auch für Jack nicht folgenlos. So verweigern ihm die Stadtbewohner von nun an die Unterkunft und er wird zum Ziel von Rankins Bande. Doch trotz persönlicher Angriffe und der Gefahr für sein eigenes Leben unternimmt der Ohioman alles, um in der unwirtlichen Stadt doch noch für Recht und Ordnung zu sorgen ...
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Seitenzahl: 165
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Ein Cowboy aus Topeka
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Von Jonny Kent
Flammende Sonnenglut lag in der breiten Main Street der Texasstadt Perryton. Im schmalen Schatten der »No Water Bar« standen mehrere Pferde. Sie alle trugen auf der Hinterhand ein großes R, das Zeichen der Rankin Ranch. Aus den offen stehenden Fenstern und durch die offene Tür der Schenke drang grölender Lärm auf die Straße hinaus.
Ein hochgewachsener Bursche mit muskulöser Gestalt stand breitbeinig da und blickte auf einen untersetzten, etwa vierzigjährigen Mann, dessen Gesicht schon blutete.
»So, Greg, ich denke, dass du in Zukunft nicht mehr überlegen musst, wer der stärkste Mann im Ochiltree County ist. Ist das klar?«
Der Untersetzte nickte, wischte sich einen Blutfaden ab, wandte sich um und verließ die Schenke. Der Mann, der neben ihm gestanden hatte, schüttelte nur den Kopf. Es war ebenfalls ein etwa vierzigjähriger Mensch von untersetzter, kräftiger Statur. Sein Name war Frederic Namy.
Der hochgewachsene Bursche von etwa dreiundzwanzig Jahren, der Greg niedergeschlagen hatte, schoss nach vorne, packte Namy an der Schulter und riss ihn herum. Zwei klatschende Faustschläge prallten in das Gesicht Namys. Er stieß einen gurgelnden Schrei aus und brach in sich zusammen. Als er sich wieder aufrichten wollte, packte der Bursche ihn, zerrte ihn hoch und schlug ihm seine Faust noch einmal hart ins Gesicht.
»So, Namy, das wird auch für dich genügen. Und jetzt hoffe ich, dass du mir sofort sagen wirst, wer der stärkste Mann im Ochiltree County ist.«
»All right: Ric Rankin«, presste Namy durch die Zähne.
»Nein, nein, du musst den Namen schon richtig aussprechen!«, forderte der Bursche.
»Richard Rankin.«
»So ist's richtig. Richard Rankin ist der stärkste Mann im County. Wem das nicht passt, der soll sich melden.« Er stemmte seine schweren, groben Fäuste in die Hüften und wandte den Kopf nach allen Seiten.
Richard Rankin maß sicher fast einsneunzig in der Höhe, hatte zwar abfallende Schultern, aber selbst durch das Hemd war zu sehen, dass wahre Schnüre von Muskeln von seinen Schultern über seine Oberarme liefen. Er trug ein sandfarbenes Hemd und eine gleichfarbige Hose, die in den kniehohen Schäften seiner Stiefel steckte. Sein Gesicht wirkte eingedrückt, die Nase war zu kurz und wies nach oben, sodass man in ihre Löcher sehen konnte. Die Brauen waren buschig und standen auf dem weit vorspringenden Stirnbein. Die Wangenknochen saßen hoch und verliehen dem Gesicht etwas Asiatisches. Das Kinn war stark ausgeprägt; in der Mitte hatte es eine Kerbe.
Ric Rankin war dreiundzwanzig Jahre alt. Er war der zweite Sohn des Viehzüchters Joseph Rankin, der nur fünf Meilen von Perryton entfernt seine Ranch hatte. Im Gegensatz zu seinem Bruder Ed, der hinter ihm an der Theke lehnte, war er ein wilder, rüder Mensch, der sich niemals beherrschen konnte. Leider geschah es viel zu häufig, dass er mit der Mannschaft in die Stadt kam und hier ein paar Stunden die »No Water Bar« unsicher machte. Sein Bruder Edward, ein blassgesichtiger, ebenfalls hochgewachsener Mann, stand dann schweigend an der Theke und warf nur hin und wieder einen Blick in den Thekenspiegel, um festzustellen, wer die Schenke betrat.
