Winston (Band 7) - Samtpfoten auf Phantomjagd - Frauke Scheunemann - E-Book

Winston (Band 7) - Samtpfoten auf Phantomjagd E-Book

Frauke Scheunemann

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Beschreibung

Alleinerziehender Kater! Das ist Winstons neuer Job, seitdem Odette ihn mit den Katzenkindern sitzengelassen hat. Nichts mehr mit Meisterdetektiv oder Superagent! Doch gerade, als Winston vor lauter Langweile fast einschläft, passieren unheimliche Dinge. Erst verschwindet Werners Auto, dann Babuschkas Handtasche und schließlich hinterlässt jemand einen Drohbrief in der Wohnung. Gezeichnet: Das Phantom! Der Fall ist klar - das beste Detektivduo aller Zeiten muss wieder ermitteln! Kira und Winston machen sich sofort an die Arbeit ... Spannende und witzige Detektiv-Geschichten für Jungs und Mädchen! Die beliebte Kinderbuch-Reihe rund um die Freundschaft und Abenteuer von Kira und ihrem Kater Winston. Die Winston-Reihe stammt von Bestsellerautorin Frauke Scheunemann, bekannt durch die Dackelblick-Bücher, und wurde mit dem Katzen-Krimi-Preis 2013 ausgezeichnet.

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Seitenzahl: 203

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Inhalt

Ein Auto verschwindet

Eine Tasche verschwindet

Ein Plan wird geschmiedet

Noch mehr Zettel, noch mehr Fragen

Die Polizei, dein Freund und Helfer

Die Jagd geht weiter – natürlich ohne Kätzchen.

Eine furchtbare Sache

Ein neuer Plan wird geschmiedet

Von fetten Forellen, feigen Freunden und neuen Bekannten

Gestatten: Raggety Rattaton, Rattenchef!

ÖKNV: Öffentlicher Katzen-Nahverkehr

HI! HI! HILFE!

Zeugenbefragung

Kleine Freunde – große Hilfe

Alten Bekannten mal richtig auf den Zahn gefühlt!

Das Phantom macht munter weiter …

Die Supernase

Die Spur ist heiß!

Dem Phantom ganz dicht auf der Spur!

Im Katzenhimmel!

Dank

Alle Bände von »WINSTON«

Über die Autorin

Weitere Infos

Impressum

Ein Auto verschwindet

Dieser ständige Schlafmangel wird mich noch umbringen! Als ausgewachsener Kater brauche ich meine sechzehn Stunden Schlaf – mindestens! Seit ich aber mit zwei kleinen Kätzchen zusammenlebe, bekomme ich davon höchstens noch die Hälfte. Ständig wollen Max und Minu mit mir spielen oder mit mir die Welt erkunden. Ob ich selbst gerade ein wohlverdientes Nickerchen halte, ist ihnen dabei völlig wurscht. Ergebnis: Ich bin mittlerweile nur noch ein Schatten meiner selbst. Und ich kann mich über die beiden nicht mal richtig aufregen, weil es sich dabei um Sohnemann und Töchterchen handelt und diese selbstredend die entzückendsten Katzenkinder der Welt sind. Nur eben leider sehr umtriebig und verspielt, gähn!

Gerade jetzt sollte ich also die Gunst der Stunde nutzen und ein Nickerchen machen, denn Professor Werner Hagedorn, der Mensch, mit dem ich schon seit Jahren zusammenlebe, ist mit Minu und Max in Richtung Tierarzt verschwunden. Die beiden werden geimpft und ich habe mindestens eine Stunde meine Ruhe – herrlich! Ich taumle den Wohnungsflur entlang und bin so erschöpft, dass ich kaum noch geradeaus gucken kann. Jetzt schnell aufs Sofa, oder vielleicht besser in Kiras Bett? Noch bevor ich überlegt habe, wo ich mich hinlegen möchte, fliegt die Haustür wieder auf und fegt mich von den Pfoten. AUA und miau! Was soll das denn?

