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Die Yankees sind Räuber und Mörder - sagen die Texaner. Verständlich, dass die attackierten Siedler aus dem Norden das genaue Gegenteil behaupten: Die Südstaatler sind Lügner und Rebellen - das ist ihre Meinung. Vor diesem Hintergrund scheint es so, als sei der Bürgerkrieg hier am Pecos noch in vollem Gange. Fast täglich kommt es zu tödlichen Zusammenstößen zwischen Texanern und Yankees. In Wirklichkeit wird der Streit Nord gegen Süd aber künstlich gesteuert. Irgendjemand hat ein Interesse daran, diese alte Feindschaft neu anzufachen. Und genau dem will Tom Sullivan entgegenwirken, was ihn direkt zwischen die Fronten geraten lässt ...
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Seitenzahl: 162
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Zwischen gnadenlosen Colts
Vorschau
Impressum
Zwischen gnadenlosen Colts
Von Bill Murphy
So schnell konnte Tom Sullivan gar nicht aus dem Sattel.
Irgendjemand aus der aufgebrachten Menge schrie mit schriller Stimme: »Schlagt den verdammten Rebellen tot!«
Da waren sie auch schon über ihm.
Der Blondschopf des langbeinigen Texaners verschwand. Dort, wo er vor Augenblicken noch gestanden hatte, herrschte ein wildes Durcheinander.
Inmitten der Menge bewegte sich ein Knäuel schlagender Männer. Staub stieg auf. Wilde Flüche und Schreie erklangen.
Alles übertönend, erscholl jedoch immer wieder der hektische Ruf dieses Kerls: »Schlagt den verdammten Rebellen tot!«
Black, der Wolfshund, sah zu Tom auf. So, als witterte er, dass er jeden Augenblick ein Kommando bekommen würde. Erst als Tom aus dem Sattel war, äugte das Tier zur Menge hinüber. Die Nase tief am Boden, machte der Hund einige Schritte auf sie zu. Die lange, buschige Rute war plötzlich steif, und jedes einzelne Haar im Fell war argwöhnisch gesträubt. Dann blieb er stehen. Er knurrte und sah sich nach Tom um.
Tom nickte dem Wolfshund zu.
»Los, Black!«, sagte er.
Der Hund schoss vorwärts. Bellend fuhr er in das Gewühl hinein. Seine Läufe wühlten den Staub der Fahrbahn hoch. Dann sprang er schon dem ersten ins Genick. Die erschrockene Bewegung des Mannes schüttelte ihn jedoch wieder ab. Seine Hinterläufe fanden nicht gleich Halt. Er fiel knurrend auf den Rücken, war aber sofort wieder hoch und suchte, bereits zum Sprung ansetzend, nach einem neuen Ziel.
Ein kurzer Pfiff von, Tom hieß Black bellend verharren.
Es wurde ruhig. Die Menschen drängten sich auf die Sideways. Eine Gasse bildete sich. Tom lief schnell hinein. Der Hund folgte ihm am Fuße.
Tom lächelte schmal. Doch es war nicht Blacks Erfolg allein, dass die Leute von ihrem Opfer abließen. Auch von der anderen Seite her bildete sich eine Gasse.
Ein Mann mit einem Stern auf der Brust tauchte dort auf. Er stieß einige Männer zur Seite, die sich nicht schnell genug entfernten. Dann blieb er stehen und beugte sich über den blutenden Texaner, ohne dass er Tom oder dem Hund einen Blick schenkte. Erst als Black ihn böse anknurrte, sah er zu Tom auf.
Tom traf ein schiefer Blick. Er hob deshalb die Hand und sagte nur: »Black!« Der Hund war sofort ruhig.
Tom sah mit einem Blick, dass sie den Texaner arg zugerichtet hatten. Er schien tatsächlich nur noch halb am Leben.
»Er muss schnell zu einem Doc«, sagte er deshalb zum Sheriff.
Der Sheriff erhob sich. Er war ein hochgewachsener Mann mit angegrauten Schläfen. Sein Gesicht war wettergebräunt und faltig. Seine blauen Augen verrieten, dass er oft in die Ferne gespäht hatte und sicher viel über weites Land geritten war. Er machte auf Tom einen recht erfahrenen Eindruck.