Neben Ed standen Vormann Donavon und die Cowboys Harrison, Barera, Ridge, Brown und der krummbeinige Randy Tucker.
Die Rankins waren in der Stadt gefürchtet. Selbst Slim Brabham, der Inhaber der »No Water Bar«, fürchtete die Leute von der Ranch mehr als die Pest. Schon zweimal hatten sie ihm das ganze Inventar zertrümmert.
Meistens tauchten die Cowboys, wenn sie in die Stadt kamen, morgens gegen acht auf und verschwanden nach einer Stunde. Jetzt aber war es schon elf Uhr. Offensichtlich hatte Ric Rankin einen Grund, sich länger hier aufzuhalten.
Über diesen Grund sollte man nicht allzu lange im Unklaren bleiben.
Sie waren nicht etwa betrunken, die Cowboys, keineswegs. Zwei Drinks hatten sie genommen, und dabei blieb es auch.
Ric blickte sich nach seinem Bruder um und schnarrte: »Los, Ed, zahl! Wir wollen gehen.«
Edward Rankin zahlte für sie beide. Auch die Cowboys zahlten ihre Zeche. Dann folgten sie dem jüngeren Rankin hinaus. Er stand breitbeinig draußen vor der Tür und fixierte die gegenüberliegende Straßenseite. Dann stieß er plötzlich den Kopf vor und bellte: »Claphan!«
Der heisere Schrei drang über die Straße und verhallte nicht ungehört. Drüben wurde an einem kleinen Haus die Tür geöffnet, und ein mittelgroßer, schmächtiger Mann mit schmalem Gesicht trat hervor. Er hatte eine hölzerne Elle in der Hand und ein Stoffstück über dem rechten Arm liegen.
»Was wollen Sie, Rankin?«, rief er zurück.
»Seht ihn euch an, den Hosenschneider!«, schrillte der Cowboy. »Er hat den Nerv, zu erscheinen.«
»Wenn Sie meinen Namen hier so laut auf der Straße rufen, werde ich ja wohl nachsehen können, um was es sich handelt«, erkundigte sich Claphan.
Gilbert Claphan ahnte nicht im Mindesten, um was es sich handelte. Er wusste nicht, dass seine siebzehnjährige Tochter Mait vor einer Woche dem selbstgefälligen Cowboy Richard Rankin einen Korb gegeben hatte. Der Bursche hatte ihr in der Dunkelheit nachgestellt, war dann aber so energisch von ihr abgewiesen worden, dass er verblüfft stehen geblieben war. Genauer gesagt, er hatte sich eine Ohrfeige eingehandelt. Mait Claphan war blitzschnell in einem der Häuser verschwunden und hatte die Tür hinter sich verriegelt.
Alles konnte Richard Rankin vertragen: nur nicht die Ablehnung durch eine Frau. Er war es gewohnt, dass ihm die Mädchen in der Stadt zuflogen. Dass die meisten nur aus Angst vor ihm nachgaben, darüber hatte er sich niemals Gedanken gemacht.
Mit Mait Claphan war es anders. Das blonde, dunkeläugige Geschöpf hatte ihm ganz offen erklärt, dass es nicht das geringste Interesse an ihm hätte.
»Aber darauf kommt's ja gar nicht an, Mait«, hatte der Cowboy gemeint, »ich bin Ric Rankin, ist dir das nicht klar? Weißt du nicht, was es bedeutet, wenn ich mich mit dir abgebe?«
»Ich verzichte darauf. Ich brauche keinen Rankin.«
Als er sie dann brutal am Hals gepackt hatte, um sie an sich zu reißen, hatte sie ihm eine Ohrfeige versetzt und ihn zurückgestoßen. Blitzschnell war sie dann verschwunden.
Ric Rankin hatte das nicht vergessen, und er gedachte auch nicht, diesen Korb hinzunehmen. Es hatte ihm schon viel zu lange gedauert, bis der Vater wieder einen Auftrag für die Crew in der Stadt hatte. Das heißt, es sollten nur sechs Männer in die Stadt gehen, der Vormann, Harrison, Brown, Barera, Tucker und der älteste seiner Söhne, nämlich Ed. Aber Ric hatte sich sofort angeschlossen. Er wollte seinen Ärger auf Mait Claphan nicht länger mit sich herumschleppen.