»Anna! Hast du vielleicht den Wagen umgeparkt?« Werner steht wieder im Flur, die Transportbox mit Max und Minu unter dem Arm. Anna, seine Frau und Kiras Mutter, kommt vom Wohnzimmer zur Haustür und guckt erstaunt.

»Nein, wieso? Ich bin den Wagen schon seit zwei Tagen nicht mehr gefahren.«

Werner schüttelt den Kopf.

»Mann, wo habe ich den denn hingestellt? Ich war mir sicher, dass ich ihn direkt vor Sandros Laden geparkt habe, aber da steht er nicht mehr. Verdammt, ich werde anscheinend alt!«

Er stellt die Box mit den Kätzchen auf den Fußboden und fährt sich mit beiden Händen durch seine vollen grauen Haare. Okay, Werner ist zwar deutlich älter als Anna, aber ich finde, dass er für einen Menschen noch sehr gut in Schuss ist. Er lahmt nicht, er kommt noch überall gut hin und Fell verliert er auch nicht – da gibt es also gar nichts zu meckern.

»Ich war bei Sandro«, überlegt Werner jetzt laut, »da habe ich Schinken und Käse gekauft … und ich meine, ich wäre von dort zu Fuß nach Hause gelaufen. Oder doch nicht?«

Sandros kleines Feinkostgeschäft, in dem man auch etwas essen kann, ist wirklich direkt um die Ecke unserer Wohnung. Wenn Werner dort einen Parkplatz gefunden hat, würde es wirklich gar keinen Sinn machen, noch mal einen neuen Parkplatz zu suchen. Denn die sind in diesem Teil Hamburgs Mangelware und die Menschen beklagen oft und gern, wie lange sie nach so einem seltenen Exemplar suchen mussten. Meiner Meinung nach wäre viel geholfen, wenn sich die Zweibeiner wie jede gute Katze einfach mehr auf ihre eigenen Pfoten – pardon: Füße! – verlassen würden, aber wen interessiert schon, was ein kleiner Kater darüber denkt?

»Frag doch Sandro, ob er dich hat davonfahren sehen«, schlägt Anna vor und das ist eine sehr gute Idee. Sandro ist nämlich ein Freund der Familie und bestimmt hat Werner seine Telefonnummer. Wir haben Sandro sogar schon einmal vor einem miesen Erpresser gerettet, der damit drohte, seine Gäste zu vergiften. Wir – das sind in diesem Fall Kira und ich. Wir sind nämlich ein Eins-a-Spitzen-Detektivteam und haben schon vielen Verbrechern das Handwerk gelegt. Kira ist vor einigen Jahren mit ihrer Mutter Anna bei Werner und mir eingezogen, weil Anna als Haushälterin bei Werner angefangen hat. Zuerst fand ich die Vorstellung, mit einem Menschenkind zusammenzuleben, furchtbar. Aber mit der Zeit ist Kira meine beste Freundin geworden und wir haben unseren ersten Kriminalfall gelöst. Damals war nämlich Anna von Vadim, ihrem Exfreund, bedroht worden, der ihr nicht verzeihen konnte, dass sie lieber mit Werner als mit ihm zusammen sein wollte. Also – das ist jetzt die Abkürzung, aber darauf lief es hinaus. Zu unserem Team gehören außerdem noch Kiras Freunde Pauli und Tom und meine Hofkatzenfreunde Spike, Karamell und Odette. Letztere ist übrigens die Mutter meiner Kinder Minu und Max, aber weil Odette sich nur ein Leben in Freiheit und ohne menschliche Mitbewohner vorstellen kann, bin ich gewissermaßen alleinerziehender Kater. Und bei meinem Kratzbaum: Das ist oft gar nicht so einfach – siehe mein wirklich ausgeprägter Schlafmangel!

Werner telefoniert mit seinem Handy. Ich kann nicht verstehen, was er sagt, aber an seinem Gesichtsausdruck lese ich ab, dass auch Sandro nicht weiß, was Werner mit seinem Auto gemacht hat. Als das Gespräch beendet ist, ist Werner völlig fassungslos.