Der Mann maß Tom von oben bis unten. Dann nickte er knapp. Wahrscheinlich hatte er sich bereits ein Urteil über Tom gebildet. Es musste nicht gut ausgefallen sein. Denn er sagte sehr barsch: »Scheren Sie sich fort, Stranger! Das sage ich nicht nur so dahin.«
Der letzte Satz war schon fast eine Drohung. Für die Menge auf den Sideways zu beiden Seiten der Fahrbahn war er auf jeden Fall ein Signal.
Rufe wurden laut. Flüche und wilde Schreie brandeten auf.
Dann ertönten Tritte hinter ihm. Eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter, und eine knurrige Stimme sagte schon: »Wenn Sie jetzt reiten, Stranger, dann tun Sie sich selbst und der Stadt einen Gefallen. Aber vor allem Ihrem Köter!«
Tom schaute sich um. Wie er nicht anders erwarten konnte, war es kein gutes Gesicht. Toms Lächeln gefror. Der Blick des Mannes war – beinahe voll Hass – auf den Hund gerichtet. Tom wartete, bis der Mann aufblickte. Dann sah er ihm hart in die Augen.
Da zog der Mann seine Hand zurück. Einen Moment lang wurde er unsicher. Doch dann lachte er grimmig auf.
»Reiten Sie!«, forderte er mit scharfer Stimme. »Verschwinden Sie von hier, oder ich schieße Ihr Mistvieh über den Haufen! Die nächste Kugel wäre dann für Sie.«
Das Wort Mistvieh hatte er richtiggehend zwischen seinen großen Zähnen zerquetscht. Er lächelte hart, weil von allen Seiten Zurufe ertönten, die ihn in seiner drohenden Haltung noch bestärkten.
Aber da schritt der Sheriff ein.
»Geh mir aus den Augen, Jeff Callahan! Fang hier keinen neuen Ärger an! Ich habe schließlich genug am Hals hängen!« Er wandte sich an die Menge. »Zwei Mann! Los! Ich brauche zwei Mann, die mir den Tex zum Doc hinüberbringen.«
Auf den Sideways rührte sich niemand. Eisiges Schweigen war die Antwort. Irgendwer rief heißspornig: »Sollen doch die Rebellen ihren Mann selber von der Straße räumen!«
Er sagte: Räumen.
Tom beugte sich wortlos nieder und hob den Mann auf. Er tat es, obwohl ihn der Blick des Sheriffs warnte. Well, es war ein warnender Blick. Doch irgendwie glaubte Tom, auch so etwas wie Hilflosigkeit darin erkannt zu haben. Wenn nicht gar Verzweiflung.
Tom richtete sich auf. Er schnaufte dabei ein wenig, denn der Mann wog schwer. Er drehte sich um, weil der Sheriff mit dem Kopf zu einem Haus hinter ihm deutete.
Er sah zunächst nur Jeff Callahans hämisches Lächeln. Erst dann erblickte er den Colt in dessen Hand. Er blieb stehen und lächelte hart. Mit einem leisen Ruf brachte er den Hund zum Schweigen. Er spürte dessen Fell an seinen Knien. Und irgendwie beruhigte ihn das.
Das hämische Lachen des Mannes verstärkte sich. Er verzog den Mund und sagte: »Hinlegen, Stranger! Legen Sie diesen Mann wieder auf die Straße! Sie sind doch nicht etwa auch so ein Rebell, wie?«
»Mit Rebellen machen wir hier kurzen Prozess!«, rief jemand von den Sideways herüber.
Der Sheriff stellte sich neben Tom. Er zog die Luft scharf ein und stieß dann hervor: »Lass diesen Zirkus jetzt, Jeff! Geh aus dem Wege!«
Jeff Callahans Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er funkelte den Sheriff böse an.
»Hast du vergessen, was diese Kerle mit Ridchard gemacht haben? Das hier ist die Quittung. Das weißt du doch.«
»Geh aus dem Weg!«, forderte der Sheriff unnachgiebig. Seine Hand lag plötzlich auf dem Kolben.
Jeff Callahan hielt den Kopf geneigt. Genauso schief war sein Blick, mit dem er den Sheriff ansah.