Als der schmächtige Hosenschneider jetzt drüben in seiner Tür erschienen war und ahnungslos zu dem Cowboy hinüberblickte, verließ der den Vorbau und stampfte über die Straße. Drüben nahm er die beiden Stufen zum Gehsteig mit einem Satz und blieb breitbeinig vor dem erstaunten Schneider stehen.
»Mit mir hätten Sie wohl nicht gerechnet, was?«
»Was soll das heißen?«
»Stellen Sie sich bloß nicht so blöde an. Sie wissen wohl nicht, dass Sie mich neulich abends hier beleidigt haben?«
»Ich? Sie? Das muss ein Irrtum sein.«
»Es ist kein Irrtum. Ich weiß mich genau daran zu erinnern. Sie dachten wohl, ich hätte ein paar Gläser zu viel unterm Hut, aber das stimmt nicht. Ich habe genau gehört, was Sie gesagt haben. Sie haben gesagt: Dieser verdammte dreckige Kuhtreiber braucht sich nicht einzubilden ...«
»Das ist nicht wahr. Ich bin überhaupt nicht in der Schenke gewesen. Schon seit einem Monat nicht.«
»Wem wollen Sie das erzählen, Mensch?«, schnarrte Rankin.
Da trat sein Bruder Ed hinter ihn und ergriff ihn am Arm.
»Komm mit. Wir wollen nach Hause.«
»Lass mich zufrieden! Steig in den Sattel und reite schon vor. Kannst Vater ja in den Hintern kriechen, du Angsthase.«
»Überleg dir, was du sagst, Ric«, entgegnete der andere ruhig, »und vor allem, was du tust.«
Well, er war auch kein Unschuldslamm, der achtundzwanzigjährige Edward Rankin. Auch er hatte vor mehreren Jahren manch üblen Streich in der Stadt verübt und die Bürger oft gegen sich aufgebracht. Immer noch liebte er es, mit der Crew in die Stadt einzubrechen und den Girls nachzustellen ... aber er war doch längst nicht so schlimm wie sein jüngerer Bruder. Ed machte sich manchmal Gedanken darüber, dass Ric vielleicht nur so geworden war, weil er neben ihm aufgewachsen war ... als der Bruder, der fünf Jahre jünger war und all das miterlebt hatte, was sich Ed in seinen Sturm- und Drangjahren hier geleistet hatte. Jetzt war Ed an einem Punkt angelangt, wo er sich zumindest einmal Gedanken über all das machte.
»Was willst du denn von ihm? Er hat dir doch nichts getan«, versuchte er, den jüngeren Bruder zurückzuhalten.
»Verschwinde!«, herrschte Ric den älteren an.
Da zog Ed die Brauen finster zusammen. In diesem Augenblick beugte sich Ric nach dem Hosenschneider hinunter und schnappte plötzlich mit der Rechten nach seinem Hemd, drehte die Faust und würgte dem Mann fast die Gurgel ab.
Der versuchte, sich zu befreien. Da stieß Ric ihn mit brutaler Gewalt zurück, dass er gegen die Hauswand prallte. Es gab ein dumpfes Geräusch, und der Schneider sackte halb betäubt nieder.
Da folgte Ric ihm, riss ihn vom Boden hoch und schlug ihm mit beiden Händen wütend ins Gesicht. Als der Schneider sich wehren wollte und die linke Hand vorstieß, riss Ric einen schweren rechten Faustschlag nach innen, der Claphan traf.
Der Getroffene hatte das Gefühl, vom Hufschlag eines Hengstes erwischt worden zu sein. Er fiel schwer betäubt zu Boden und vermochte sich nicht mehr zu erheben. Aber das genügte dem abgewiesenen Liebhaber seiner Tochter noch nicht. Er stürzte sich über ihn und hämmerte mit beiden Fäusten auf ihn ein.
Es war unfasslich: Aber Claphan kam wieder zu sich, zog die Beine nach, und es gelang ihm, seinen Gegner von sich zu stoßen. Als er sich jedoch erhoben hatte, war sein Peiniger wieder vor ihm und schlug mit den Fäusten gnadenlos auf den jetzt wehrlos dastehenden Mann los.