»Das muss man sich mal vorstellen: Sandro ist sich sicher, dass mein Auto gestern Vormittag noch vor seinem Laden stand. Heute Morgen war es dann nicht mehr da. Er ist davon ausgegangen, dass ich es gestern Abend weggefahren habe. Aber das habe ich nicht! Verdammt – es muss geklaut worden sein!«

Anna schüttelt den Kopf.

»Aber wer stiehlt denn einen alten Ford? Die Karre war doch so gut wie nichts mehr wert«, meint sie dann.

»Wie redest du denn über mein Auto? Es hat mir viele Jahre lang treue Dienste geleistet! Und dir übrigens auch!« Ups, stimmt! Mein Herrchen liebt sein Auto heiß und innig, nie würde er es gegen ein anderes, neueres Modell eintauschen. Solange es noch fährt jedenfalls. Anna muss grinsen.

»Ja, mein Schatz. Das weiß ich – aber der gemeine Autodieb doch nicht! Der sucht doch eher ein Auto, das er für viel Geld weiterverkaufen kann.«

Werner zuckt mit den Schultern.

»Tja, mag sein. Fakt ist aber: Das Auto ist weg. Dann rufe ich jetzt besser die Polizei an.«

Ein lautes Maunzen aus der Box erinnert Werner daran, dass es noch etwas anderes gibt, was er dringend erledigen sollte. Er lacht und bückt sich.

»Jaaa, ihr habt ja recht! Euch hätte ich fast vergessen. Kommt raus, mit dem Tierarzt wird es heute wohl nichts mehr.«

Er öffnet das kleine Gitter in der Box. Minu und Max kommen regelrecht herausgeschossen und flitzen aufgeregt im Wohnungsflur herum.

»Kinder, beruhigt euch!«, mahne ich sie mit strenger Stimme.

»Aber Papa! Wir waren die ganze Zeit in dieser scheußlichen Box eingesperrt!«, miaut Minu empört. »Wir müssen uns jetzt erst mal bewegen, damit wir nicht einrosten!« Die junge schwarze Katzendame schaut mich vorwurfsvoll aus ihren großen Augen an und ich merke, dass ich ihr nicht mehr böse sein kann. Heilige Ölsardine, mein Fräulein Tochter wickelt mich einfach jedes Mal um die Pfote!

Auch ihr Bruder kommt angetrabt. Er hat das seidige, weiche Fell seiner Mutter Odette geerbt und auch ihre tiefschwarzen Augen. Es ist schon lustig: Während ich ein schwarzer Kater bin und Odette eine weiße Katze ist, verhält es sich bei unseren Kindern genau umgekehrt. Wunderhübsch sind sie natürlich allesamt. Kira hätte am liebsten den ganzen Wurf behalten. Aber das war mit Babuschka, ihrer energischen russischen Großmutter, nicht zu machen. Und da Babuschka auch bei uns wohnt und der heimliche Chef der Familie Hagedorn ist, gab’s da überhaupt keine Diskussion. Zuerst war ich sehr traurig, als die Kleinen einer nach dem anderen auszogen, aber mittlerweile muss ich sagen: Zwei Kinder reichen mir vollkommen!

»Hagedorn hier! Ich möchte einen Autodiebstahl melden.« Werner hat mittlerweile die Polizei erreicht. »Ja, geparkt hatte ich ihn vorgestern vor dem kleinen Bistro am Hallerplatz, als ich heute dorthin kam, war der Wagen verschwunden. Ein dunkelblauer Ford Mondeo, ein Kombi. Amtliches Kennzeichen HH-KT 1234.«

Dann brummt er noch ein paarmal Hm, hm und Ah, ja und legt schließlich wieder auf.

»Anna, ich fahr jetzt mal zur Polizeiwache und gebe die Anzeige schriftlich auf. Kannst du bei Frau Dr.Wilmes anrufen und sagen, dass ich es heute nicht mehr mit den Kätzchen zu ihr schaffe?«

Anna lächelt.