»Seit wann hältst du zu den Rebellen, Bickford? Sag uns das!«
»Ich halte nicht zu den Rebellen. Ich halte aber auch nicht zu euch, Callahan. Ich stehe zum Gesetz, damit das klar ist. Ein für alle Mal. Ich stehe zum Gesetz, und ich werde mir die Burschen greifen, die den Tex niedergeschlagen haben. Sag das deinen Leuten! Und nun reitet aus der Stadt, bevor es hier zu einem Krieg kommt!«
»Zum Krieg kommt!«, stieß Jeff Callahan spöttisch hervor. »Für uns ist hier am Pecos immer noch Krieg. Für uns ist er noch nie zu Ende gewesen.«
»Ich wiederhole mich nicht gern«, sagte der Sheriff mit Schärfe in der Stimme und zupfte Tom am Ärmel.
Tom lief los. Der Hund vor seinen Füßen sprang zur Seite. Er lief dann wieder am Fuße, als auch Jeff Callahan zur Seite getreten war. Der Sheriff ging wortlos neben Tom her. Der Doc hielt ihnen schon die Tür auf. Erst drinnen im Flur fasste der Sheriff mit an. Geraune drang von der Straße herein, bis der Doc die Tür zuzog. Sie legten den bewusstlosen Mann auf ein Sofa.
Sekundenlang herrschte ein beklommenes Schweigen. Das Geraune drang nun auch durch die geschlossene Tür ins Haus. Der Doc seufzte. Dann zeigte er zur Tür und sagte: »Halten Sie mir das Volk vom Leib, Sheriff.«
Der Sheriff nickte kurz. Er zupfte Tom am Ärmel.
»Gehen wir, Stranger!«, sagte er und lief schon auf die Tür zu.
Tom folgte ihm. Der Hund war am Sofa stehen geblieben und leckte dem Texaner die herunterhängende Hand. Tom musste Black erst rufen. Im Hinausgehen sah er, dass der Doc sich über seine Arbeit machte.
Callahan stand noch immer auf der Straße. Einige der Männer hockten jedoch bereits auf ihren Pferden, die sie hinter einem der Häuser abgestellt hatten, wie Tom in diesem Moment sehen konnte.
Der Sheriff ging auf Callahan zu.
»Wollt ihr den Krieg jetzt?«, fragte er grimmig.
Callahan nickte fuchtig. »Wir sind darauf vorbereitet«, sagte er patzig und sah sich nach seinen Männern um. In seinen Augen funkelte es plötzlich gefährlich.
Jeff Callahan war klein und untersetzt. Er hatte einen kurzen Hals, auf dem ein beinahe quadratischer Schädel saß. Der breitrandige Schlapphut gab ihm ein belustigendes Aussehen. Doch man kam schnell darüber hinweg, wenn man sich seine tiefgeschnallten Colts betrachtete. Diese und die Art des Mannes strömten einen Hauch von wilder und unbeherrschter Gefährlichkeit aus.
Der Sheriff schaute sich um. Tom sah ihn von der Seite her an. Irgendwie kam ihm dieser Mann unsicher vor. Doch er bewahrte sich davor, ein zu eiliges Urteil über ihn zu fällen. Er wusste nicht, wie die Verhältnisse in dieser Stadt standen und welchen Ärger dieser Mann hatte.
Dann nickte der Sheriff Callahan zu.
»Reitet jetzt!«, sagte er laut. »Oder ich greife mir drei von den Burschen heraus, die ich vorhin erkannt habe. Und dazu gebe ich noch allen Siedlern Stadtverbot.«
Callahans Antwort war ein böses Lachen. »Du bist also jetzt auch so ein verdammter Rebell geworden, Bickford.« Er nickte fuchtig. »Okay, du musst wissen, auf welcher Seite du stehst.«
»Wo ich stehe, habe ich vorhin klar genug gesagt«, erwiderte der Sheriff eisigen Tones.
Callahan nickte noch einmal. Dann fiel sein Blick auf den Hund. Aber dann sah er Tom an und sagte drohend: »Sie reiten besser auch, Mister!«
Tom wollte dem Sheriff weiteren Ärger ersparen. Deshalb schwieg er sich aus. Er wusste nun, dass er ohnehin bald mit Callahan zu tun bekommen würde.