Drüben auf der anderen Straßenseite hielt ein Reiter, der vor wenigen Augenblicken aus einer Seitengasse in die Main Street eingebogen war. Es war ein Mann von vielleicht fünfundzwanzig Jahren, mittelgroß, mit einem dunklen Gesicht und braunem Haar. Er trug sich, wie sich die Cowboys trugen, hatte eine Sharps-Flinte im Scabbard und rechts in der Hüfte einen achtunddreißiger Colt stecken. Langsam stieg er vom Pferd und kam auf nicht ganz geraden Beinen über die Straße, schob sich an den Cowboys vorbei und blieb schließlich vor Edward Rankin stehen, dem er den Rücken zukehrte.
»He, Mann!«, rief er, beugte sich vor und packte Rics Rechte, die der wieder zum Schlag gegen den ohnmächtigen Hosenschneider hochgerissen hatte.
Ric wirbelte herum, starrte den Fremden fassungslos an und versetzte ihm dann einen so blitzschnellen Fußtritt in den Leib, dass der fremde Cowboy gekrümmt am Boden lag.
»Was ist denn mit dir, Junge? Bist du geistesgestört?«
Der Cowboy hatte sich wieder aufgerichtet. Sein Gesicht hatte eine grünliche Färbung angenommen.
»Sie müssen verrückt sein, Mensch, dass Sie diesen Mann da so gnadenlos zusammendreschen. Der ist doch längst ohnmächtig.«
»Mir scheint, du bist es noch nicht!«, bellte Rankin, sprang vom Vorbau und stürzte sich auf ihn.
Aber der krummbeinige fremde Cowboy war keineswegs gewillt, sich so bedenkenlos niederknüppeln zu lassen. Er warf beide Arme hoch, duckte mehrere Schläge ab, pendelte einen furchtbaren Schwinger aus und schoss die linke Hand hart gegen das Brustbein seines Gegners.
»Nehmen Sie doch Vernunft an, Mann. Ich wollte Sie bloß von einem großen Fehler abhalten.«
»Fehler? Was fällt dir ein, Mensch!«
»Sie hätten den Mann erschlagen können.«
»Das musst du mir schon überlassen, du dreckiger Tramp! Wer bist du überhaupt?«
»Mein Name ist Straton, Jimmy Straton. Ich bin ein Cowboy aus der Gegend von Topeka, oben in Kansas.«
»Ach, ein Cowboy aus Topeka! Und du bildest dir wohl ein, dass das hier jemandem imponiert.«
»Ich lege keinen Wert darauf, hier jemandem zu imponieren. Ich denke nur nicht daran, zuzusehen, wie hier ein alter Mann brutal zusammengeknüppelt wird.«
»Ein alter Mann? Der ist noch nicht alt. Er hat die Sechzig noch nicht zu packen. Jedenfalls hat er ein Girl, das siebzehn Jahre alt ist ...«
»Es interessiert mich nicht, was Sie gegen den Mann haben. Beschweren Sie sich beim Sheriff oder beim Richter, aber lassen Sie diese mörderischen Schläge. Merken Sie sich das!«
»He, mir scheint, du bist dir über deine Lage noch nicht im Klaren, Straton. Ich bin Ric Rankin. Hoffentlich sagt dir das etwas.«
»Nein, das sagt mir gar nichts.«
Ric blickte sich nach den Cowboys um.
»Habt ihr das gehört? Es sagt ihm nichts!«
Einige der Männer feixten. Sie wussten, was jetzt kam.
Ric machte zwei Schritte zur Seite, warf sich dann plötzlich herum und hämmerte Straton einen schweren rechten Cross in die Magengrube.
Der aber hatte sich im letzten Augenblick noch durch eine Bewegung nach rückwärts vor der schlimmsten Schlagwirkung retten können, taumelte aber jetzt doch, schnappte nach Luft und machte sich dann mit einer Doublette, die er dem wütenden Burschen todesmutig entgegenschleuderte, etwas Luft. Ja, er brachte sogar den ungebärdigen Rankin mit einem punktgenauen Treffer auf die Kinnspitze in Bedrängnis.