»Natürlich. Viel Erfolg bei der Polizei.«

Endlich ist Ruhe eingekehrt! Minu und Max haben sich in ihrem Katzenkörbchen, das in Kiras Zimmer steht, aneinandergekuschelt und schlafen friedlich, Anna sitzt in ihrem Büro und bereitet sich auf ihre nächste Schulstunde vor – sie ist nämlich Refre… Refe… Refari… also so eine Art Nachwuchslehrerin für Musik und lernt gerade, wie man die Kinder in der Schule unterrichtet. Babuschka besucht eine Freundin und Kira ist noch in der Schule. Herrlich! Dann werde ich jetzt mal ein wenig Nachtschlaf auf meinem absoluten Lieblingsplatz nachholen, dem sonnigen Plätzchen auf dem Sofa im Wohnzimmer.

Ich habe gerade die optimale Position für mein Nickerchen ausgemacht und auf genau dem Sofakissen Platz genommen, das von der Sonne schon vorgewärmt ist, da rumpelt es schon wieder an der Haustür. Ach du liebes Katzenklo! Wer kommt denn jetzt schon wieder? Hoffentlich nur der Postbote, der ein Paket abgeben will und dann schnell wieder verschwindet.

Das Rumpeln wird lauter, die Tür wird geöffnet und dann kommt noch ein Fluchen hinzu. Mist! Es ist schon wieder Werner! Warum ist der denn so schnell zu Hause?

»Anna!«, ruft er laut. »Anna, stell dir vor, was passiert ist!« Kurz darauf steht Werner auch schon im Wohnzimmer und lässt sich mit einem lauten Seufzen direkt neben mich auf das Sofa fallen. Durch sein Gewicht fliege ich regelrecht von meinem Kissen und finde mich auf dem Fußboden wieder. Aua! Geht’s noch?!

Anna kommt aus ihrem Büro und setzt sich neben Werner, und zwar genau auf MEINEN Platz! Also den, von dem ich eben runtergeflogen bin. Sauerei! Jetzt macht sie sogar noch ein Geräusch, das wie tschtsch klingt, und stößt mich mit ihren Fußspitzen weiter vom Sofa weg. Also wirklich! Was ich, der gebildete, edle Hauskater Winston Churchill mir hier alles bieten lassen muss, ist unter aller Kanone!

Ich fauche sie beleidigt an und würde am liebsten hocherhobenen Hauptes das Wohnzimmer verlassen – dafür bin ich dann allerdings doch zu neugierig, denn ich möchte natürlich unbedingt wissen, was genau Werner denn so Aufsehenerregendes passiert ist. Also lege ich mich neben das Sofa, und zwar auf das zugegebenermaßen auch recht flauschige, sonnenbeschienene Stück Teppich, das unter dem Sofa hervorragt.

»Was ist denn nun so Unglaubliches passiert?«, will Anna wissen. »Stand das Auto doch vor dem Bistro und Sandro hatte Tomaten auf den Augen?«

Werner schüttelt den Kopf.

»Nein, nicht Sandro hat Tomaten auf den Augen, sondern ich offenbar Honig im Kopf.«

Soweit ich das von meinem neuen Platz aus beurteilen kann, hebt Anna jetzt die Augenbrauen – bei Menschen ein untrügliches Zeichen für Zweifel. Als Nächstes wird sie noch die Stirn in Falten legen und den Mund verziehen. Es ist schon toll, was Menschen so alles mit ihrem Gesicht anstellen können! Ich meine – ich kann fauchen, schnurren und auch in den unterschiedlichsten Lautstärken maunzen, aber einzelne Partien meines Gesichts bewegen, das kann ich nicht. Es wäre aber auch sinnlos, denn wegen des vielen Fells könnte man wahrscheinlich gar nicht sehen, wenn ich meine Stirn in Falten legen würde. Die einzige Ausnahme bilden meine Augen. Wenn ich sehr, seeehr böse bin, kann ich sie fast zu Schlitzen zusammenkneifen!

Auch Werner hat offenbar gesehen, was Anna mit ihrem Gesicht gemacht hat. Er räuspert sich und setzt zu einer Erklärung an.