Callahan warf dem Sheriff noch einen grimmigen Blick zu. Dann wandte er sich ab und stampfte zornigen Schrittes zu seinen Leuten hinüber. Ein Mann hielt ihm das Pferd. Es war ein unruhiger Schecke. Callahan sprang in den Sattel. Wild und unbeherrscht. Sicher war es die Schuld des Reiters, dass der Schecke so nervös war. Er ging dann sofort vorne hoch. Callahan nahm ihn hart auf und drückte ihn herum. Er ritt los. Wer noch nicht im Sattel saß, stieg auf, und kurz darauf war die Menge verschwunden. Nur der Staub stand über der Fahrbahn. Callahan war mit fast zwanzig Reitern in die Stadt gekommen.
Der Sheriff spähte scharfen Blickes hinter diesem Rudel her.
»Siedler«, sagte er dann fast beiläufig. »Jeff Callahan ist einer ihrer Anführer. Ich frage mich nur, wie lange das gutgeht.« Dann sah er Tom an. Mit einem Blick, als würde er sich erst in diesem Moment an Toms Gegenwart erinnern. Er lächelte gezwungen. »Wohin?«, fragte er.
Tom sah keinen Grund, warum er vor diesem Mann etwas verbergen sollte.
»Mein Name ist Tom Sullivan. Howard Fulton hat mir einen langen Brief geschrieben.«
Der Sheriff trat zurück. Er sah Tom von oben bis unten an. Er lachte auf und schüttelte den Kopf. Dann schaute er auf den Hund.
»Das ist Black, nicht wahr?«
Tom nickte.
»Warum bin ich nicht darauf gekommen, dass Sie Tom Sullivan sind?«, sagte der Sheriff. »Sie haben so wenig von einem harten Revolvermann an sich.«
Tom lächelte schmal.
»Wie groß ist Ihr Kummer, Sheriff?«
Der Sheriff machte mit der Rechten eine umschreibende Geste.
»Mein Kummer ist so groß«, sagte er, »den packen Sie mir nicht zwischen Himmel und Erde.«
»Das reicht.«
Der Sheriff nickte.
»Well, es reicht. Mein Name ist Duff Bickford. Ich bin seit einem halben Jahr Sheriff in Abell City. Howard Fulton hat Ihnen also geschrieben.« Der Sheriff atmete tief durch: »Howard Fulton war lange der Anführer der Siedler. Doch auf ihn hört jetzt niemand mehr. Die Art Jeff Callahans liegt den Leuten mehr. Daran erkennen Sie sicher, wie rau die Dinge hier geworden sind.«
»Ich habe Fultons Brief vor einem Vierteljahr bekommen«, sagte Tom. »Es war mir leider nicht möglich, eher hier aufzutauchen. Wo finde ich Fulton? Sicher draußen bei den Siedlern?«
Der Sheriff nickte.
»Am Rande der Hügel. Reiten Sie genau auf den Seven Mile Mountain zu! Sie stoßen dann direkt auf seine Heimstätte. Aber es ist vielleicht besser, Sie rufen Fulton in die Stadt. Dass Sie den Texaner von der Straße trugen, vor allem, dass Sie hier dazwischen gingen, wird sich da draußen schnell herumsprechen. Wenn Callahan dazu noch erfährt, wer Sie sind, wird er auf Sie losgehen.«
Um Toms Mund zuckte es leicht.
Der Sheriff seufzte und wies die Straße hinunter. Tom schaute sich um. Ein Reiterrudel kam in die Stadt galoppiert. Sie waren noch hinter den Menschen am Glockenturm. Bickford lief los. Sein Gesicht hatte wieder jenen grimmigen Ausdruck.
»Kommen Sie, Tom!«, sagte er bissig. »Schauen Sie sich die Rebellen an!«
Tom folgte ihm. Black lief mit.
Die Reiter hielten bei den Leuten am Glockenturm an. Sie waren ein gutes Dutzend. Tom sah sofort, dass es sich um die Mannschaft einer der großen Ranches handelte. Die Bürger der Stadt umringten die Cowboys.
Als der Sheriff und Tom näher kamen, schoben sich drei Reiter aus dem Pulk heraus und ritten ihnen entgegen. Die Leute machten Front und sahen gespannt herüber.
Der Mann in der Mitte war groß und massig. Er saß auf einem viel zu kleinen Pferd. Seiner Kleidung und auch seinem ganzen Gebaren nach schien er der Boss der Reiter zu sein.