Und dann geschah es!
Ein Schuss krachte. In der linken Hüfte Ric Rankins stand eine Pulverwolke. Er hatte durch den offenen Holsterboden gefeuert, ohne sich die Zeit genommen zu haben, den Revolver aus dem Lederschuh zu ziehen.
Straton hatte die Hand an die rechte Hüfte gekrampft, starrte Rankin aus weit aufgerissenen Augen verblüfft an, stolperte dann drei Schritte zurück und sackte in die Knie.
Ric deutete mit dem ausgestreckten rechten Arm auf ihn.
»Er hat zum Revolver gegriffen!«, bellte er. »Ihr seid Zeugen. Da, er hat die Hand ja noch an der Waffe!«
Niemand rührte sich.
Da wurde die Eingangstür des Boardinghouses, das neben der »No Water Bar« lag, geöffnet, und ein hünenhafter Mensch trat auf den Vorbau. Es war ein Mann, der noch größer war als Richard Rankin. Er hatte breite, kraftvolle Schultern und eine athletische Gestalt. Sein Gesicht war von Wind und Wetter tief gebräunt, und unter der Krempe seines grauen Stetson blickte weizenblondes strähniges Haar hervor. Sein Gesicht war markant geschnitten und wurde von einem smaragdflimmernden Augenpaar beherrscht. Er trug ein schwarzes Hemd und eine helle Hose. Links an der Hüfte hatte er im Holster seines patronengespickten Waffengurtes einen schweren fünfundvierziger Remington-Revolver stecken. Die hellgraue Hose lief über die Schäfte seiner hochhackigen Texasstiefel aus. Langsam kam er vom Vorbau auf die Straße hinunter und beugte sich über den Mann, der am Boden kauerte. Vorsichtig zerrte er ihm die rechte Hand von der Hüfte, hob sie an, sodass jeder sehen konnte, dass ihre Handfläche blutig war. Als er die Hand losließ, fiel der Mann nach vorne zu Boden, mit dem Gesicht in den Staub der Straße.
Straton war tot.
Der hünenhafte Fremde, der neben ihm stand, blickte Ric Rankin aus harten Augen an.
»Er hat nicht nach dem Revolver gegriffen. Er hatte die Hand auf die Hüfte gepresst, wo Sie ihn mit dem Messer getroffen haben.«
»Mit dem Messer? Was fällt Ihnen ein? Ich habe mein Messer gar nicht benutzt.«
Da kam der Fremde rasch auf Rankin zu, hob die rechte Hand fintierend an, schoss dann urplötzlich die Linke nach vorne und riss Rankin das Messer aus dem Gurt. Langsam führte er seinen rechten Zeigefinger an der Klinge hinunter und hob ihn an.
Er war rot von Blut!
»Sie verstehen es nicht schlecht, Ihr Messer in einen Faustkampf zu bringen, Mister. Aber der Trick klappt noch nicht gut genug. Sie müssen da noch einiges lernen. Nur fürchte ich, dass Sie kaum noch sehr viel Gelegenheit dazu haben werden.«
In Sekundenschnelle hatte sich auf der Main Street von Perryton etwas Entscheidendes geändert: Es war das Schicksal des Richard Rankin. Noch bis vor zehn Sekunden war er der meistgefürchtetste Mann im ganzen County gewesen.
Jetzt war er ein Mörder!
Er hatte einen Schuss auf einen Wehrlosen abgegeben, den er zuvor schon mit dem Messer heimtückisch verletzt hatte, und zwar so, dass es niemandem aufgefallen war. Verzweifelt hatte Straton nach der Stichwunde gegriffen, und Rankin hatte es so hinstellen wollen, als hätte er den Revolver ziehen wollen.
Tiefe Stille herrschte auf der Straße. Die Hitze waberte über dem Sand und oben über den Dächern, über denen das flimmernde Blaugrau des texanischen Himmels stand.