»Ja, also wirklich, Liebling – Honig im Kopf! Also totale Mattscheibe, verstehst du? Als ich eben auf dem Polizeirevier war und alles angezeigt habe, haben die gleich eine Suchmeldung an alle Streifenwagen rausgegeben. Und während ich mir noch das Protokoll durchlese, um es dann zu unterschreiben, hatten sie ihn schon gefunden.«

Anna pfeift anerkennend.

»Wen gefunden? Den Dieb? Respekt! Die deutsche Polizei ist auf Zack!«

»Nein, nicht doch! Sie haben mein Auto gefunden. Es stand genau eine Straße weiter. Also nicht vor Sandros Bistro, sondern vor der Reinigung, in der Babuschka immer meine Hemden abgibt. Ich muss es dort geparkt und dann vergessen haben. Unglaublich, aber wahr! Ich werde also langsam vergesslich.«

Er schüttelt den Kopf und sieht dabei sehr betrübt aus. Anna betrachtet ihn eingehend.

»Soso. Honig im Kopf nennst du das also. Aber du warst dir doch ganz sicher, dass du den Wagen vor Sandros Laden abgestellt hast. Und vor allem: Sandro war sich auch ganz sicher. Hat der jetzt auch Honig im Kopf?«

Werner zuckt mit den Schultern.

»Tja, was soll ich dazu sagen? Ich kann es mir ja selbst nicht erklären. Auf alle Fälle ist das Auto wieder da, und nachdem es sich nicht selbst umgeparkt haben wird, muss ich es dort abgestellt und vergessen haben. Die Polizisten waren jedenfalls ganz verständnisvoll und meinten, das würde häufiger mal vorkommen.«

»Ja, vielleicht bei einem alten Mann! Aber du bist doch nicht alt, mein Bester! Ich finde das sehr komisch – irgendwas stimmt doch da nicht!«

Werner lacht. Fröhlich klingt es nicht.

»Lieb, dass du das sagst, Schatz. Aber ich fürchte, man merkt langsam doch, dass ich keine zwanzig mehr bin. Vielleicht hättest du dich besser in einen jüngeren Mann verlieben sollen.«

Nun lächelt Anna ein sehr warmes Lächeln und nimmt Werners Hand in ihre.

»Werner, daragoj, mein Liebling! Ich hätte keinen besseren Mann finden können als dich! Sag so etwas nie wieder!«

Heilige Ölsardine – das finde ich allerdings auch! Mein Werner ist Spitzenklasse! Und ich kann als gestandener Hauskater nur sagen: Annas Exfreund war zwar jünger als mein allerliebster Dosenöffner Werner, aber ansonsten ein Vollpfosten und ein Schwerverbrecher noch dazu. Ich bin sehr froh, dass wir den losgeworden sind und ich ihn höchstpersönlich ins Gefängnis gebracht habe. Übrigens mithilfe von Werner. Also Honig hin, Honig her – wenn das Auto nicht mehr dort stand, wo Werner es seiner Meinung nach geparkt hat, dann steckt etwas anderes hinter der Sache! Ich kann spüren, wie sich die kurzen Härchen an meinem Schwanz langsam aufrichten … und das ist nun wirklich ein untrügliches Zeichen dafür, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht!

Eine Tasche verschwindet

»Das gibt es doch nicht! Wo zur Hölle ist meine Handtasche? Ich hatte sie doch in diesen Schrank gelegt!« Babuschka läuft durch die Wohnung und flucht auf Russisch vor sich hin. Sie scheint etwas zu suchen. Bloß was? Sie murmelt so in ihren nicht vorhandenen Bart, dass ich sie kaum verstehen kann. Ansonsten ist mein Russisch allerdings vorzüglich. Überrascht? Nun, ich kann es erklären. Tatsächlich haben Kira und ich zu Beginn unseres Zusammenlebens für einige Zeit den Körper getauscht, als uns mitten in einem Gewitter der Blitz getroffen hat. Also musste ich im Körper eines Menschenmädchens in die Schule gehen und Kira als Winston Lebenserfahrungen als Kater sammeln. Dem Katzengott sei Dank gelang es uns wieder zurückzutauschen. Aber aus dieser Zeit habe ich ein paar erstaunliche Fähigkeiten behalten: Ich kann lesen. Ich kann rechnen. Und: Ich verstehe Russisch, Annas und Babuschkas Muttersprache.