Die Begleiter zu beiden Seiten dieses Mannes kannte Tom, wie er einigermaßen verwundert feststellte. Denn er hatte diese Burschen vor einem halben Jahr drüben am Rio gesehen. Es waren Steve Brown und Hill Lookwood, der gefürchtete Linkshänder.
Sie erkannten Tom ebenfalls. Noch bevor sie hielten, rief Lookwood seinem Partner zu: »Tom Sullivan! Sieh dir das an!«
Der Mann in ihrer Mitte hob die Hand, und sie fielen alle drei ihren Pferden in die Zügel. Er warf Tom einen flüchtigen Blick zu. Dann sagte er zum Sheriff: »Wir sind es jetzt leid, Bickford!«
»Die Siedler haben die Stadt verlassen«, erwiderte der Sheriff säuerlich. »Geben Sie sich damit zufrieden, Mister Lyman.«
Diese Worte machten auf Mister Lyman wenig Eindruck. Er lachte rau auf.
»Die Siedler haben einen Texaner angegriffen und niedergeschlagen. Wer war das? Wir werden uns den Jungen ansehen und dann den Yanks da draußen das Fell über die Ohren ziehen.«
Bickford zog hörbar die Luft ein.
»Wer hat Ridchard aufgehängt, Lyman? Sagen Sie mir das!«
Lyman nickte fuchtig.
»So habe ich mir das vorgestellt. Ein Pferdedieb wurde gehängt, und die Yanks nehmen das zum Anlass, um alles zu verprügeln, was texanischen Slang spricht. Das ist eine böse Sache, Sheriff. Wir sind der Ansicht, dass Sie etwas tun sollten.«
»Well«, erwiderte der Sheriff grimmigen Tones. »Ich werde etwas unternehmen. Ich werde die Leute festsetzen, die diesen Texaner verprügelten. Ich werde mir aber auch die Burschen greifen, die Ridchard einfach aufgehängt haben. Er soll Ihre Pferde gestohlen haben, wie ich hörte. Also werde ich wohl die Leute auch auf Ihrer Ranch finden, Lyman, die Selbstjustiz geübt haben.«
»Bei Pferdediebstahl ist das so der Brauch«, sagte Lyman rau.
»Vor allem, wenn der Pferdedieb ein Yank ist«, warf Lookwood ein und lachte hämisch.
Bickford stemmte die Arme ein. Er sah Lookwood scharf an.
»Sie kommen doch selbst aus dem Norden.«
Lookwood nickte mit ernstem Gesicht.
»Ich komme aus dem Norden, und im Krieg habe ich für den Norden und gegen die Sklavenhalter gekämpft. Doch der Krieg ist vorbei. Ich kann es nicht leiden, wenn der Starke einen Schwachen tritt.« Er blickte Tom finster an. »Du hast doch diese Veteranen hier mit angesiedelt. Ihr hättet diesen Leuten, bevor ihr sie aus der Armee entlassen habt, sagen sollen, dass der Krieg zu Ende ist.«
»Ich bin gerade erst angekommen«, erwiderte Tom ruhig. »Deshalb kenne ich die Verhältnisse hier noch zu wenig.«
Lookwood lachte heiser auf.
»Du hättest gar nicht kommen sollen, Sullivan. Vollkommen überflüssig. Wir werden dieses Pack aus dem Norden einfach davonjagen. Dann ist es nicht mehr notwendig, dass du dich um die Verhältnisse hier am Pecos River kümmerst.«
Tom schwieg. Bickford aber sagte: »Ich hoffe, Lyman, Sie vertreten eine andere Ansicht als Ihre Männer.«
»Kaum«, erwiderte Lyman und lächelte dünn.
Bickford nickte fuchtig.
»Ich habe die Siedler aus der Stadt geschickt. Sie werden gleichfalls wieder abreiten.«
»Well«, erwiderte Lyman bissig. »Wir werden die Stadt wieder verlassen. Doch in einer anderen Richtung, als wir gekommen sind.«
Bickford lachte.
»Die Siedler bringen bequem hundert Mann auf die Beine. Die haben einen Selbstschutz eingerichtet. Wie wollen Sie das schaffen, Lyman?«
»Das sind meine Sorgen«, stieß Lyman gepresst hervor.