Rankin machte einen Schritt zurück, fuhr sich mit dem linken Handrücken über die Stirn. Schweiß hatte da in Tausenden von Perlen gestanden. Er wischte sich die Hand an der Hose ab, kniff das linke Auge ein und presste im scharfen texanischen Slang durch den linken Mundwinkel: »Wer bist du denn?«
»Mein Name ist Farland. Ich komme aus Ohio.«
»Ach, und das da ist wohl dein Freund?«
»Nein, ich habe den Mann ebenso wenig früher gesehen wie Sie.«
»Und jetzt wollen Sie behaupten, dass ich ihn erschossen hätte?«
»Ich brauche es nicht zu behaupten. Es ist so.«
Farland wandte sich um und ging ins Boardinghouse zurück.
Rankin folgte ihm mit raschen Schritten, stieß die Tür des Boardinghouses auf und blieb auf der Schwelle stehen.
»Farland!«
Der Ohioman hatte seinen Platz wieder eingenommen und machte sich weiter daran, sein Mittagessen zu verzehren.
Rankin bellte: »He, damit du nicht glaubst, dass ich etwa Schiss hätte: Ich bin Ric Rankin!«
Jack hob nur den Kopf, senkte den Blick dann aber wieder auf seinen Teller und verzehrte sein Steak weiter. Rankin warf die Tür krachend hinter sich ins Schloss, trat auf die Straße und zog seinen braunen Fuchshengst aus der Reihe der Pferde heraus, um sich in den Sattel zu schwingen.
»Kommt, Leute! Und mit dem da drüben«, meinte er, zu Claphan hinübersehend, der sich eben von den Vorbauten aufrichtete, »mit dem rechne ich noch ab. Ebenso mit seiner kleinen Hure!«
Da presste Claphan beide Zähne aufeinander: »Warte noch einen Augenblick, Rankin«, sagte er, schwankte dann zurück ins Haus, und als er wieder auf den Vorbau kam, hatte er ein schweres Büffelgewehr in seinen Händen.
»Wie war das eben, Rankin, was hast du da von meiner Tochter gesagt?«
Der Cowboy starrte aus weit aufgerissenen Augen zu Claphan hinüber.
»Ich habe gesagt, dass deine Tochter eine dreckige Hure ist!«
Da riss der Hosenschneider das schwere Gewehr hoch ... aber in dem Augenblick, in dem er den Stecher durchziehen wollte, war ein Mädchen aus der Tür gekommen und hatte sich gegen ihn geworfen, sodass das Gewehr zur Seite prallte. Der Schuss löste sich, und die Kugel schlug klatschend auf eine eiserne Krampe an einem der Dachpfeiler; quarrend jaulte sie als Querschläger davon.
Es war sehr still auf der Straße geworden.
Die Tür des Boardinghouses hatte sich wieder geöffnet, und die riesige Gestalt Farlands tauchte erneut in ihrem Rahmen auf.
Vormann Donavon hatte ihn sofort gesehen und blaffte: »Da ist ja wieder der Freund dieses Burschen!«
Ric Rankin wandte sich um.
»Ach, da bist du ja wieder. Was gibt's denn noch?«
»Ich habe nur mein Essen nicht kaltwerden lassen wollen«, sagte der Ohioman, schritt dann schräg über die Straße auf einen kleinen steingefügten Bau zu, von dessen Dachfirst ein altersschwaches Schild mit der Aufschrift SHERIFF in die Straße hing.
Jack klopfte kurz an, öffnete dann die Tür und blickte auf den grauhaarigen Mann, der mit faltenzerschnittenem Gesicht am Fenster stand und auf die Straße blickte. Er trug ein grünes, verwaschenes Hemd, auf dessen linker Brustseite der sechszackige Südstern schimmerte.
»Hallo, Sheriff.«
Der Mann mit dem Stern wandte Farland den Kopf zu. Sein Gesicht war sehr ernst und von vielen Runen gezeichnet. Sheriff Dolan war seit drei Jahren in dieser Stadt, und das wollte etwas bedeuten. Fünf seiner Vorgänger lagen bereits draußen auf dem Boot Hill; drei von ihnen hatten zu früh zum Revolver gegriffen. Alle drei hatten vor dem gleichen Revolver gestanden: vor dem schweren Colt Ric Rankins. Die beiden übrigen hatten sich freiwillig aus dem Staub gemacht.