Babuschka (Laut): »Wo ist meine Handtasche?!«

Aha! Babuschka sucht ihre Handtasche. Na gut. Das passiert hier jeden zweiten Tag und ist eigentlich gar kein Grund, so einen Lärm zu machen. Immerhin schlafen alle anderen Zweibeiner noch, und zwei Drittel der Vierbeiner – nämlich Minu und Max – auch noch. Es könnte also himmlische Ruhe herrschen, wenn nicht gerade eine russische Großmutter lautstark durch die Wohnung poltern würde. Heilige Ölsardine! Geht das nicht leiser?

Werner kommt aus dem Schlafzimmer gestolpert.

»Dimitra, was machst du denn hier für einen Radau?«

Babuschka mustert Werner, der mit seinen wuscheligen Haaren und dem zerknitterten Pyjama tatsächlich etwas verwildert aussieht.

»Gutan Morgan, Werner! Suche ich mein Handtaschä! Bin ich mir gaaanz sichar, dass ich habe gelegt auf Kommode in Flur. Aber ist nicht da!«

»Ach, du suchst dein Massengrab? Das große graue?«

Massengrab – so nennt Werner immer Babuschkas Handtasche, wenn er sie ärgern will. Ich habe zwar noch nie richtig verstanden, was eine Handtasche mit einer letzten Ruhestätte auf dem Friedhof zu tun hat, aber offenbar ist das unter Menschen ein guter Witz, denn wann immer ein anderer Zweibeiner das mitbekommt, lacht er darüber. Und auch Werner lacht nun über seinen eigenen Witz, sehr zu Babuschkas Unmut, die ihn mit zusammengekniffenen Augen mustert.

»Ja schön, dass hast du gute Launä! Ich suchä schon seit ein Stunde mein Handtaschä. Ist sähr viel Geld in Handtaschä! Bestimmt dreihundert Euro.«

Sie schnaubt wütend, schiebt Werner mit einer hektischen Handbewegung zur Seite und läuft wieder in die Küche. Dort hören wir sie herumrumoren und laut russische Schimpfwörter rufen. Werner schüttelt den Kopf.

»Mann, Mann, Mann, hier herrscht ja schon ganz schlechte Stimmung am Sonntagmorgen!«

Er geht in die Hocke und streicht mir über den Kopf.

»Frauen und ihre Handtaschen! Sei froh, dass deine Odette eine Katze ist und nicht ständig ihr Zeugs mit sich rumschleppen will! Dann würde sie die Tasche nämlich auch andauernd suchen.«

Maunz! Deine Odette. Da schmerzt mein kleines Katerherz. Denn Odette ist ja gar nicht mehr meine Odette. Als die Kinder noch klein waren, hat sie es uns zuliebe eine Zeit lang mit einem Leben als Wohnungskatze versucht. Aber ihr Freiheitsdrang ist einfach zu groß. Und kaum waren die Kätzchen aus dem Haus beziehungsweise groß genug, hat uns Odette verlassen. Jetzt lebt sie wieder draußen bei den anderen Hofkatzen. Zusammen mit ihren Kumpels Spike und Karamell bildet sie in der Ecke hinter den Mülltonnen gewissermaßen eine WG, eine Katzen-Wohngemeinschaft. Früher war ich dort oft zu Besuch, aber mittlerweile lasse ich mich nur noch selten in unserem Hinterhof blicken. Ich muss gestehen, dass mir Odettes Anblick immer noch einen Stich versetzt. Zu sehr hatte ich gehofft, dass sie dauerhaft mit mir, Minu und Max in der Wohnung von Werner, Anna und Kira leben würde. Außerdem halten mich unsere Kids auch ganz schön auf Trab, wenn sie wach sind. So eine Kätzchenerziehung ist echt anspruchsvoll, da habe ich nicht mehr viel Zeit für andere Sachen!