»Sie irren«, sagte Bickford eisigen Tones. »Ich bin hier Sheriff. Die Sorgen über Ruhe und Frieden habe ich mir zu machen.«
»Wir werden uns den Jungen ansehen, der von den Siedlern niedergeschlagen wurde.«
»Es ist ein Cowboy von der Star«, erwiderte der Sheriff kühl.
»Trotzdem«, sagte Lyman beharrlich. »Dann sehen Sie eben in mir jetzt den Boss der Ranchervereinigung. Es ist von allgemeinem Interesse, wer da von unseren Leuten zusammengeschlagen wurde.«
Bickford hob die Hand.
»Lyman«, sagte er beinahe sanft und irgendwie beschwörend. »Sie kennen meinen Standpunkt. Reiten Sie zurück! Ersparen Sie mir den Ärger. Sie wissen doch, wie ich über die Dinge denke.«
Lyman zögerte mit der Antwort. Dann sagte er kalt: »Über Ihren Standpunkt bin ich mir nicht mehr ganz klar. Warum haben Sie die Leute nicht gleich festgesetzt, die den Star-Jungen niederschlugen?«
»Ich wusste, dass Sie mit Ihrer Mannschaft auf dem Weg in die Stadt waren«, sagte der Sheriff. »Es wäre unweigerlich zum Kampf gekommen. Ich musste zuerst dafür sorgen, dass die Siedler die Stadt verlassen. Die Leute hole ich mir.«
»Wir wären einem Kampf nicht ausgewichen«, erwiderte Lyman knurrig.
Der Sheriff nickte.
»Das weiß ich. Doch Sie hätten mit Ihren Leuten schlecht ausgesehen. An Ihrer Stelle wäre ich damit zufrieden, dass die Siedler geritten sind. Callahan hatte zwanzig Männer bei sich, die vor wenigen Monaten noch drüben in Fort Stockton Dienst getan haben. Sie verstehen ihr Handwerk noch.«
»Sie verstehen nicht nur ihr Handwerk, diese hergelaufenen Yanks«, sagte Lyman gehässig. »Sie legen es auch darauf an, ihr Kriegshandwerk zu gebrauchen. Die Yanks wollen den Kampf, Bickford. Aber wir werden uns wehren. Denken Sie nur nicht, dass wir vor diesen hergelaufenen Taugenichtsen kuschen werden, Sheriff. Die Regierung ist weit. Wir werden uns zur Wehr setzen.«
Bickford nickte. »Das ist richtig. Aber gehen Sie nicht davon aus, dass der Angriff die beste Verteidigung ist. Es wäre ein Fehler.«
»Es muss etwas daran sein«, sagte Lyman darauf spöttisch. »Die preußischen Regimenter der Nordstaaten unter ihrem General Schurz haben im Krieg danach gehandelt. Der Krieg wurde von den Nordstaaten gewonnen. Also muss etwas dran sein.«
Bickford schnaufte hörbar.
»Ist in diesem Narrenland wirklich kein Vernünftiger mehr zu finden?«, schrie er.
»Warum sagen Sie das gerade mir, Bickford?«, begehrte Lyman auf. Dann trieb er seine zierliche Fuchsstute an. »Wir werden uns den Star-Jungen ansehen.« Brown und Lookwood folgten ihm.
Der Sheriff stieß einen verhaltenen Fluch hervor.
»Ich stehe allein gegen eine Bande von Narren, Tom. Sie sind zur rechten Zeit aufgetaucht. Wenn ich ein General wäre, würde ich Fulton jetzt einen Orden verleihen. Dass er Sie rief, war die beste Idee, die er je hatte.«
Um Toms Mundwinkel zuckte es. Doch nur ganz kurz. Er schaute den drei Reitern nach.
»Wie lange sind Brown und Lookwood schon im County?«
Der Sheriff zuckte mit den Schultern.
»Ich habe sie in der vergangenen Woche zum ersten Male gesehen. Aber ich kann es den Ranchern nicht einmal verübeln. Die Siedler sind hundert Männer. Die großen Ranches bekommen nicht einmal die Hälfte davon in die Sättel. Ist es da ein Wunder, dass sie auf solche Burschen wie Brown und Lookwood zurückgreifen?«
»Wer hat die Sache hier begonnen?«, fragte Tom.
Bickford lachte. Hart und grimmig.