Anna kommt aus dem Badezimmer geschlendert. Anscheinend hat sie Werners Bemerkung über Frauen und Handtaschen gehört. Denn nun kniet sie sich neben ihn und zieht ihn am Ohr. Sanft zwar, aber mit Nachdruck.

»Soso, Frauen suchen also immer Handtaschen? Na, besser als Männer, die immer ihr Auto suchen, oder?« Sie lacht und steht wieder auf. »Im Ernst, Werner – erzähle Winston nicht so einen Unsinn, nachher glaubt er dir noch. Hol lieber Brötchen, ich decke schon mal den Frühstückstisch. Und du, Winston, erkläre Minu und Max bitte noch einmal, wofür das Katzenklo da ist. Ich glaube, die beiden haben das noch nicht so ganz verstanden.«

Heilige Ölsardine – haben die beiden etwa schon wieder auf den Badezimmervorleger gepinkelt? Tatsächlich geht Anna noch mal ins Badezimmer zurück und kommt kurz darauf mit dem flauschigen Vorleger wieder, um ihn mir unter die Nase zu halten. Oh nein! Er ist tatsächlich nass und riecht nach … na ja, wie es eben so riecht, wenn kleine Katzen ihn als Katzenklo missbrauchen. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Ich sause zu Kiras Zimmertür, die einen schmalen Spalt offen steht. ZUSCH!, bin ich hindurchgeschlüpft und stehe zwei Sekunden später vor dem Katzenkörbchen.

»Minu und Max, sofort wach werden, ihr beiden Schlafmützen!«, schimpfe ich los und baue mich mit all meiner väterlichen Autorität vor ihrem Körbchen auf. Die beiden rekeln sich und blinzeln zu mir hoch.

»Morgen, Paps«, gähnt Minu, »warum bist du denn so laut?«

»Ganz einfach – kann es sein, dass ihr wieder auf den kleinen Teppich im Badezimmer gepinkelt habt? Obwohl ich euch schon hundert Mal erklärt habe, dass ihr gefälligst das Katzenklo benutzen sollt?«

»Ja also …«, beginnt Max, aber ich schneide ihm sofort das Wort ab.

»Mein lieber Sohn – es gibt für dieses schändliche Verhalten überhaupt keine Entschuldigung! Denn ich habe es euch nicht nur erklärt, sondern sogar auch gezeigt! Es ist doch ganz einfach, selbst für kleine Katzen! Ihr setzt euch entweder in die Plastikwanne mit dem Katzenstreu auf der Loggia oder in die Wanne in der Nische vor dem Abstellraum und da könnt ihr dann alles machen, was auch kleine Königstiger machen.«

»Kleine Königstiger?« Minu schaut mich verwundert an.

»Na, euer Geschäft erledigen! So kann man das auch nennen«, erkläre ich ihr. »Der richtige Platz dafür ist nun mal die Katzentoilette und alles andere ist eindeutig pfui!«

Minu überlegt kurz, dann schüttelt sie den Kopf.

»Das stimmt gar nicht! Mama hat gesagt, man kann sich einfach ein ruhiges, gemütliches Plätzchen suchen, an dem man nicht gestört wird. Und da darf man dann hinmachen. Der Badezimmerteppich ist so ein Ort. Schließlich gehen die Zweibeiner da auch hin!«

Bei meinen Schnurrhaaren! Da platzt mir doch gleich das Flohhalsband! Was für ein dummes Gör! Und was für eine Unverschämtheit von Odette! Natürlich besuchen Minu und Max ihre Mutter regelmäßig und das finde ich an sich auch richtig. Aber wenn Odette diese Besuche nun dazu nutzt, aus unseren Kleinen regelrechte Wildkatzen zu machen, dann sage ich entschieden: »Maunz und miau, das geht zu weit!«

Kurz entschlossen packe ich meine Tochter im Nacken und trage sie in Richtung Katzenklo. Sie faucht empört, aber davon lasse ich mich nicht beeindrucken. Ich trabe über den Flur, an Babuschka vorbei, die immer noch jeden Winkel der Wohnung nach ihrer Handtasche durchsucht, und in die Küche, wo Anna gerade den Tisch deckt. Vor der Balkontür, die zu unserer großen, überdachten Loggia führt, bleibe ich stehen. Dann bugsiere ich Minu durch die Katzenklappe, die Werner dort installiert hat, und schlüpfe selbst hinterher. Draußen angekommen, baue ich mich vor meiner Tochter auf und gucke möglichst streng.

»So, meine Liebe – dort unter dem Tisch, in absolut windgeschützter Lage, steht eine sehr schöne Katzentoilette. Babuschka und Kira reinigen sie täglich und streuen sie neu ein. Sie riecht immer vorzüglich und niemand kann dich dabei beobachten, wenn du sie benutzt. Mit anderen Worten: Sie ist perfekt! Und deswegen bestehe ich darauf, dass ihr sie auch benutzt. Wir sind gepflegte, gebildete Wohnungskatzen in einem Professorenhaushalt, keine wilden Streuner!«

»Aber Papa, ich …«

»Nein. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Diskussion beendet.«

Dann drehe ich mich um und schlüpfe durch die Klappe wieder in die Wohnung. Dabei stolpere ich auf der anderen Seite fast über Max, der uns offenbar gefolgt ist.

»Für dich gilt übrigens das Gleiche wie für deine Schwester!«, fauche ich ihn an. »Ihr benutzt das Katzenklo. Basta!«

Ich maunze noch einmal energisch, dann lasse ich die beiden Kätzchen stehen und marschiere zurück in Kiras Zimmer. Nach diesem anstrengenden Erziehungsvortrag muss ich erst mal eine Runde mit meiner besten Menschenfreundin kuscheln. Ich hüpfe also ins Bett, in dem Kira immer noch friedlich schläft, und mogle mich unter die Bettdecke.

Offenbar bin ich aber nicht so unauffällig, wie ich dachte, denn jetzt beginnt Kira, sich zu bewegen. Ich habe sie geweckt.

»Winston!«, kichert sie verschlafen. »Was machst du denn da? Das kitzelt.«

Sie setzt sich im Bett auf, schlägt die Decke zurück und fischt mich aus der kleinen Kuhle, in die ich mich gerade hineingedrückt hatte. Dann legt sie mich rücklings auf ihren Schoß und krault mich am Bauch. Herrlich! Sofort fange ich an zu schnurren.

»Ja, das gefällt dir, oder?«

Bei meiner Lieblingsgeflügelpastete – natürlich gefällt mir das! Ich schnurre noch lauter, damit Kira bloß weiterkrault. Das macht sie auch ganz fleißig, und zwar genau an den Stellen, an denen es sich am besten anfühlt. Es ist eindeutig von Vorteil, wenn ein Zweibeiner seine Katze so gut kennt!

»Mann, ich bin echt froh, dass Wochenende ist«, erzählt Kira gut gelaunt. »Ich bin nachher noch mit Tom und Pauli verabredet, wir wollen eine Fahrradtour an die Alster machen und ein kleines Picknick. Wenn du magst, pack ich dich in meinen Korb und du kannst mitkommen und dir ein bisschen den Wind um die Öhrchen wehen lassen.«

Hm, ein in der Tat verlockendes Angebot! Park und Picknick, das klingt hervorragend und überhaupt hätte ich Lust, Pauli und Tom mal wiederzusehen. Die beiden gehen mit Kira in eine Klasse, sind ihre besten Freunde und überaus brauchbare Hobby-Detektive. In allen Fällen, die Kira und ich schon gemeinsam gelöst haben, waren sie eine große Hilfe.

Ich drehe mich also zu Kira um und maunze sie an. Als echte Winston-Kennerin weiß sie, dass dies ein glasklares »Ja« bedeutet.

»Na prima!«, freut sie sich. »Dann kann es ja nach dem Frühstück losgehen.«

Sie springt aus dem Bett und bindet sich ihre langen Haare zu einem Pferdeschwanz.